[Phoenix|N]: Joanna May Jenkins

Hier findest Du alle menschlichen Charaktere, die nicht von Vampiren wissen. Erklärung der Abkürzungen: K = Konsortium | S = Syndikat | O = Syndikatsopfer | N = neutral | ? = der Charakter gehört der Gruppe nicht an, hält sich dort aber größtenteils auf.
Benutzeravatar
Joanna
Mensch
Beiträge: 8
Registriert: 22.09.2016, 22:22
Posts: 1-2x/Woche
Charname: Joanna May Jenkins
Pseudonym: Jo, JJ, Hanna, Anna
Alter: 21 Jahre
Augen: dunkelbraun
Haare: schwarzbraun, lang, glatt
Größe: 170cm
Stadt: Phoenix
Rasse: Mensch
Klasse: unwissend
Beruf: Photographin
Fähigkeiten: 1. Emphatie
2. Willensstärke
Kleidung: schwarze Lederjacke, ihre Kamera
Hauptchar: aBraXaS
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de
Kontaktdaten:

[Phoenix|N]: Joanna May Jenkins

Beitragvon Joanna » 25.09.2016, 11:52

Nebencharakter von aBraXaS

Steckbrief

» Name, Alter, Rasse
» Einstellung
» Herkunft, Beruf/Finanzen
» Aussehen
» Eigenarten
» Bevorzugte Opfer
» Fähigkeiten/Stärken
» Schwächen
» Waffen
» Vorlieben
» Abneigungen
» Charakter
» Ziele
» Sonstiges
» Leben in Phoenix/Venedic



Name
Joanna May Jenkins
Rufnamen: Jo, JJ, oder manchmal auch Hanna, oder Anna


Menschliches Alter
21 Jahre


Rassenbedingtes Alter
-


Art/Rasse
unwissender Mensch

up

Einstellung
Speziell/Kodex:
-


Menschen:
Sie wirkt zurückhaltend, geht jedoch offen auf jeden zu, der ihr über den Weg läuft und entscheidet selbst, wen sie leiden kann und wen nicht. Sie ist tolerant, solange die Ansichten nicht in die Extreme gehen und "falsch" sind, und kommt somit mit jedem klar, der kein falsches Spiel spielt.


Vampire:
Sie weiß nichts von Vampiren. Sie hat die Emma-Chroniken, aber auch andere Vampirbücher gelesen bzw. Filme gesehen, mag die Rasse und Geschichten teils, teils nicht, glaubt aber nicht daran, dass an diesen etwas Wahres ist. Würde man ihr von der realen Existenz von Vampiren erzählen, würde sie sich wohl an die Stirn tippen.


Glaube/Religion/Symbolik:
Joanna glaubt nicht, dass es einen Gott gibt. Interessiert sich aber für die einzelnen Religionen und Kulturen, weil sie grundsätzlich vielfältig interessiert ist. Aber mit Religion/Glaube hat das nichts zu tun. Es ist reine Wissenschaft und Kennenlernen, mehr nicht.


Sonstiges:
-

up

Herkunft
Geboren und aufgewachsen ist Joanna in Fort Lee, New Jersey, USA. Eine mittelgroße Stadt mit knapp 35.000 Einwohnern, die lediglich durch den Hudson River vom New Yorker Stadtteil Manhattan getrennt und mit der George Washington Bridge gleichsam auch verbunden ist. Diese Brücke nimmt einen besonderen, wenngleich auch tragischen Raum in Jos Gefühlsleben ein.

Familie
Aufgewachsen ist sie als Einzel- und Wunschkind schon betagter Eltern in oberer Mittelschicht, bis die Mutter an Krebs starb. Nichtsdestotrotz blieb der Vater stark und konnte seiner Tochter ein gutes Umfeld bieten. Intensiven Kontakt hatte Jo mit ihrer besten Freundin, die allerdings mit ihrer mehrköpfigen Familie unter der Armutsgrenze leben musste.

Die Eltern von Joanna sind nicht mehr am Leben, Geschwister hat sie als Einzelkind nicht und weitere Verwandte kennt Joanna zu ihrem Bedauern nicht, da ihre Eltern nach Amerika ausgewandert sind und alle Brücken und Verbindungen hinter sich abbrechen mussten, da sie im Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurden. Joanna weiß um diese Tatsache allerdings nicht Bescheid, ihr wurde gesagt, dass es keine weiteren Verwandten mehr gäbe.

Der Name ihres Vaters, wie sie ihn kannte, war Benjamin und der ihrer Mutter Norma Jenkins geborene Miller, durch das Zeugenschutzprogramm mussten sie ihren Namen Johann und May Schneider geborene Parker ändern. Ihre beste Freundin, die ebenfalls zu ihrer Familie gehörte, wenngleich sie auch nicht blutsverwandt waren, hieß mit Namen Annica Petterson.

Nach dem Tod wichtiger Personen in Hannas Leben, war sie auf sich allein gestellt und musste ihren Lebensunterhalt neben einem kleinen Erbe, das ihr hinterlassen wurde, selbst bestreiten. Aus verschiedenen traumatischen Gründen zog es sie von der Ost- an die Westküste, um dort ein neues Leben zu beginnen, wobei hiermit ihre Rücklagen fast komplett aufgebraucht wurden. Seither versucht sie sich mit kleineren Jobs und Photografenarbeiten über Wasser zu halten.

San Francisco, Californien, USA
Jo wohnte in einer kleinen Wohnung an einem der Steilhänge San Franciscos, die sie bunt und mit vielen Photografien und Büchern ausstaffiert hatte. Alles war nur wenig ordentlich, allerdings konnte man sich nicht über fehlende Sauberkeit beschweren.

Sie bezahlte die Wohnung vom Lohn der Gelegenheitsjobs und kleinen Photografenaufträgen, die sie annahm und ausführte. Sie half auch der schon alten, kleinen und überaus sympathischen Vermieterin Mrs Sophya Tootzie im Garten oder auch mit dem Einkauf, die dann gutmütig beide Augen zudrücke, wenn die Miete nicht gleich kommt oder sie nur zum Teil bezahlt werden konnte.

Die alte Frau hatte niemanden - oder zumindest niemanden, der sich aufrichtig für sie interessieren würde, und so versuchte JJ ihr auch Gesellschaft zu leisten, insoweit sie zeitlich und innerlich dazu in der Lage ist. Allerdings hatte sie hier auch oftmals das Gefühl, dass diese aufgeweckte Person überhaupt keine Unterhaltung brauchte, da sie sich diese selbst zu suchen scheint ... auf sehr "mysteriöse" Art und Weise, was Joanna oft zum Schmunzeln brachte.

Nach einigen Begebenheiten, aber vor allem nach einem unglaublichen Erdbeben mit mehreren Toten in Frisco, entschloss Sophya Tootzie sich, nach Phoenix umzusiedeln und dort ihre alten Tage zu verbringen.

Sie verkaufte ihr Haus in Frisco und ein neues in Phoenix. Joanna entschloss sich aus verschiedenen Gründen mit ihr mit zu ziehen, als die alte Frau es ihr anbot und danach fragte. Die beiden verband da schon eine so innige Freundschaft, dass sie sich gegenseitig nicht mehr wissen wollten. Somit zog Joanna mit ihr in die Stadt unter der Sonne, auch wenn beide San Fransisco sehr vermissen werden.


Beruf/Finanzen
Sie verdingt sich als Photografin in verschiedenen Etablissements (Discotheken, Clubs) mit einmaligen Jobs für Photos auf der Website des Unternehmens oder für Flyer etc. Grundsätzlich strebt sie allerdings nach einem Job bei einer Zeitschrift oder Zeitung, entweder als Photografin oder als Reporterin und Photografin, auch wenn sie keine praktischen Erfahrungen mitbringt.


up

Aussehen - Übersicht
  • Augen:
    Dunkelbraun. Im Schatten wirken ihre Augen fast schwarz, im Lichtschein kann man die tiefe Wärme des dunklen Brauns wahrnehmen. Betont in Schwarz.
  • Haare:
    dunkelbraun, fast schwarz, lang, glatt
  • Frisur:
    meist offen und in der Mitte gescheitelt
  • Größe:
    170cm
  • Figur:
    Worüber sie sich überhaupt keine Gedanken macht, ist ihr relativ schlanker, wohlgeformter Körperbau. Sie hat die richtigen Rundungen an den richtigen Stellen, würde allerdings - mal abgesehen von ihrer Körpergröße - als Modell nicht engagiert werden, da sie kein Hungerhaken ist, wie oft verlangt - allerdings hat sie auch keine Ambitionen sich vom Platz hinter der Kamera wegzubewegen. Ihr Auftreten ist meist mehr niedlich-schlumpfig, als elegant, sie bewegt sich flüssig und geschickt, allerdings nicht überaus fraulich oder betont aufreizend.
  • Gesicht:
    Hannas hellhäutige Mimik zeigt deutlich schüchterne oder auch eher zurückhaltende Züge. Sie wirkt verträumt, aber gleichzeitig auch aufmerksam. Oftmals übersieht man sie, weil sie sich nicht in den Vordergrund drängt, sondern das Geschehen gerne aus einer gewissen Entfernung betrachtet und sich auch nur in dieser Position wirklich wohl fühlt. Ihre Züge sind freundlich und für die meisten sympathisch, auch wenn sie einmal komplett in schwarz auftauchen würde, was bei einigen Mitmenschen normalerweise Unbehagen auslöst - vor allem dann, wenn sie mit "schwarzgekleideten Menschen" nichts anfangen können oder gar Vorurteile gegen diese hegen. Bei manchen männlichen Gegenübern löst sie ungewollt den Beschützerinstinkt aus, was sich allerdings oftmals wieder legt, wenn diese merken, dass sie sich sehr wohl selbst verteidigen kann, wenn es denn sein muss.

    Joanna trägt nicht viel auf, wenn sie sich schminkt, ihre Haut ist ebenmäßig und wirkt von allein leicht viktorianisch blass, sie hofft nur, dass sich das in der westküstlichen Sonne nicht zu schnell ändert. Kajal und schwarze Wimperntusche, abends vielleicht auch etwas dunklen Lidschatten und meist dunkelroten, matten Lippenstift - mehr braucht die junge Amerikanerin nicht, im Gegensatz zu manch einer Gleichaltrigen, die glaubt, mit allerlei Glitter und Farben herauszustechen.
  • Stimme:
    Keine Besonderheiten, eine angenehme Sprechstimme, der man gerne zuhört
  • Kleidung:
    Die junge Frau kleidet ihre 170cm-Körpergröße dezent in alles, was ihr gefällt, dabei nimmt sie keine Rücksicht auf irgendwelche Modeerscheinungen, welche sie meistens doch mehr abschrecken, als anziehen. Ihre Kleidung ist dunkel bis schwarz gehalten, allerdings nicht, weil sich ihre Musikfavoriten-teilenden Mitmenschen bewusst schwarz kleiden, sondern weil sie von Grund auf gerne wertfrei und unauffällig ist. Schwarz ist für sie der Ausdruck für alles und nichts und somit kann sie sich mit dieser Nichtfarbe einfach besser identifizieren, als mit allen anderen Farben.

    Jo bevorzugt allerdings nicht nur schwarz, sondern eben auch dunkles violett, dunkelgrün, dunkelblau oder auch mal als "Farb"akzent weiß, dies jedoch eher bei Oberteilen. Bodenlange Samt- oder einfache Stoffröcke, Rüschenblusen, Tops oder normale T-shirts, ab und zu auch mal eine Cord- oder Jeanshose mit Schlag, Stoffhosen, Latzhosen, normale Blusen oder Spaghettiträger-Oberteile - alles das findet sich in ihrem kleinen Schrank zusammengequetscht oder auf Bett und Ohrensessel verteilt in ihrer Wohnung wieder. Vorzug haben hier allerdings oft romantische Kleidungsgegenstände, wie eben angesprochene Rüschenbluse und lange, leichtfließende Röcke, zumindest, wenn sie nicht gerade einen offiziellen Photografenjob zu erledigen hat, bei denen Hosen definitiv mehr Freiheit für Verrenkungen bieten.

