[Phoenix|K?]: Abygail O. Phoolan

Hier findest Du alle menschlichen Charaktere, die nicht von Vampiren wissen. Erklärung der Abkürzungen: K = Konsortium | S = Syndikat | O = Syndikatsopfer | N = neutral | ? = der Charakter gehört der Gruppe nicht an, hält sich dort aber größtenteils auf.
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Abygail
Mensch
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Posts: 1-2x/Monat
Charname: Pauline Ember Jones
Pseudonym: Abygail Olympe Phoolan
Alter: 25 Jahre
Augen: tiefes dunkelblau
Haare: dunkelbraun, schulterlang, wellig
Größe: 173cm
Stadt: Phoenix
Rasse: Mensch
Klasse: unwissend
Beruf: Anwaltsgehilfin, Praktikantin, Edelhure, Mörderin
Fähigkeiten: 1. Wandlungsfähigkeit
2. Schauspielerei
Kleidung: kurzer, weit geschnittener, blutroter Rock, der sich bei jeder Bewegung den Konturen des Körpers anpasst, eischalfarbene Seidenbluse ohne Ärmel, leichter Kraten, tiefer V-Ausschnitt, silberne Kette mit kleinem Justiziaanhänger, schwarze schlichte Absatzschuhe mit Riemchen, Haare locker nach oben geklammert, einige Strähnen fallen heraus
Hauptchar: aBraXaS
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de
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[Phoenix|K?]: Abygail O. Phoolan

Beitragvon Abygail » 25.09.2016, 00:06

Nebencharakter von aBraXaS

Steckbrief

» Name, Alter, Rasse
» Einstellung
» Herkunft, Beruf/Finanzen
» Aussehen
» Eigenarten
» Bevorzugte Opfer
» Fähigkeiten/Stärken
» Schwächen
» Waffen
» Vorlieben
» Abneigungen
» Charakter
» Ziele
» Sonstiges
» Leben in Phoenix/Venedic



Name

"Normales" Leben
Pauline Ember Jones

Geboren und katholisch getauft wurde sie allerdings als: Mirjam Brown (so nennt sie sich allerdings nicht mehr).

Sie wurde "Mirjam" nach der Tochter des Amram und der Jokebed, Schwester von Moses und Aaron aus dem Stamm Levi aus der Bibel benannt (Buch Exodus 15,20f./Buch Numeri 12,1-15/u.a.) Sie hatte Moses Erstrangigkeit in Frage gestellt und wurde von Gott hart mit einer schrecklichen Krankheit gestraft, obwohl auch Aaron involviert war, er aber straflos davon kam).

Ihr Vater, der den Namen aussuchte, sah die ungewünschte Tochter als Last und fragte sich Zeit seines Lebens, warum Gott, an den er nahezu fanatisch glaubte, ihn so strafte. Ein Wink des Schicksals gab Abygail die Möglichkeit, ihren Namen ohne großes Aufsehen abzulegen und in bürgerlich Pauline Ember Jones zu ändern. Diesen Namen trug eine Freundin, die während der Internatszeit spurlos verschwand.

Zweitleben
Abygail Olympe Phoolan
Sie besitzt auch einen zweiten, gefälschten Pass mit diesem Namen.

Abygail:
Nach einer weiblichen Figur der Bibel mit Namen Abigail. Eine Frau, die sich selbst demütigte, um ihrem Mann den Hals zu retten, der schlussendlich dann durch Gottes Hand starb und sie die Frau Davids wurde. Eine der wenigen Frauen der Bibel, die überhaupt eine größere "Hauptrolle" spielen. Des weiteren gewählt, weil der Name "Freude des Vaters" bedeutet, was sich in einer eher paradoxen Art und Weise auf verschiedene Situationen spiegelt, die ihr "Zweitleben" ausmachen.

Abygail erfuhr von verschiedenen Mädchen im Internat, dass sie zur "Freude des Vaters" hergehalten hatten und als sie selbst einer solchen Näherung durch einen Geistlichen knapp entging, verdeutlichte das die Situation noch einmal, die zu dem führte, was heute ist. Des weiteren war ihr eigener Vater streng gläubig und zwar nach einer Art und Weise, die die Bibelauslegung wörtlich versteht. Er rezitierte aus der Bibel, zitierte von Gläubigen und glaubte an das, was er sagte - meist in menschenverachtender und unglaublich engstirniger Position, die sogar die pure Konservativität auf dem Land übertrifft.

So wird die Übersetzung "Freude des Vaters" für Abygail zur dreifachen Auslegung: Die Väter, die ihre Kinder schänden; die Priester, die es nicht besser handhaben; und ihr eigener Vater, der seine Tochter als Übel, nicht als Glück empfunden haben musste, frei nach dem Kirchenlehrer Thomas von Aquin aus dem 13. Jahrhundert: "Der wesentliche Wert der Frau liegt in ihrer Gebärfähigkeit und in ihrem hauswirtschaftlichen Nutzen." Es sei allerdings dazu gesagt, dass Abygail selbst keine sexuellen Misshandlungen erfahren hat - zum Glück.

Olympe:
Frei nach dem Namen Olympe de Gouges der eigentlich genannten Marie Gouze, die als Revolutionärin, Frauenrechtlerin und Schriftstellerin von Theaterstücken in der französischen Revolution die Verfassung nahm und sie so hingehend umschrieb, dass auch die Frauen dort einen Platz unter den Menschen- und Bürgerrechten fanden. Sie starb am 03. November 1793 auf dem Place de la Concorde, Frankreich durch die Guillotine, weil man ihr vorwarf, eine Revolutionsgegnerin zu sein, weil sie sich der eigentlichen Verfassung nicht angleichen wollte. Dabei behielt ihre Verfassung alles bei, nur wurden die Frauen in dieser eingearbeitet. Ganz nach ihrem Artikel Nr. 10: "Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen. Gleichermaßen muss ihr das Recht zugestanden werden, eine Rednertribüne zu besteigen."

Abygail ist nicht grundsätzlich feministisch veranlagt, was somit auch nicht der Grund ist, weswegen sie sich nach diesem Vorbild benannte. Allerdings ist sie der Meinung, dass die Kraft, die in jener Zeit in dieser und anderen Frauen aller Jahrhunderte gesteckt haben muss, in Vergessenheit gerät. Für sie ist es eine Ehrerbietung, eine Erinnerung, ein Lebendighalten der Dinge, die diese Frau - und andere - revolutionär durchstanden.

  • "Mann, bist du überhaupt imstande, gerecht zu sein? ... Kannst du mir sagen, wer dir die unumschränkte Macht verliehen hat, die Angehörigen unseres Geschlechts zu unterdrücken? ... Schau auf den Schöpfer in seiner Weisheit, (...) betrachte die Geschlechter in der Ordnung der Natur. ... Allein der Mann (...) will in diesem Jahrhundert der Aufklärung und des klaren Verstandes in durch nichts mehr zu rechtfertigender Unwissenheit despotisch über ein Geschlecht herrschen, das über alle geistigen Fähigkeiten verfügt. Er nimmt für sich in Anspruch, die Revolution für sich allein zu nutzen und seine Rechte auf Gleichheit einzufordern, um nur so viel zu sagen."

    (Marie Gouze/Olympe de Gouges ~ bearbeitete Fassung)
Phoolan:
Abermals ein weibliches Vorbild - oder eher eine Frau, die Abygail für ihre Stärke bewundert. Phoolan Devi war eine Frau der Gegenwart. Sie war Inderin, geboren 1963 in einer niederen Kaste, hinein in Armut. Sie war eine "Banditenkönigin", auch bekannt unter dem Namen "Phool Singh". Unglaubliche Schändungen musste sie überstehen, unmenschliche Gefangenschaften und Folterungen über sich ergehen lassen. Begonnen mit jungen 11 Jahren, als sie mit einem gewalttätigen Mann für die Bezahlung einer Kuh verheiratet worden war.

Er bekam schon bald genug von ihr und sie wurde von ihm, wie auch ihrer Familie verstoßen. Um die Schande wieder gut zu machen, empfahl ihre Familie ihr, sich selbst zu töten, so würde die Ehre dieser wieder hergestellt werden, doch sie folgte diesem "guten Ratschlag" nicht. Eine Entführung folgte, sowie weitere Erlebnisse durch verschiedene Begegnungen.

Gleichwohl aber hatte sie noch die Kraft weiterzuleben und eine eigene Banditenbande auf die Beine zu stellen, mit der sie Gerechtigkeit an ihren Schändern verübte. Ihr wird in ihrer Laufbahn vorgeworfen, Verrätern, oder Männern, die Frauen misshandelt hatten, die Nase und den Penis abgetrennt zu haben.

Später ergab sie sich - auch aufgrund ihrer eigenen Gesundheit und nur unter ihren persönlichen Bedingungen - den Behörden und saß 11 Jahre im Gefängnis ein, ohne, dass ihr der Prozess gemacht werden konnte, weil ein politischer Wechsel, verbunden mit Unruhen das Land von ihrem Fall ablenkte.

Als ein Mann aus einer niederen Kaste an die politische Macht kam wurde sie bezüglich ihres Krebsleidens begnadigt, und wählte nach ihrem Räuberleben einen gegensätzlichen Weg und wurde in die Politik gewählt.

Phoolan bedeutet im Dialekt ihres Heimatdorftes "die Blume", was auch daher rührt, dass sie am 10. August, dem Tag des hinduistischen Blumenfestes, geboren wurde. Sie war Zeit ihres Lebens Menschenrechtlerin. Abygail bringt diesem Lebenslauf und dieser Frau sehr viel Respekt entgegen. Phoolan wurde ermordet, man nimmt an, dass es der Cousin eines von ihr getöteten Vergewaltigers gewesen sein könnte.[/size]



Menschliches Alter
25 Jahre


Rassenbedingtes Alter
-


Art/Rasse
unwissender Mensch

up

Einstellung
Speziell/Kodex:
-


Menschen:
Es kommt ganz darauf an. Abygail lebt zwei Leben und wenn man es genau nimmt, sogar drei. Das eine ist die unscheinbare Pauline, die als Praktikantin bei einer Beratungsstelle im Frauenhaus arbeitet und ein überhaupt nicht auffälliges Leben führt. Alles scheint normal, sie fast langweilig, nahezu uninteressant. Man sieht durch sie hindurch. Frauen gegenüber ist sie daher sehr offen eingestellt, hört ihnen zu, hat Verständnis für sie und ihre Einstellung gegenüber den Menschen ist ganz nach deren Handlungen und Erfahrungen geprägt.

Dann wäre da Ember, doch nennt sie sich auch hier meist Abygail. Ember steht für ihr privates Leben, ihre sexuell extremen Vorlieben, ihr Leben als Edelhure oder auch besonderes Freudemädchen, welches mit Freude ihrem "Job" nachgeht und vor allem für Rollenspiele und auch Partnertreuetests gebucht wird. Diese Arbeit ist für sie aber auch reines Privatvergnügen. Sie liebt Sex in den verschiedensten Varianten und vor allem sehr provozierend oder auch mal exhibitionistisch.

Hier nimmt sie in ihrer Einstellung eine sehr provokative Einstellung gegenüber den Männern ein. Sie nimmt sich, was sie braucht und will und lässt sich dafür gut bezahlen. Einen wirklichen Respekt vor Männern hat sie nur, wenn sie es verdient haben. Davon etwas merken? Schwierig. Sie ist eine perfekte Schauspielerin, kann sowohl als gnadenloser Vamp, wie auch als schüchternes Mädchen von nebenan auftreten. Letzteres wäre dann eher die Situation der Ember, die erste Situation Abygail.

Im dritten Teil gibt es nur Abygail. Die Frau, die all jene tötet, die anderen Unrecht und Gewalt antun. Sie rächt all die Kinder, und Menschen - hier vor allem Frauen, können aber auch Männer sein - die sich selbst nicht wehren können, sich nicht wehren wollen, unterdrückt, geschlagen und gequält werden. Sie kennt keine Gnade, wenn sie einmal die Spur zu einem Gewalttäter aufgenommen hat. Auch hier könnte es sich um eine Frau handeln, doch kamen ihr diese bislang nur selten unter die Finger. Überlebt hat keiner von ihnen.

Allerdings sei dazu gesagt, dass Abygail froh wäre, müsste sie das alles nicht tun. Sie hat nur den Glauben an die Gerechtigkeit des Staates verloren, der in ihren Augen einfach versagt hat, was dieses Thema anbelangt. Wenn sie sehen könnte, dass es auf anderen Wegen möglich wäre, dann - denkt sie - könnte sie sich nicht dazu gezwungen fühlen, dieser ausgleichenden Gerechtigkeit gerecht zu werden.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Abygail sehr genau abschätzt, wer sich wie gibt, was derjenige tut und vor allem, welche Hintergründe er hat, um zu entscheiden, wie sie über diesen denkt und was sie von ihm hält.


Vampire:
Sie hält sich in der Vampyrszene auf, weiß aber nichts von der realen Existenz der Vampire.


Glaube/Religion/Symbolik:
Keine feste Religion. Was vor allem an ihrer Vergangenheit liegt. Sie hält die Kirche - vor allem die christliche, aber auch die islamische - für eine das schlimmste Übel der Menschheit, für eine Blendung, für Opium des Volkes, wenngleich sie sonst Marx nicht anhängt, für eine Illusion - vor allem der Kirche, um Anhänger zu unterdrücken. Die Kirche ist für sie nicht besser als eine Sekte, die allerdings von der Öffentlichkeit verurteilt würde. Sie fragt sich rhetorisch, warum die Menschheit das seltenst auch mit dem christlichen Glauben tut.

Sie verurteilt niemanden, der an einen Gott glaubt oder dergleichen. Für sich selbst hat sie zwar eindeutig entschieden, dass ein Gott nicht existent ist, aber sie sieht auch die Kraft und das Durchhaltevermögen, den vor allem schwache Menschen aus ihrem Glauben schöpfen - aber sie toleriert keine Bibelgläubigkeit oder kann verstehen, wie man sich nach der Kirche richtet, die eindeutig von Menschenhand geführt wird. Glaube selbst nicht wichtig, egal woran, aber nicht die Vermittlung von Lügen als Tatsachen.


Sonstiges:
-

up

Herkunft
Waynesboro, Virginia, USA


Beruf/Finanzen
Ehrenamtliche Mithilfe als Praktikantin in einer Beratungsstelle eines Frauenhauses, Edelhure/Prostituierte und gleichsam auch Treuetesterin, wenn es denn anstünde (noch freiberuflich, was aber schwierig ist, sie hat vor, sich im SaM zu "bewerben"), und sie sucht einen Job als Gehilfin bei einem Anwalt. Abygail hat schon einen im Auge. Sie möchte, insoweit sie bei diesem vorstellig wird, vorgeben, dass sie mit dem Gedanken spielt, Jura zu studieren, sich aber noch nicht sicher ist. Sie spekuliert darauf, diesen Anwalt auf seinen Besuchen im Gefängnis und zur Polizei zu begleiten, und unauffällig die Akten hinterher zu tragen, oder ihm den Papierkram zu erledigen.

Hier muss korrigiert werden, sobald ich weiß, was jetzt mit Dimitrij ist
Dieser Job wäre perfekt, um noch an weitere Gesichter und Geschichten zu kommen - und eben auch an Adressen, wenn sie erfährt, dass Schuldige freikommen, bzw. auch wichtig wäre der Bezug zur Polizei, weil Dimitrij sich auf Fälle spezialisiert hat, die der Gerechtigkeit dienen und somit erste Anlaufstelle ist, wenn es darum geht, Unschuldige zu verteidigen. Sie hat von ihm aus der Zeitung erfahren und verfolgt seither fast schon fanatisch seine Fälle, bei denen ihr noch keiner untergekommen ist, bei dem sie nicht selbst sagt, dass der Gerechtigkeit wirklich genüge getan worden wäre. Offensichtlich hat er ein Händchen dafür, die richtigen Personen zu verteidigen.

Sie hat Zeitungsartikel über ihn und alles, was sie zu seiner Person erfahren konnte, gesammelt. Sie möchte vorbereitet sein, wenn sie sich bei ihm vorstellt, und das bedarf einer gewissen, sehr übertriebenen Art der Perfektion, die sie an den Tag legt. Er ist einer der wenigen Männer, vor denen sie ihren Hut zieht. Insgeheim hofft sie allerdings auch, dass sie endlich jemanden gefunden hat, der sich für die Gerechtigkeit auf weniger blutige Art und Weise einsetzt, damit sie selbst für sich einen Grund findet, dieser Gerechtigkeit nicht mehr zum Töten der Täter gezwungen zu fühlen.


up

Aussehen - Übersicht
  • Augen:
    Tiefes, dunkles Blau färbt ihre Iriden. Sie wirken in ihrem unscheinbaren Sein sehr auffällig und fast paradox. Sie hat natürlich lange, dichte Wimpern. Während der Arbeitszeit oder dem Leben als "Pauline" ist sie kaum bis gar nicht geschminkt, allerdings hat sie eine ganz natürliche Schönheit, die sie somit ebenso gut präsentieren kann. Sie fällt allerdings dadurch einfach etwas weniger auf, wenn sie ihre Schönheit nicht noch hervorhebt.
  • Haare:
    schulterlang, dunkelbraun
  • Frisur:
    Von der Länge her etwa bis zu den Schulterblättern und leicht lockig, allerdings trägt sie auf der Arbeit ihr Haar nach oben gesteckt oder zu einem Pferdeschwanz oder gar Dutt bzw. zwei Dutts, die sie sehr viel jünger machen. Wie es gerade passt. Als Abygail hat sie es meist offen, oder wirklich kunstvoll nach oben gesteckt, ganz nach Rolle, die sie spielt.
  • Größe:
    173cm
  • Figur:
    sehr weiblich, die Rundungen an den richtigen Stellen, schlank mit leichtem, weichem Bauchansatz, runden Hüften und einer schlanken Taille
  • Gesicht:
    Abygails Haut ist cremefarben, es wirkt samtig und rein.
  • Stimme:
    Sehr angenehm, aber manchmal auch einfach leise - vor allem als Pauline. Wenn jemand sie aufgrund seines eigenen Organs nicht versteht, dann hat er Pech gehabt. Sie ist als Pauline viel mehr die Person im Hintergrund, die sich eher in Einzelgesprächen verständigt, als in der Gruppe, was dazu führt, dass sie übersehen werden könnte - was sie allerdings mitunter beabsichtigt, außer sie möchte es anders. Als Abygail spricht sie sehr selbstbewusst und direkt.
  • Kleidung:
    Ganz nach Begebenheit. Pauline hat sie ein sehr umschmeicheltes Äußeres gegeben, in dem sie ihr beispielsweise knielange Röcke in hellen Farben schenkte. Oftmals auch aus dem 50er- und 60er-Jahre Stil, allerdings nie in einer Art und Weise, die "out" wirkt. Sie will schließlich - auch hier - als Pauline nicht auffallen. Leichte Blusen, aber auch mal Jeans und Shirts, ganz der Umgebung angepasst - oder auch dem Arbeitsplatz.

    Als Abygail im SaM trägt sie aufreizende Kleidung, die sich mitunter natürlich auch nach dem gestaltet, was der Kunde wünscht. Sie wirkt niemals billig, findet in allem einen guten Stil und Mittelwert und sie verkauft sich ihrer Rolle entsprechend.
  • Schmuck:
    Je nach Kleidungsstil. Sie hat allerdings eine Kette, die sie recht oft, wenn möglich, trägt. Eine silberne mit einem sehr kleinen Anhänger, der die Form und das Relief der Justitia trägt. Der Göttin der Gerechtigkeit, die auch das Gesetz symbolisiert. Sie möchte, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird.
  • Piercings:
    Ein Zungen- und ein Intim-Piercing. Das Zungenpiercing jedoch ist fast nicht - selten - sichtbar, wenn sie spricht.
  • Tattoos:
    Tattoo auf dem Venushügel: Ein schlichtes Ankh, das ihre Zugehörigkeit zur Vampyrszene symbolisiert, auch wenn sie dort nicht exzessiv zugange ist.
  • Narben:
    -
  • Besonderheiten:
    Nur ihre Wandlungsfähigkeit ist hier zu nennen.

