Also Ingame war es im alten Umbra so, dass der Schutz bemerkt und auch genau geortet werden konnte:
Ihre Gedanken, dass er wohl zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen sei, nahm er noch wahr und ein warmes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus.
Dann veränderte sich plötzlich die Situation. Sein Gegenüber schien in weite Ferne zu rücken, obwohl die junge Frau sich keinen Millimeter bewegte. Und obwohl er ihre Hand noch immer hielt, verspürte er unerwartet eine vollkommene Leere, so als hätte sie ihn hier zurückgelassen und wäre gegangen. Shadrach, dem das vollkommen surreal vorkam, wagte einen gedanklichen Vorstoß um festzustellen, was in dem Kopf der rothaarigen Schönheit vorging und prallte gegen eine unsichtbare Mauer.
Das Lächeln auf seinen Lippen verblasste und seine Augen verdunkelten sich gefährlich. Shade konzentrierte sich auf den Rumänen am Tresen, kontrollierte seine Aura, überprüfte, ob dieser irgendwelche Fähigkeiten zum Schutz des Rotschopfs anwendete, aber Iliescu hatte mit dieser Situation nichts zu tun. Die Mauer errichtete jemand anderes hier im Club. Ein leises Knurren stahl sich aus dem Rachen des Vampirs. Und auch, wenn die Intensität der Mauer bereits wieder nachließ, überprüfte er mit all seinen Sinnen die anwesenden Wachmänner und Angestellten.
Nachdem er bereits alle männlichen Gäste und Bediensteten binnen Sekundenbruchteilen einer Prüfung unterzogen hatte, stieß er auf die Aura der blonden Vampiress hinter der kleinen Bar und stutzte. Shadrachs tiefschwarze, eisige Augen richteten sich auf jene Frau und blickten ihr ohne jede sichtbare Gefühlsregung ins Gesicht. Ja, stellte er kalt fest, das war die Person, die versuchte, seine kleine Lady vor ihm abzuschirmen. Niemand durfte das. Und niemand, der das versuchte, würde es unbeschadet überstehen.
Der Russe senkte den Blick auf seine Hände, strich zärtlich über die weiche Haut seines Rotschopfs und atmete tief durch. Shade schloss seine Augen und konzentrierte auf die blonde Vampiress. Ihr Herzschlag war gleichmäßig, das Blut rauschte ruhig durch ihre Adern. Doch das würde sich binnen der nächsten Sekunden ändern. Der Russe verstärkte seine Aura und richtete sie vollkommen auf die blonde Bedienung mit den kurzen Haaren. Niemand stellte sich ungestraft zwischen die Frau an seinem Tisch und ihn. Niemand.
Und dort spürte die Schutzperson auch, dass sich dagegen aufgelehnt wurde:
Louisa nahm wahr, dass der Altvampir irritiert war und dann spürte sie, dass er in Sally-Annes Gedanken eindringen wollte, sie verstärkte ihre Fähigkeit und war froh, dass sie nicht von ihr abgelassen hatte. Seine Gedanken versuchten in die Sally einzudringen, wie Klauen, eisige Finger, die in ihren Kopf greifen wollten, doch Louisa konnte es verhindern, konnte die Barriere so stark machen, dass sie gegen den alten Vampir ankam.
Gleichzeitig aber spürte sie auch, als er sich schon wieder zurückzog, dass sich etwas in ihm veränderte. Er hatte nun Gewissheit und er sah sich prüfend um. In jede Richtung, sein Blick traf alle männlichen Vampire im Raum und kam ihr immer näher, streifte sie sogar in seiner Suche, doch beachtete sie erst nicht. Sie konnte nur hoffen, dass er es nicht ausmachen konnte, doch diese Hoffnung war irrational, denn schon im nächsten Moment traf sein Blick den ihren und sie wusste, dass er es wusste. Nichtssagend war sein Augenpaar auf sie gerichtet und doch spürte sie die Wut in ihm.
Louisas Herz schlug einige Takte schneller, sich noch immer auf die Barriere konzentrierend hielt sie einem Blick stand, doch ihr Herzschlag beschleunigte sich rapide, brachte sie innerlich zum Wanken, weil sie sich immer wieder ein Stück mehr auf sich selbst, sich und ihren Körper konzentrierte und dabei ihre Fähigkeit vernachlässigen musste. Es war wie ein Ziehen und Drücken, ein Geben und Nehmen. Sie fühlte wie ihr Puls anstieg und konnte sich nicht erklären, warum sie derart angespannt auf die Entdeckung reagierte. Dass sie darauf reagieren würde, war ihr zuvor schon klar gewesen, aber so?
Mit einem Mal aber erkannte sie, dass er sie manipulierte. Dass er etwas mit ihr anstellte, denn je weniger sie sich auf Sally konzentrieren konnte, desto stärker nahm sie all seine Aurenkraft wahr, die ihr fast die Luft zum Atmen nahm. Sie spürte die Hitze in ihr hochwallen, spürte wie ihr die Energie entzogen wurde. Sie musste den Schutz abbrechen, sie hatte keine Wahl, sie konnte es nicht einmal mehr bewusst entscheiden, sondern einfach nur noch tun. Louisa versuchte sich gegen den Vampir zu wehren, versuchte zu verstehen, was er mit ihr tat, um sich gegen ihn wehren zu können, doch sie schaffte es nicht.