    Dennoch trifft man sie meist in ihrer Lieblings-Armyhose, die natürlich ebenso schwarz ist, mit Seitentaschen und leicht breiterem Schnitt und einem typischen, schlichten, ärmellosen Oberteil an, über dem eigentlich nur noch die Hundemarke fehlen würde.
  • Festes Outfit
    JJ ist in ihrer Kleiderwahl sehr flexibel und kleidet sich demnach nach Lust und Laune, doch es gibt zwei Anziehsachen, auf die sie in keiner - oder kaum einer - Situation verzichten würde: Ihre über alles geliebte, schon ziemlich abgetragene, aber unheimlich bequeme Lederjacke, in der sie sich auskennt, wie der Cowboy in seiner Westentasche und die Stahlkappendocs, die ihr auf Konzerten und bei Menschenaufläufen schon manche blauen Zehen ersparten. Ebenso abgetragen, aber überaus gepflegt, wirken die sieben Jahre alten Boots vielleicht wie drei Jahre alt.

    Meist trägt sie eine schwarze, etwas ausgewaschene Armyumhängetasche mit sich, in der alles verstaut ist, das sie vor allem zum Photografieren benötigt, auch wenn sie die Kamera auch oft um ihren Hals trägt, da die besten Schnappschüsse sehr gezielt und schnell geschossen werden müssen, um sie für die Ewigkeit festzuhalten. Überhaupt ist das Photografieren ihr Leben und somit wird man sie nur sehr selten ohne ihre analoge Spiegelreflexkamera antreffen. Wenn sie diese nicht dabei hat, dann zumindest eine kleine Digitalkamera, wobei Jo ihre Bilder lieber selbst in ihrem selbstgebastelten Badezimmer-Labor entwickelt.
  • Schmuck:
    Ein ovales, schlichtsilbernes, kleines Amulett mit einem winzigen, dunkelroten Rubin, der die Mitte des Deckels ziert, trägt sie um ihren Hals, meist unter ihrer Kleidung. Die feingliedrige Kette trägt den Anhänger bis auf ihren Busen, ganz in der Nähe ihres Herzens.

    Des weiteren ziert ihr rechtes Handgelenk ein einfaches, schwarzes Lederband, dem eine grünschimmernde Steinperle aufgefädelt wurde und das sie vor einigen Jahren zusammen mit ihrer besten Freundin Annica auf einem Trödelmarkt gefunden hatte. Beides sind Erinnerungsstücke, die die junge Photografin ungerne bis gar nicht ablegt, manchmal blickt sie in das Amulett, um sich auch bildlich an ihre Eltern zu erinnern, die dort links und rechts jeweils einen schwarz-weiß-belichteten, schon leicht ausgebleichten Platz gefunden haben.

    Joanna trägt ansonsten eine schlichte Armbanduhr mit schwarzem Lederband und weißem Ziffernblatt mit silberfarbener Umrandung am linken Armgelenk und einen ebenso einfachen Ring mit eingelassenem dunkelrotfarbenen Jaspissteinmuster am Ringfinger der rechten Hand. Ab und zu ziert auch ein silbernes Kettchen ihr Hand- oder Fußgelenk. Leider schließt der Verschluss nicht mehr zuverlässig, weswegen sie es schon öfter verloren hat, aber glücklicherweise immer wieder fand. Dieses Kettchen ist ebenfalls eine Erinnerung an ihre beste Freundin.
  • Piercings:
    Das linke von JJs Ohren ist mit einigen Piercings durchstochen und ebenso ziert ein solches auch winzig als kleiner Strassstein ihren rechten Nasenflügel sowie eines mit einem roten Stein ihre Zunge.
  • Tattoos:
    Augenblicklich spart JJ sich Geld für ein Tattoo zusammen, das sie sich für einen neuen Lebensanfang in San Fransisco stechen lassen möchte. Welches Motiv und an welche Stelle es kommt, ist noch nicht sicher.
  • Narben:
    -
  • Besonderheiten:
    JJ hat einen kleinen Leberfleck auf der linken Seite ihres Gesichtes unterhalb ihrer wohlgeschwungenen Lippen und feingliedrige Finger mit kurzen Nägeln, die sie selbst als kleines Merkmal ihrer kreativen Ader sieht, da nach ihrer Auffassung Künstler ganz besondere Hände haben. Sie bildet sich nicht viel auf ihr Aussehen ein, auch wenn sie weiß, dass sie kein hässliches Entlein ist, doch auf ihre Hände ist sie besonders stolz.

Aussehen - Beschreibung
s.o. & Photo

up

Eigenarten
Joanna trägt so gut wie immer ihre Kamera mit sich herum, wenn es nur irgend möglich ist und sie sie nicht gänzlich stören würde. Aber sie liebt sie so sehr, dass ein Störfaktor fast ausgeschlossen werden kann. Des Weiteren verzichtet sie auch bei aller Wärme seltenst auf ihre abgenutzte alte Lederjacke. Und wenn sie sie unterm Arm oder verknotet mit ihrer Armytasche herumträgt.

Am Eigenartigsten ist wohl, dass sie seit ihrem Erlebnis in San Fransisco (siehe Lebenslauf) nun ständig in irgendwelche seltsame Situationen gerät, die sie überhaupt nicht zu verantworten hat und sich dagegen auch gar nicht wehren kann ... (siehe Ankunft).

up

Bevorzugte Opfer
jedes wirklich gute Photographie-"Objekt"

up

Spezialisierte Begabungen & weitere Stärken
Ihre Selbstsicherheit, ihr Selbstbewusstsein und ihr fester Wille sind definitive Stärken, die verhindern, dass sie einfach mal so nebenbei manipuliert werden könnte. Sie macht sich grundsätzlich ein eigenes Bild und gibt nichts auf Erzählungen anderer, egal wie glaubhaft diese sind, vor allem dann, wenn noch weitere beteiligt sind. Gerne hört sie sich dann beide Geschichten an, um selbst zu entscheiden, was sie davon hält, allerdings hält sie sich auch ebenso gerne einfach heraus, um nicht zur Zielscheibe zu werden.

Ihren Willen zu brechen ist überaus schwer und es bedarf schon viel Kreativität oder überragender Fähigkeit, das zu schaffen. Zugute kommt ihr in diesem Fall auch, dass man sie gerne unter- bzw. komplett falsch einschätzt.

Als Empath würde sich Joanna nicht beschreiben, allerdings kann sie nicht abstreiten, gewisse empathische Fähigkeiten zu haben, die es ihr ermöglichen, sehr gut einzuschätzen, wie sich ihr Gegenüber gerade fühlt, oder was ihm gut tun würde. Es trifft nicht immer zu, vor allem dann nicht, wenn sie selbst mit sich beschäftigt ist, aber in vielen Fällen war es mehr Vor- als Nachteil.

Auch wenn sie es nicht leiden kann, dass sie sogar bei Kinofilmen die Tränen nicht zurückhalten kann, weil sie sich all zu sehr in die dargestellte Person hineinversetzt, ohne dass sie es irgendwie kontrollieren könnte, ist es nun einmal eine Tatsache, dass sie hier eine kleine Fähigkeit hat, die anderen vielleicht verwehrt blieb. Sie denkt allerdings nicht grundlegend darüber nach, manchmal fällt es ihr auf, vor allem dann, wenn sie glaubt, dass es doch so offensichtlich ist, was jemand braucht, dessen Gegenüber sich aber grundsätzlich falsch verhält und sie dann erkennen muss, dass dieser Mensch wohl blind gegenüber den Gefühlen anderer ist.

Im Übrigens hat Jo das gewisse Händchen für die richtigen Schnappschüsse und Photoaufnahmen. Sie bekam als Kind eine kleine Kamera geschenkt, als sie auf einen mehrtägigen Schulaufenthalt ging und von da an war das Photografieren ihr größtes Hobby überhaupt. Nichts und niemand war vor ihr sicher und so entwickelte sich von Anfang an eine Fähigkeit, den richtigen Punkt und die richtige Situation zu erwischen und für die vermeintliche Ewigkeit festzuhalten.

Ein bisschen Zeichnen und gutes Schreiben gehören ebenfalls zu ihren Stärken. Sie weiß mit Wort und Stift umzugehen, kann dies allerdings auch verbal umsetzen. Die Kreativität oder auch einfach das Künstlerdasein als solches liegt ihr im Blut und gehört definitiv zu ihren stärksten Fähigkeiten in fast allen Lebenslagen.

Fremdsprachlich ist sie mittelmäßig begabt, sie hat im Selbststudium etwas Latein gelernt, spricht ein paar Brocken Deutsch und auch ein bisschen schwedisch, da ihr eigener Vater aus Deutschland stammt und Annicas Großeltern aus Schweden.

up

Schwächen
Das Wohlergehen ihrer Mitmenschen, vor allem das derer, denen sie Sympathie entgegenbringt, die grundsätzlich hilflos sind oder sich selbst anscheinend nicht wehren können, geht ihr über alles. Man hat sie in der Hand, hat man solche Menschen in der Hand und spielt sie gegen sie aus. Ungerechtigkeiten und dergleichen ähnliches lassen sie ihren Selbstschutz nahezu komplett vergessen, denn einzig was für Jo in diesem Moment dann zählt, ist das Wohlergehen der gemochten Person, vor allem dann, wenn diese wegen Joanna in solch eine Situation - welche auch immer das sein mag - gerät.

Dementsprechend ist aber auch eine große Schwäche, dass sie engere Bindungen nicht zulassen möchte oder kann, bedingt durch ihre Vergangenheit und den Verlust all jener Menschen, die sie über alles liebte. Sophya Tootzie, ihre alte Vermieterin, nimmt hier den ersten Part einer wirklich wieder engeren Freundschaft ein.

Ebenso ist ihre Kamera ein Stück Herzblut, denn dieses Stück bekam sie einst von ihrem Vater geschenkt. Sie hütet sie wie ihren Augapfel und würde womöglich ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, damit sie nicht zerstört würde.

Eine weitere Schwäche im Bezug auf einen Vampir beispielsweise ist, dass sie eine Frau ist, die als Mensch keine übermächtigen Kräfte besitzt und sich somit körperlich nur bedingt wehren könnte, wenn irgendetwas dieser Art passieren würde. Sicherlich würde sie es versuchen, denn kampflos würde Jo niemals "untergehen", aber ob sie gegenüber einem Vampir Erfolg haben würde, ist zweifelhaft. Da müsste schon sehr viel Glück, Geschick und Kreativität im Spiel sein, aber sicherlich wird sie nicht mit rein körperlicher Gegenkraft gegen die Kinder der Nacht ankommen.

Natürlich ist auch eine Schwäche, dass sie von diesen Wesen überhaupt keine Ahnung hat. Nicht, dass sie das Mysterium Vampir nicht kennen würde, eher, dass sie nicht ernsthaft damit rechnet, dass es wirklich Vampire gibt. Sie würde ihre Gegenüber in gewissem Maße unterschätzen, die behaupteten, sie hätten übermenschliche Kräfte, weil sie untote Lebende seien. Sicherlich würde Joanna den psychischen Schaden und möglichen Folgen nicht unterschätzen, da verrückte Menschen nun einmal in der Regeln unberechenbar sind und wohl auch in solchen Situationen heftigste Kräfte aufwenden könnten, aber sie würde sie gleichwohl auch nicht wirklich ernst nehmen, was die Behauptung beträfe und somit alle vampirischen Fähigkeiten komplett unterschätzen.