Aussehen - Beschreibung
Abygail kann sehr lasziv wirken und Pauline überaus zurückhaltend. Nicht wirklich in die Richtung "schüchtern", eher sehr introvertiert. Alles weitere steht in der obigen Beschreibung. Abygail gleicht sich an, je nach Situation, nach Beruf, nach Tätigkeit und Umfeld.

up

Eigenarten
Wenn sie einen Schuldigen umbringt - oder eher: ihn umgebracht hat - kann sie Tränen (innerlich oder äußerlich) nicht zurückhalten. Sie hasst es, das tun zu "müssen", findet aber keinen anderen Weg der Gerechtigkeit gerecht zu werden, wenn das Gesetz und alles andere versagt. Vor allem sind es die Fälle, bei denen Schuldige aus Mangel an Beweisen freigesprochen und somit für das gleiche Verbrechen niemals wieder angeklagt werden können, auch wenn eindeutig ist, dass er schuldig ist. Sie kann den Gedanken daran nicht ertragen, dass diese Menschen dann frei herum laufen und weiter morden, quälen, schänden und zerstören.

Fast schon trotzig sind dann ihre Tränen, die Tränen der Hoffnungslosigkeit, aber der Trotz, dass er es verdient hat zu sterben, damit er niemandem mehr "Unrecht" antun kann. Sie hasst es, und insgeheim wünscht sie sich, dass sie jemand da raus holt und dafür sorgt, dass auf andere, legale Weise Gerechtigkeit durchgesetzt wird. Dennoch denkt sie, dass diese Personen die größte Qual verdient haben und befindet sich so mit von einem Zwiespalt im nächsten.

Des weiteren hinterlässt sie bei ihren Opfern manchmal Bibelzitate. Zum einen führen diese dazu, dass die Polizei verwirrt ist und auf falsche Fährten kommt - was bei ihr allerdings nicht beabsichtigt war, jedoch ganz passend wirkt - zum anderen aber gerät sie hier auch in einen anderen Rachefeldzug. Die Kirche ist für sie widersprüchlich, die Menschen, die an sie und die Bibel glauben, sind für sie blind. Es ist ein "darauf hinweisen", dass die Sekte "Kirche" nichts mehr ist, als das - eine Blendung, eine Beeinflussung, eine Überredungskunst und eine große Lüge.

Ansonsten ist diese Person selbst eine Eigenart in sich.

up

Bevorzugte Opfer
Gewalttäter, deren Namen und Adressen sie vor allem durch ihre unscheinbare Arbeit als Praktikantin im Frauenhaus bekommt - oder auch aus der Zeitung, wenn in dieser von Fällen berichtet wird, bei denen eindeutige Schuldige meist aus Mangel an Beweisen freigesprochen und einfach wieder auf die Straße gesetzt werden, damit sie weitermachen können.

up

Spezialisierte Begabungen & weitere Stärken
Definitiv ihr schauspielerisches Talent und ihre Wandlungsfähigkeiten.

Sie arbeitet zudem - in allem, was sie tut - sehr präzise und achtet auf das kleinste Detail, um hier nicht irgendwelche Fehler einzubauen, oder wichtige Dinge zu übersehen.

Durch ihre Haltung als Pauline, nicht aufzufallen, ist sie überaus pünktlich und versucht in keiner Weise negativ aufzufallen. Positiv aber ebenfalls nur bedingt. Ein Zuviel wäre ein Zuviel an Aufmerksamkeit. Man schätzt ihre Zuverlässigkeit und Gründlichkeit und daher zählen diese eindeutig zu ihren Stärken.

Im sexuellen Bereich ist sie sehr flexibel, da sie sich auch hier perfektioniert hat, auch wenn es manche Dinge gibt, die sie nicht machen würde und möchte. Sie findet für sich heraus, was sie gerne mag und auch nur das wendet sie an oder lässt anwenden. Wenn sie etwas nicht möchte, zwingt sie sich nicht dazu, nur um zu gefallen.

up

Schwächen
Grundsätzlich natürlich überhaupt ihr doppelgleisiges Leben. Es könnte jederzeit auffallen - wobei es als Pauline wohl "schlimmer" wäre, als als "Abygail". Viele Frauen verdingen sich in der Prostitution und haben nebenbei ein ganz "normales" Leben, dieses allerdings sorgt dann für die Schwierigkeiten, wenn es von der lasziven Lebensweise erfährt. Erfährt man davon, hätte man mehr oder weniger etwas gegen sie in der Hand. Die Frage ist, ob sie sich erpressen lassen würde. Das könnte sie spontan selbst nicht beantworten.

Möglich wäre natürlich eine "Beseitigung" der entsprechenden Person, allerdings ist sie nicht gerne eine Mörderin und wenn, dann der Gerechtigkeit zuliebe, wenn es um den Schutz anderer Personen geht. Sie würde hier in eine Zwickmühle geraten. Somit ist unsicher, wie sie auf eine Erpressung reagieren würde. Es könnte tödlich enden oder Erfolg haben. Mehr Möglichkeiten tun sich ihr nicht auf, weil sie nicht zur Polizei gehen würde, da sie dieser schon lange nicht mehr vertraut.

Ihr Gerechtigkeitssinn ist aber auch ein Schwachpunkt, denn sie kann sich selbst oft nicht zurückhalten, wenn sie glaubt, diesem nachgehen zu "müssen". Sie wird zwar nicht unvorsichtig - oder zumindest selten einmal - aber es ist dennoch ein Risiko in ihrem Leben. Die Spur könnte irgendwann zu ihr führen und somit wäre ihr Leben in Freiheit wohl besiegelt - je nach dem, ob sie sich wieder herauswinden kann oder nicht. Des weiteren könnte man sie so auch in eine Falle locken.

up

Waffen
Alles, was ihr in die Hände kommt. Könnte aber auch etwas extremer sein, wenn sie einen Massenmörder trifft. Paradox scheint die Situation, da sie sich selbst ja schon in diese Reihe eingliedert, aber dennoch stellt sie sich nicht auf seine Stufe, sondern glaubt tatsächlich, etwas Gutes zu tun. Und wer möchte ihr das absprechen? Die Familien der Opfer, die dieser Mensch umbrachte, ganz sicher nicht. Im Gegenteil. Am Liebsten würde sie auch die Geschichte zurechtbiegen, wenn sie könnte. Aber sie findet auch andere Wege, dieser ebenfalls Genüge zu tun:

Der Hexenhammer
Nicht nur, dass auch in diesem die Kirche abermals ihre Abwertung der Frauen zugrunde legte und zutage führte, er beinhaltet ganz hervorragende Möglichkeiten, einem Gewalttäter zu zeigen, wie manche Frauen sich gefühlt haben mussten - mitunter natürlich auch dessen Opfer (auch wenn hier grundsätzlich von Frauen die Rede ist, würde Abygail jederzeit auch für Männer eintreten, da diese aber in der Minderheit sind, sind die Beschreibungen hier sehr einseitig betitelt, soll aber nicht nur darauf bezogen werden).

Die Anklage des Hexenhammers konnte geflissentlich übersprungen werden, diese rückt Abygail für sich grade, in dem sie wirklich "weiß", dass ihre "Opfer" schuldig sind. Sie braucht keine Indizien, die die Kirche damals aus den Fingern sog, um so viele Frauen wie möglich an den Kragen gehen zu können. Allein dafür hätten sie es verdient, selbst auf ihre Folterstreckbänke gespannt zu werden.

Es wäre ein Einfaches, die Hexenproben auch auf diese Personen anzuwenden, aber da sie selbst ja nicht diejenigen waren, die den Hexenhammer schrieben, war es doch etwas - sogar für Abygail - fanatisches, sich so genau an diesen zu halten. Dass es den Hexenhammer gab, dafür konnten die Schuldigen nun wirklich nichts - andererseits jedoch ... deren Vorfahren waren es, und hätten sie in der damaligen Zeit gelebt - sie selbst hätten danach gelebt oder ihn gar verfasst. Abygail dachte darüber lieber nicht nach, sonst verstrickte sie sich in eine Welt, aus der sie nicht mehr herausfand. Bisher war das nie geschehen, aber sie sah die Gefahr, und versuchte sie zu vermeiden.

Die Täter, die nur "einfache" Gewalttaten vollbrachten, hatten einen schnellen Tod vor sich. Aber jene, die Unverzeihliches - vor allem an mehreren Kindern - getan hatten, mussten damit rechnen, gute drei Tage oder mindestens 24 Stunden auszuharren, bis sie danach dann auch wirklich sterben "durften". Hier waren sie, wie damals die Frauen vor dem Richter, Abygails Willkür als Richter ausgesetzt - sie will, dass der Täter weiß, weswegen er hier ist und weswegen er sterben wird. Auch spielt Abygail mit dem Gedanken, diese gar nicht zu töten, sondern sie danach wieder gehen zu lassen.

Doch bisher konnte sie nie sicher sein, dass derjenige dann auch wirklich aufhörte zu quälen. Einige ihrer Opfer tragen ein Brandmal, das mit Justita eingebrannt wurde. Da der Anhänger aber einer Massenproduktion entspringt, wird nur balistisch nachzuweisen sein, dass es sich um genau diesen Anhänger handelt. Um das aber auch zu umgehen, besitzt sie zwei. Der, den sie trägt, ist nicht der, den sie benutzt.

up

Vorlieben

  • Musik:
    Klassik oder auch Manson, manchmal 60er-Jahre Kram, je nach Gefühl, je nach Situation, je nach Umgebung, in der sie sich befindet
  • Farbe:
    Sie mag alle Farben, als Vamp allerdings klassisch schwarz und rot.
  • Ambiente:
    Dort, wo sie sich wohl fühlt. Das kann überall sein, wo keine Ungerechtigkeiten passieren.
  • Eigenschaften:
    Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Reinheit, Unbedarftheit, Individualismus
  • Aussehen:
    hygienisch, gepflegt, hübsch (insoweit es sich um Sexualpartner handelt, ansonsten ist ihr hübsch oder hässlich relativ egal, weil sie nach inneren Werten geht)
  • Geschlecht:
    nicht festgelegt, den meisten Sex allerdings praktiziert sie mit Männern, weil es u.a. auch ihr Job ist, was allerdings nicht heißt, dass sie nicht auch weibliche Kunden hätte, sie sind lediglich viel seltener
  • Hobbies:
    esen (v.a. Geschichtsbücher, Prozesse/Urteile, gute/realistische Kriminalbücher, Vampirgeschichten), schreiben (v.a. Tagebuch), beobachten, Prozesse besuchen, Sex
  • Allgemeines:
    -

up

Abneigungen
  • Musik:
    Aufreibendes (Techno, HipHop mit gewaltverherrlichenden Texten, etc.), Jazzgedudel (nicht die großen Größen, sondern hauptsächlich Gedudel) macht sie ganz wirr im Kopf, Chillout-Musik & Spirituelles (reibt sie auf, anstatt zu entspannen, sie ist der Auffassung, dass diese Art von Musik nur mit Drogen aushaltbar sein kann)
  • Farbe:
    unpässliche Kombinationen
  • Ambiente:
    Dreckslöcher von Wohnungen (typische Alkoholiker- oder Drogenwohnungen), anzügliche, dreckige Kneipen, deren Alkoholdunst in der Luft wabert, öffentliche Toiletten
  • Eigenschaften:
    Gewalt, fanatische Religionszugehörigkeit
  • Aussehen:
    Herabgekommen (was nicht heißt, dass sie einen Bogen um Obdachlose macht, im Gegenteil, dennoch findet sie deren Äußeres nicht angenehm und schickt sie erst einmal unter die Dusche der "Zuflucht"), typisch süchtig, verwahrlost. Was sie aber auch nicht wirklich mag, sind Krawatten und Anzüge sowie Lederslippers und Herrenhandtaschen.
  • Geschlecht:
    -
  • Aktionen:
    Gewalt, "nichts hören, sehen, sagen"
  • Allgemeines:
    die Kirche

up

Charakter

Kurzbeschreibung:
gerechtigkeitsliebend, introvertiert, zwanglos, frei, direkt/konkret, perfektionistisch, detailverliebt, schauspielbegabt, sehr umgänglich, vertrauenswürdig, bewusst, auch selbstbewusst, hohes Selbstwertgefühl (sie lässt sich von anderen zu nichts zwingen), vielseitig, vielfältig, hochinteressiert, aufmerksam, intelligent

Ausführliche Beschreibung:
Abygail weiß manchmal selbst nicht mehr so genau, wer sie selbst ist. Ihr Leben besteht daraus, in Rollen zu schlüpfen und dort Grenzen zu finden, welche nun ihre ist und welche nicht, ist überaus schwer. Was sie grundsätzlich ist, ist introvertiert, aber nicht schüchtern. Sie erzählt einfach nicht so viel von sich, oder ist vorsichtig mit dem, was sie erzählt, weil es zu schnell passieren kann, dass sie sich in Widersprüche verstrickt, die eigentlich keine sind, aber so wirken, weil sie versucht, ihr Zweitleben geheim zu halten.

Sie kann auf Menschen zu gehen, offen wirken, freundlich und zuvorkommend sein. Bei Menschen, die das verdient haben, sind diese spürbaren Charaktereigenschaften ehrlich und "sie selbst", bei anderen, denen sie etwas vorspielt, sind sie falsch. Dementsprechend könnte man sie sicherlich auch als unehrlich oder intrigant beschreiben, doch trifft es nicht den Punkt. Abygail ist ein sehr gerechtigkeitsliebender Mensch und zählt sich zu den "Guten" auf der Welt. Deswegen würden gerade Eigenschaften wie Verlogenheit und Hinterhältigkeit überhaupt nicht als Beschreibung zu ihrem Charakter passen.

Auch Grausamkeit ist eine Charaktereigenschaft, die man ihr nur leichtfertig zuschieben würde, denn sie erfährt durch das, was sie tut, wenn sie jemanden tötet, wirklichen Leidensdruck, von dem sie loskommen möchte. Doch, wie, fragt sie sich selbst, wenn weder die Exekutive, noch die Judikative bisher imstande war, ihr glaubhaft zu vermitteln, dass es die wahre Gerechtigkeit wirklich noch gibt. Das beginnt bei unlogischen Gesetzen, bei denen Gewalt an Menschen manchmal weniger bestraft wird, als der illegale Download von Musikdateien im Internet, und endet damit, dass Gewalttäter aus Mangel an Beweisen freigesprochen und auf freien Fuß gesetzt werden - und somit die Chance verwirkt ist, diesen Menschen wegen des gleichen Verbrechens noch einmal anzuklagen, auch wenn man genau weiß, dass er schuldig ist.

Was sie definitiv aber ist, ist gerechtigkeitsliebend. Nicht nur das, es ist schon fast fanatisch, dass sie versucht, die Welt zu verbessern - ein kleines Stück mit allem, was sie tut. Auch in Bezug auf ihre "Arbeit" als Edelhure, wenngleich dies für sie eben keine Arbeit ist. Die absolut freiwillige Prostitution, die nach ihrer Meinung nur entstehen kann, wenn man keinen "Zuhälter", keine finanziellen Sorgen hat, und nicht nach etwas süchtig ist (auch hier Finanzen), ist für sie die absolut beste Möglichkeit, dem Trieb der Menschen gerecht zu werden, solange eine Frau Spaß dabei hat und sich aussuchen kann, mit wem sie schläft. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, dann ist für sie dieser Beruf einer der wichtigsten für die gesellschaftliche Ordnung und für Gerechtigkeit, denn somit würden viel weniger Gewaltverbrechen der sexuellen Art passieren.

Auch hier hat die Justiz in ihren Augen versagt, in dem sie in verschiedenen Bundesstaaten die Prostitution verboten hat, anstatt ein bisschen mehr Energie in diesen Bereich zu legen und das Gesetz so zu schreiben, dass die ihr wichtigen Kriterien sehr wohl zu einer Berechtigung führen können. Der Gesetzgeber möchte es sich nach ihrer Meinung einfach machen und verbietet einfach alles, damit niemand dazu gezwungen werden kann. Sehr edel gedacht, aber daran gedacht, dass es welche gibt, die es freiwillig und vor allem sehr gerne tun, haben sie nicht, und darüber nachgedacht, dass sie nun andere Gewalttaten eher unterstützen, schienen sie auch nicht zu haben.

Am Liebsten würde Abygail die Gesetze überarbeiten, des weiteren gleich mal die Geschichte ein bisschen grade rücken und überall versuchen, alle Details mit einzubeziehen, um auch wirklich an alles zu denken. In diesem Bezug ist sie natürlich unverkennbar perfektionistisch zu nennen. Vielleicht etwas zu sehr, weil sie sich damit mehr Arbeit in allen Bereichen aufhalst, als eigentlich nötig wäre, aber andererseits verhindert sie dadurch grobe Fahrlässigkeit, was vor allem in ihrem Leben als Pauline Aufmerksamkeit erregen würde, die sie versucht, tunlichst - sowohl in sehr positiven, als überhaupt in negativem Sinne - zu vermeiden.

Und was ist mit Vertrauenswürdigkeit? Würde man einer Hure, einer Mörderin zuschreiben, vertrauenswürdig zu sein? Eigentlich nicht. Aber was ist mit Abygail? Abygail genießt von allen Seiten Vertrauen, egal, wo sie sich auch aufhält. Sie behält für sich, sie respektiert, sie nutzt das Vertrauen der Menschen in sie nicht aus, ist ehrlich in diesem Bezug, verantwortungsbewusst und verschwiegen. Sie ist einer der Menschen, denen man wirklich trauen kann. Ist es daher vielleicht nur ein Vorurteil der Menschheit, dass "so jemandem" nicht vertraut werden könnte? Mal ganz abgesehen davon, dass ihr Charakter es ihr verbietet, sich selbst als "billige Hure" zu bezeichnen oder gar als "Mörderin".

Vielleicht rückt sie sich die Welt auch einfach etwas zurecht. Die Hure wird zur Frau, die Sex einfach überaus liebt, kein Problem hat, mit fremden Menschen ins Bett zu gehen, solange ihr danach ist und solange sie sich diese - und das, was getan wird - aussuchen kann, und die sich dafür dann auch bezahlen lässt. Die Mörderin wird zu einer Frau, die dafür einsteht, dass die Ungerechtigkeiten etwas vermindert werden, wenn die Justiz versagt. So gesehen ist sie weder Hure noch Mörderin.

Tatsächlich findet Abygail es einfach nur schade, dass die Menschen aus Vorurteilen bestehen und dass sie Worte nehmen und diese mit Vorurteilen bestücken, ohne darüber nachzudenken, was diese Worte eigentlich bedeuten oder dass sie nicht auf alles und jeden passen, aber sie sich einfach anhand von - Worten - eine Meinung über jemanden bilden, ohne diesen Jemand kennengelernt zu haben.

Somit sei auch ein weiterer Charakterzug Abygails geklärt: Sie vermeidet Vorurteile, es gelingt ihr, wie jedem Menschen auf der Welt, nicht immer, aber sie versucht es zumindest - oder sie setzt sich bewusst mit ihrem Vorurteil auseinander und versucht es für sich zu klären. Bestes Beispiel ist die Gesetzgebung und Urteilsfindung. Sie versucht aus ihrem Gerechtigkeitsmord herauszufinden, in dem sie Wege sucht, um mit etwas Legalem leben zu können, das dennoch die nötige Gerechtigkeit aufbringt, um dieser Genüge zu tun. Solange aber hat sie definitiv Vorurteile in diesem Bereich, und das ist ihr auch bewusst.

Grundsätzlich ist sie ein sehr bewusster Mensch. Dazu gehören Selbstbewusstsein und ein wirklich hoher Selbstwert in jedem Fall, auch wenn vielleicht nicht jeder durch ihre Zurückhaltung gleich darauf kommen würde. Allerdings strahlt sie keine Schüchternheit oder Unsicherheit aus, wohin gehend sie nur wirklich oberflächliche Menschen oder welche, die sie in einer Situation nur oberflächlich betrachten (wenn sie denn überhaupt als Pauline auffällt) als schüchtern und ohne Selbstbewusstsein beschreiben würden. Sie gibt keinen Anlass dazu, das zu glauben oder sie so einzuschätzen. Aber auch nicht immer einen Anlass zum Gegenteil. Hier wären wir dann wieder bei dem Punkt, an dem die Worte das Bild formen, obwohl es umgekehrt sein sollte. Ein selbstbewusster Mensch muss nicht extrovertiert sein (auch wenn sie als Abygail im SaM sehr wohl so wirken könnte), er muss auch nicht ständig sprechen, er muss nicht immer und überall seine Meinung zum Besten geben (auch hier: dieser Zusatz kann sehr wohl positiv verstanden werden und muss nicht gleich mit einem "Besserwisser" gleichgesetzt werden).

Hiermit wäre fast schon zu enden, denn Abygails Charakter ist nicht einfach so zu beschreiben. Er könnte weiterhin auf diese Art und Weise beschrieben werden, aber um der Gefahr zu entgehen, eine Rechtfertigung, als eine Beschreibung widerzugeben, endet dieser kleine Einblick in ihr Sein an dieser Stelle.

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Ziele
Die Gerechtigkeit finden, die es ihr "erlaubt", mit dem Morden aufzuhören.

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Sonstiges
Sie hat kein Auto und ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Zwar bekommt sie ein Zimmer im "SaM", hat aber gleichzeitig auch eine andere Wohnung, um ihre Leben definitiv voneinander trennen zu können. Des weiteren sei eindeutig dazu gesagt: Sie hat keine Persönlichkeitskrise oder -spaltung. Auch wenn es auf den ein oder anderen so wirken könnte.

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Leben in Venedic/Phoenix/New York
folgt

"Religion ist Feigheit vor dem Schicksal.
Nichts weiter."

(Rudolf von Delius)

"Toleranz ist gut.
Aber nicht gegenüber Intoleranten."

(Wilhelm Busch)

"Manchmal würde ich
gerne durch den Spiegel gehen,
um einfach nur ich selbst zu sein."

(Verfasser unbekannt)


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Abygail
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Re: [Phoenix|K?]: Abygail O. Phoolan

Beitragvon Abygail » 25.09.2016, 00:07

ACHTUNG:
Der Lebenslauf könnte für gläubige Menschen gefühlsverletzend sein. Wenn also jemand unter diese oder eine anders passende Kategorie fällt, sollte er den Zurückbutton seines Browsers benutzen und etwas anderes lesen. Ich übernehme kein Gewähr für irgendwelche Seelenheile gläubiger Menschen.

Des Weiteren sei zu sagen, dass die Zitate, die hier angeführt werden (teilweise auch quellbeschrieben) aus der Bibel stammen, von Päpsten, aus Schriften des Vatikans oder aber auch aus den Mündern von christlichen Personen. Keines von ihnen ist von mir erfunden. Die Quellen beziehen sich von Thomas von Aquin, über Martin Luther bis hin zu heutzeitigen Christen bzw. auch aus dem Hexenhammer des Mittelalters. Ich stimme mit diesen Aussagen so gut wie nie überein, aber ich denke, das kann man auch herauslesen.


Lebenslauf

"Herzlichen Glückwunsch, Mr. Brown, es ist ein wunderhübsches Mädchen", die Krankenschwester strahlte über das ganze Gesicht, offensichtlich damit rechnend, dem gewordenen Vater eine wirklich frohe Botschaft überbracht zu haben. Dieser allerdings, ein untersetzter, schmächtiger Mann mit grauen Bartstoppeln und einem einfachen Anzug, verzog nur die Miene zu einer unzufriedenen Skepsis. "Und was ist daran zu Beglückwünschen?" Ohne eine Antwort abzuwarten ging er durch die Türe, die sie ihm schon bei ihrem eigenen Eintreten aufgehalten hatte, um zu seiner Frau zu gehen.

"Es ist ein kleines Mädchen, ein gesundes kleines Mädchen ...", trotz der Erschöpfung strahlte auch die Mutter ihrem Mann entgegen, als sie seinem Antlitz gewahr wurde. "Der wesentliche Wert der Frau liegt in ihrer Gebärfähigkeit und in ihrem hauswirtschaftlichen Nutzen", seine Stimme war monoton und er sah nicht einmal in das kleine, schlafende Gesichtchen, das aus dem Bündel weißer Tücher in den Armen seiner frommen Frau lugte. "Und sie wird eine wunderbare Hausfrau werden, das ist doch sicher, wenn sie auf das Internat kommt, von dem ich gelesen habe. Sie wird uns viele Enkelkinder schenken und bestimmt ist auch ein starker, rechtschaffender Junge dabei", sie ließ sich nicht von den Worten ihres Mannes beirren, die Hebamme wechselte schon einen Blick mit der Ärztin, die sich die Hände wuschen. Offensichtlich war diese Frau ihren Mann gewohnt und noch offensichtlicher schien es so zu sein, dass sie seine Ansichten über Erziehung und Rollenverteilung teilte.

Missbilligend hatte der Mann wahr genommen, dass eine Ärztin die Entbindung vorgenommen hatte. Schon zuvor konnte er sich eines Kommentars nicht verwehren, als er in seine Bartstoppeln murmelte: "Parallel zur Emanzipation der Frau haben wir zwei Weltkriege, ABC-Waffen, Vergiftung aller Lebensgrundlagen allen Lebens erlebt. Frauen ermorden ihre eigenen Kinder mit der Vernichtungsquote der G*sk*mm*r H*tl*rs. Eva ließ sich verführen. Jede Frau will einen Mann, der sie führt, an dem sie aufschauen kann. Nur leugnen das immer mehr Frauen und wundern sich dann, dass sie unglücklich sind." Er zitierte gern, er zitierte oft und manchmal konnte man das Gefühl haben, dass er eigentlich überhaupt keine eigenen Worte hatte, Worte, die von ihm selbst stammten. Hätte man mit ihm darüber sprechen können und hätte er sich überhaupt auf solch ein Gespräch eingelassen, hätte er erklärt, dass er keine eigenen Worte brauchte, wenn andere, vor allem hoch gottesfürchtige Menschen oder auch die Bibel, die gerne eine Quelle seiner Zitiermanier war, es so gut ausgedrückt hatten, dass er es nicht hätte besser machen können.

Als Antwort auf seine Frau nun, fand er ebenfalls wieder die passende Textstelle: "Eine Frau soll still zuhören und sich ganz und gar unterordnen. Ich gestatte es keiner Frau zu Lehren und sich über den Mann zu erheben. Zuerst wurde ja Adam erschaffen, und dann erst Eva." Papst Johannes Paul II. sprach hier über seine Lippen, in dem er Bezug auf Paulus nahm. In entsprechender Bibelstelle beim Korinther 11 steht: "Ich lasse Euch aber wissen, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist, der Mann aber ist das Haupt der Frau. Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz, die Frau aber ist des Mannes Abglanz. Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau von dem Mann. Und der Mann ist nicht geschaffen, um der Frau willen, sondern die Frau, um des Mannes willen." Es schien ihm wohl nicht angebracht, eine solch lange Stelle zu rezitieren. Dass er eigentlich schon wieder die Ärztin meinte, die er gerade entdeckt hatte, nahm seine Gattin nicht wahr. "Das wird sie, das wird sie ...", sie lächelte selig, das Gesicht ihres Kindes streichelnd und er hielt es für überflüssig, sie aufzuklären.

Der Lebenslauf dieses Mädchens schien besiegelt, welches den biblischen Namen Mirjam erhielt und sobald als möglich aus den Augen des Vaters aufs Internat geschickt werden sollte, auf dem es Zucht und Ordnung lernen sollte. Für das Kind schien das die beste Lösung, denn seine Mutter war hochfromm und man könnte sich fragen, wie sie überhaupt dazu kam, ein Kind zu gebären. Sie betete mehrmals am Tag, wie es auch der Vater tat - jedoch nicht in ihrer Gegenwart, außer zu Tisch und in der Kirche. Die Frau nahm alles hin, sie war fast beteiligungs- und meinungslos und man konnte an ihrer Mimik nicht erkennen, ob sie glücklich mit ihrem Leben war, oder nicht. Wenn sie es nicht war, so hatte sie sich abgefunden, doch möglich wäre auch, dass sie sich in ihrer Rolle fügte, ohne weiter darüber nachzudenken. Sie las keine Bücher, bildete sich nicht, stand lediglich vor dem Herd und putzte die Wohnung, während ihr Ehemann seinem Hobby, dem Fliegen nachging, seine Zitate auswendig lernte und arbeiten ging. Sie hatten getrennte Betten im Schlafzimmer und unterhielten sich überhaupt nicht, außer über die Kirche und das Wetter.

Man hätte meinen können, dass es gar kein kleines Kind in diesem Haushalt gab, so ruhig wurde es meist von der Mutter gestellt, in dem sie peinlichst darauf achtete, dass es den Vater, wenn er zuhause war, nicht störte. Als das lebendige Mädchen aber dann doch einmal mit einem Bettlaken als Geist verkleidet ins Wohnzimmer rauschte und "Buuuh buuuh" rief, erntete die schwächliche Frau nur einen bösen Blick über das Buch hinweg, das der Vater las, nachfolgend mit dem Kommentar: "Die Frau muss das Haupt verhüllen, weil sie nicht das Ebenbild Gottes ist. Du solltest das Laken auf dem Kopf behalten, bestenfalls Dein Leben lang." Das Kind kicherte, verstand es dieses Zitat ja nicht, und die Mutter führte es aus dem Raum, damit ihr Mann in Ruhe weiterlesen konnte. Sie schien es für normal zu halten, wie ihr Mann über das weibliche Geschlecht dachte und stärkte ihm so den Rücken.

Bei schlechten Noten in der Grundschule hatte er nur übrig, ihr zu sagen, dass Frauen nicht mehr Hirn hätten, als ein Strohputz auf dem Acker, der für die Vogelschau hinausgestellt worden sei. Ein Zitat von einem Jesuiten im Umbruch vom 16. zum 17. Jahrhundert. Diese Art sollte ihre ganze Jugend verfolgen.


Die richtige Erziehung

Auf der Schule hatte das Kind zumindest die Möglichkeit, mit anderen Kindern und später Jugendlichen zu spielen und sich zu unterhalten. Auf dieser Seite war es sicherlich gut, dass es von Zuhause heraus kam und anderes kennen lernte. Und dennoch begleitete sie auch hier die Bibel, Zucht und Ordnung sowie ein ganz gewisses konservativ-katholisches Welt- und Geschlechterbild. Nonnen und männliche Geistliche leiteten die Schule, die aus zwei Komplexen bestand, die drei Kilometer voneinander entfernt in West Virginia lagen. In dem einen Sandsteinkomplex war ein katholisches Jungeninternat ansässig und in dem anderen Gebäude, das ebenso alt, aber weniger ansehnlich war, war das Mädcheninternat untergebracht. Die Kirche teilten sich beide, aber streng getrennt nach Mädchen und Jungen und genügenden Aufpassern und Aufpasserinnen, damit sie sich nicht heimlich unterhalten konnten.

Für die größeren Mädchen gab es einmal im Jahr eine Tanzveranstaltung, auf der sich die Eltern der Kinder erhofften, dass sich gut situierte Ehen herauskristallisierten. Doch auch hier gab es keinen privaten Kontakt ohne Aufpasser. Die Jugendlichen aber fanden ihren Weg, sich zu treffen. So auch in dem Fall eines Mädchens, dass schwanger und daraufhin fast schon heimlich von der Schule genommen wurde. Trotz, dass die Lehrer den Schülerinnen die Erklärung gaben, das Mädchen wäre in die Ehe gegangen, was nicht unüblich war, dafür die Schule abzubrechen, auf der sie vor allem die Rolle der perfekten Ehefrau und Mutter zu erlernen hatte, verbreitete sich die Neuigkeit wie ein Lauffeuer und Spekulationen waren an der Tagesordnung.

"Was glaubst Du, wer sie geschwängert hat?", fragte die mittlerweile 15-jährige Mirjam ihre Freundin Kalla, als sie sich zusammen zum Lernen auf Mirjams Zimmer getroffen hatten. "Die war doch auch auf diesen Parties im Jungsinternat, oder nicht?" - "Was denn für Jungsparties?", Mirjam war auf einmal hellhörig und blickte ihre Freundin mit großen Augen an. "Wie, Du weißt das nicht? Manche Mädchen gehen einmal im Monat zu den Jungs ins Internat, es gibt da einen Geheimgang, so viel ich mitbekommen habe. Und wie man sich erzählt, werden dort richtiggehende Orgien gefeiert." Kallas Stimme war recht abfällig und Mirjam wusste genau, weswegen. "Sie hatten mich auch irgendwann eingeladen, aber Du weißt ja, dass ich mit Jungs nicht wirklich was am Hut hab", jetzt schmunzelte das dunkelblonde, kurzhaarige Mädchen und streichelte liebevoll über die Hand Mirjams, die verstehend nickte und zurückgrinste.

Es war schon vor einem Jahr gewesen, dass die beiden ihre ersten Erfahrungen miteinander machten. Kalla allerdings verliebte sich Hals über Kopf in die hübsche, temperamentvolle Mirjam. Lange Gespräche folgten und seither kam es immer wieder dazu, dass die beiden sich trafen - zum Lernen - wie sie vorgaben. Es war nicht ungewöhnlich, dass Mädchen im Internat lesbische Verhältnisse führten. Doch gab es auch gänzlich andere Mädchen, die sich komplett der katholischen Lebensweise verschrieben hatten.

Tina war eines dieser Mädchen und gerade diese wohnte mit Mirjam auf einem Zimmer, weswegen die Mädchen auch sehr leise sprachen und darauf achteten, dass die Ungemochte nichts mitbekam. Sie schien ihre Ohren überall zu haben, auch wenn sie in ihr Buch vertieft schien. Und eine Petze war sie obendrauf.

"Ja, ich weiß", antwortet Mirjam nun auf diese Aussage. Sie hätte gerne mehr erfahren, wusste aber, dass sie sich vorsichtig ausdrücken musste. Nicht nur wegen der Ohren im Zimmer, die alles mitbekommen konnten, sondern auch der Gefühle Kallas gegenüber, die sie nicht verletzten wollte. Die Fronten allerdings waren geklärt und nur deswegen hatte Mirjam zugestimmt, dass sie sich weiterhin auch intim trafen, trotz der Verliebtheit Kallas. "Wo soll denn dieser Geheimgang sein?", sie versuchte desinteressiert zu wirken und fragte mit dem Blick auf ihren Finger geheftet, der eine Buchstelle markierte, um noch desinteressierter zu klingen, doch Kalle durchschaute das Spiel. "Hey, Du wirst da doch nicht hingehen, oder? Ich meine, hallo? Du könntest von der Schule fliegen ...", Mirjam wusste genau, dass es Kalla nicht darum ging, dass sie erwischt werden könnte. "Kalla, hör zu. Ich weiß, dass Du in mich verliebt bist", sie sprach noch leiser als vorher und hatte sich über ihr Buch zu Kalla gebeugt. Man konnte förmlich sehen, dass Tina lange Ohren bekam, "wir haben aber die Situation geklärt. Ich hab' Dich unheimlich lieb, Kleines, aber mehr Gefühl ist da einfach nicht. Ich liebe die Zärtlichkeiten mit Dir, aber tu mir bitte den Gefallen und akzeptiere, dass ich keine feste Bindung mit Dir haben möchte."

Es waren harte Worte, das wusste Mirjam, und Kalla wirkte gekränkt, sodass die Brünette noch etwas nachschob, um die Wogen zu glätten, bevor ein Sturm der Gefühle ausbrach. "Das heißt doch nicht, dass ich Dich weniger gern habe, oder Du weniger von mir hast", ihre Stimme klang versöhnlich und Kalla schluckte schwer und atmete durch. Ja, sie wusste das alles, und ja, sie würde auch nichts dagegen tun können. "Ich sag' Dir, wo der Durchgang ist, aber versprich mir, dass Du da nur einmal hingehst, okay?" Mirjam wollte nichts versprechen, was sie glaubte, nicht einhalten zu können, und so lächelte sie nur. Kalla würde sich einbilden, dass Mirjam ihr dieses Versprechen gegeben habe, das wusste sie, aber das hatte sie nicht und darauf würde sie sich berufen. Allerdings würde sie vornehmlich darauf achten, sollte sie wirklich öfter hingehen, dass sie das Kalla verschweigen konnte.

"Warum hat sie denn auch nicht verhütet?", wechselte sie nun rasch das Thema, als Tina aufstand und so tat, als würde sie sich eine Hausjacke aus dem Schrank holen müssen, obwohl das Gebäude an diesem ersten warmen Frühlingstag noch viel zu überhitzt war, da die Heizung noch nicht runtergeschaltet worden war. Diese bewusst provozierende Frage traf das Ziel direkt ins Schwarze. "Die Gläubigen sollten lieber jede Not tragen, jeden Vorteil preisgeben, als Kondome zu benutzen", wetterte sie sofort, als wäre es das Normalste der Welt, dass sie an diesem Gespräch teilhaben konnte. "Wer hat Dich denn gefragt? Wir reden hier über nachträgliche Verhütung - die Abtreibung", konterte Kalla wie mit Mirjam abgesprochen. Tina wirkte geschockt, aber nichts anderes hatten die Mädchen erwartet. "Abtreibung ist ein schlimmerer moralischer Skandal als der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester!" Wusste sie eigentlich, was sie da sagte, während sie den australischen Erzbischof George Pell beim Weltjugendtag in Toronto zitierte? "Du tickst doch nicht mehr richtig, oder?" Mirjam wahr ehrlich entrüstet über diese Äußerung, bis ihr aufging, dass Tina nichts anderes beabsichtigt hatte, Kalla schaltete sofort.

"Du glaubst also auch, dass die Priester manche Mädchen hier sexuell belästigen, hm?" Mirjam grinste die Freundin an. Das Gerücht hatte ebenso schon die Runde gemacht, und auch wenn es eine erschreckende Geschichte war, hatte Tina nicht daran gedacht, dass man ihre Aussage - zitiert von einem so hohen Geistlichen - so schnell widerlegen konnte. "Niemals. Ihr spinnt doch, das war nur eine Metapher." - "Dir kann man auch erzählen, dass Deine kleinen, geheimen Phantasien gottgewollt sind, oder?" Das war Mirjam, sie wollte das hochgläubige Mädchen einfach nur noch vor den Kopf stoßen. "Bei unreinen Gedanken sofort Widerstand leisten: bei Tag gleich eine Arbeit in die Hand nehmen, bei Nacht nicht aufhören zu beten, bis der Schlaf uns übermannt." Dieses Mal war es ein Zitat einer unterrichteten Nonne der letzten Unterrichtsstunden. "AHA, Du hast also unreine Gedanken, oder was?" Die beiden Mädchen kicherten. "Nein, natürlich nicht, aber das ist mein Rat an Euch, wenn Ihr im Unterricht bei Schwester Magdalena schon nicht aufpassen könnt", Tina wurde schnippisch. "Na, die muss es ja wissen, oder kennst Du die Geschichte Maria-Magdalenas nicht? Die kleine Edelhure in der heiligen Schrift ...", Kalla lachte ob Mirjams Worten laut auf.