Im Übrigen ist sie allerdings angetan von der Phantasie, es könnte Vampire geben. Nicht selten liest sie Bücher oder sieht Filme, die sich mit diesem Thema beschäftigen, träumt auch gerne davon, wie es wäre, wenn es sie wirklich gäbe, aber das alles ist nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen - es sind einfache Träumereien, um dem Alltag hin und wieder entfliehen zu können.

up

Waffen
ihre Kamera

up

Vorlieben

  • Musik:
    Alles, was sich gut anhört. Gerne aber handgemachte Musik aus dem Bereich, Rock und Goth, Punk und Crossover. Muss aber nicht zwingend nur das sein.
  • Farbe:
    gerne schwarz oder dunkel in der Kleidung, grundsätzlich aber mag sie frische, satte Farben (vor allem in der Natur und der Umgebung)
  • Ambiente:
    Plätze, auf oder an denen sie gute Photos schießen oder die Leute beobachten kann, ohne mittendrin zu stehen und aufzufallen
  • Eigenschaften:
    Ehrlichkeit, Unaufdringlichkeit, Individualität
  • Aussehen:
    Kerle mit langen Haaren, gerne Musiker
  • Geschlecht:
    sie legt sich nicht fest, geht aber doch eher in die heterosexuelle Richtung, würde aber niemals anderes ablehnen, wenn es passt (siehe Annica)
  • Hobbies:
    photographieren, schreiben, lesen, beobachten, zeichnen
  • Allgemeines:
    -

up

Abneigungen
  • Musik:
    sie legt sich nicht wirklich fest, aber Musik, die nur aus Elektronik ohne Einlagen oder nur aus Gangster-Rap und Hip-Hop besteht, finde sie nicht wirklich prickelnd
  • Farbe:
    rosafarbene oder Hawaii-Hemden an Männern, aber gut, wenn es sein muss, kommt sie auch damit klar, nur für sich nicht
  • Ambiente:
    gehobenes Ambiente, Krankenhäuser, und überall da, wo sie irgendwie überhaupt nicht hin passt (beispielsweise eine große, edle Bank)
  • Eigenschaften:
    Unehrlichkeit, Arroganz, Überheblichkeitkeit, Dummheit (Schlag-vor-die-Stirn-/Hier-ist-Dein-Schild-Effekt), Piekiertheit/Empfindlichkeit/Tussigehabe
  • Aussehen:
    unhygienische Leute, Prolls (Typ: "Hey Baby ... wie wär's mit uns beiden heute Nacht, ich bin der Beste der Stadt ...") und Tussis (Typ: "Oh nein, mein Fingernagel ist abgebrochen")
  • Geschlecht:
    -
  • Aktionen:
    warten, wenn es in der Umgebung der Warterei keine visuellen Reize gibt
  • Allgemeines:
    Drogen kann sie nicht leiden, übermäßigen Alkoholverzehr auch nicht, aber Süchte an sich sind nicht gerade das, was sie bejubelt

up

Charakter

Kurzbeschreibung:
ruhig, ausgeglichen, beobachtend, Zuhörerin, nachdenklich, abwägend, selbstsicher, selbstbewusst, willenstark, freiheitsliebend, vertrauenswürdig, ehrlich, direkt (gibt aber nicht zu allem ihren Senf), harmoniebedürftig (aber nicht auf Kosten der Gerechtigkeit), unaufdringlich, optimistisch, charakterstark, kreativ, aktiv, mit ihren Gefühlen oft hinterm Berg haltend, vorurteilsfrei (insoweit möglich), offenherzig, hilfsbereit

Ausführliche Beschreibung:
Wenn man Joanna als zurückhaltend beschreibt, trifft man zwar nicht genau ins Schwarze, aber hat schon einen großen Teil von ihrem nach Außen bei Fremden gelebten Charakter offen gelegt. Schüchtern würde sie sich selbst nicht bezeichnen, denn ihre zurückhaltende Art liegt eher daran, dass sie lieber beobachtet, als in der Mitte der Menge steht und sich unterhält. Dies spiegelt sich auch in Gesprächen wider, denn sie ist jemand, der zuhört, anstatt spricht - zumindest im überwiegenden Fall - und somit auch jemand, der darüber nachdenkt, was sie hört, bevor sie ihre Meinung zum Besten gibt. Das allerdings in der Regel nur dann, wenn man sie darum bittet, ansonsten behält sie ihre Ansicht oftmals für sich.

Sollte sie allerdings nach ihrer ehrlichen Meinung gefragt werden, wird die Antwort auch ehrlich sein. Gerne ist sie direkt, wenn die Umstände und ihr Gegenüber es zulassen, andernfalls kann sie die sogenannte Wahrheit auch in hübsche Worte verpacken, damit der Angesprochene sich nicht all zu peinlich berührt fühlt oder gar ärgerlich wird. Grundsätzlich versucht Jo es zu vermeiden, die Menschen in ihrer Umgebung zu verärgern oder zu verletzen. Sie hat gewisse Ziele in ihrem Leben, die sie erreichen möchte, würde dafür allerdings nicht über Leichen gehen.

Von Lügen, Betrug und Intrigen hält sie ebenso wenig, wie von aufschneiderischem und verfälschtem Verhalten. Einzig, wenn es ihr nicht gut geht, versucht sie dies anderen nicht zu zeigen, um ihnen keine Last zu sein. Seither war sie im Umgang mit ihren Mitmenschen immer darauf bedacht, niemandem auf die Nerven zu gehen und hat somit schon früh begonnen, eine Einzelgängerin zu sein. Lediglich bei ihrer besten Freundin Annica, die sie seit der ersten Klasse kennt, ließ sie sich auch mal gehen und dachte nicht darüber nach. Diese Freundschaft prägte ihr Leben bis in die Gegenwart, auch wenn Annica nun nicht mehr um sie herum ist und die Erfahrungen mit ihr teilen kann.

Hanna ist eine sehr optimistische junge Frau, auch wenn sie ein paar Schicksalsschläge in ihrem Leben hinnehmen musste und auch wenn sie einmal die innere Ruhe und Ausgeglichenheit, die sie grundsätzlich in sich trägt, verlassen hatte. Diese einmalige Situation war wie ein Schnitt in ihrem Leben, der alles zu ändern begann. Nachdenklich war sie schon im Kindesalter, doch ab diesem Augenblick spürte sie bewusst, wie es sich anfühlte, erwachsen zu werden, loszulassen, Neues zu beginnen - vor allem: die Vergänglichkeit des Lebens zu spüren.

Joanna kann sich sehr gut mit sich selbst beschäftigen und findet jederzeit Möglichkeiten, ihrer Kreativität und ihrem Tatendrang freien Lauf zu lassen. Sie ist überaus hilfsbereit und vorsorglich, was andere betrifft und denkt in solchen Momenten nur bedingt an sich selbst.

Allerdings gibt es auch Situationen, in denen sie sich einfach nimmt, was sie braucht und möchte, allerdings nur, wenn niemand einen Nachteil aus dieser Situation zieht, der nicht behoben oder anderweitig kompensiert werden könnte. Diese Einstellung macht es ihr allerdings nicht immer leicht, vorzupirschen, da sie oft zurückstecken muss, um anderen den Vortritt zu lassen. Sie verschiebt ihre eigenen Bedürfnisse dann einfach auf einen späteren Zeitpunkt und das so lange, bis sich vielleicht doch einmal ein Schlupfloch auftut, durch das sie hindurchschlüpfen kann, um zum Etappenziel zu gelangen.

JJ trägt sehr viele versteckte Emotionen in sich, die sie anderen nur selten bis überhaupt nicht zeigt, auch wenn sie meist herzlich, freundlich und sympathisch wirkt. Über ihre wahren Gefühle spricht sie selten, sie würde sich für egozentrisch halten. Oftmals wirkt sie daher auf andere schüchtern, unsicher und ohne großes Selbstbewusstsein, allerdings sind diese Ansichten weit gefehlt. Jo weiß sehr genau, was sie möchte, ihre Meinung lässt sich kaum verbiegen, außer sie ist im Unrecht und sie kann sich sehr wohl verbal wie auch körperlich zur Wehr setzen, wenn es darauf ankommt. Ob sie die Oberhand - vor allem im Körperlichen - behalten kann, sei hier allerdings dahingestellt, denn sie hat keine weiteren Kampfsportarten oder andere athletische Dinge trainiert, bis auf einen kurzen Kurs der Selbstverteidigung.

Auf Äußerlichkeiten legt die junge Amerikanerin nur in soweit wert, dass bei ihren Gegenübern die Hygiene einwandfrei sein muss. Sie versucht zwar vorurteilsfrei auf andere zuzugehen, doch hat sie dennoch einige Mauern, Hürden und Sperren in sich, wenn sie Menschen gegenübersteht, die sich profilieren und man das schon an der äußerlichen "Kriegsbemalung", wie sie es gerne nennt, sieht. Für solche kleinen Lästereien, die, wie ihr Religionslehrer einmal erklärte, jeder Menschen zurückgreifen sollte, um sich für sich etwas besser zu fühlen, findet sich in ihrem Tagebuch manchmal ein kleiner Platz. Sie sagt sich, dass sie diese Gedanken lieber für sich niederschreibt, als über jemanden schlecht zu reden.

Ihre sexuelle Gesinnung ist auf beide Geschlechter ausgelegt. Sie macht keinen Unterschied und ist für alles offen, solange es vom Gefühl her passt, wobei dies nicht heißt, dass sie einmaligen Angelegenheiten gegenüber abgeneigt wäre. Gefühl in diesem Falle heißt für sie lediglich, dass die Gesamtsituation passen und ihr Gegenüber ansprechend sein sollte, bei denen sie so ihren ganz eigenen Geschmack entwickelt hat und Sonnyboys oder Rosa-Kleidchen-Tanten eher weniger dazu zählen. Feste Bindungen, sei es freundschaftlich oder beziehungstechnisch ist sie derzeit nicht bereit einzugehen - zumindest glaubt sie das.

So sanft sie manchmal auch scheinen mag, vor allem dann, wenn sie sich zurückhält, nichts sagt und man sie nicht kennt, so sehr trifft man damit ins Leere. Mit ihr lassen sich Pferde stehlen, lässt sich einen drauf machen und herzlich lachen, allerdings nur dann, wenn es nicht auf Kosten anderer geht und sie sich in ihrer Umgebung wohl fühlt und glaubt, dass sie sich fallen lassen darf, ohne aufzufallen. Nichtsdestotrotz bleibt sie jemand, den man lieber anspricht, wenn man etwas möchte, als darauf zu hoffen, dass sie es von sich aus tut. Passiert bestimmt von Mal zu Mal und von Situation zu Situation, jedoch wird dies nie die Regel sein.

up

Ziele
Endlich einen Ort finden, an dem sie in Ruhe leben kann, und dort eben auch einen feste Job, der ihr Spaß macht.

up

Sonstiges
-

up

Leben in Venedic/Phoenix/New York
folgt

Benutzeravatar
Joanna
Mensch
Beiträge: 8
Registriert: 22.09.2016, 22:22
Posts: 1-2x/Woche
Charname: Joanna May Jenkins
Pseudonym: Jo, JJ, Hanna, Anna
Alter: 21 Jahre
Augen: dunkelbraun
Haare: schwarzbraun, lang, glatt
Größe: 170cm
Stadt: Phoenix
Rasse: Mensch
Klasse: unwissend
Beruf: Photographin
Fähigkeiten: 1. Emphatie
2. Willensstärke
Kleidung: schwarze Lederjacke, ihre Kamera
Hauptchar: aBraXaS
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de
Kontaktdaten:

Re: [Phoenix]: Joanna May Jenkins

Beitragvon Joanna » 25.09.2016, 11:57

Lebenslauf

"Antonio Luigi Alfonzo, sie wurden angeklagt, den Auftrag gegeben zu haben, drei Menschen bestialisch ermorden zu lassen. Ich verurteile Sie nach eindeutiger Beweislage rechtskräftig nach den Gesetzen des Bundesstaates ..." Ein klägliches Wimmern durchdrang den Gerichtssaal, der hölzern in seiner ehrwürdigen Weise schon Tausende Urteile in seiner Stummheit vernommen hatte, und unterstrich die endgültigen Worte des weißbärtigen Richters in seiner schwarzen Robe. Ein Mann mittleren Alters legte seinen Arm um die hübsche, hochschwangere Frau mit den dunkelbraunen Locken, die nicht um Antonios Verurteilung weinte, sondern weil nun sicher war, dass mit diesem Urteil auch ihr Leben ein jähes Ende nehmen sollte. Ein Ende, das auch für ihren geliebten Ehegatten galt, der sie schützend in den Armen hielt und ihr Mut zuflüsterte.

" ... zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe in der Vollzugsanstalt ...", unbeeindruckt wirkte die Stimme des Richters, der weiter sprach, was er schon etliche Male gesprochen hatte, wobei man nicht davon ausgehen konnte, dass er ständig solch brutale Fälle zu verhandeln und vor allem zu entscheiden hatte, doch er ließ sich nichts anmerken - zumindest nicht, wenn man ihm nicht tief in die Augen blickte. Doch war eindeutig, dass auch er schockiert war, als er erfuhr, dass diese drei Menschen, für die er nun Recht zu sprechen hatte, in einem Hinterhof auf bestalische Weise abgestochen wurden. Und es waren nicht nur drei Menschenleben, sondern darunter auch das eines Kindes - das Leben eines Menschen, das sein Leben noch komplett vor sich gehabt hatte und unschuldiger nicht hätte sein können.

Was er erfahren hatte, war, dass die Kronzeugin ihr Auto in der Seitengasse geparkt hatte, weil sie durch ihre Schwangerschaft einen kürzeren Weg zur Reinigung haben wollte und keinen Parkplatz fand und als sie zurückkehrte, stand der Angeklagte dickbäuchig mit edlem Anzug und Krawette vor einem unterwürfig wirkenden Mann. Sie habe hören können, dass es um Schutzgeld ginge, das der Mann nicht hatte bezahlen können und zwei Schergen wären in diesem Moment aus dem Hintereingang eines kleinen Lokals gekommen. An den Haaren zogen sie offensichtlich Frau und Tochter dieses Mannes herbei. Er flehte um Gnade, er bettelte regelrecht darum, sagte, er würde das Geld auftreiben. Doch der Angeklagte hätte seine Schergen angewiesen, der Tochter die Arme in den Rücken zu drehen, die Frau schrie, der Mann weinte, fiel auf die Knie und versprach, was er niemals hätte halten können.

Mit den Worten "Du hast einmal zu viel versprochen" schoss einer der beiden Schutzgeldeintreiber das Kind mit einer gezielten Kugel durch den Kopf - wie die Kronzeugin unter Eid beschwor, ohne auch nur einmal dem Befehl des Angeklagten zögernd entgegenzuwirken. Die Mutter habe jegliche Kontrolle über sich verloren, griff den dicken Mann an, beschimpfte ihn in einer fremden Sprache, bis einer der Schutzgelderpresser ihr von hinten einfach die Gurgel mit dem Messer zerschnitt, während der andere auch den Mann erschoss, der aufgesprungen war, um zumindest noch seiner Frau helfen zu können. Die Kronzeugin hatte sich hinter einem großen Papiermüllcontainer verstecken können, sie wurde nicht gesehen, aber was sie gesehen hatte, das wusste der Richter, würde sie immer in ihren Träumen verfolgen und er hoffte, dass sie irgendwann einmal zu einem kleinen Stück Frieden fand. An der Aussage dieser Frau bestand in keinster Weise ein Zweifel.

"Wie könnte ich Mut haben, Johann, wie? Wie könnte ich es gut heißen, dass wir von hier weg müssen, nur weil wir unseres Lebens nicht sicher sind, jetzt, da er seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Jetzt, da er hinter Gittern sitzt und die ganze Mafia unseren Tod will. Wie soll ich Mut haben, wenn ich glaube, dass sie uns überall finden können, Johann, wie? Sag es mir!", es war ein Flüstern der Frau, die auf das Zusprechen des Mannes nicht eingehen konnte, der im Gerichtszahl auf der Zeugenbank neben ihr saß, weil sie so vieles nun verlieren würden.

Sie wünschte sich, sie wäre niemals auch nur in der Nähe dieser schrecklichen Bluttat gewesen, doch sie war es. Sie war es, die überlebte, weil sie nicht gesehen wurde, war Kronzeugin in einem Fall, der der Mafia zugeschrieben wurde und niemand geringeren hatte sie nun ins Gefängnis gebracht, als den Vertreter des obersten Paten.

Sie wusste, sie würde ihres Lebens nicht mehr froh werden und sie hatte ihren Mann mit hineingezogen, ohne, dass sie es wollte. Doch bereute sie es nicht, der Gerechtigkeit genüge getan zu haben und doch wünschte sie sich, dass sie niemals diese Aussage hätte machen müssen, aber sie war die einzige, die Eindeutiges hatte sagen können, die einzige, die die Gerechtigkeit hatte siegen lassen können und nur durch sie siegte diese nun tatsächlich. "Führen Sie den Mann ab!" Es war der endgültige Befehl - für den Staat, für dieses Gericht war dieser Fall erledigt, er konnte ad acta gelegt werden, sie konnten sich auf den nächsten einstellen.

Es war nur ein Zischen, das sie zu hören bekam und erschrocken blickte sie nach oben, als sie die Worte verstand, die eindeutig ihr galten - und nicht nur das: "Das wirst Du büßen, glaube mir, Deine Familie wird es büßen, wir werden Dein Kind finden, werden es dem Tod ausliefern, wie Du mich hier ausgeliefert hast. Ich schwöre bei Gott, ich werde ..." Er wurde jäh vom Wärter unterbrochen, der den fülligen, bärtigen Italiener vor sich herschob: "Nichts wirst Du, ins Gefängnis wirst Du wandern und dort elendig zu Grunde gehen." Doch die Frau und auch Johann wussten, dass sie niemals wieder in Ruhe leben konnten, immer würden sie auf der Flucht sein müssen, auch wenn sie am gleichen Ort lebten. Ihre Gedanken wären ständig auf der Flucht.

Ihre Namen würden Benjamin und Norma Jenkins sein, auch wenn sie dies erst bei ihrer Ankunft im Zielstaat erfahren würden. Sie würden all ihre Freunde, ihre Familie verlassen und zwar in dem Moment, in dem sie diesen Gerichtsaal verließen. Sie konnten sich nicht verabschieden, durften niemandem Bescheid geben, würden für die Familie einfach als verschwunden gelten, vielleicht würde man diesen sogar erzählen, sie seien bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen und verbrannt. Sie wussten es nicht. Es war ihnen nicht gestattet, Kontakt nach Hause aufzunehmen und sie würden es auch nicht tun, denn sie wollten niemanden gefährden, vor allem nicht die, die sie liebten. Ihr schwarzes Haar würde blond gefärbt werden, sein hellbraunes, dunkel. Einzig eines würde immer gleich eine Gefahr darstellen: Ihre Schwangerschaft.

Es war zu sehen, dass sie zwischen dem 7. und 9. Monat schwanger war und niemand zweifelte daran, dass diese bösartigen Untergrundmenschen über kurz oder lang herausfinden konnten, welche zugezogenen Bürger ein Kind zur Welt brachten, die weiß Gott nicht mehr so aussahen, wie sie aussahen, als man sie zuletzt im Gerichtssaal gesehen hatte. Nun sagte auch Johann nichts mehr, denn auch er wusste, dass seine Frau Recht hatte. Er würde sie weiterhin versuchen auf andere Gedanken zu bringen, doch in diesem Moment war seine Kraft, dies zu tun, aus allen Gliedern geglitten. Betroffen senkte er seinen Kopf. Sein Kind sollte diese Vorgeschichte niemals erfahren, damit es in Ruhe sein Leben leben konnte, das schwor er sich.


Sieben Jahre später

"Na sag doch Du wie Du heißt, warum soll ich das zuerst tun?"
- "Na, weil Du doch in meine Klasse gekommen bist und nicht ich in Deine."
- "Wer sagt das? Du bist heute auch eingeschult worden wie ich und hättest Du mal besser zugehört, der Lehrer hat meinen Namen nämlich vorhin aufgerufen."
- "Ach ja? Ich höre immer zu und das hat er gar nicht getan."
- "Hat er wohl."
- "Hat er nicht."
- "Hat er wohl!"
- "Hat er gar nicht!!"
Und was keiner für möglich gehalten hätte, die Blonde mit dem verwaschenen, zu großgeratenen Blümchenkleid und die kleine Brünette mit den großen graublauen Augen sollten zu den besten Freundinnen werden, denn ihre kleine Rechthaberei wurde jäh unterbrochen, als der große, dicke Junge aus der vierten Klasse, der immer schokoladenverschmierte Mundwinkel hatte, einfach durch sie hindurchbrauste und Joanna durch sein robustes und vor allem absichtliches "Erstklässler-Schubsen" ins Straucheln brachte, sodass diese auf ihrem Hosenboden landete und alle Umstehenden lachten.

"Ey, Du fieser Kerl, Dir werd ich zeigen, was 'ne Harke is'." Und schon stürzte sich das blonde Mädchen auf den Rücken des Jungen und prügelte mit ihren kleinen Fäusten so fest auf den Viertklässer ein, dass dieser tatsächlich zu Boden ging. Joanna sprang auf, ignorierte den dumpfen Schmerz an ihrem Steißbein und versuchte die beiden auseinander zu bringen, was die Lage eher verschlimmerte als besser machte, denn Mike schlug sich die Nase blutig. Für den Lehrer, der gerade um die Ecke kam, waren die beiden Mädchen, die augenscheinlich die Oberhand behielten und den Jungen grundlos prügelten, die Schuldigen. Somit wurde er zur Schulkrankenschwester geschickt und grinste noch einmal eklig in Richtung der beiden Mädchen, als hätte er sich nichts sehnlicher gewünscht als das, und die vermeintlichen Übeltäterinnen hatten gleich am ersten Schultag einen Vorsprachetermin beim Direktor.

Während sie auf den viel zu hohen, dunkelhölzernen Stühlen saßen und auf ihr Hineinzitieren warteten, versuchte die kleine Blondgelockte einen scheuen Blick auf Joanna zu werfen, die betroffen und ruhig zu Boden blickte, als hätte sie sich schon lange in Reue mit ihrem Schicksal abgefunden. "Ich bin Annica und es tut mir leid, dass Du jetzt wegen mir Ärger bekommst." Scheu lächelten die blauen Augen und der kleine schiefe Mund, als Joanna auf das ihr vor kurzem noch fremdgewesene Kindergesicht blickte. "Quatsch, der hat das verdient und dazu steh ich auch, der Arsch. Kommst'e mit nachher ein Eis essen? Ich lad' Dich ein. Ich heiße übrigens Joanna." Annicas Augen wurden groß und sie nickte begeistert, darauf gaben sich die Kinder die verklebten Kaugummihände und es sollte kein weiterer Tag vergehen, an dem sie nicht alle Abenteuer zusammen bestritten.


Die nächste Zeit

Kaum drei Monate später bekam Joannas Mutter die Diagnose, dass sie an einem schweren Krebsleiden erkrankt war und nur noch sechs Monate zu leben hatte. Es waren die obligatorischen sechs Monate, die Ärzte gerne dann angeben, wenn sie selbst keine genauen Vorstellungen hatten. Sicher allerdings war, dass der Krebs schon so weit fortgeschritten war, dass weder eine Chemotherapie noch eine Operation Abhilfe hätten schaffen können und so entschied sich die schwerkranke Frau dazu, die letzten Monate ihrer Zeit dafür aufzuwenden, noch das aufzuarbeiten, was sie eigentlich für die nächsten Jahre geplant hatte.

Immer schon hatte Norma sich mehr um die Belange ihrer Lieben gekümmert, als um sich selbst und sie wollte der kleinen Joanna noch so viel mit auf den Weg geben, wollte ihren Mann stützen und stärken, damit er es allein schaffen konnte und die beiden konnte nicht mehr tun, als ihr dabei zusehen und die Zeit genießen, die sie noch zusammen hatten.