"Ich sollte die nächste Stunde schwänzen, es kommt eh nichts bei rum", folgerte Mirjam darauf hin noch. "Dann musst Du Zwiebeln essen." Die beiden ignorierten Tinas Anwesenheit, sie konnte sich nur noch nicht entschließen, wirklich als Verlierer abzuziehen und womöglich wichtige Details zu verpassen. "Zwiebeln? Spinnst Du?", Mirjam lacht. "Nein, im ernst, Zwiebeln. Es gibt tatsächlich ein Gesetz in West Virginia, dass es Kindern verbietet, die Schule zu besuchen, wenn sie aus dem Mund nach Zwiebeln riechen." Tina drehte sich - versucht unauffällig - um und rauschte ab, sie fühlte sich weiter verarscht, obwohl Kalla Tatsachen aussprach. Doch woher sollte die blöde Kuh das auch wissen. "Nicht wirklich ... das glaub' ich nicht. Aus welchen Gründen macht man bitte solch ein Gesetz, was ist da denn passiert, dass es so ein Gesetz gibt ... und von wann ist das bitte?" - "Keine Ahnung, aber wahrscheinlich fielen die Mitschüler Reihenweise um, als der Schüler sprach." Das Lachen der beiden Mädchen hallte noch lange durch die Gänge nach.


Andere Prioritäten, die mehr Spaß versprechen

In der Zeit nach dem Abgehen von der schwangeren Schülerin, drang zu den Schülerinnen vor, dass das Mädchen verschwunden sei. Sie sei entführt worden, hieß es auf der einen Seite, sie sei abgehauen, auf der anderen, aber wirkliche Antworten bekamen die Mädchen nicht. Obwohl die Nonnen versuchten, die Außenwelt von den Mädchen fern zu halten, kam bald darauf eines der Mädchen in die Bibliothek und eine Schar weiterer umringte sie, die eine Zeitung - irgendwie - in die Mauern des Internats geschmuggelt hatte. Darin wurde berichtet, dass die Mutter des schwangeren Mädchens sich selbst das Leben genommen hätte, weil sie glaubte, dass ihre Tochter umgebracht worden sei.

Die Zeitung sprach tatsächlich von Entführung, Mirjam aber glaubte, dass das Mädchen untergetaucht war, entfliehen wollte aus dieser Welt und wahrscheinlich von den Vorwürfen der Mutter. Alle wussten, dass die Mutter unter schweren Depressionen gelitten hatte, nachdem ihr Mann bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Familie gab es keine weitere mehr. Die ganze Familiengeschichte war geschwängert von Tragödien und mysteriösen, wie auch "normalen" Unfällen. Sogar Morde und auch einen weiteren Selbstmord soll es gegeben haben. Somit schien das Familiendrama hier ein ebenso tragisches Ende genommen zu haben. Mirjam hoffte insgeheim allerdings, dass das Mädchen einen Weg gefunden hatte, ihr eigenes, endlich freies Leben aufzubauen und alles hinter sich zu lassen.

"Da der eheliche Akt seiner Natur zu Weckung neuen Lebens bestimmt ist, so handeln jene, die ihn bei seiner Tätigkeit absichtlich seiner natürlichen Kräfte berauben, naturwidrig und tun etwas Schimpfliches und innerlich Unsittliches."
Mit solchen und ähnlichen Sprüchen versuchte die Schulleitung sich veranlasst zu sehen, bei den Mädchen im Unterricht noch mehr auf die Moral einzugehen, als sowieso schon und hoffte somit, die Geschichte unter den Deckmantel der Sünden kehren zu können und somit indirekt aufzuzeigen, dass nur ein reines, gläubig-frommes Leben vor solch einem Schicksal bewahrte. Sie lösten damit allerdings allenfalls einen "Hä?"-Effekt aus.

Mirjam nervte es mit jedem Mal mehr. Einem Glauben an Gott konnte sie mit zunehmendem Alter einfach nicht mehr entsprechen, und die Zitiererei ging ihr entsetzlich auf die Nerven. Vor allem Sprüche der Nonnen, die Tina natürlich alle gleich in ihr Buch notierte, um sie auswendig zu lernen, konnte die junge Frau nicht mehr hören. "Gottlos leben bedeutet, sich nicht gemeinschaftstreu, nicht sozialverträglich zu verhalten", war solch ein Zitat eines Landesbischofs aus Deutschland, das Mirjam dazu brachte, sich innerlich trotzig dagegen aufzulehnen.

Nachdem sie das aber in einer kleinen Runde geäußert, und Tina das natürlich wieder mitbekommen hatte, bekam sie gleich das nächste um die Ohren gehauen, welches ein Geschäftsmann auf einem christlichen Kongress der Internationalen Vereinigung christliche Geschäftsleute in Basel hatte verlautbaren lassen: "Menschen ohne Beziehung zu Gott sinken unter das Niveau von Tieren." Mirjam nahm das zum Anlass, unter großem Gelächter der Mädchen, Tina mit Affengeräuschen nachzuahmen.

Ein weiterer Spruch von einem Christdemokraten, der über Tinas Zunge sprach, sollte schon die Woche darauf folgen: "Ein frommer Muslim in der Moschee ist mir lieber als ein besoffener Atheist im Freudenhaus." Ab da bürgerte es sich ein, dass sie nach der Morgenmesse zu Tina ging und sie fragte, welchen Spruch sie ihr jetzt drücken wollte, von dem sie scheinbar nicht einmal wusste, was sie da Unglaubliches nachquatschte. Für Tina wirkten solche Kritiken an ihren so hochgelobten Vorbildern, wie Blasphemie und auch dafür kannte sie das passende Zitat: "Alle Menschenverachtung hat ihre Ursache in der Gotteslästerung", sie schien wirklich überzeugt von dem, was sie da von sich gab. Und offensichtlich waren ihre Vorbilder aus dem Europäischen Bereich, denn diesmal sprach Kardinal Joachim Meisner aus ihr, der diesen Satz vor 1.500 Soldaten auf einem Soldatengottesdienst im Kölner Dom zum Besten gegeben hatte.

Nach dem nächsten von einem Oberkirchenrat Schwager, der Schulreferent der bayrischen Landeskirche war und seine Aussage auf einer Kirchentagung in Augsburg hatte verlautbaren lassen ("Wer nicht nach Gott fragt, ist ungebildet"), fragte sie Tina todernst, ob sie vielleicht von Deutschen besessen sei und ob sie der Schulleitung Bescheid geben sollte, damit diese mit ihr einen Exorzismus durchführen konnten. Tina war schnaubend vor Entrüstung davon gelaufen und von ihr wart die nächsten zwei Wochen nichts mehr zu hören - zumindest nicht in dieser Richtung. "Du hast ihr einen wirklichen Schrecken eingejagt", vermutete Kalla und Mirjam konnte nur hoffen, dass sie jetzt verschont wurde. Aber schon nach dieser Schonfrist war klar, dass ihr wohl nur die Zitate ausgegangen waren und sie wirklich schlagfertig versuchte, nun noch weiter zu gehen.

Irgendwann fragte Mirjam im Unterricht, ob sie nicht auch einfach Priesterin werden könne - im alten Griechenland hätte es genügend gegeben. Es war nur dahin gesagt, damit sie sich selbst dazu bringen konnte, einfach wach zu bleiben und sich nicht noch mehr Sprüche anhören zu müssen. Doch die Nonnen schienen diese Sprüche, wie Tina, aber auch ihr eigener Vater, inhaliert zu haben, wie andere die verbotenen Zigaretten auf den noch verboteneren Parties. "Miss Brown, Frauen sind nicht fähig, Priesterinnen zu sein." Ein Zitat des anglikanischen Edwin Barnes, Bischof von Richborough. Mirjams Kopf schlug auf ihren Armen auf, woraufhin sie für den Tag vom Unterricht suspendiert und zum Küchendienst abkommandiert wurde. Sie hatte die Schnauze gestrichen voll. Und das einzige, das sie zum Durchhalten brachte, waren die monatlichen Treffen mit den Jungs, an denen sie regelmäßig teilnahm, und mittlerweile auch ihrer freizügigen Art in jeder Hinsicht wegen zum Mittelpunkt geworden war.

"... und dann stell Dir vor, er fragt tatsächlich: 'Hast Du, wie es einige zu machen pflegen, derart gehurt, dass Du eines andern Schamglied in die Hand genommen und der andere Deins in seine Hand, und habt Ihr so wechselweise die Schamglieder bewegt, dass Du infolge dieser Lust Samen verspritztest?'" Die Jungs lachten abermals laut auf. Mirjam hörte, dass sie schon sehr lange da saßen und sich über das gleiche Thema unterhielten, als die Türe zum Geheimtreffpunkt im Wäldchen vor dem Jungeninternat hinter sich schloss. "Oh bitte, Ihr nicht auch noch, ich hab' genug von Zitaten ...", lachte sie, die letzte Aussage hörend, trotzdem mit. "Maria Magdalena höchst persönlich, komm setz' Dich in unsere Runde, kommen die anderen auch noch?" Mirjam sah kurz um sich, während sie ihren Schulmantel abstreifte und achtlos auf einen der leeren Kissenhaufen warf. Es waren vier Jungs da, die Hälfte der festen Gruppe, aber keines der anderen drei Mädchen, die sonst auch hier her kamen.

"Hm, ich dachte sie seien schon da. Es war etwas schwierig heute, weil die heilige Johanna nicht einschlafen wollte", sie spielte auf die Jungfrau Jeanne D'arc an, wie sie ihre Zimmernachbarin Tina nannten. Die Kämpferin für die Kirche, die sich nicht beirren ließ. "Vielleicht kommen sie ja noch nach. Ich glaube, Madeleine sagte etwas davon, dass sie noch was besorgen wollten." - "Bestimmt rosafarbene Kondome mit Noppen ...", sagte Tim "Bestimmt haben sie sich mit Euren Freunden zum See verdrückt, Ihr seid ja auch nicht komplett" - "Och, wir nehmen auch mit Dir vorlieb". Alle lachten und Mirjam setzte sich ebenfalls prustend zur Jungsrunde und machte es sich mit einem der Kissen bequem, legte sich auf den Bauch und schob die Schuhe von den Füßen, die ebenso achtlos irgendwo hin flogen. "Na dann zitiere mal weitere, ich glaube, das alles klingt interessanter als der Wahn, den wir in der Schule zu hören bekommen." Gab sie dann den Ansporn weiterzureden.

"Okay, wir sind beim Penitentiale Equus ..." - "... Du bist auch so ein Pferd", unterbrach Tim den Sprecher mit Namen Malcom, und bezog sich dabei auf "equus", das im Lateinischen "Pferd" hieß. Wieder lachten alle kurz auf. "Ja, ja, okay, also das ...", jetzt unterbrach Mirjam ihn, "... ich weiß schon, das Poenitentiale Ecclesiarum Germanicae - das deutsche Kirchenbuch. Ihr könnt ja mal raten, wer das unter seiner ach so reinen Matratze versteckt hält." Sie grinste, die Jungs wissend mit ihr. "Uuuhuuu unsere Jungfrau liest solch schweinischen Kram? Das kann ja heiter werden", warf ein Junge ein, den alle nur bei seinem Nachnamen "Winschester" riefen, bevor es weiterging. "Also, Tim war gerade dabei, sich vorzustellen, wie er im Beichtstuhl sitzt und ein Pfaffe ihm wirklich solche Fragen stellt, wie in diesem Equus-Dingens-Tierens", - "Ja, war ich", meldete dieser sich zu Wort und bequemte sich im Halbliegen mit seinem Computer-Ausdruck - wo auch immer er ihn her hatte - in eine bessere Position, um weiter vor zu lesen, "... dann stellt Euch vor der alte Dekan sitzt da und stellt Dir die Frage ...", wieder wurde er unterbrochen, diesmal von dem sonst eher ruhigeren "Bounce", den man so nannte, weil er beim Lachen keinen Ton rausbrachte, aber irgendwie dabei sehr hüpfte und wackelte - wahrscheinlich, weil er eben keinen Ton rausbrachte. "Na, wir müssen doch erst mal wissen, ob Du das alles getan hast, wenn er Dich schon fragt."

"Oh natürlich ... die Frage hattest Du mitbekommen mit den Schamgliedern?", Mirjam nickte und bedeutete ihm gleichzeitig, dass er weitermachen sollte. "Natürlich, Herr Oberpfaffe, es gibt nichts Dringlicheres, das ich zu tun gedachte." Jetzt wurde auch klar, dass nicht Tim derjenige sein sollte, der im Beichtstuhl antwortete, sondern er einen recht unbeliebten schüchternen Lehrer des Jungeninternats imitierte mit seiner tiefen Stimme, die gar nicht zu dem schmächtigen Mönch passen wollte, der sich vor direkten Fragen drückte, wenn sie im Unterricht gestellt wurden. Wieder grölte die Gruppe und Mirjam grinste. Sie kannte besagten Lehrer vom Sehen und auch schon längst vom Hörensagen.

"Gut, Junge, das hast Du gut gemacht. Und dann muss ich Dich fragen: 'Hast Du gegen die Natur gesündigt, das heißt, mit Männern oder Tieren koitiert, mit einer Stute, einer Kuh, einer Eselin oder irgendeinem anderen Tier?' - Natürlich, Herr Oberpfaffe, so wie es in diesem heiligen Papyrus steht, so habe ich es getan. - 'Aber das solltest Du doch nicht, das stellt eine boshafte Todsünde dar!' - Oh, Euer Gnaden, das habe ich wohl falsch verstanden, bitte bitte ... welche Strafe muss mir auferlegt werden, wie kann ich es wieder abbeten, meine Sünden, meine schlimmen, schlimmen Sünden ... ich muss gestehen, noch weitere Ave Maria, denn ich habe gesündigt, weil es mir gefallen hat ...", wieder prusteten alle und Malcom kugelte sich fast auf dem Boden. Die Jungs hatten keine Hemmungen in Gegenwart von Mirjam so direkt zu sein. Für sie war sie "cool". Sie war nicht wie andere Mädchen, irgendwie. Sie machte viel mehr mit, gehörte zu ihnen, obwohl sie kein Kumpel war.

"Weiter, weiter ...", wackelte "Bounce" antreibend. "Alles mit der Ruhe, Bouncy, wir dürfen doch Maria Magdalena nicht überfordern", er zwinkerte der gemeinten Mirjam zu, die es genoss, so genannt zu werden. Ihr Name hatte ihr nie wirklich gefallen. "Er bekommt natürlich 50 Ave Maria und 20 Vater unser und ihm wird vergeben, wenn er es nicht noch einmal macht. Aber jetzt das Beste: 'Hast Du, wie es einige zu machen pflegen, derart Fornikation getrieben, dass Du Dein Glied in eine durchlöcherte Holzpuppe (lignum perforatum) oder in irgendetwas Derartiges gebohrt und so durch diese Bewegung und Lust Samen verspritztest?'" - "Oh Himmel und Hölle, er würde im Boden versinken!", schrie Malcom fast, er hatte Tränen vor Lachen in den Augen. Das war schon weit witziger, als die Vorstellung, dass der ruhige Mönch sich irgendwelche Holzpuppen schnitzte.

"Darf eine Frau, wenn sie weiß, dass ihr Mann sein Glied mit einer 'englischen Kapuze' umgibt, sich für den Koitus zur Verfügung stellen? - Nein, sie würde an einem abscheulichen Verbrechen mitschuldig sein und eine Todsünde begehen", kam es jetzt vom Eingang, als Anabell und Clara mit Justin eintraten, die Tür hinter sich schlossen und einige Kondome in die Mitte der Runde warfen, bevor sie ihre Mäntel auszogen und über die Lehne des alten Stuhles in der Ecke hängten, der verdächtig wankte, weil schon so viele Kleidungsstücke darauf deponiert worden waren. "Heeeey ... wir dachten schon, Ihr seid verschollen. Wo sind die anderen?", fragte Tim die Neuankömmlinge. "Keine Ahnung, ich glaube Bell hat Kopfschmerzen und Justin meinte, dass Eure Jungs auf 'ne Klausur zu lernen haben," Justin nickte schlicht, als Anabell antwortete, während die jungen Leute sich zu den anderen setzten, "... wir haben noch Hütchen besorgt, sie waren alle ...", Justin grinste. "Fein gemacht, so führsorgend sollten einige andere auch mal sein", Mirjam grinste mit ihm.

"In der Theologia Moralis von 1944 aus Rom steht übrigens: 'Zum widernatürlichen Koitus kommt es, wenn ein ungebührliches Gefäß verwendet, oder das gebührliche Gefäß widernatürlich missbraucht wird, um die Zeugung zu verhindern. Die erste Form ist die unvollkommene Sodomie, die zweite die Onanie. Die unvollkommen Sodomie ist der im hinteren Gefäß der Frau vollzogene Koitus, gleichgültig, ob der Mann den Samen außerhalb ausstößt oder nicht.'" - "Und das aus Deinem Munde, Clara", lachte Mirjam, die Clara eigentlich eher etwas verschlossener wahrnahm. Offensichtlich taute sie langsam auf und die Jungs nickten grinsend, anerkennend, Claras Wangen bekamen einen Hauch Rouge. "Ich würde ja auch das vordere Gefäß bevorzugen, eng und feucht, wenn ich ehrlich bin, wie siehst Du das?" Tims Hand fuhr zärtlich die Kontur von Mirjams Hinterteil entlang und sah sie innig an. "Ich denke, dass ich das auch so sehe ...", und so rutschte sie zu ihm, drehte sich seitlich, so dass Tims Hand in ihren Schoß unter ihren Rock rutschen konnte. Die anderen schmunzelten und so kam eines zum anderen und es wurde eine Nacht, wie es schon viele gab und noch einige geplant waren ...


Ereignisse Hals über Kopf

Zwei Tage später konnte Mirjam es nicht mehr aushalten und zog Kalla beiseite. "Was ist los mit Dir? Irgendwas stimmt doch nicht", Kalla und Mirjam hatten sich am Montag Abend getroffen und nach dieser Nacht war sie wie ausgewechselt. Still, zurückgezogen und kaum ansprechbar. Sie wich Mirjam ständig aus, so auch jetzt. "Es ist nichts ...", sie wollte weitergehen, um zum Frühstückssaal zu kommen. Mirjam hielt sie zurück. "Hey, Moment mal, Du kannst mich hier nicht einfach so stehen lassen ...", Mirjam verstand die Welt nicht mehr. Kalla wandte sich überraschend ruckartig zu ihr um und drückte sie in eine Nische, ihre Augen funkelten enttäuscht und Mirjam glaubte, Tränen darin zu sehen, die sie zu unterdrücken versuchte. "Ach nein, kann ich nicht? Du lässt mich doch auch einfach stehen - im Regen!" - "Ich verstehe echt nicht, was Du meinst, verdammt, jetzt sag es mir halt ..." - "Ich hab' Deinen Knutschfleck gesehen, an ... an Deinem Venushügel!"

Daher wehte also der Wind. Mirjams Schultern sackten etwas zusammen. Sie hatte nicht mehr daran gedacht. Sie schwieg, sie wusste nicht, was sie sagen sollte. "Jetzt fällt Dir nichts mehr ein, nicht? Oh, ich bereue es so, dass ich Dir von diesen Parties erzählt habe, ich hätte wissen müssen, dass Du Dein Versprechen nicht einhältst ... ich hätte es wissen müssen!" - "Jetzt mach mal 'nen Punkt, Kalla! Ich habe Dir niemals ein Versprechen gegeben, Du hast Dir das so zurecht gebogen!" - "Und wenn schon ... dann hab' ich es mir halt zurecht gebogen, das ändert nichts an der Tatsache, dass Du mich betrügst ..." - "Spinnst Du jetzt total? Müssen wir diese Diskussion jetzt noch mal führen?" Mirjam war sauer, Kalla war sauer und beide stierten sich an. Kalla wusste genauso gut wie Mirjam, dass sie keine Beziehung hatten, auch wenn sie sich oft trafen und vieles gemeinsam taten.

"Homosexualität ist eine Verirrung, Verführung, Neurose. Es ist kein Menschenrecht. Homos haben eine unreife, egozentrische und infantile Persönlichkeit. Sie sind Neurotiker und Sklaven pervertierter Sex-Sucht. Die Gottlosen sind die Ursache für alles Leid auf diesem Planeten. Es sind die Gottlosen, welche unseren wunderbaren Planeten vollkommen zerstören, weil sie in der Lüge und die Lüge, Saten, leben. Die Termiten haben nun die Herrschaft übernommen, und so sollte es nicht sein, und die Zeit ist jetzt reif für eine göttliche Ausräucherung." Mit diesen Worten - einem Wust aus zusammengewürfelten Zitaten, überreichte Tina den beiden sprachlosen Mädchen einen Flyer. Ihr boshaftes Grinsen konnte nicht siegessicherer sein und diesmal fanden weder Kalla noch Mirjam eine schlagfertige Antwort. Sie sahen sich an, als Tina davon stolzierte, und sie wussten beide, was die andere sich gerade fragte: "Wie viel hat dieses Miststück mitbekommen?"

Vergessen war die Anfeindung, beide sorgten sich um die andere, weniger um sich selbst. Beide empfanden es als Qual, in dieser Schule sein zu müssen, aber sie wollten nicht, dass die andere Ärger bekam. Doch was blieb, war ein stilles Einverständnis, abzuwarten und für einander da zu sein, was auch immer kommen mochte. Doch ... es kam nichts. Die Mädchen fragten sich nach einigen Tagen, ob das die Ruhe vor dem Sturm war, aber auch nach zwei Wochen war nichts geschehen. Sie trafen sich vorsichtiger, verzichteten darauf, sich in Nischen und Gängen flüchtig zu küssen, oder sich über die Hände zu streicheln, wenn sie gemeinsam in der Bibliothek saßen. Sie mussten damit rechnen, beobachtet zu werden. Doch mit der Zeit, und der Ruhe, kam der Alltag zurück.

Sie Mädchen atmeten auf, als Tina wieder begann, mit Zitaten und nun auch Flyern mit Sprüchen wie: "vor 20 Jahren waren wirklich nur Geistesgestörte der Ansicht, Gleichgeschlechtliche könnten eine Ehe bilden." und "Die Verabschiedung dieses Gesetzes ist zugleich die Verabschiedung von der Schöpfungsgeschichte, eine Aushöhlung des Grundgesetzes und ein weiterer fataler Schritt in die Degeneration - im wörtlichen Sinn des Wortes", um sich zu werfen, wenn die beiden in der Nähe waren. Sie hatte wohl doch nicht genug mitbekommen, um zur Schulleitung zu gehen, dennoch blieben die Mädchen vorsichtig, immer mal mehr oder weniger, aber die meiste Zeit achteten sie sehr auf ihre Umgebung, bis es langsam weniger wurde. Wenn sie wohl etwas mitbekommen hatte, dann konnte sie es nicht beweisen, und von den nächtlichen Ausflügen Mirjams schien sie überhaupt nichts zu wissen. "Sie würde das auf ihre beschissenen, kranken Flyer schreiben ...", sagte Kalla irgendwann und Mirjam nickte. Tina war nun einmal so, sie konnte sich nicht zurückhalten, wenn sie etwas wusste.

Es waren einige Wochen vergangen, die Normalität wieder eingekehrt, als eines Nachts bei einer der "legendären" Parties die Türe zum Schuppen aufgestoßen wurde, und die Schulleiter der beiden Internate mit zwei Nonnen und einem Mönch in der Türe stand. Mirjam sah auf, sie saß auf Justin in eindeutiger Pose, nackt, verschwitzt. Die anderen Mädchen kreischten auf, bedeckten ihre Brüste mit ihren Shirts, vereinzelt das Wort "Scheiße ...", war deutlich in dunkleren Stimmen zu hören. Jetzt war es aus. Tina war die erste, die Mirjam einfiel, als sie von einer Nonne auf die Beine gezogen und mit einer Decke vom Boden bedeckt wurde. Ein Schwall verpackter, bunter Kondomtütchen verlor sich auf dem Boden. Für eine Sekunde starrten alle darauf und man konnte förmlich fühlen, dass den Geistlichen aufging, dass das weder die erste dieser Parties war, noch die letzte hätte sein sollen. Zwei Nonnen bekreuzigten sich, die Schulleiter waren erbost. "Das wird ein Nachspiel haben ..." und mit diesen Worten sammelten die Geistlichen ihre Schützlinge ein und brachten sie dorthin, wohin sie gehörten - in die getrennten Internate - auf die schweren Eichenholzstühle vor dem noch schwereren Tisch, hinter dem die Schulleiterin des Mädcheninternats Platz nahm.

Vor ihr saßen, teils verstört, teils beschämt, Anabell, Clair und Valencia. Mit abgeklärtem und nahezu trotzigem Blick nahm Mirjam diesen nicht aus dem Augenpaar der Direktorin. "Hochmut kommt vor dem Fall, Miss Brown." Mirjam sagte nichts, sie schmunzelte. Ihr lag auf der Zunge zu sagen, dass der Fall diesmal vor dem Höhepunkt kam und sah auf ihre verschränkten Arme. Sie hielt sich zurück, denn ihr Verhalten würde auch auf die anderen Mädchen überschwappen, und das wollte sie nicht. Sie rechnete fest damit von der Schule zu fliegen, aber es war ihr egal.

Nach einer langen Standpauke aber kam alles ganz anders. Die Mädchen konnten nur vermuten, dass die Jungenschule Druck auf die Mädchenschule ausübte. Da das Geld vom Mönchskloster kam, hatte das Nonnenkloster sehr oft mitzuziehen, auch wenn sie vieles anders gehandhabt hätten. Das Geld des Mönchsklosters wiederum, kam von den Eltern der Schüler und wenn dieser Skandal, welcher wirklich einer war, an die Öffentlichkeit kommen würde, waren Einbußen mit 100%iger Sicherheit zu erwarten und wenn es ums Geld ging, war vieles möglich. Auch die Aussage, dass sie den Mädchen den Satan austreiben würden, dass sie ihnen zeigen, wie sie wieder auf den rechten Weg gelangten.

Ihnen wurde erzählt, sie seien einfach falsch geführt worden, sie wären von Satan verführt worden, aber die Kirche und der Glaube würde ihnen helfen, wieder rein zu werden. Mirjam wusste nicht, ob sie heulen oder lachen sollte. So sehr hätte sie es genossen, wenn diese Geschichte an die Öffentlichkeit gekommen wäre, aber andererseits freute sie sich für die Freundinnen, die aufatmeten, schworen - und das mitunter auch glaubten -, dass es nicht mehr vorkommen würde. Die Angst vor dem Ärger der Eltern war zu groß, vor der Enttäuschung, die sie ihnen antun würden. Mirjam pustete die Backen auf und nahm einfach hin, dass sie am nächsten Tag zum Priester musste, um die Beichte abzulegen, um zu erfahren, was sie tun musste, damit Gott ihr ihre Sünden vergab.

Als sie am darauffolgenden Tag zum Beichtvater ging und dann vor seinem Schreibtisch stand, stand auch er auf und ging im Zimmer herum. "Mir ist nun zu Ohren gekommen, dass Du Deiner Lust fröntest, vom Satan dazu verführt wurdest, Dich ihm hinzugeben und fleischlicher Lust nachgegangen seiest." Er klang eigenartig, als er das sagte, Mirjam zog es vor, nicht frech zu werden, rein intuitiv. "Ja, Vater, so ist es gewesen ...", sagte sie nur leise mit gerunzelter Stirn. Er konnte es nicht sehen. Sie blieb stehen, wo sie war. Dann stand er hinter ihr, sie hatte ihn überhaupt nicht auf sie zugehen hören. Sein alter, nach ranzigem Käse stinkender Atem wärmte ekelerregend ihren Nacken.

"Willst Du mir nicht zeigen, was Ihr getan habt?" Hielt er sie für blöd? Seine Stimme wirkte, als sagte er das nicht zum ersten Mal. "Ich kann so besser beurteilen, welche Strafe ich Dir auferlegen muss, um Dich von all den Sünden reinzuwaschen." Gab es tatsächlich Mädchen, vielleicht auch Jungen, die darauf reingefallen waren? War das seine Masche? Waren all die Gerüchte wahr, die es immer und immer wieder gegeben hatte, obwohl keines von ihnen - auch von den Mädchen nicht - bestätigt wurde? Mirjam drehte sich zu ihm um und starrte ihn entsetzt an. "Ja, so können wir das natürlich ...", er begann an ihrem Schulrock herumzufummeln, war nicht mehr ganz bei sich, als sie ihn unterbrach, "... gar nichts können wir, nehmen Sie ihre Finger von mir", es war ein zischendes Flüstern und sie trat einen Schritt zurück, stieß am Schreibtisch an.

"Was denn, was denn? Du hast Dich der Hurerei hingegeben, und jetzt willst Du behaupten, das nicht weiter tun zu können?" Er begriff, dass er mit Heuchelei nicht weiterkam, dass sein Spielchen bei ihr keinen Erfolg versprach und so versuchte es auf andere Weise, kam wieder auf sie zu. "Du willst es wohl dreckig, nicht wahr, so wie Du es mit den Jungs getrieben hast, rittlings auf ihnen gesessen, wie der Reiter auf seinem Pferd, mit nackten Brüsten ...", er griff nach ihrer Bluse, wollte sie von ihrem Körper reißen, sie wandte sich unter ihm weg und drängte sich gen Regal. Das schwangere Mädchen kam ihr in den Sinn. War der Pfaffe der Vater? "Ich werde Sie anzeigen, seien Sie sicher, das werde ich tun." Mirjam war außer sich vor Wut vor seiner Unverfrorenheit, sie war geschockt, aber nicht verängstigt. Sei hatte keine Angst vor dem, was passieren könnte, sie wusste Mittel und Wege sich zu wehren.

"Weiber sind von der Natur zum gemeinschaftlichen Genuss bestimmt", er ließ sich nicht beirren, ging wieder auf sie zu. "Und das rechtfertigt alles, oder? Ganz nach Richter 19: 'Stelle Deine Frau notgeilen Männern zur Verfügung und lasse sie zu Tode vergewaltigen'", sie zitierte nicht korrekt, aber der Inhalt des Bibelzitats wurde somit auf den Punkt widergegeben. "Die Weiber sind hauptsächlich dazu bestimmt, die Geilheit der Männer zu befriedigen.", konterte er mit einem Zitat von Johannes Chrystostomos, und schob von Augustinus noch eines nach: "Das Weib ist ein minderwertiges Wesen, das von Gott nicht nach seinem Ebenbilde geschaffen wurde. Es entspricht der natürlichen Ordnung, dass die Frauen den Männern dienen." Er klang wie ihr Vater, auch wenn dieser seine Aphorismen anders interpretierte.

"Das ist doch krank ...", Mirjam schob sich an der Wand entlang, immer weiter von ihm weg, er ging ruhig immer weiter auf sie zu. "Und als diese zu ihm brachte, damit er esse, ergriff er Tamar und sprach zu ihr: 'Komm meine Schwester, lege Dich zu mir! ... Aber er wollte nicht auf sie hören und ergriff sie und überwältigte sie und wohnte ihr bei. Und Amnon wurde ihrer überdrüssig, sodass sein Widerwille größer war als vorher seine Liebe." Er wollte nach ihr greifen, als sie ihm den Rest aus Samuel 13,11 entgegenschleuderte: "Und Amnon sprach zu ihr: Auf, geh Deiner Wege!" Mittlerweile empfand sie doch Angst. Angst vor diesem Wahnsinn, der sich hier abzuspielen schien.

Dieser Mann schien alles, aber nicht mehr bei Sinnen. Die ganze Kirche schien nicht bei Sinnen zu sein. Als er sich nun auf sie stürzte, sie gegen die Wand zu pressen versuchte, stieß sie ihm ihr Knie zwischen den Talar in die Weichteile, er schrie auf und sie konnte ihn wegdrücken, als er sich krümmte. Für diesen Moment wünschte sie sich, sie würde dauernd von Tina mit Flyern überhäuft werden. Tausende Flyer, nur nicht hier sein, nicht noch einmal diesen Wahnsinn in den Augen eines Mannes erleben. Ein Wahnsinn, der nur endete, weil die Türe nicht abgeschlossen war und sie davon laufen konnte.

Tränen standen ihr in den Augen. Sie malte sich nicht aus, was hätte passieren können. Viel mehr malte sie sich aus, was all den Mädchen, die zuvor bei ihm gewesen sein mussten, passiert war. Sie dachte nicht nach und rannte. Rannte über den Campus, ins Internatsgebäude und die Stufen nach oben - direkt vor das Büro der Schulleitung, direkt hinein, ohne zu klopfen. "Ungehorsam. Gehen Sie raus und klopfen Sie anständig, wie eine Dame das zu tun pflegt, damit ich Sie reinbeten kann, Miss Brown. Glauben Sie nicht, dass Sie nicht schon genug Sünden zu beichten haben?" Mirjam ignorierte die Worte der Schulleiterin, die ruckartig hinter ihrem Schreibtisch aufgestanden war. Das Mädchen konnte kaum atmen, doch sie zwang sich zu klaren Worten: "Pater Gambert ...", sie schnappte nach Luft und wurde unterbrochen, "Was ist mit Pater Gambert, war er nicht da, um Ihnen die Beichte abzunehmen?" Zumindest schien Mirjam jetzt irgendwelche Menschlichkeit in dieser Stimme zu hören, vielleicht rechnete sie damit, dass das Mädchen von einem Herzinfarkt berichtete? Dafür aber hielt sie sich gut.

"Nein, er war da, und wie er da war ... er hat ... er ..." - "Bei Gott, jetzt sprechen Sie, Miss Brown." Die Stimme der Schulleiterin wurde unruhig, langsam bekam Mirjam auch endlich wieder Luft. "Er wollte mich vergewaltigen." Sie suchte den Blick der alten Nonne. Stille. Es war gefühlte Stunden einfach nur eine Starre eingekehrt, als hätte man den Fernseher auf Pause gestellt. "Das ist eine Verleumdung, Miss Brown, Sie wissen, dass eine solche Behauptung ungeheuerlich ist. Ich kenne Pater Gambert seit Jahren persönlich. Wie können Sie es wagen ...?" - "Ich sage die Wahrheit, verdammt, ich sage die Wahrheit ..." In diesem Moment kam ein ebenso vom Rennen - und vielleicht durch seinen Schmerz in den Lenden - keuchender Beichtvater durch die Tür gestürmt. Seine Stirn zornig rot, seine Augen voller Hass. "Glauben Sie diesem Gör kein Wort, Mutter Celina, in ihr ist der leibhafte Teufel, der Leibhaftige. Ich hab' dem Teufel ins Gesicht gesehen, dann trat er zu, in Stellen, die ich nicht zu benennen vermag ..." - "Aber ...", Mirjam fand kaum noch Worte, sie starrte von dem einem zum anderen, sah im Blick Mutter Celinas, dass diese ihr nicht glaubte, dass sie keine Chance haben würde.

"Diesem Mädchen ist nicht mehr zu helfen, Mutter, es ist ihr nicht mehr zu helfen, schicken sie sie fort, sie ist eine Gefahr für diesen Campus. Sie ist der Quell allen Ursprungs, sie ist das wahrhaft Böse ..." - "Miss Brown, hiermit verweise ich sie des Internats." - "Vielleicht wird uns hier klar, warum wir vorhin auf den engen Zusammenhang des Weibes mit dem Tier aufmerksam machten: Sexualität führt zur Bestialität", mischte sich der Beichtvater nun wieder ein, noch immer rot vor Zorn, aber ruhiger atmend als zuvor und mit einem siegessicheren Glänzen in seinen kleinen, dunklen Schweinsäugelein. "Wie können Sie diesem Mann glauben, Mutter, wie? Wie vielen Mädchen hat er das schon angetan? Fragen Sie nicht danach? Wie vielen?" Mirjam schrie fast, die Mädchen aus dem unteren Stockwerk konnten sie hören und begannen zu tuscheln und zu horchen.

"Priester, die Frauen beherbergen, die Verdacht erregen, sollen bestraft werden. Ich werde Satan nicht beherbergen. Eine Hexe ist sie, Mutter. Eine Hexe. Die Frauen aber soll der Bischof in die Sklaverei verkaufen." Damit war das Schlusswort gesprochen. Der Pater hatte gewonnen. "Gehen Sie auf Ihr Zimmer. Schwester Susanne wird Sie begleiten, ich schicke sie Ihnen nach. Dann werden Sie dieses Gebäude und den ganzen Schulkomplex niemals wieder betreten. Haben Sie mich verstanden, Miss Brown? Ich werde Ihre Eltern anrufen, dass sie Sie abholen, und Ihnen von den Vorfällen hier natürlich berichten." Mirjam war alles egal, sie wollte einfach nur noch hier raus. Wollte raus und niemals wieder in solch eine Hölle zurück. Sie musste zur Polizei, sie musste anzeigen, was hier vorgefallen war, und so wandte sie sich um und lief die Stufen hinab. Die Mädchen wichen vor ihr zurück, sie wussten, dass die Oberin nachgeeilt war und ihr hinterher sah.

Es dauerte noch einen Tag, bis ihre Eltern sie wirklich abholen sollten, und Mirjam hatte es geschafft, sich mit Kalla zu treffen, ohne dass die schlafende Schwester Susanne es mitbekommen hatte. "Vier Mädchen sind zu mir gekommen und haben mir gesagt, dass es stimmt, und dass sie noch von einigen anderen wissen, die nichts sagen wollen, weil sie Angst haben. Sie wollen nicht, dass ich Dir ihre Namen nenne, ich darf es nicht, verstehst Du? Sie würden vor der Polizei alles leugnen, aber ich sage, Du musst hingehen, allein wenn nötig, Du musst ihnen alles erzählen, versprich mir das, ja?" - "Das werde ich ... das ... werde ich ...", Mirjam sah in den Augen Kallas, dass da nicht nur vier fremde Mädchen waren, die nichts sagten und sie fragte sich, wie unaufmerksam sie all die Jahre gewesen sein musste, dass sie nicht gemerkt hatte, dass auch Kalla eine von ihnen war, auch wenn sie es nicht aussprach und wohl niemals aussprechen würde. Sie nahm ihre Freundin fest in den Arm und verabschiedete sich mit einem sanften Kuss auf die Stirn von ihr.


Wer einmal lügt ...

Ihr Vater hatte entschieden, dass das Heidenkind allein mit dem Zug zurückfahren sollte. Er würde diese Brut nicht abholen, sondern sich um seine Frau kümmern, die weinte und sonst nichts mehr tat, als das. Sobald Mirjam das Schulgelände verlassen hatte, fand sie den direkten Weg zur Polizei. Die Schule hatte es nicht von Nöten gehalten, sich weiter um die junge Frau zu kümmern und dafür zu sorgen, dass sie wirklich den Zug erreichte, in dem ein Platz für sie reserviert war.

"Hören Sie, Officer. Dieser Pater hat mir das wirklich angetan, hören Sie eigentlich, was ich sage?" Mirjam kam es vor, als spräche sie spanisch. Der Polizist lehnte grinsend hinter seinem Schreibtisch und sagte nichts. Jetzt erst beugte er sich vor, lehnte die Unterarme auf dem Tisch ab und hielt einen Bleistift in den Händen. "Hören Sie, Miss Brown. Wir wurden telefonisch darüber informiert, dass Sie hier auftauchen würden und uns diese Geschichte erzählen. Wir wurden des weiteren darüber aufgeklärt, dass dies alles ihrer Phantasie entspringt, weil sie dabei erwischt wurden, dass sie mit den Jungs aus dem anderen Internat Orgien gefeiert haben und sich nun rächen wollen ...

... Natürlich gebe ich zu,"
er drehte den Bleistift in seinen Händen, "dass ich nicht gläubig genug bin, zu glauben, dass Sie vom Teufel besessen seien, wie mir versichert wurde, aber dennoch muss ich sagen, dass ich weiterhin nicht glaube, dass eine arme Mädchenschule 500 Dollar riskiert, wenn sie fälschlicherweise behaupten würde, dass ihre Keuschheit - nach Gesetzeslaut - auf diese Weise angetastet worden sei.