Joanna erfuhr allerdings erst einige wenige Monate nach der Diagnose, dass ihre Mama bald für immer von ihnen gehen würde, denn der Schatten sollte sich nicht für alle Familienmitglieder gleichlang über die hübschen Begebenheiten legen. Benjamin allein brauchte seine Zeit und sehr viele Tränen, um sich damit abzufinden, dass er einfach nichts tun konnte. Wie seine Frau das schaffte, würde ihm sein Lebtag ein Rätsel sein. Er vermutete, dass sie die Kraft aus ihrer Liebe schöpfte, die sie bodenlos in sich zu tragen schien.

Aus den sechs Monaten wurden acht, bis es dann tatsächlich soweit war, dass Joannas Mama ins Krankenhaus gefahren wurde, nachdem sie zwei Wochen zuvor zuhause bettlägerig war. Es war eine schwere Zeit und Joanna selbst konnte Kraft aus ihrer Freundschaft zu Annica schöpfen, die immer für sie da war. Benjamin begriff sehr schnell, dass solch eine kleine Mädchenfreundschaft niemals unterschätzt werden durfte, denn sein Kind schien stärker als er selbst zu sein und er zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie vielleicht das Ausmaß der Situation nicht erfassen konnte. Sie schien für ihren Vater stark sein zu wollen, er hatte sie nur einmal bei der Beerdigung weinen sehen, während er seine Tränen vor dem Kind kaum mehr zurückhalten konnte, gleich wann immer er die Wochen nach dem Tod auch an seine geliebte Frau erinnert wurde.

Annica wusste es besser, doch sie schwieg wie ein Grab. Oft gingen die beiden Mädchen ans Ufer eines kleinen Biotops im Park, setzten sich dort ins Gras und sagten nichts, irgendwann begann Joanna einfach zu weinen, Annica legte ihren Arm um die Freundin und so saßen sie einfach da und weinten manchmal auch zusammen, bis nach einigen Monaten die Tränen versiegten und Joanna sich erlaubte, wieder Spaß zu haben und zu lachen. Sie hatte ihren Frieden gemacht, wie sie das getan hatte, würde auf ewig ihr Geheimnis bleiben. An einen Gott glaubte sie ab diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr, was sie ihrem Vater auch deutlich sagte, der sie an jenem Sonntag, wie jeden Sonntag, mit in die Kirche nehmen wollte.

Er war ein gläubiger Mensch, aber zwang niemandem auf, an das zu glauben, was er glaubte. Er glaubte auch nicht an die Bibel, sondern hatte einen Gott, der einfach überall war. In die Kirche ging er nur deshalb, weil er dort die nötige Ruhe fand, seiner Frau diesen Wunsch zu erfüllen, allerdings wäre er niemals auf den Gedanken gekommen, seinem Kind vorzuschreiben, dass es so zu handeln und denken hatte, wie er. Er wusste um die Intelligenz seiner Tochter und respektierte die Entscheidungen des Kindes, wie die eines Erwachsenen, denn viele Ansprüche stellte Joanna nie. Wenn sie definitive Aussagen traf, hatten sie Hand und Fuß, zumindest ihrem Wissenstand nach.

Wenn sie glaubte, dass es keinen Gott gäbe, dann empfand er dies sicherlich als bedrückend, aber er zwang seinem Kind nicht seinen eigenen Willen auf, wie es viele Eltern getan hätten, vor allem, wenn es um die Glaubensfrage ging. Insgeheim hegte er die Hoffnung, dass sich diese Einstellung wieder ändern würde und es nur eine Phase war, dass sie, wie er, einfach sauer auf diesen Gott war, der ihm die Frau und seiner Tochter die Mutter genommen hatte, aber er würde es auf sich zukommen lassen oder eben nicht. Entscheidend für ihn war einzig, dass Joanna wieder lachte und nur das war wichtig.


Fünf Jahre später und die Zeit danach

Je weiter die Jahre fortschritten, um so bewusster wurde Joanna, dass sie ein besseres Leben leben durfte, als Annica das tat. Wenn sie beieinander übernachteten, dann schief Annica bei Jo und niemals umgekehrt. Und wenn sie etwas unternahmen, gewöhnte Joanna sich schnell an, Annica einfach einzuladen oder etwas zu machen, das kein Geld kostete. Deutlich wurde das vor allem in einer Situation, in der Annica ihrer besten Freundin unter Tränen erzählte, ihre Eltern hätten gesagt, dass sie bloß niemals diese Freundschaft zu Joanna abrechen sollte, dort könne sie sich durchfüttern lassen und vor allem ihr Vater hätte gesagt, dass er stolz darauf sei, dass seine Tochter so ein durchtriebenes Luder wäre und sich eine der Reichsten aus der Klasse geschnappt habe, um sie auszunehmen.

Vor allem diese Aussage war für Annica ein schwerer Schlag mitten ins Gesicht, denn dass es ihr in keinem Fall um solche Dinge ging, hätte er niemals verstanden, aber dass er so von ihr dachte, zermürbte das junge Mädchen zusehends. Erst wollte sie Joanna nichts erzählen, aber sie wären nicht die besten Freundinnen gewesen, wenn Joanna nicht genau sah, dass es Annica schlecht ging und es war viel Zeit, Geduld und vor allem intensives Einfühlungsvermögen notwendig, bis Annica auch in diesem Bezug das nötige Vertrauen hatte, sich ihrer Freundin anzuvertrauen. Immer wieder beteuerte sie, dass sie das nicht so sah, dass das wirklich nicht der Fall sei und immer wieder sagte Hanna ihr, dass sie das auch niemals angenommen hätte und dass sie ihren Vater eben reden lassen solle, er hätte ja keine Ahnung.

Als der Tag kam, an dem ein mehrtätiger Schulausflug nach Kanada geplant werden sollte, fragte Joanna gar nicht erst bei ihrer Freundin nach, sondern bat ihren Vater direkt darum, dass er für Annica die Kosten übernahm. Hanna stellte kaum Ansprüche, sie hatte durch den Ingenieurberuf ihres Vaters alle finanziellen Rückhalte, die sie brauchte und auch Benjamin war immer gerne bereit zu helfen. Um es Annica einfacher zu machen, das Geschenk anzunehmen, entschlossen die beiden sich, sie zum Eisessen einzuladen und dann die Gelegenheit beim Schopfe zu ergreifen und ihr die Klassenfahrt einfach zum Geburtstag zu schenken.

Als es dann endlich los ging, waren alle aufgeregt. Vor allem Annica war vorher niemals in einem Flugzeug geflogen und beide Mädchen freuten sich unheimlich auf ihre ersten gemeinsamen Ferien mitten in der Natur, welche sie allerdings erst zu schätzen wussten, als sie am Bergsee ankamen, die Wälder in ihrer Pracht sehen und riechen konnten und kein Stadtlärm zu ihnen drang. Sofort wurden Pläne ausgeheckt, wie sie später einmal in eine Waldhütte zögen, sich dort mit allen Tieren der Umgebung gut verständen, kleinen Kitzen halfen, deren Mamas von einem Bären aufgefressen worden waren und wie ungerecht es sei, dass der Lauf der Natur, wie die Lehrerin ihnen erklärte, nun einmal daraus bestand, zu fressen und gefressen zu werden.

Joannas Vater hatte den beiden Mädchen jeweils zwei Einwegkameras geschenkt, damit sie die tollsten Bilder machen konnten und schon an den ersten beiden der fünf zu verbleibenden Tage war Joannas Kamera voll. Annica fand eher Freude darin mit baren Füßen auf dem weichen Waldboden herumzulaufen, als Photos zu machen und so vermachte sie ihrer Freundin ihre beiden Kameras, worüber sich Joanna mehr als freute. Von diesem Moment an und vor allem später, als der Vater sah, dass dort ein kleines Talent aufgedeckt worden war und seiner Tochter eine kleine Anfängerkamera sowie einen Schnupperkurs schenkte, war Joanna kaum noch ohne ihr Schmuckstück anzutreffen.

Am dritten Tag des Ausfluges sollten die Schüler im Wasser einen kleinen Schwimmwettbewerb machen. Schlimm genug, dass Annica in einen ihrer Klassenkameraden verknallt war und sie sich nicht im Badeanzug zeigen wollte, vor allem weil ihr Körper längst frühreif pubertierte und sie sich etwas dafür schämte. Er hieß Justin und war schon zwei mal sitzen geblieben, dementsprechend war er gerade 15 Jahre alt geworden. Ein kleiner Rowdie und Haudegen, bei dem Joanna nicht so recht wusste, was ihre Freundin an ihm fand. Aber um so besser, denn so konnte schon einmal gar nicht aufkommen, dass eine auf die andere eifersüchtig wurde. Zudem war Joanna noch gar nicht soweit - weder körperlich noch mental - sich in Jungs wirklich ernsthaft zu verlieben und die kleinen Schwärmereien, die sie hatte, waren nichts - nur harmlos, wie es in diesem Alter eigentlich auch üblich sein sollte.

Tatsache jedenfalls war, dass sich Annica nicht ins Wasser traute und zuerst sah es wirklich danach aus, als würde sie sich für ihre Frühreife schämen, allerdings bemerkte Joanna schnell, dass es darum überhaupt nicht gehen konnte. Es dauerte ein paar errötenden Minuten bis Annica ihr dann verriet, dass sie nicht schwimmen konnte und natürlich verstand die Freundin sofort, dass das eine mittelschwere Katastrophe war, wenn man das vor jemandem zugeben musste, in den man verknallt war.

Ohne ein weiteres Wort und ohne länger darüber nachdenken zu müssen, blickte Joanna sich hektisch um. Jeden Moment würde die Lehrerin kommen und ihnen sagen, dass sie nicht vor dem Haus rumlungern, sondern die wenigen paar Meter ins Wasser gehen sollten. Jo fand recht schnell, was sie finden wollte, denn als sie ankamen, hatten die Betreuer sich schon darüber aufgeregt, dass wohl Jugendliche an diesem See eine Party gefeiert hätten. Ohne zu zögern sprang Hanna mit nackten Füßen auf die noch übrig gebliebenen Glasscherben. Annica konnte nur zusehen, zo schnell ging Joanna von der Entscheidung in die Tat über, während sie krampfhaft die Zähne zusammen biss, um nicht zu schreien.

"Jo, bist Du verrückt?", erschrocken und schnell warf Annica ihre Flip-Flops auf den Boden, die sie zuvor in der Hand getragen hatte, um hineinzuschlüpfen und ihrer Freundin entgegen zu laufen, um ihr zu helfen aus den Scherben zu kommen. "Ne, Du kannst doch nicht schwimmen gehen, also müssen wir uns was anderes ausdenken." Annica begriff nicht, wie der Plan aussehen sollte, als auch schon die Lehrerin zu ihnen stürmte, weil sie allein an der Haltung und Joannas Gesichtsausdruck erkannte, dass etwas nicht stimmte. "Himmel, was ist passiert?"
- "Entschuldigen Sie bitte, Miss Porter, ich habe die Scherben dort nicht gesehen und mich geschnitten," Joanna hob den Fuß, dessen Sohle sich vom Blut schon rot gefärbt hatte, in dem sie sich auf die Schulter ihrer Freundin stützte, "... und das tut so weh", fast hätte die Braunhaarige die Tränen vergessen, allerdings fiel ihr das nicht wirklich schwer, denn es tat in der Tat nicht wenig weh.

"Du brauchst Dich dafür nicht entschuldigen, Joanna, das müssen die Jugendlichen gewesen sein, wir dachten, wir hätten alle Überreste gefunden. Komm, ich helf' Dir und Annica, geh' Du schon mal ..." Ein Wimmern klang in Joanna auf, das die Lehrerin in ihrem Redefluss unterbrach. "Ich mag gern, dass Annica bei mir ist, ich mag nicht allein sein, Blut macht mir immer Alpträume, kann Annica nicht mitkommen?" Und der blonde Teenager nickte bestätigend und brachte durch die ganze überraschende Szenerie kein weiteres Wort heraus.