Des weiteren ist Pater Gambert schon mein Beichtvater gewesen, und ich glaube, davon hätte ich etwas mitbekommen. Er ist ein Freund der Familie, Miss, es ist schon dumm, sich solch einen frommen Mann auszusuchen, um solche Behauptungen in die Welt zu setzen. Seien Sie froh, dass das Kloster darauf verzichtet, Sie anzuzeigen."


In diesem Moment gab es zwei Gedanken in Mirjam. Der eine verlief sich in Untiefen gegenüber der Machtlosigkeit, die sie fühlte, weil sie nichts tun konnte. Sie waren in die Offensive gegangen, sie hatten behauptet, dass Mirjam das erzählen würde. Man glaubte nicht, dass eine Kirche solche Dinge erfand oder überhaupt erzählte. Es musste also die Wahrheit sein - in den Augen der Beamten. Der zweite Gedanken war an das Gesetz gewidmet.

Nicht jenes, welches der Beamte zitierte, sondern dem Gesetz in sich. Offensichtlich war es genauso unglaublich zitierbar, wie die Bibel und deren Kinder und Kindeskinder - und es war nicht normal. Mirjam stand auf. "Sie wollen also nicht behaupten, dass an dieser Orgiengeschichte nichts dran ist?" Sie sah ihn an, wie er zu ihr hoch grinste und sagte nichts, wandte sich um und ging. Ihr Zug fuhr in dreißig Minuten. Sie hörte das Lachen seiner Kollegen, als die Türe ins Schloss fiel. Einige Wochen später erfuhr sie durch Zufall, dass Kalla schon eine Nacht später aus dem Internat geflohen war. Sie war nicht die erste, und Mirjam wusste, dass sie auch nicht die letzte sein würde.

Von Menschen, die von fremden Gedanken beherrscht werden

Die Diskussionen mit ihrem Vater wollten kein Ende nehmen. Sie hatte versucht, einfach auf Durchzug zu schalten, aber seine Vorwürfe, seine Beleidigungen und Erniedrigungen fanden zu keinem Schluss. Er hatte ihr zwei Ohrfeigen gegeben, als sie zur Tür herein gekommen war und sie für zwei Tage ohne Essen auf ihr Zimmer geschickt. Ihre Mutter wimmerte und betete, wimmerte und betete. Mirjam konnte es nicht mehr hören. Es war ein Abend, einige Zeit darauf, da er nun wieder anfing, auf dem gleichen Thema herumzureiten. Sie hätte den Namen der Familie in den Schmutz gezogen. Er habe schon bei ihrer Geburt gewusst, dass ein Mädchen nur Unheil über ihn bringen würde.

"Gott schafft im stillen Heiligtum des Mutterleibs, und willst es durch Wollust schänden? Die Frau ist ein Missgriff der Natur ... mit ihrem Feuchtigkeits-Überschuss und ihrer Untertemperatur körperlich und geistig minderwertiger ... eine Art verstümmelter, verfehlter, misslungener Mann ... die volle Verwirklichung der menschlichen Art ist nur der Mann", er liebte Thomas von Aquin. Er widersprach sich selbst. Mirjam aber hatte gelernt auf seiner Ebene zu sprechen und antwortete mit Richter 11, fast aber eher beiläufig, weil sie es einfach nicht mehr hören konnte: "So soll, was mir aus meiner Haustür entgegengeht, wenn ich von den Ammonitern heil zurückkomme, dem HERRN gehören, und ich will's als Brandopfer darbringen ... Als nun Jeftah nach Mizpa zu seinem Hause kam, siehe, da geht seine Tochter heraus ihm entgegen mit Pauken und Reigen; und sie war sein einziges Kind, und er hatte sonst keinen Sohn und keine Tochter ... Und er tat ihr, wie er gelobt hatte." Sie spielte darauf an, dass Jeftah seine Tochter schlachtete und sie danach verbrannte.

"Du triffst den Nagel auf den Kopf, Mirjam. Diesen Namen bist Du nicht einmal wert. Verbrennen sollte man so eine Hexe wie Dich. Schlecht ist das Weib von Natur, da es schneller am Glauben zweifelt, auch schneller dem Glauben abschwört, was die Grundlage von Hexerei ist." Der letzte Satz war aus dem Hexenhammer. "Ehe ist Arznei für Hurerei ... aber wer will Dich schon, eine Hure hab ich in meinem Haus, eine Hure!" Seine Frau begann abermals zu wimmern, sagte aber nichts. Sie war krank und schwach und all das wühlte sie noch viel mehr auf, als ohnehin schon. "Die Frauen sind es Lebens nicht würdig", murmelte er dann noch und Mirjam wollte vom Esstisch aufstehen und in ihr Zimmer gehen.

"Es käme Dir recht, nicht wahr, Mirjam. Setz Dich hin und höre, was ich Dir zu sagen habe. Ich habe eine Hure am Tisch, und sie soll hören, was ich über sie denke!" Mirjam blickte ihn leer an. Es machte ihr nichts aus, dass er sie als Hure bezeichnete, sie empfand bei diesem Wort nichts Schlimmes. Aber sie hasste es, wenn er nicht seine eigenen Worte benutzte, um mit ihr zu sprechen. Eingeimpft von jemand anderem, von der Kirche, dem Gesetz, von der Gesellschaft. Eingeimpft und weiterverbreitet wurden solche Aussagen, die alles waren, nur nicht richtig, nicht gerecht, nicht fair. Sie waren engstirnig, dumm und konservativ, genauso wie er es war.

"Kein Mitleid für Dich Hexe, Dich sollte man Stück für Stück verbrennen", wow, er hatte tatsächlich mal nicht den genauen Wortlaut Luthers genommen. "Wusstest Du, dass bestimmte sexuelle Verhaltensweisen Krebs hervorrufen können?" Es war eine rhetorische Frage. Diese Aussage hatte Papst Johannes Paul der II. vor Gynäkologen gebracht. Dass ihr Vater das glaubte, zeugte für sie in der Stunde des Zweifels dafür, dass er wirklich dumm war. "Du glaubst, was Du sagst, oder? Oh, entschuldige, es sind ja nicht mal Deine Worte. Und was ist mit den Hexen? Du glaubst an Hexen? Solltest Du nicht eher an Gott glauben?" Mirjam provozierte ihn, das wusste sie.

Den Blick ihrer Mutter ignorierte sie geflissentlich. Doch anstatt auszurasten, gab er nur ein weiteres zum Besten. Der Hexenhammer war wohl seine neuste Errungenschaft. Mirjam hätte sich gewünscht, ihn auf die Autoren und die Leute, die dem Hammer gehorcht hatten, anwenden zu können. "Zur größten Ketzerei gehört es, wenn man nicht ans Hexenwesen glaubt." Es war einfach unglaublich. Sie lebte hier im 21. Jahrhundert ... und fand sich im Wohnzimmer des Mittelalters wieder, in dem die Menschen sich geistig zurückentwickelt hatten, wenn man die Sicht von der Antike aus auf diese Zeit lenkte.

"Und was ist eigentlich mit den Jungs, hm? Was glaubst Du, haben sie für Namen verdient?" Mirjam setzte sich wieder an den Tisch und war ehrlich interessiert. Fast war es ein Spiel, und er spielte mit. "Der Schöpfungsbericht lehrt uns, dass, was wir heute erleben, die Frauen sich grundsätzlich nach verbotenen Früchten ausstrecken und wir Männer immer wieder den Frauen unterliegen. Ist es nicht immer wieder dasselbe? Allein, ohne den Mann, kann eine Frau nicht sündigen, aber sie enthauptet den Mann, um sündigen zu können." Er bezog sich auf die moderne Emanzipation, wie auch ein Diplom-Mathematiker, Philosoph und Autor der heutigen Zeit es getan hatte. Er nahm die Jungs tatsächlich in Schutz. Nicht, dass sie wollte, dass er sie verurteilte, es ging eher ums Prinzip und da war er fest in seiner Meinung.

"Du gibst also zu, dass Männer ein sehr schwaches Geschlecht sind, nicht wahr? Sonst wären sie doch stark genug, uns Frauen zu widerstehen, meinst Du nicht auch? Der feine Simson aus Samuel 12,11 ging nach Gaza und sah dort eine Hure und ging zu ihr. Wie schlimm kann es denn sein, wenn in der Bibel schon so ausführlich darüber berichtet wird?" Sie konnte einfach nicht anders, als ihn zu provozieren. Seine Ohren liefen rot an. Aber auch ihr Herz schlug schneller, denn sie wusste, dass das Donnerwetter nicht lange auf sich warten lassen würde.

"Was ist denn das Weib anderes als eine Vernichtung der Freundschaft, eine unentfliehbare Strafe, ein notwendiges Unglück, eine natürliche Versuchung, ein begehrenswertes Unheil, eine häusliche Gefahr, ein reizvoller Schädling, ein Weltübel, mit schöner Farbe bestrichen!" Wieder der Hexenhammer, Mirjam hatte genug, stand abermals auf. "Du kannst mich mal mit Deinen Aphorismen, alter Mann. Du bist so unendlich peinlich, ich kann es gar nicht beschreiben. Wie kannst Du nur so dumm sein, so dumm ..." Auch er stand auf und wischte ihr klatschend eine, dass ihr die Tränen ungewollt in die Augen stiegen. "Mehr kannst Du nicht, wenn Dir die Zitate ausgehen, nicht wahr?" - "Nein, nein, nein, hört auf ... hört auf Euch zu streiten, und solche Dinge zu sagen."

Die Stimme ihrer Mutter war leise, sie wimmerte wieder. Vater und Tochter starrten einander an, sie wussten, der Kampf war noch nicht zuende, sie wussten, dass den anderen das Geheule nervte, wie sich selbst, sie wussten beide, dass sie, wäre Mirjam ein Mann gewesen, jetzt rausgegangen wären, um sich zu schlägern. So aber konnten sie nichts tun. Beide nicht. Mirjam drehte sich um und ging aus dem Zimmer in ihr eigenes. Am Liebsten hätte sie ihn gefragt, ob er keine Lust dabei empfunden hatte, mit ihrer Mutter zu schlafen, aber sie hörte schon, wie er ihr dann gesagt hätte: "Gatten, die sich beim Akt ergötzen, verkehren die richtige Ordnung." Pabst Gregor I. hatte das von sich gegeben. Sie hatte keine Lust mehr, irgendetwas musste sich verändern. Vielleicht sollte sie auch einfach abhauen, wie Kalla ...


Die Frage nach der Schuld

Mirjam quälte sich damit, zu überlegen, wie es jetzt weitergehen sollte. Ihre Mutter wurde kränker und sie entschied sich, sich um sie zu kümmern und den Vater zu ignorieren, so wie er sie zu ignorieren begann. Von den kleinen stichelnden Erniedrigungen abgesehen. Mirjam verschob ihr Verschwinden auf später. Sie konnte das Leben und die Einstellung ihrer Mutter nicht verstehen, aber diese Frau hatte es nicht verdient, dass man sie verkümmern ließ und so war sie rund um die Uhr für sie da. Und vielleicht erlebte die alternde, schwache Frau zum ersten Mal eine gewisse Umsorgung, die ihr sonst im Leben nicht zuteil geworden war. Die beiden Frauen fanden ihren Frieden miteinander, auch wenn Mirjam ihren Worten nicht glaubte, als diese auf dem Sterbebett sagte, dass ihr Vater sie sicher liebte. Sie sagte nichts dazu. Sie wusste, der Wunsch der Mutter nach Versöhnung von Vater und Tochter würde sich nicht erfüllen, doch ließ sie sie in dem Glauben gehen, damit sie ihren inneren Frieden fand.

Mirjams Entschluss zu gehen stand nun fest. Es hielt sie nichts mehr in dem kleinen Haus am Stadtrand der Bilderbuchvorzeigfamilie mit den imaginären dicken schwarzen Vorhängen, damit niemand sah, was hinter der Fassade alles bröckelte und zerstört war. Sie wollte noch einige Dinge erledigen, die Sachen ihrer Mutter sortieren und dann gehen. Wenige Tage würde sie brauchen und so waren ihre Taschen auch schon gepackt, als ihr Vater voller Gram sein Schweigen brach. Diesmal sagte er nicht viel, aber der Wahn in seinen Augen kam ihr seltsam bekannt vor. "Ein toter Sohn ist besser als ein ungezogener ...", dass er eine Tochter hatte, spielte in diesem Falle wohl keine Rolle. Sie wusste, dass er sie meinte, sie wusste, dass er ihr die Schuld am Tod seiner Frau, ihrer Mutter gab, sie wusste, dass er nicht mehr bei Sinnen war. Begriff er vielleicht endlich, dass er ohne seine Ehefrau gar nicht im Stande war, für sich selbst zu sorgen? Sie hatte ihm doch alles hinterher getragen. Mirjam würde ihren Platz garantiert nicht einnehmen.

Danach murmelte er, lethargisch vor sich hin stierend. "Wenn jemand einen widerspenstigen und ungehorsamen Sohn hat, der der Stimme seines Vaters und seiner Mutter nicht gehorcht und auch, wenn sie ihn züchtigen, ihnen nicht gehorchen will, so sollen in Vater und Mutter ergreifen und zu den Ältesten der Stadt führen und zu dem Tor des Ortes und zu den Ältesten der Stadt sagen: Dieser unser Sohn ist widerspenstig und ungehorsam und gehorcht unserer Stimme nicht und ist ein Prasser und ein Trunkenbold", Mirjam setzte gedanklich in das Gleichnis Mose 21,18 für Sohn Tochter, und anstelle des Trunkenboldes und Prassers die Hure ein, "... so sollen ihn steinigen alle Leute seiner Stadt, dass er sterbe, und Du sollst so das Böse aus Deiner Mitte wegtun, dass ganz Israel aufhorche und sich fürchte."

Dann stand er auf und nahm seine Fliegermütze vom Haken neben der Tür. "Wo willst Du hin? Es ist Sonntag, Du kannst jetzt nicht fliegen gehen, das ist verboten." Ihr war nicht wohl in dieser Situation, in der er so gar nicht er selbst war. Er drehte sich nicht um, seine Stimme allerdings war klar und verständlich. So klar, dass sie kaum mit der abwesenden von gerade übereinstimmen konnte. "Geh mir aus den Augen, bevor ein Unglück passiert. Wenn ich zurück bin, bist Du weg. Ich habe keine Tochter, ich hatte nie eine und wollte sie auch nie." Dann drückte er die Klinke unter seiner faltigen Hand und verließ das Haus.

Mirjam trauerte nicht über seine Worte, sie selbst hatte schon lange keinen Vater mehr, nie einen gehabt. Aber sie war erschrocken darüber, dass sie wusste, dass er sie wohl erschlagen hätte, wenn sie geblieben wäre. Es war das erste mal, dass sie Worte aus seinem Mund hörte, die direkt aus seinem Kopf entsprungen waren. Und dann mussten es welche sein, die geprägt waren von der Krankheit des Wörtlichverstehens der ach so heiligen Schrift.

Mirjam sah den Zeitpunkt gekommen, trotz teils unerledigter Dinge, das erste Mal in ihrem Leben bewusst dem Wunsch des Vaters zu folgen. Sie nahm ihre Sachen und verließ ihr Elternhaus, das für sie nie ein Zuhause gewesen war, und kehrte niemals wieder zurück.


Neue Wege

Mirjam fand sich in der Hauptstadt Virginias - Richmond - wieder, das einheimisch auch River City genannt wurde. Wie gerne wäre sie auf die Virginia Commonwealth University gegangen, doch so ganz ohne Abschluss war ihr dies nicht möglich. Sie hätte den Abschluss in nur einem Jahr nachholen können, aber sie musste arbeiten, um sich über Wasser zu halten.

Letztendlich fand Mirjam sich in einer kleinen Absteige wieder, die in einem Haus voller Arbeitsloser und Alkoholiker lag. Die Flure waren mit Dreck und alten Zeitungen verwahrlost, die Wasserrohre verrostet und die Heizung funktionierte nur nach Laune - und meist dann, wenn es draußen warm war. Die Wände schienen aus Pappe zu sein, jeder zweite ein schreiendes Baby sein Eigen zu nennen und nach den Geräuschen von an Wände schlagenden Bettlehnen zu urteilen, würden weitere in einigen Monaten folgen. Es gab keine Badewanne, weil diese in Gebäuden Virginias - warum auch immer - verboten waren, aber dem trauerte Mirjam nicht lange nach.

Ihr Reich war klein, sie hatte mit der Zeit etwas renoviert und schlicht, aber sauber eingerichtet. Mirjam fühlte sich wohl, trotz der Umgebung und den Polizeisirenen, die vor allem Nachts durch das leicht angehobene Fenster mit der Frischluft hereinwehten. Sie war hier frei, hier war kein Vater, hier war keine Tina, hier war kein Zwang, hier war kein Beten. Es war Freiheit. Eine kleine, einfache, aber so war es.

Nachdem sie sich davon verabschieden musste, ihren Abschluss nachzuholen und eine Universität zu besuchen, und sie den freien Job als Kassiererin in einem Supermarkt angenommen hatte, um ihre Unterkunft fürs Erste Finanzieren zu können, suchte sie nebenher eine Möglichkeit, ihr "Hobby", das, was sie gerne tat, zum Beruf zu machen.

Eine Anzeige in der Zeitung brachte Mirjam dazu, dass sie sich bei einer Partnertreuetest-Agentur bewarb und bald darauf auch schon anfangen konnte. Es war eine kleine, schäbige Agentur, die viel mehr für Sex bezahlte, als für den Treuetest, aber das störte Mirjam nicht. Sie konnte sich ihre Fälle selbst aussuchen und wurde dafür recht ordentlich bezahlt. Jedenfalls für ihr Empfinden. Sie kam über die Runden und hatte Spaß bei ihrer Arbeit, und das war die Hauptsache. Auch störte sie nicht, dass die Agentur nicht legal arbeitete, es war nicht ihr Problem. Sie fand sich sehr schnell in den Job ein und wurde dann auch als Begleiterin gebucht, und nicht nur für Treuetests, die sie eh langweilten. Es sprang mehr dabei heraus und sie konnte wirklich das machen, was sie tun wollte.

In dieser Zeit freundete sie sich mit ihrer Nachbarin an. Heute könnte sie nicht einmal mehr sagen, wie es zum ersten Kaffeeklatsch kam, den die beiden Frauen in einer der Wohnungen veranstalteten. Es war ein vergnügtes Beisammensein, sie sprachen über Alltägliches und lachten viel. Von Mirjams Beruf allerdings sprachen sie nicht. Die Brünette wollte ihr Privatleben vom Beruf trennen und so hielt sie es grundsätzlich.

Als Till, der Mann der hübschen blonden Nachbarin Brittanny, arbeitslos wurde und innerhalb kürzester Zeit zum Alkoholiker mutierte, waren die Treffen seltener geworden. Oft entdeckte Mirjam bei ihrer Nachbarin blaue Flecken, doch auf ihr Nachfragen hin, bekam sie nur fadenscheinige Ausreden zu hören. Brittanny spielte ihre Situation herunter, entschuldigte ihren Mann, wenn dieser laut grölend nach Hause kam und erklärte, er würde sicherlich bald wieder Arbeit finden, er mache gerade eine Krise durch. Mirjam wusste nicht, was sie davon zu halten hatte. Sie wusste nicht, ob sie etwas tun sollte oder was sie hätte tun können. Dem Gesetz vertraute sie schon lange nicht mehr, bestätigt auch durch Brittanny, die später, als sie nicht mehr ständig verheimlichen konnte, dass Till die Hand ausgerutscht sei, sagte, sie hätte nie Hilfe von den Polizei bekommen. Es war gelogen, aber das wusste Mirjam zu diesem Zeitpunkt nicht und glaubte es durch ihre eigene Erfahrung, die sie mit den öffentlichen Behörden hatte machen müssen.