Miss Porter wechselte ihren Blick vom einen zum anderen Gesicht und entschied, dass es wohl das beste war, wenn die Freundinnen zusammen blieben, sie wusste zudem, dass die beiden sich auch nicht einfach ohne weiteres trennen ließen und auf noch mehr Tränen hatte sie keine Lust. "Na schön, dann lauf in die Küche und sag Bescheid, dass ich den Verbandskasten auf der Veranda brauche, ich trag Joanna dann dahin." Und sie hatten es tatsächlich geschafft, dass Annica sich keine Blöße geben musste.

Die Schnitte waren glücklicherweise nicht sehr tief, brannten allerdings bei jedem Auftreten, sodass Joanna ihren Fuß hochlegen sollte, dessen Ferse verletzt war. Auch im Nachhinein konnte Annica nicht verstehen, warum Joanna ihr solch ein Opfer bringen konnte, wobei sie das Warum schon verstand, aber dass Joanna überhaupt in der Lage war, so etwas zu tun, anstatt ihrer Freundin zu raten, zu sagen, dass ihr schlecht sei oder dergleichen, fand Annica einfach unglaublich. Hanna wollte davon nichts hören, für sie war dies die einzig sichere Möglichkeit gewesen, dass Annica in keinem Moment in ein ungewolltes Licht gerückt wurde. Es sollte für Justin nicht heißen, Annica wäre es schlecht ergangen und deswegen hätte sie nicht mitschwimmen können, sondern lieber, dass sie ihrer Freundin, die sich den Fuß verletzt hatte, beigestanden habe. JJ war der Ansicht, dass sich dies viel cooler anhörte und somit war die Sache auch schon vom Tisch.

Am abendlichen Lagerfeuer, welches auf mehrere Feuer verteilt war, weil die Klasse fast 40 Schüler umfasste, saßen die Freundinnen still lächelnd nebeneinander und ließen sich wärmen. Sie waren einfach ein Team und dieses Gefühl tat beiden gut. Justin warf immer wieder Blicke zu Annica herüber und der Abend schien perfekt, als er irgendwann aufstand und Annica fragte, ob sie nicht ein bisschen mit ihm spazieren gehen wollte. Annica allerdings wollte nicht von Joanna weg, aber Jo winkte ab und schickte sie davon, sie könne doch eh nicht mitkommen, weil ihr Fuß verletzt war und wann könnte sie schon so eine Chance wieder haben, aber natürlich sollte Annica jede Einzelheit erzählen, wenn sie wiederkam. Begeistert nickend hakte sie sich also bei Justin ein und die beiden verdrückten sich ans Ufer des Sees, ohne von den Betreuern gesehen zu werden.

Annica und Justin blieben lange weg und Joanna wollte später, als die beiden zusammengekuschelt in den Betten lagen, alles wissen. "Wir haben es getan! Und wir sind jetzt fest zusammen! Er liebt mich genauso, wie ich ihn!", erzählte die Blondgelockte dann euphorisch. "Ihr hab Euch echt geküsst, so richtig mit Zunge, wie war's?" Die Euphorie stand auch Joanna in den Augen geschrieben. "Ja, das auch, aber ich meine, wir haben ES getan?"
- "ES getan, was meinst Du mit ES getan?", Joanna war sichtlich verwirrt.
- "Na DAS!", Annica versuchte es mit Nachdruck zu betonen und Joanna begriff mit tellergroßem Blick und im ersten Augenblick wusste sie nicht, ob sie sich jetzt weiterhin freuen sollte, oder nicht. Sie hatte sich niemals wirklich darüber Gedanken gemacht, mit einem Jungen zu schlafen, es stand nie zur Debatte, weil sie definitiv zu jung dafür waren und immer, wenn das Thema aufkam, wie es bei Teenagern nun einmal aufkam, wurde Annica immer sehr verhalten und wechselte das Thema, sodass auch bei Joanna nie auch nur der Gedanke aufkam, dass Annica hier anders dachte als sie.

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll ...", gestand sie darauf hin einfach ehrlich, was der Euphorie Annicas allerdings keinen Abbruch tat und sie schwärmte von Justin, ohne diese Tatsache weiter auszuführen. Sie malte sich aus, wie toll es wäre, einen Freund zu haben, berichtete davon, dass er toll küssen konnte und irgendwann stieg auch Joanna wieder in diese Euphorie ein und verdrängte das eigenartige Gefühl, dass sie gehabt hatte.

Am nächsten Tag allerdings schien Annica Luft für Justin zu sein. Er beachtete sie mit keinem Blick und sprach über sie hinweg mit anderen Leuten, als sie in seine Richtung blickte. Für Annica schien in diesem Moment eine Welt zusammenzubrechen und es dauerte Wochen, bis sie sich davon erholte. Joanna versuchte alles, um sie auf andere Gedanken zu bringen, aber immer wieder kam Annica zu dem Schluss, dass sie das alles nicht verstehen könne. Sie hätte doch mit ihm geschlafen und er mit ihr und sie würden sich deswegen doch lieben und ... Joanna atmete durch und entschloss sich dann, einfach nur zuzuhören, nichts mehr dazu zu sagen und irgendwann wurde es besser. Dass in der Schule nun erzählt wurde, dass Justin und Annica ES miteinander getan hatten, bekamen sie erst viel später mit. Justin hatte bei seinen älteren Freunden damit geprahlt und ein Hürdenlauf begann, der bis zum Rest des Schuljahres andauern sollte, doch Joanna hielt zu ihrer Freundin und das gab Annica Kraft, diese Zeit zu überstehen, auch wenn es schwer war und sie nur noch selten lachte.

An Joannas 15. Geburtstag gingen die beiden in Fort Lee aus. Sie hatten sich Ausweise gefälscht und sich zurecht gemacht, um in einen Club reinzukommen. Was nicht all zu schwer war, da dieser alle hineinließ, die einen Ausweis hatten, auf denen ihre Volljährigkeit bestätigt wurde, auch wenn es noch so offensichtlich war, dass der Ausweis gefälscht oder die Träger dessen in jedem Fall weit unter der Volljährigkeit waren. Bei den beiden war beides mehr als offensichtlich, auch wenn nun auch Joanna endlich ihre Rundungen bekommen hatte, die für sich sprachen.

Da sie die Wirkung des Alkohols etwas unterschätzten, entschlossen sie sich, bei Annica zu übernachten. Es war das erste Mal, dass sie das taten und leise schlichen sie sich mitten in der Nacht in das schäbige kleine Haus, in dem Annica mit ihren Eltern und den drei Geschwistern lebte. Es war aufgeräumt, allerdings alles andere als sauber, die Mutter hatte schon längst aufgegeben - sich, ihr Leben und auch den Kampf gegen den Schmutz - und Annicas Vater war ein arbeitsloser Säufer, wie er im Buche stand. Anna-Marie war die jüngste mit ihren sechs Jahren und schlief mit dem 10jährigen Nils und der 8jährigen Mathilda in einem Zimmer. Annica hatte vor vier Jahren ihr eigenes Zimmer bekommen, da die Großmutter gestorben und sie die älteste war.

Als die Mädchen sich in der Küche noch ein Glas Wasser holen wollten und Annica sich kurz auf die Toilette verabschiedete, schlurfte der Vater mit seinem ungewaschenen, einmal weiß gewesenen Unterhemd über dem Bierbauch in die Küche, um nachzusehen, welche Geräusche ihn geweckt hatten. "Ach, die Amseln sind ins Nest zurückgekehrt", sagte er nur, als er Joanna erkannte. "Guten Abend, Mister Petterson", gab Joanna nur zurück und stellte das Glas, aus welchem sie gerade getrunken hatte, in die Spüle. Sie mochte Annicas Vater nicht, vor allem deshalb nicht, weil sie wusste, dass er Annica schon geschlagen hatte und schlagartig war der Alkohol aus ihrem Körper verschwunden, zumindest fühlte sich ihr Kopf aufmerksam und klar an.

"Ihr ward wohl feiern heute", sein anzüglicher Blick war ekelhaft und Jo wünschte sich, sie hätte kein Spaghettioberteil und keinen kurzen Rock an, vor allem weil er jetzt auf sie zuging und seine fettigen Finger über ihre nackte Schulter streichen ließ. "Was, wenn Dein Vater davon erfährt, dass Ihr heute Alkohol getrunken habt?", sein Grinsen schien gewinnend und Joanna wich zurück. "Du könntest Dich erkenntlich zeigen, damit ich mein Maul halte." Die Jugendliche war wie erstarrt, sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte und stieß mit dem Rücken an die verschmierten Küchenschränke, keinen Ton brachte sie über die Lippen, als auch schon Annica zurückkam, die Szenerie erschreckend schnell durchleuchtete und sich auf den Rücken ihres Vaters stürzte, um auf ihn einzuprügeln. Eigenartigerweise kam Joanna diese Situation überaus bekannt vor, auch wenn sie um einiges ernster war, als damals am ersten Schultag.

Doch noch bevor sie dazwischen gehen konnte, preschte der dicke Mann Annica mit dem Rücken gegen die Wand und mit einem dumpfen Aufstöhnen rutschte sie einfach auf den Boden. Als er ausholte, um ihr die Prügel ihres Lebens zu verpassen, zog Joanna ihre Freundin an der Hand auf die Beine, duckte sich mit ihr unter seinem Arm hindurch und sie rannten, mehr stolpernd, als schnell, von seinem wilden Geschimpfe begleitet, aus dem Haus. Die Fliegentür schlug quietschend hinter ihnen ins Schloss. Sie rannten und liefen, bis sie nicht mehr konnten und nicht mehr wussten, wo sie waren ...

Ab diesem Zeitpunkt wohne Annica bei ihrer Freundin. Sie erzählten Joannas Vater nicht alles, aber das, was sie erzählten, reichte ihm vollkommen aus, das Kind aus diesen Verhältnissen zu holen. Er sprach mit der Mutter und auch mit dem Vater, auch wenn es ihm schwer fiel, freundlich zu bleiben. Die Mutter weinte, aber der Vater schien sich noch zu freuen, das er ein Maul weniger habe, dass er stopfen müsse, wie er es ausdrückte. Und auch wenn sie nie darüber sprachen, so war Joanna klar, dass Annica ihre ganz eigenen Erfahrungen hatte machen müssen, was Annicas Erzeuger anging.

Endlich erschlossen sich ihr auch die Hintergründe zu Justin und den wenigen anderen, die danach noch gefolgt waren, während Joanna selbst noch immer nicht mehr als Küsse mit einem Jungen erlebt hatte. Annica glaubte, sie könne die Zuneigung eines Jungen gewinnen, wenn sie nur bereitwillig und so bald wie möglich mit ihm schlief. Es sollte Joanna nie gelingen, sie von diesem Irrglauben abzubringen und so gab sie es auf, war einfach weiterhin für ihre Freundin da und musste mit ansehen, wie diese sich immer wieder in die falschen verliebte, die alle zum gleichen Schlag zu gehören schienen, wie Annicas Vater in jüngeren Jahren.

Die beiden heranwachsenden Frauen gingen in den nächsten beiden Jahren auf viele Parties und Annica schien etwas ruhiger in ihrem Sein zu werden. Sie hatte ein eigenes Zimmer im Hause Jenkins bekommen, schlief aber viele Nächte bei Joanna, weil sie Albträume hatte, die mit der Zeit dann abflachten, wenngleich nie aufhören sollten. Ein unbeschwertes Leben allerdings war möglich und sie genossen ihre Jugend in vollen Zügen, flirteten und hatten Spaß, erlebten einige Urlaube gemeinsam, in dem sie nach Kanada flogen und sich in den Wäldern mit ein paar Freunden eine Hütte mieteten, um dort einige Wochen am Sommersee zu verbringen.

Dort lernte Joanna dann ihre erste große Liebe kennen. Er war mit seiner Clique dort und seine Freunde nannten ihn Momo. Wie er richtig hieß, wusste sie nicht und erfuhr sie auch nie. Es war aber auch nicht relevant, da Momo irgendwie zu ihm passte, wie alles zu einem passte, wenn man daran gewöhnt war und es war nicht schwer, sich daran zu gewöhnen, denn Spitznamen waren nun einmal Spitznamen. Er war ein großgewachsener 20jähriger mit langem, schwarzen Haar und ebenso dunkler Kleidung.