Es war ein langer Tag gewesen, als Mirjam abends nach Hause kam und an der Tür Brittannys vorbei gehen und ihre Wohnung aufschließen wollte. Sie hörte, wie Brittanny weinte und klopfte an die Tür. Till öffnete, sagte nichts weiter, sondern rauschte volltrunken an Mirjam vorbei, die ihm nur kurz nachsah, bevor sie in die Wohnung eilte, in der ihre Freundin an der Schläfe blutend auf dem Boden lag. "Himmel, was ist passiert ...", sie half der eigentlich recht hübschen Blondine mit den langen wirren Locken auf die Beine und brachte sie ins Badezimmer, um die Wunde zu säubern. "Er hat heute eine Absage bekommen, es geht schon. Es ist nicht so schlimm, mach' Dir keine Sorgen ..." - "Oh hör auf, Britt, bitte hör' auf mich anzulügen. Du kannst nicht so weitermachen, verstehst Du das? Das geht nicht. Irgendwann schlägt er Dich tot." Brittanny hatte keine Kraft, ihr Lügenkonstrukt weiter aufrecht zu erhalten. "Was soll ich denn machen, Gott verdammt, ich kann nicht gehen, ich kann jetzt nicht gehen ... wie in guten, so auch in schlechten Zeiten. Ich kann jetzt nicht gehen ..." - "Das gibt ihm kein Recht der Welt, Dich zu schlagen ...", Mirjam tupfte die Wunde, sie musste glücklicherweise nicht genäht werden, ein stabiles Pflaster würde den Schnitt zusammenhalten.

"Nein, aber ich werde das aushalten. Ich muss es aushalten." Brittanny hatte sich auf den Deckel der Toilette gesetzt, Mirjam kniete sich vor sie und sah sie von unten herauf an. "Du musst überhaupt nichts", sagte sie in ruhigem Ton, der die junge Frau dazu veranlasste, abermals zu weinen. "Doch ... doch ... ich muss, ich ... bin schwanger ...", jetzt bebte ihr Körper und Mirjam begriff. Als sie die junge Frau kurz nach ihrem Einzug kennengelernt hatte, hatte diese sich nichts sehnlicher gewünscht, als ein Baby zu bekommen. Und jetzt, im ungünstigsten Moment ihres Lebens, durfte sie sich über das kleine Wunder unter ihrem Herzen nicht einmal freuen. Die Dunkelhaarige nahm die Freundin fest in den Arm und ließ sie weinen. Es brauchte keine Worte, sich in dieser Situation zu verstehen.

"Hör zu, ich informiere mich über Deine Möglichkeiten. Du musst hier raus. Und wenn Du es nicht für Dich tun willst, dann für Dein Kind. Einverstanden?", sagte sie Minuten später in unveränderter Haltung. Es brauchte einen Moment, doch dann spürte Mirjam das leichte Nickten an ihrem Bauch und sie strich der Freundin tief durchatmend durchs Haar.

Gleich am nächsten Tag hatte Mirjam sich auf den Weg gemacht, sich frei genommen und Beratungsstellen aufgesucht. Sie kam sehr bald zu einem Frauenhaus, in dem man ihr ausführlich schilderte, welche Möglichkeiten es gab. Erst dachten sie, dass Mirjam selbst die Geschädigte sei, welche oftmals ankamen und von ihrer Freundin in Spe sprachen, doch irgendwann verstanden auch sie, dass es nicht um sie selbst, sondern um eine echte und reale Freundin ging.

Verschiedene Informationsbroschüren konnte sie mit sich nehmen, sich bedanken und diese Brittanny vorbei bringen. "Lies Dir alles in Ruhe durch und dann sprechen wir morgen beim Kaffee darüber. Ich bringe leckeren Kuchen mit." - "Okay." Und Mirjam war für den ersten Schritt zufrieden. Wie gerne hätte sie Britt sofort aus diesem Loch geholt, aber sie konnte nicht gegen den Willen der befreundeten Nachbarin handeln und da Till die Angewohnheit hatte, sich zu entschuldigen und seine Frau erst einmal für ein paar Tage in Ruhe zu lassen, konnte sie zumindest mit einem halbruhigen Gewissen einschlafen.

Am nächsten Tag erfuhr Mirjam in der Agentur, dass ein Typ, den sie getestet hatte, einen Rachefeldzug startete. Er hatte wohl gedroht, die Polizei zu alarmieren und verlangt, dass man ihm die persönlichen Kontaktdaten Mirjams überreichte. Die Firma allerdings war klug genug, diese nirgends aufzubewahren, bis auf die Handynummer, und so konnte sie ruhigen Gewissens sagen, dass sie diese nicht besäße. Die Drohung mit der Polizei allerdings musste die Agentur ernst nehmen, und auch der Hinweis, dass Mirjam selbst vorsichtig sein sollte, da der Mann überaus wild und cholerisch gewesen sei, weil er durch den Test seine gut situierte Freundin verloren hatte, die mehrere Jahre älter als er gewesen war. Es war ein Tag, wie man ihn sich wünschte. Mirjam konnte nur hoffen, dass alles gut ausging. Sie nahm sich für den Rest der Woche frei und sich vor, für Brittanny da zu sein und gleichwohl auch, sich Gedanken darüber zu machen, wie es mit ihr selbst weitergehen sollte.

Eine Mitarbeiterin der Agentur hatte ihr im Vertrauen gesagt, dass es besser wäre, sie würde in eine andere Stadt ziehen. Wenn die Polizei herausfinden würde, dass sie dort gearbeitet habe, dann könnte dies hohe Strafen mit sich bringen, weil es hier um illegale Prostitution ging. Es war auch nicht ganz abwegig, denn wenn ein Staat Gesetze aufstellte, die verlautbaren ließen, dass Sex nur im Dunkeln und in der Missionarsstellung stattzufinden hätte, oder der Wurf einer Münze zum Auslosen schon als Glücksspiel galt, konnte die sogenannte Hurerei nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden.

Es war vielleicht der beste Zeitpunkt, wirklich weiterzuziehen. Sie verabscheute Virginia, sie verabscheute die Gegend, in der sie lebte und sie verabscheute die Gewalt, die sie mitbekam. Es war wie damals im Internat, als sie sich so hilflos gefühlt hatte, weil niemand ihr glauben wollte. Sie würde Brittanny aus dieser Misere bringen und dann nach New York ziehen, einen neuen Namen annehmen und einfach komplett neu beginnen.

Die Ereignisse schienen sich mit diesem Fixtermin zu überschlagen, denn als Mirjam daraufhin mit dem Kuchen bei ihrer Freundin klopfen wollte, hörte sie Schreien und Poltern, wie sie es aus dieser Wohnung noch nie vergleichbar gehört hatte. Schnell nahm sie ihren Zweitschlüssel, den sie seit geraumer Zeit zur Sicherheit besaß, und schloss auf, nachdem sie den Kuchen auf dem Boden abgestellt hatte.

Till schlug auf die schon am Boden liegende Brittanny ein und Mirjam nahm den erstbesten Gegenstand, den sie erwischen konnte und schlug ihm mit dem schweren Eisenkerzenständer, der auf dem Tisch in ihrer Nähe stand, den Schädel ein. Es knackte furchtbar und er fiel blutend zu Boden, doch Mirjam interessierte das nicht. Sie ließ die schwere Eisenflasche fallen und stolperte zu ihrer regungslosen Freundin. "Britt, oh bitte ... BRITT ...", vollkommen überfordert, wie sie die blutende Frau anfassen sollte, griff sie nach ihrem Mobiltelefon und wählte die 911. Sie nannte Straße und Hausnummer, das Viertel, in dem sie wohnten und die Zahl, die wackelig an der Wohnungstüre stand. Sie seien auf dem Weg, wie es hieß. Vom Krankenhaus nach dort wären es kaum zwei Minuten gewesen bei diesem Verkehr, doch als nach fünf Minuten Britt kurz die Augen öffnete, waren die Sanitäter noch immer nicht da - geschweige denn die Polizei. "Mir... Mir....", versuchte Britt Mirjams Namen zu nennen, als sie sie durch die blutunterlaufenden Augen erkannte.

"Pscht, Liebes, sag nichts, alles kommt wieder in Ordnung, versuche ruhig zu liegen und bleibe wach, hörst Du, wach bleiben ...", Mirjam hatte Tränen in den Augen, Brittanny wollte nicht auf sie hören. "Mirjam ... mein ... mein Baby ...", Mirjam blickte auf Britts Bauch, den sie sich hielt. Sie hatte überhaupt nicht darauf geachtet, Britt blutete so stark aus dem Hinterkopf und ihr, wie auch sein Blut war überall verteilt, dass sie nicht darauf geachtet hatte, dass das leichte Sommerkleid, welches Britt trug, zwischen ihren Beinen blutrot war und die Farbe sich weiter saugend ausweitete. "Alles ... alles wird wieder gut. Dem Baby geht es sicher gut ...", sagte Mirjam schnell, sie sah, dass dem nicht so war und sie erkannte, dass Till seiner Frau das Kind aus dem Bauch geschlagen haben musste. "Der Krankenwagen ist gleich da, ich hab' sie schon angerufen. Mach Dir keine Sorgen, hörst Du?" Britt nickte und schloss die Augen, doch der Krankenwagen traf erst nach der Polizei ein - und somit waren sie außerhalb der Zeit, die sie hätten nutzen können, um Brittannys Leben zu retten.


Das erste Mal

Es war Notwehr gewesen und daher war keine Anklage erhoben worden. Mirjam tröstete das nur wenig. Sie hatte eine Freundin verloren, weil diese sich von ihrem Mann trennen wollte und er die Flyer gefunden hatte, die ihn hatten ausrasten lassen. Britt musste im Streit erwähnt haben, dass sie schwanger sei, woraufhin er komplett die Nerven verloren hatte. Trotz seiner schwierigen Situation war das alles keine Entschuldigung für sein Verhalten. Mirjam trauerte, aber viel mehr überwog der Ärger, dass sie diesem Arschloch nur so ein kurzes, schmerzloses Ende bereitet hatte, nachdem, was er seiner Frau alles angetan hatte.

In den Nächten danach war Mirjam zu kaum einem klaren Gedanken fähig. Sie lief abends durch die Straßen der Stadt, irgendwohin ... nirgendwohin. Es war gleich. Von der Arbeit war sie freigestellt. Es war zu gefährlich, dort weiterzumachen, solange dieser Irre die Agentur observierte - und sie waren sich einig darüber, dass er es tat. Die Polizei war noch nicht vor der Tür gestanden, doch die Agentur packte nach und nach zusammen. Wenn der Kerl keine Möglichkeit fand, selbst Rache zu nehmen, so dachten die Chefs, würde er sie anzeigen. Mirjam wunderte nur, dass sie nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verschwunden waren. An ihrer Stelle hätte sie das getan. Aber das war nicht ihr Problem. Sie hatte andere Gedanken, mit denen sie sich rumschlagen musste.

Diese Gedanken hatten sie auch dahin geführt, wo sie sich jetzt wiederfand. Einem Viertel der Stadt, in dem die Banker und Anwälte zu Hause zu sein schienen. Es war nicht einmal abwegig, denn in Richmond war ein großes Bankensystem beheimatet und Anwälte gab es hier wie Sand am Meer, obwohl die Stadt kaum mehr als 200.000 Einwohner umfasste. Die Straßen waren sauber und Mirjam erinnerte sich an den ein oder anderen, neben dem sie im teuren Auto gesessen hatte, um ihn zu begleiten.

Sie schlenderte durch die ruhige Straße und sah sich die Häuser an, welche kunstvoll, ja fast künstlich gestaltet waren, als sie ein Schreien hörte, da die Türe eines der Häuser geöffnet wurde. "Verschwinde, schändest Deine eigene Tochter ... verschwinde aus diesem Haus, Du verdammtes Arschloch, RAUS!" Eine Frau warf einen Koffer in den Vorgarten, dieser sprang auf und teure Hemden verteilten sich auf dem geschorenen Rasen. "WAS hast Du gesagt? WAS? Hat diese Göre das etwa behauptet? DER WERD ICH ..." - "GAR NICHTS WIRST DU, verschwinde, bevor ich Dich anzeige, RAUS."

Es klatschte, die Frau schrie, Mirjam ging schneller, konnte nichts erkennen. "Wenn ich wiederkomme, hast Du hier aufgeräumt, haben WIR UNS VERSTANDEN? Oder Du wirst sehen, was Du davon hast. Nicht, dass ich noch von Deinem Geheimnis erzähle, nicht wahr? Und die Polizei? Sie wird Dir kein Wort glauben, Du Schlampe, kein Wort ... Ich habe genug Freunde, die mich da rausholen, das kannst Du glauben. Nicht umsonst bin ich einer der besten Anwälte der Stadt, Du wirst jämmerlich, ja JÄMMERLICH untergehen, meine Liebe. Ja ... jetzt weinst Du, nicht? Jahaaa ... eine Stunde, dann bin ich wieder da ... und wehe, Du lehnst Dich NOCH EINMAL so auf ..." Die Frau wimmerte, es klang fast wie das Wimmern ihrer Mutter damals, nur jünger, lauter und voller Schmerz.

Der Anzugträger verließ das Haus, knallte die Türen zu und ging die Straße entlang, während er mit eingezogenem Bauch den Knopf seines Jacketts schloss und sich kämmend durchs kurze, blonde Haar fuhr, in Richtung Stadt. Mirjam war wie versteinert. Sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Doch es dauerte nicht lange, bis sie sich in Bewegung setzte. Immer wieder kreisten ihre Gedanken darum, dass diesem Typen keiner etwas anhaben konnte.

Dass er genau WUSSTE, dass eine Anzeige überhaupt nichts brachte, weil seine Anwaltfreunde ihn raushauen würden. Was würde passieren? Das Leben der Frau wäre für immer zerstört, sie müsste wegziehen, müsste alles für sich neu aufbauen, wenn sie es überhaupt konnte. Das Mädchen würde ihre Freunde verlassen müssen, egal wie alt es auch sein mochte ... und er? Er würde sich eine neue Frau nehmen, würde das gleiche mit ihr veranstalten. Ein immerwährender Kreislauf geschundener Seelen. Nein, das würde sie nicht zulassen. Definitiv würde sie DAS nicht zulassen. Mirjam ging einen Schritt schneller.

Es war ihr selbst nicht klar, was passieren würde oder wie sich dann ihre weiteren Gedanken entwickelten, aber sie konnte nur noch daran denken, dass dieser Mistkerl davon kommen und es immer wieder und wieder tun würde ... sie wollte etwas dagegen tun, und die einzige Möglichkeit, die sie in diesem Moment kannte, war: Sein nichtsloses Leben zu beenden, das anderen so viel Leid zufügte und weiterhin zufügen würde. Der Entschluss stand fest. Erst hinterher würde sie darunter leiden. Leiden, dass sie sich selbst zur Verbrecherin machte, in dem sie für die Gerechtigkeit einstand, obwohl das Aufgabe der versagenden Justiz gewesen wäre.

Sie verfolgte den Typen bis in eine nahe gelegene Bar, in die er hinein ging. Er passte überhaupt nicht in das Ambiente, aber offensichtlich passte überhaupt niemand hier rein, wie sie fand, als sie kurz nach ihm eintrat. Anzugträger saßen hier mit Lederjacken zusammen, Studenten mit Schülerinnen, die sicherlich nicht hier rein durften und zwischen drin eine riesige Bar, an der man sich billigen Whiskey und Bier ohne Schaum in der Glaskaraffe bestellen konnte.

Schnell machte sie ihn durch die Rauchschwaden hinweg aus und folgte dem Weg seiner nicht sichtbaren ultravioletten Spur in den hinteren Bereich zu den Billardtischen, bei denen er sich an eine lockige, nicht einmal wirklich hübsche Mittvierzigerin mit Hot Panties machte. Sie schien billig, und sie war billig, aber sie hatte kein Interesse an ihm und das zeigte sie ihm deutlich. "Jetzt zier Dich halt nicht, Du zierst Dich doch sonst auch nie, Du Hure ...", sie klatschte ihm eine, sein Gesicht machte eine kleine Gradwendung. Man sah den Hass in seinen Augen auflodern, als er schon seine Hand ob.

Reflexartig ging Mirjam dazwischen, legte ihre Hand auf seinen Arm und brachte ihn dazu, dass er sich irritiert zu ihrem lächelnden Gesicht umwinden musste und die Frau aus seiner Schlagweite kam. "Willst Du nicht lieber mit mir gehen, als mit ... DER da ...", sie klang abfällig, sie empfand diese Frau auch als billig, aber jene war der Ansicht, dass die ihr fremde, junge Frau das nur tat, um ihr zu helfen und lächelte dankbar. Es war Mirjam in diesem Moment auch egal, dass sie billig war. Keine Frau hatte es verdient, so behandelt zu werden. Niemand hatte das verdient.

Der Anwalt sprang auf sie an. Ließ sich sofort besänftigen, weil er ein Ziel hatte, das er erreichen wollte. Alles andere war unwichtig. Und da er etwas Attraktiveres in Aussicht hatte, als die kleine Nutte von nebenan, wie er sie in diesem Moment bezeichnete, war sein Zorn so schnell verfolgen, wie er durch den verletzten Stolz gekommen war. "Dann sollten wir jetzt gehen ...", lockte sie ihn augenzwinkernd und ging schnurstracks aus der Kneipe heraus. Sie wusste selbst nicht, was sie da eigentlich gerade tat, sie wusste nur, dass es das richtige war. Sie sah sich auf der Straße um, es war kein guter Ort. Er stolperte in diesem Moment aus der Kneipe und wollte sie küssen. "Nicht hier, Süßer, lass uns irgendwo anders hin verschwinden. Hast Du ein Auto?" - "Woanders? Ein Auto? Ja klar habe ich ein Auto. Solch einen Schlitten hast Du noch nicht gesehen ... komm ..." Sie lächelte wie Zucker.

"Du willst doch nicht, dass ich friere, starker Mann, willst Du es nicht schnell holen gehen und ich warte hier auf Dich?" Man sah ihm an, dass er Angst hatte, dass sie ihm weglaufen könnte, er zögerte. "Keine Sorge, ich werde ohne Dich garantiert nirgendwo hingehen ...", Mirjam lächelte und er konnte sich entschließen. "Aber wirklich nicht ...", vergewisserte er sich noch einmal, und sie schüttelte den Kopf: "Versprochen ist versprochen." Dann lief er los. Auch hier passte sein Äußeres so überhaupt nicht zu seinem Verhalten. Kleider machten Leute, das war eines, das sicher war, aber ob in diesen Kleidern auch wirklich Menschen, und nicht Monster steckten, konnte man nur in solchen Situationen erkennen.

Sie wusste in etwa, wie weit es zu ihm nach Hause war, und ging noch einmal in die Kneipe zu der älteren Dame mit den wasserstoffblondgelben Locken, die wohl nach Marilyn Monroe aussehen sollten. "Ich hab' ihn abgewimmelt. Er hat draußen 'nen Kumpel getroffen, der ihn mit zur nächsten Kneipe genommen hat." Sie wollte sicher gehen, dass diese Frau glaubte, sie sei mit ihm nicht weitergekommen. "Ich danke Dir, echt.

Er ist ja ein lieber Kerl, aber wenn er wegen irgendwas aufgebracht ist, kann man ihn nicht halten. Ich geb' Dir was aus, was magst Du trinken?"
- "Nichts, danke ... ich muss nach Hause, mein Kopf dröhnt. Ich hab' den ganzen Abend im Krankenhaus gearbeitet und kann den Alkholdunst nicht mehr ab. Wir hatten drei Leute, die uns die Bude vollgekotzt haben." Sie klang überhaupt nicht nach sich, aber die Alte lachte und sie schien ihr Niveau getroffen zu haben. "Na dann komm gut heim, Schätzchen, aber denke dran, dass Du noch was bei der geilen Berta gut hast", sie zwinkerte und Mirjam ging lächelnd aus dem Lokal. Noch in der gleichen Minute fuhr der teure BMW vor und sie stieg bei ihm ein, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass keine Zeugen zugegen waren.