Er hörte interessante Musik, mit der auch Joanna sich identifizieren konnte und war ein durch und durch charmant-freundlicher Kerl. Annica und Joanna verbrachten ihren gesamten Sommerurlaub mit der Clique und hatten eine Menge Spaß. Vor allem bildete sich hier aber auch die Vorliebe für die dunklere Musik in Joanna und auch Annica zog bei einigen Bands mit, die Tag und Nacht durch den batteriebetriebenen CD-Player der Jungs liefen.

Es war der letzte Abend vor der Abreise der Clique, als sich die leichten Flirtereien von Momo und Joanna vertieften und sie sich irgendwann von der Gruppe abkapselten, die ein Abschiedsgrillen am Seeufer veranstalteten. Es sollte Joannas erstes Mal werden und es wurde das schönste und einfühlsamste, das man sich vorstellen konnte. Er gab ihr alle Zeit der Welt und trug sie auf Händen, bis sie wirklich von sich selbst aus sagte, dass sie es wollte. Sein Respekt vor ihrer Person imponierte ihr und er war einfach irgendwie anders, was man allerdings immer dachte, wenn man verliebt war.

Die Wochen, die sie zusammen Spaß gehabt hatten, waren trotz allem etwas oberflächlich gewesen. Sie wusste nichts von ihm und er auch recht wenig von ihr, bis auf einige kleine Anekdoten, die man unter sich austauschte, wenn gerade ein passendes Thema aufkam. Dennoch störte sie sich nicht daran und ihr jugendliches Herz störte sich nicht daran, sich trotzdem Hals über Kopf in ihn zu verlieben. Es war ein Gefühl, das sie in dieser Form nie gefühlt hatte und somit wurde Momo zu ihrer ersten großen Liebe, auch wenn diese nur eine Nacht lang anhielt - worüber sie sich allerdings auch vorher bewusst war.

Es war klar, dass sie sich womöglich niemals wieder sehen würden, denn er stammte aus Europa, good old Germany, wie er sagte. Er würde nach Deutschland zurückkehren und nicht so schnell wieder in die Staaten oder nach Kanada kommen. Joanna vermied die Frage nach seiner Telefonnummer bewusst, weil sie nicht sicher war, ob es für Momo nur ein One-Night-Stand war oder ob er vielleicht auch etwas mehr für sie empfand. Wenn nicht, dann konnte er es gut überspielen, denn in keinem Moment hatte sie das Gefühl, dass er sie nur für das Eine wollte, auch nicht danach.

Somit blieben all diese Dinge unausgesprochen. Joanna war in seinem Arm eingeschlafen, sie hatten sich am Ufer des Flusses ein weiches Plätzchen gesucht und als sie am nächsten Morgen recht früh schon aufwachte, war er nicht mehr da. Sie konnte sich daran erinnern, dass sie im Halbschlaf war, als er sie versucht hatte zu wecken, doch sie wusste von sich selbst nur zu gut, dass sie in manchen Momenten einfach überhaupt nicht aufwachen wollte, und dann jegliche Versuche, sie wach zu bekommen, scheiterten. Und sie konnte sich noch daran erinnern, dass er ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn gab, bevor sie wieder weggedriftet war.

Jetzt saß sie mit wirren Haaren im Gras, sah, wie die Sonne aufging und kuschelte sich in seine Lederjacke, die er ihr offensichtlich übergelegt hatte, damit sie nicht fror. Sie würde sie ihm gleich zurückbringen, doch zuvor wollte sie die Morgenröte genießen und sich bewusst darüber werden, dass sie jetzt "eine richtige Frau war". Mit einem Grinsen stand sie dann einige Minuten später auf und ging zur Blockhütte der Jungs, die nur unweit von ihr entfernt war.

Am Abend zuvor war ihr der Weg viel länger vorgekommen - wie es nun einmal so war, wenn man überhaupt nicht auf seinen Weg achtete und eine gewisse Aufregung in sich spürte. Als sie an der Hütte ankam, war diese allerdings verriegelt. Die Fenster waren mit den Holzläden zugeschlossen, wie man die Hütten hier zurückließ, wenn man abreiste, damit keine wilden Tiere ins Häuschen eindrangen und Unrat verteilten. Definitiv waren die Jungs schon abgereist und Joanna blickte die schwarze Lederjacke an, die sie über ihrem halbnackten Oberkörper trug. Er konnte doch nicht einfach ... aber er konnte und er hatte getan. Joanna brauchte noch mindestens eine Stunde, bis sie begriff, dass die Clique nicht zurückkommen würde und als auch Annica ihr in ihrer eigenen Hütte bestätigte, dass die Gruppe sich schon vor zwei Stunden verabschiedet hatte, weil sie ihren Flieger hatten bekommen müssen, schwand der letzte Zweifel an dieser Tatsache.

Momo hatte ihr seine Lederjacke vermacht, die er - wie er oft genug an den Tagen zuvor erzählt hatte - abgöttisch liebe und die alles mit ihm durchgemacht habe. Er hatte aber auch erzählt, dass er sich bald einen Ledermantel kaufen wolle, weil es an der Zeit sei, sich zu verändern und dass er es jetzt schon bedauere, sein heißgeliebtes Kleidungsstück im Schrank zu verstauen. Joanna fühlte sich geehrt und sie schwor sich, diese Jacke immer zu tragen.

Sein Geruch haftete noch wochenlang in ihr, und sie konnte sich dem Liebeskummer so vollkommen hingeben. Sie bereute nicht nur einmal, dass sie ihn nicht doch nach seiner Adresse und Nummer gefragt hatte, wobei sie sich auch immer wieder sagte, dass es wohl das Beste so wahr, um die Ersinnungen so schön und rein in sich weitertragen zu können, wie sie nun einmal geschehen waren. Dennoch konnte sie den Spruch: "Man soll gehen, wenn es am Schönsten ist", nicht mehr hören. Das Schlimme daran aber war, dass sie diesen von niemandem weisgesagt bekam, sondern sie sich selbst immer wieder daran erinnerte und es einfach unkontrollierbar war - zumindest die ersten Wochen und fast Monate danach.

Im Laufe der Zeit beendeten die beiden jungen Frauen ihre Schule. Annicas Noten waren nicht die besten, daher wollte sie es nicht einmal versuchen, sich auf einem College anzumelden. Die Schule war nie ihr liebster Ort auf der Welt gewesen und so suchte sie sich einen Job in einer Imbissbude. Zwar wollte Joannas Vater kein Geld von Annica annehmen, doch diese legte wöchentlich einen kleinen Teil ihres Lohns auf die Kücheninsel, um das Gefühl zu haben, Miete zu bezahlen und ein Anrecht zu haben, in diesem Haus wohnen zu dürfen. Für Benjamin war Annica allerdings schon lange zur eigenen Tochter geworden und er nahm das Geld und legte es für das Mädchen gewinnbringend an. Irgendwann würde sich eine Gelegenheit ergeben, dass sie es brauchte und so kümmerte er sich einfach ungefragt darum.

Joanna entschloss sich dazu, ein einfaches College in New York zu besuchen, damit sie bei ihrer Familie bleiben konnte. Das einzige, das sie von jeher wollte, war das Photografieren und dafür brauchte sie keinen Yale- oder Haward-Abschluss und so konntenEs war aber auch nicht relevant, da Momo irgendwie zu ihm passte, wie alles zu einem (jemandem?) passte, wenn man daran gewöhnt war ... die Freundinnen weiterhin ihre Abende oder Wochenende gemeinsam auf der Piste verbringen. Bald schon fanden sie sich in New York ein, in der Stadt, in der die Möglichkeiten viel weitläufiger waren, als in Port Lee.

Aber nicht nur das Nachtleben begeisterte die beiden hübschen, jungen Frauen, sondern auch die Märkte. Vor allem die Flohmärkte in abgelegeneren Gegenden hatten es ihnen angetan und dort fanden sich einige Dinge, die sie gemeinsam kauften wie beispielsweise von einer alten Indianerin, die dort einen Dauerstand hatte, jeweils ein Lederarmband mit einer steinernen Perle aufgefädelt. Sie hatte ihnen erklärt, dass dies eine lebenslange Freundschaft bedeutete und somit banden sie es sich mit geheimnisvollen Worten pro Knoten gegenseitig um. "Auf eine ewig haltende Freundschaft." - "Oh ja, auf eine ewig haltende Freundschaft."

Einige Wochen später allerdings stritten die beiden das erste mal ernsthaft, denn Annica hatte sich einen Typen angelacht, der offensichtlich ein Dealer war und auch wenn Joanna sich niemals in diese Angelegenheiten mischen wollte, so war das der Zeitpunkt, in dem sie diesen Vorsatz mehr als nur gerne aufgab.

"Bist Du eigentlich von allen guten Geistern verlassen, Dich mit so einem Typen einzulassen?", Joanna war tatsächlich fassungslos, als sie mit eigenen Augen gesehen hatte, dass dieser Viktor Tauschgeschäfte in der Ecke ihrer Stammdiskothek in New York veranstaltete. "Quatsch, Du hast Dich da entweder verkuckt oder es war halt eine einmalige Sache, da ist doch nichts dabei, das bisschen Koks." Für einen Moment blieb Jo die Sprache weg, wie konnte Annica diese Angelegenheit so herunterspielen, so blind tun und vor allem: warum sprach sie von diesen Drogen, als kannte sie sich damit aus? "Sag mir nicht, dass Du das Zeug genommen hast" war daher Joannas nächste aufgebrachte Frage, die eigentlich gar keine Frage war.

Annicas Antwort allerdings hätte sie gerne überhört: "Na sicher, was regst Du Dich darüber so auf, Mensch, das ist echt nicht die Welt. Das Gefühl ist lustig und ich nehm' das ja nicht ständig oder wäre süchtig danach. Du kannst es ja mal versuchen", Annica versuchte ein gewinnbringendes Lächeln, das wenig überzeugte. "Du tickst doch nicht richtig", Joanna fehlten die Worte und sie drehte sich um, um die Situation zu verlassen. Sie wollte nachdenken, zur Ruhe kommen und dann noch einmal mit Annica sprechen, heute schien diese definitiv zu viel getrunken ... noch einmal drehte Jo sich, ihre Gedanken selbst unterbrechend, um und blickte prüfend in die Augen ihrer besten Freundin und schluckte. Nein, sie hatte nicht zu viel getrunken, Tränen standen Joanna in den eigenen Augen, als sie sich dann tatsächlich abwandte und ging, auf das Nachrufen ihrer Freundin nicht mehr achten wollend.

In dieser Nacht kam Annica nicht nach Hause und auch in den darauf folgenden Nächten sollte das nicht anders sein. Zwar schickte sie eine SMS, dass sie bei ihrem Typen blieb, damit Joanna sich keine Sorgen machen musste, allerdings machte diese sich gerade deshalb umso mehr Sorgen und bereute, die Freundin nicht einfach mit nach Hause genommen zu haben.

Erst als Annica einige Tage später blaugeschlagen bei ihr ankam, konnte sie erleichtert aufatmen, wenngleich ihre körperliche Verfassung und vor allem der Gedanke daran, was sie erlebt haben musste, nicht unbedingt beruhigend war. Zumindest aber schien Annica wach geworden zu sein und beteuerte, für alle Zeiten die Finger von Drogen zu lassen und vor allem von Typen, die diese verkauften. Auf nähere Details ging sie nicht ein und Joanna bohrte nicht nach.