Sie ließ ihn an den James River fahren, an einen etwas steinigen Abhang und stieg aus. Sie tat, als wolle sie ihn verführen - oder sich von ihm verführen lassen - und spielte mit ihm ein Spiel, bis sie in die Nähe eines für sie anhebbar großen Steinbrockens kam. Halbnackt befahl sie ihm spielerisch, sich hinzulegen, damit sie sich auf ihn setzen konnte, wie sie sagte, er gehorchte. "Mach die Augen zu, einen kleinen Moment noch ..." - "Was kommt denn jetzt?" Seine Erregung war in seiner Stimme spürbar, er mochte nicht länger warten, aber auch nicht das Spiel beenden, das sie so verführerisch mit ihm spielte. "Du bringst mich um meinen Verstand, Abygail." Er nannte den Namen, den sie ihm genannt hatte, während sie schon über ihm stand und den Stein über ihren Kopf hob, um ihm damit den Schädel zu zertrümmern. "Du wirst keiner Frau mehr etwas zuleide tun", sagte sie leise, er verstand nicht, was sie meinte und noch bevor er es überhaupt begreifen konnte, war er tot.


Vorbereitungen

Einen Abend später versuchte sie einen klaren Kopf zu bekommen, die nächsten Schritte einzuleiten und sich darüber klar zu werden, wie es jetzt weiterging. Sie musste hier raus, sie durfte nicht weiter darüber nachdenken, sie musste raus und so schnell wie möglich aus dieser Stadt verschwinden. Sie hatte eine Wohnung in New York angemietet, die sie weder gesehen hatte, noch ihre Nachbarschaft kannte. Sie wollte einfach erst nur weg. Weg aus dieser Stadt, weg aus Virginia. Sie hatte aus der vor Wochen gekauften Zeitung wahllos ausgewählt, ohne auf irgendetwas zu achten. Sie gab einen falschen Namen an. Den Namen der in der Internatszeit schwangeren Pauline Ember Jones.

Den Namen des schwangeren Mädchen, das spurlos verschwunden war und dessen Mutter sich das Leben genommen hatte, weil sie ihre eigenen Depressionen nicht mehr ertrug. Es war für sie das sicherste, nicht mit ihrem eigenen Namen umzuziehen. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass sie den Namen "Mirjam" einfach nicht mehr hören konnte. Sie verabscheute ihn ebenso, wie sie vieles aus ihrer Vergangenheit verabscheute. Sie wollte einen Neuanfang, komplett und ohne Kompromisse. Sie würde sich in New York jemanden suchen, der ihr den Pass fälschte und ein neues Leben als Pauline beginnen. Vorerst jedenfalls. Für sie selbst war sie Abygail, weitere Namen hatte sie sich bewusst ausgesucht und so wurde aus der einfachen Aby, die sich im "normalen" Leben als Pauline vorstellen wollte, Abygail O. Phoolan. Um diese Details jedoch wollte sie sich vor Ort kümmern.

Für den heutigen Abend allerdings musste sie erst einmal an die frische Luft. Es dauerte noch drei Wochen, bis sie umziehen konnte, da die Wohnung im Big Apple erst dann frei war, und Abygail wollte sich nicht weiter mit ihren sich ständig kreisenden Gedanken beschäftigten. Ständig stand sie unter Strom, dass es an ihrer Türe klopften könnte, ständig musste sie damit rechnen, dass man die Leiche im Fluss fand. Sie hatte so unvorsichtig gehandelt. Sie war ohne Vorbereitung in ein Verbrechen gegangen, das so einfach aufgeklärt werden konnte. Vor allem, weil die Polizei durch Zufall auf sie stoßen konnte, da die Agentur nun tatsächlich angezeigt worden war. Die Daten aller Mitarbeiter waren vernichtet - jedenfalls hatten sie das erzählt - Abygail konnte aber nicht sicher sein, ob nicht noch irgendwelche Beweismittel gegen sie zu finden waren. Und wenn man die Leiche und auch sie fand, konnte die Ballistik eins und eins ganz einfach zusammen zählen.

Es war eine Zerreißprobe und als sie die Straße entlang ging, legte sie sich zurecht, woran sie das nächste Mal denken musste. "Das nächste Mal? Warum sollte es bitte ein nächstes Mal geben? Das ist doch irre ...", aber es war nicht irre. Sie wusste, dass diese Frauen litten, dass diese Menschen litten, denn es gab nicht nur Frauen, die unter Gewalt zu leiden hatten. Die Justiz versagte an dieser Stelle, immer öfter sah sie die winzigen Artikel in den Zeitungen, dass ein Gewalttäter freigesprochen worden war - aus Mangel an Beweisen.

Niemals wieder würde man ihn für die gleiche Tat anklagen können. Die Polizei - auch sie versagte, sie nahm es auf die leichte Schulter, wenn jemand aus einem ärmeren Viertel anrief. Und die Reichen riefen die Polizei nicht an, wie sie jüngst erfahren musste, da es keinen Sinn hatte. Die Rechtsverdreher fanden einen Weg, ihre Freunde und Freundesfreunde oder auch einfach nur Geldgeber rauszuholen aus dem Knast. Niemand stand für Gerechtigkeit ein - jedenfalls kam es ihr so vor.

Sie hatte stille Tränen geweint, als sie den Mann erschlagen hatte. Nicht wegen ihrer Tat, nicht darum, dass er tot war, nicht wegen ihm. Sie weinte, weil sie sich dazu gezwungen fühlte, es zu tun. "Da kam Abimelech zur Burg und kämpfte gegen sie und näherte sich dem Burgtor, um es mit Feuer zu verbrennen. Aber eine Frau warf einen Mühlstein Abimelech auf den Kopf und zerschmetterte ihm den Schädel. Richter 9,53. Sie hatte dieses Zitat in ihr Tagebuch geschrieben, das sie danach mit einigen anderen persönlichen Gegenständen, bei denen sie dachte, sie seien zu gefährlich, sie bei sich zu haben, an ein gemietetes Postfach in New York geschickt hatte. Es hatte so gut gepasst. Am Liebsten wäre sie zu ihrem damaligen Internat gefahren und hätte den Pater umgebracht. Doch er hatte sich wohl kurz nach ihrem Rauswurf selbst erhängt.

Er hatte für die eigene Gerechtigkeit gesorgt, doch hätte sie ihm ein paar Qualen mehr gewünscht, nachdem, was er alles getan hatte, von dem sie sich nur vorstellen konnte, was es alles war. Nein, es war nicht verrückt, sie hatte eine Aufgabe, wenn es sich nicht umgehen ließ. Sie wollte es nicht, litt schwer darunter, aber sie würde es wieder tun, das wusste sie. Und dann, ja dann wollte sie es richtig tun. "Ganz oder gar nicht ...", und das "Gar nicht" stellte sich ihr nicht zur Debatte. Dennoch wollte sie Möglichkeiten finden, anderweitig Gerechtigkeit zu finden. Sie wollte nicht ihr Leben lang ... so viele ... nein, das war gar nicht möglich. Sie musste Möglichkeiten finden, auch anders zu helfen, gleich wie, nur nicht so. Es musste der letzte Weg sein, der möglich war. Und so schwor sie sich und machte mit sich selbst einen Eid. Sie wollte aufhören, sie würde es nicht wieder tun, wenn sie das Gefühl hatte, dass es eine Gerechtigkeit in diesem System gab. Und solange war sie die Gerechtigkeit.

Vollkommen in Gedanken ging sie nach ihrem allabendlichen Spaziergang zu ihrer Wohnung zurück, als sie stutzte. Ein Polizeiwagen stand direkt vor dieser und sie huschte in eine Nische. "Scheiße ...", es konnte jeder in diesem Haus gemeint sein, aber wenn man so angespannt war und damit rechnete, erwischt zu werden - weswegen auch immer - musste man damit rechnen, dass sie wegen ihr dort standen und wegen sonst keinem. Dann traf sie ein Schlag auf den Hinterkopf, und es wurde dunkel um sie herum.


Pauline Ember Jones

Als sie aufwachte, war alles, was sie zuerst wahr nahm, weiß. Weiße Wände, weiße Bettedecke, weiße Schranktüren - bis auf die zugezogenen Vorhänge, die waren gelb. Sie schloss die Augen wieder und versuchte sich zu erinnern. Aber sie konnte sich kaum erinnern. Was war passiert? Sie hob die Hand an ihre Stirn und ertaste den dicken Verband. Dann öffnete sie die Augen wieder ... "Krankenhaus ... jemand hat mich niedergeschlagen ..." - weiter kam sie nicht.

"Miss, Sie sind wach. Gut. Wie geht es Ihnen?" - "Ich weiß nicht so genau," ihr Schädel brummte, "was ist denn passiert und wie komme ich hier her?" Die Krankenschwester sah sie kurzzeitig still an. "Wir hatten gehofft, dass Sie uns das erklären könnten. Sie wurden am Flussufer angespült. Der alte James hat es wohl gut mit Ihnen gemeint, Miss. Sie hatten eine starke Wunde am Hinterkopf, wir mussten sie nähen ..." "Wir? Doch wohl eher der Arzt, als Sie ...", schoss es der Patientin durch den Kopf, sagte aber nichts dagegen. "Ein Spaziergänger hat sie gefunden, oder eher sein Hund. Würden Sie mir bitte ihren Namen nennen?"

Forschend sah sie sie an. "Meinen Namen?" - "Können Sie sich nicht erinnern? Der Arzt sagte, eine Amnesie könnte wahrscheinlich sein ..." - Abygail schloss kurz die Augen. Sie musste nachdenken ... sie wusste, wie sie hieß, es war kein Problem, dieser Frau einen Namen zu nennen. Aber irgendetwas hinderte sie, sie war nur noch nicht wach genug, es zu bestimmen. "Ich glaube ... im Moment gerade nicht ...", sagte sie dann matt. "Würden Sie mir vielleicht ein paar Minuten geben, damit ich zu mir kommen kann?" - "Aber natürlich. Und bitte, Miss, wenn Sie sich nicht erinnern, dann strengen Sie ihr hübsches Köpfchen nicht zu sehr an. Die Erinnerungen kommen wieder, der Doktor ist sich sicher. Sie werden keine bleibenden Schäden davon tragen, also bitte bekommen Sie keine Panik." Mit diesen Worten verschwand sie aus der Tür.

"Die ist witzig", dachte Aby ironisch. Einem Kind sollte man doch auch nicht erzählen, dass es keine "Angst" vorm Zahnarzt haben sollte. Erst dann würde das Kind nämlich auf den Gedanken kommen, dass etwas Schreckliches dort passierte. Weswegen sonst sollte man erwähnen, dass man keine Angst haben musste. Jemand hatte also schon einmal Angst gehabt, also wird dieser Jemand auch einen ganz genauen Grund dafür gehabt haben - und schon hatte das Kind Angst vor dem Zahnarzt, bei einem solchen es noch nie war. Gut, Angst würde Abygail nun nicht bekommen, denn sie wusste ihren Namen, aber sie brauchte wirklich einen Moment, um sich über alles andere im Klaren zu werden.

Es dauerte aber auch nicht lange, bis sie sich erinnerte. Wer konnte sie nur niedergeschlagen haben? Wer? Aber es fiel ihr fast wie Schuppen von den Augen, als sie sich an die Streife vor ihrem Wohnhaus erinnerte. Es gab nur einen Menschen, der einen Grund hatte, ihr etwas anzutun. Zumindest bewusst. Derjenige, der die Agentur angezeigt hatte, derjenige, der ... "Ich habe Ihnen ein Glas Wasser mitgebracht ...", ertönte nun wieder die Stimme, die sie vor kurzem erst vernommen hatte. Mirjam hatte gar nicht gemerkt, dass sie schon eine halbe Stunde dabei gewesen war, nachzudenken. Gleichauf mit der Schwester kam nun auch ein Mann herein, der eindeutig wie ein Arzt aussah.

"Miss ... mein Name ist Dr. Watson. Schwester Marie sagt, sie könnten sich nicht erinnern?" - "Das ... habe ich so nicht gesagt", erkläre Abygail und warf der Schwester einen entschuldigenden Blick zu. "Ich war mir nur nicht sicher." - "Also können Sie sich erinnern?", er setzte sich an ihr Bett und betrachtete die Geräte, die allerhand Informationen aus ihrem Körper zogen und piepten, daraufhin sah er sie wieder an. "Ja, ... ja, ich denke schon. Mein Name ist ... Pauline Ember Jones, ich bin zu Besuch aus New York hier, das weiß ich sicher. Aber ich weiß leider nicht mehr, wo ich untergekommen bin oder warum ich hier bin", log sie mit Tränen in den Augen.

"Keine Sorge, Miss Jones, die Erinnerung wird wiederkommen." Er wollte schon wieder - fürs erste zufrieden - aufstehen, als sie nach seiner Hand griff. "Was mache ich, wenn ich keine Erinnerung mehr daran bekomme, wo ich meinen Ausweis gelassen habe?" Verwirrt sah der Arzt sie an, aber fand dennoch eine passende Antwort. "Wir werden in ihrem Geburtsort die Geburtsurkunde beantragen und dann kann Ihnen ein neuer ausgestellt werden, machen Sie sich über solche Kleinigkeiten bitte keine Gedanken ..." - "Danke ... das beruhigt mich. Ich weiß auch nicht, warum gerade das mir jetzt so wichtig vorkam ...", log sie und er lächelte. "Ich denke, dass der nahe Verlust einer Identität in diesem Fall sehr wohl zu solchen Fragen führen kann, Miss Jones. Jetzt ruhen Sie sich aus, ich sehe morgen noch einmal nach Ihnen ..."

Und tatsächlich hatte Pauline Ember Jones keine Erinnerung mehr daran, wo sie in Richmond untergekommen sein könnte. Sie erinnerte sich nicht an Freunde, nicht an ein Hotel. Diese wurden angerufen, aber dort kannte niemand einen Gast mit diesem Namen. Wie sollten sie auch ... Mirjam alias Abygail alias Pauline wurde sehr schnell wieder gesund, sie konnte eine Geburtsurkunde der echten Pauline beantragen, vor allem, weil deren Mutter sich umgebracht hatte, bevor sie ihre schwangere, verschwundene Tochter hatte für tot erklären können. Es passte perfekt, und die neue Abygail war froh, dass es zu keinen Schwierigkeiten kam.

Als sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, musste sie sich wohl oder übel mit dem Gedanken abfinden, dass sie nicht mehr in ihre Wohnung zurückkehren und einige Sachen aus dieser mitnehmen konnte. Sie hatte persönliches nach New York geschickt. Sie hatte aber auch keine Ambitionen dorthin zu gehen. Abygail konnte nicht sicher sein, dass nicht jemand ihre Fährte dorthin aufnahm. Und wenn es nur die Rückverfolgung von Telefongesprächen war, die sie von Zuhause aus geführt hatte. Sie wusste nicht einmal mehr genau, ob sie je von Zuhause aus nach New York telefoniert hatte.

Sie sagte die Wohnung ab, die Kaution war verloren, sie konnte nicht an ihr Konto und somit hatte sie nur das wenige Bargeld, das sie in der Hosentasche gehabt hatte, als sie vom Fluss angespült worden war. Viel Geld hätte sie ohnehin nicht gehabt, aber es hätte sie zumindest drei oder vier Wochen über die Runden bringen können. So aber war sie nahezu mittellos - vor allem dann, als sie mit den restlichen Dollars ein Ticket nach Phoenix kaufte. Phoenix ... die Entscheidung war nicht schwer gefallen, die Kriterien waren offensichtlich: Sie musste in die entgegengesetzte Richtung, weit weg von Richmond und noch weiter weg von New York. Und Phoenix war der Name eines Vogels, der verbrannte, um aus der Asche neu aufzuerstehen. Nun gut, sie war nicht verbrannt, aber ihre Geburt in ein neues Leben konnte man nicht abstreiten.

Irgendwie aber brauchte sie ihre persönlichen Sachen aus dem Schließfach in New York, also orderte sie sie doch noch einmal nach Richmond an. Wieso sollte man auch auf die Idee kommen, dass sie ein Postfach gemietet hatte? Darin befanden sich - wie sie vergessen hatte - noch vierhundert Dollar, die sie in jedem Fall etwas weiterbringen konnten. So führte sie der nächste Weg direkt nach Phoenix und dort musste sie sehen, was weiter passieren würde.


Phoenix

In Phoenix angekommen musste sie sich rasch orientieren und fand auf wenigen Umwegen zur "Zuflucht". Sie hatte sich bei den Obdachlosen umgehört und wollte dort erfragen, wo sie einige Nächte unterkommen konnte, bis sie einen Job und eine eigene Unterkunft gefunden hatte. Sie hoffte, dass sie die helfenden Menschen in der Hilfestation nicht anlügen musste, aber der Wink des Schicksals schenkte ihr ein Schild an der Tür des Obdachlosenheims mit der Hilfsberatungsstelle, auf dem in schiefen Buchstaben stand:


"Kurzfristige Aushilfe als Urlaubsvertretung gesucht. Halbtägige Bezahlung und Unterkunft, falls nötig für vier Wochen."

Abygail öffnete die Türe, nahm das Schild nach dem Schließen dahinter von dieser und ging direkt auf einen Tresen zu, der wohl auch als Bar für alkoholfreie, kostenlose Getränke diente. "Ich bin neu in der Stadt, mein Name ist Pauline Jones und ich habe Ihr Schild hier gesehen, ist die Aushilfsstelle noch frei? Ich hätte großes Interesse an dieser und würde gerne, sobald ich einen festen Job und eine Wohnung hier in Phoenix gefunden habe, ehrenamtlich für Sie tätig sein, wenn das möglich wäre ..."

Und somit fand sie kurzfristig einen Job, der sie für vier Wochen über Wasser halten würde. Jetzt musste sie sich noch nach etwas anderem umschauen, nach etwas Langfristigem und nach einer kleinen Unterkunft ... es war schon eine Woche vergangen und bisher hatte sie es lediglich geschafft, sich einzuarbeiten und die Stadt etwas näher zu untersuchen.

Auf der Suche nach Stellen in der Zeitung stieß sie dann immer wieder auf Artikel über einen gewissen Anwalt namens Dimitrij Soundso, sein Name war unaussprechlich russisches Kauderwelsch, zumindest anfangs glaubte sie, ihn niemals aussprechen zu können. Aber so wichtig war er auch nicht, viel wichtiger war, dass dieser Anwalt dafür bekannt zu sein schien, der Gerechtigkeit wirklich Genüge zu tun. Abygail begann fast automatisch, Artikel über ihn zu sammeln und in dieser ersten Woche waren es schon drei Stück. Sie war gespannt, was sie noch über ihn herausfinden konnte, wenn sie sich endlich auch auf andere Dinge konzentrieren konnte, als auf die Jobsuche.

Es war dann eher zufällig, und gar nicht in der Zeitung, sondern eher der Hinweis beim nebenbei Mithören, was andere sprachen, dass es eine Art Edelbordell in der Stadt geben sollte. Sie fand heraus, dass es nicht ganz genau das war, als was es bezeichnet wurde, sondern es viel interessanter und vielfältiger klang. Daher rief sie an und bekam schon am nächsten Abend ein Vorstellungsgespräch bei einem gewissen Szymon, der weder gesiezt noch mit Nachnamen angesprochen werden wollte. Sie war gespannt.

"Religion ist Feigheit vor dem Schicksal.
Nichts weiter."

(Rudolf von Delius)

"Toleranz ist gut.
Aber nicht gegenüber Intoleranten."

(Wilhelm Busch)

"Manchmal würde ich
gerne durch den Spiegel gehen,
um einfach nur ich selbst zu sein."

(Verfasser unbekannt)



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