Veränderungen

Annica schien ihr Versprechen zu halten und zog sich mithilfe von Joanna aus dem kleinen Sumpfstück, in das sie geraten war. Einige Zeit danach fand sie sogar die Kraft ihren Vater, für das, was er ihr angetan hatte, anzuzeigen und die Ermittlungen ergaben recht bald, dass es ihren Geschwistern nicht viel anders ergangen war. Er wurde zu mehreren Jahren Haft verurteilt, die Mutter bekam durch das Drängen von Joannas Vater und seinem guten Anwalt, der auch sein Freund war, eine Betreuerin zugewiesen, mit der sie, mithilfe eines Psychologen, der die Familie und vor allem auch die Depression der Mutter in Angriff nahm, wieder ein halbwegs normales Leben aufbaute. Sie entschloss sich, aus der Gegend wegzuziehen, bevor ihr Mann aus dem Gefängnis kam und Annica entschloss ihrerseits, dass sie nicht mitgehen würde. Es war abermals eine schwierige Zeit angebrochen, die die Freundinnen allerdings noch viel enger aneinander schweißte.

Eines Abends saßen sie gemeinsam im Central Park und warfen trockene Brotkrumen ins Wasser des Sees, um die Enten zu füttern. Es hatte sich eingebürgert, dass sie in den letzten Wochen ihre Abende oft gemeinsam, aber schweigend verbrachten und es tat beiden offensichtlich gut. An diesem Abend brach Annica die Stille.

"Hast Du schon einmal mit einer Frau geschlafen?" Joanna blickte auf und zu ihrer Freundin hinüber. "Du wüsstest doch, wenn ich das getan hätte," gab sie aufmerksam zurück. Annica blickte sie nicht an, warf weiter Brotkrumen auf die Wasseroberfläche, ohne zu registrieren, dass die Enten sich darauf stürzten. "Gut, dann frag ich anders. Hast Du Dir schon mal vorgestellt, wie es sein würde oder kannst Du Dir vorstellen, es zu tun?" Joanna fragte sich, worauf sie hinaus wollte und drehte sich in den Schneidersitz zu ihrer Freundin gänzlich um. "Manchmal hab ich das versucht, aber ich konnte es mir nicht so recht vorstellen, aber interessieren würde es mich schon, wenn ich ehrlich bin. Und Du?", somit ging sie in die Offensive herauszufinden, was Annica in diesem Moment und wohl schon seit längerer Zeit zu beschäftigen schien.

"Ich glaube, ich hab' mich in eine Frau verliebt." Schnell hob Annica prüfend ihren Blick, um herauszufinden, ob Joanna nun schockiert war, allerdings verzog Joanna keine Miene und so blickte sie so schnell wie möglich wieder aufs Wasser und noch bevor Joanna sich die richtigen Worte zurechtlegen konnte, fügte Annica noch etwas an, das sie beide für einige Minuten zum Schweigen brachte: "Ich hab mich in Dich verliebt." Diese Worte waren so leise, dass sie kaum zu hören waren, aber laut genug, damit Joanna nicht nachfragen musste.

Joanna wusste nicht wirklich, wie ihr geschah. Sie hatte sicherlich mit solchen Gedanken gespielt, aber nie ernsthaft in Erwägung gezogen, es auszuprobieren, doch jetzt, da Annica es ansprach, spürte sie, dass sich etwas in ihr regte. Eine Neugier, aber auch ein Gefühl, doch es war noch zu zaghaft, dass sie es selbst nicht greifen konnte und somit auch keine Worte fand, wie sie beschreiben sollte, wie sie es ihr sagen konnte, als ihr Annica abermals zuvor kam.

"Du musst jetzt nichts sagen. Wollen wir einen Kaffee trinken gehen? An der 5th hat ein neuer Doughnutladen aufgemacht und es riecht immer so lecker, wenn ich daran vorbeigehe." Es war vielleicht nicht der romantischste Abschluss dieses Gesprächs, aber sicherlich ein befreiender, denn Joanna brauchte wahrlich noch einige Tage, um sich ihrer Gedanken und Gefühle bewusst zu werden. Annica sprach dieses Thema nicht noch einmal an und Joanna wusste, dass sie darauf auch hätte ewig warten können, wenn die Initiative nicht von ihr selbst kam und als sie eines Abends wieder einmal zusammengekuschelt im Bett vor dem Fernseher lagen, wie sie es oft taten, wenn es draußen regnete, nahm Joanna Annicas Hand.

Es war keine außergewöhnliche oder fremde Geste, doch beide wussten in diesem Augenblick, dass es etwas anderes bedeutete, als bisher. Und wenn Annica ihrer Wahrnehmung in diesem Moment nicht trauen wollte, so wusste sie definitiv Bescheid, als sie ihrer Freundin in die Augen blickte und es sollte die erste Nacht von vielen werden, die sie gemeinsam auf andere Weise verbrachten und zum ersten Mal schien es Annica, als würde sie genau das bekommen, worauf sie die ganzen Jahre bei anderen suchte. Für sie war es die große Liebe und für Joanna war es das wunderschönste Gefühl, das sie jemals erlebt zu haben schien. Beide waren sich ihrer Gefühle ehrlich und sicher.

Allerdings waren es viel zu viele Emotionen für Annica, die nicht ertragen konnte, dass es ihr auf einmal wirklich gut gehen durfte. Und es gab weder eine Vorwarnung, noch irgendwelche Anzeichen für das, was dann geschah. Joanna kam eines Abends nach Hause und fand auf ihrem Bett einen Brief vor, auf dessen erster Seite ein silbernes Armband lag, das Annica von jeher immer an ihrem Handgelenk getragen hatte. Mit sorgenden Falten auf der Stirn nahm Jo das Blatt in ihre zittrigen Hände und setzte sich auf die Bettkante, um zu lesen, was darauf geschrieben stand:
  • "Meine liebste Joanna,

    Du wirst Dich fragen, warum, Du wirst Dich fragen, wieso und Du wirst Dich fragen, weshalb Du vor allem nichts geahnt hast, aber das kann ich Dir beantworten: weil ich es doch selbst nicht wusste.

    Die letzten Wochen hast Du mir so viel Liebe und Zuneigung, Zärtlichkeit und Vertrauen geschenkt, wie Du seit unserer ersten Begegnung immer Verständnis für mich aufbrachtest, obwohl viele andere schon längst verzweifelt wären. Du hast immer zu mir gehalten, mich immer gestützt und ich habe zu jeder Zeit versucht, Dir ein kleines Stück wiederzugeben und gut machen zu können.

    Und ich weiß, Du würdest jetzt sagen, dass man in einer Freundschaft nichts gut zu machen braucht, weil sich alles von allein ausgleicht, aber Jo, für mich war und ist diese Freundschaft niemals etwas Selbstverständliches gewesen. Es gab keinen Moment, in dem ich nicht dankbar dafür war, und keinen Tag, an dem ich mich nicht gefragt habe, womit ich das alles verdient habe - so viel gutes und schönes verdient habe, meine ich.

    Du warst immer für mich da und ich weiß, Du würdest auch weiterhin immer für mich da sein, aber ich kann das nicht verantworten. Ich habe endlich das Glück gefunden, das ich mir in der Tiefe meines Herzens wohl auch immer gewünscht habe. Ich habe das gefunden, Dich gefunden, meine Liebe zu Dir gefunden, aber dass Du sie wirklich auch so intensiv erwidern würdest, hätte ich mir nicht zu träumen gewagt.

    Die letzten Wochen waren so unglaublich schön, dass ich Angst davor habe, welche Strafe ich dafür bekomme und wie hart sein wird, was dann folgen wird, denn es war in meinem Leben nun einmal nie so, dass ich etwas schönes einfach genießen durfte, ich musste immer mit etwas schlimmen dafür bezahlen und nun sind es schon mehrere Wochen, in denen nichts schlimmes passiert ist und ich halte das Gefühl nicht mehr aus. Es ist viel zu schön, ich möchte mich dem hingeben, aber ich schaffe es nicht, weil ich immer - und jeden Tag mehr darüber nachdenken muss, wann das ein Ende hat und welches Ende es sein wird, das kommt. Es kann nichts sein, das ich aushalten kann, ich kann und ich möchte es auch nicht erleben.

    Ich möchte mit dem Gefühl gehen, dass alles in Ordnung ist, dass ich mein schönstes Lebensziel erreicht habe, ohne, dass es mir wieder genommen wurde und somit wünsche ich mir, dass Du bitte nicht um mich weinst, sondern weißt, ich habe genau dieses Lebensziel erreicht, bin glücklich und mit diesem wundervollen Gefühl gegangen.

    Behalte mich bitte in Erinnerung, wie ich war, so glücklich, wie ich in Deinen Armen lag und Dich angestrahlt habe. Das ist das Bild, das Du von mir haben sollst und kein anderes. Bitte verzeih mir meine eigene Unzulänglichkeit! Ich liebe Dich - auf ewig!

    Ann"
Joanna wollte nicht begreifen, aber sie begriff und verzweifelt sprang sie auf, fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar, blickte sich im Zimmer um, ohne zu wissen, was sie suchte und fand es dann in ihren Gedanken. Annica wollte sich das Leben nehmen und sie hatten vor Jahren herumgesponnen, als von einem Selbstmörder in der Zeitung berichtet wurde, wie sie sich denn umbringen würden, denn sie waren sich einig, sich niemals vor einen Zug zu werfen, wie der Selbstmörder es getan hatte. Es waren Spinnereien, nichts Ernstzunehmendes, jedenfalls nicht für Joanna, was sie bei Annica jetzt wohl revidieren musste.

Sie griff nach ihrer Jacke und lief die Treppen hinunter, voller Verzweiflung und Tränen stieg sie ins Auto und fuhr mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung George-Washington-Bridge. Annicas Aussage war, sie würde sich von dieser Brücke stürzen mit einem letzten Blick auf die Skyline Manhattans und Joanna fragte sich in keiner Sekunde, ob diese Vermutung richtig war. Sie war sicher, sie war es und sie hoffte inständig, sie kam nicht zu spät.

Als sie auf die Mitte zufuhr, hatte sich schon ein Stau gebildet, sie stieg ohne weitere Gedanken aus, ließ die Fahrertüre offen stehen und rannte, so schnell sie konnte. Die Verzweiflung und Panik, die Angst zu spät zu kommen, nahm ihr weitere Luft zum Atmen, die Tränen versperrten ihr die Sicht, die Seitenspiegel, gegen die sie knallte, als sie die schmale Gasse entlang rannte, die die wartenden, hupenden Autos bildeten, interessierten sie nicht, und sie erkannte die blonden Locken, die an der Brüstung zu sehen waren, um sie herum aufleuchtende rote und blaue Lampen der Polizeiwagen. Joanna lief schneller, achtete nicht auf ihre Umgebung, schrie Annicas Namen, doch sie hörte sie nicht, bis die Polizisten sich reaktionsschnell umdrehten, als sie durch sie hindurch rennen wollte, sie hielten sie zurück, hielten sie fest, Joanna verlor fast den Boden unter ihren Füßen, weil sie sich gegen die starken Arme drückte und sich wehrte.

"Du kannst hier nicht durch, Mädchen, beruhig Dich!"
"Nein, lasst mich los, lassen Sie mich gehen ... ANNICA ... das ist meine Freundin, oh Gott, lassen Sie mich zu ihr ... ANN - scheiße, LASSEN SIE MICH!" Doch hielten sie sie weiterhin fest, wollten sie zurückdrängen, als Annica sich umwandte und Joanna direkt in die Augen blickte. "TU'S NIICHT!", schrie Jo in ihrer Verzweiflung und allein der Schock, dass Joanna hier war, genau hier an diesem Platz, ließ Annica unaufmerksam werden und abrutschen, sie konnte sich nicht mehr halten und man hörte wie die Luft von der Menge eingesogen wurde, alles schien versteinert auf die Stelle zu starren, an der die junge, blonde Frau gerade noch gestanden hatte, auch Joanna stellte jede Gegenwehr ein, wie auch die Cops, die sie versucht hatten, zurückzuhalten.

Joanna begann als erste, sich wieder zu regen, in dem sie erst leise und geschockt, mit weit aufgerissenen Augen die Stelle fixierend flüsterte: "Nein, ... bitte, oh nein ..." Die Polizisten hatten sie losgelassen, waren bleich, wie sie es war und ließen sie gehen, weil sie begriffen, dass das Mädchen hierzu gehörte, doch als Joanna Anstalten machte, loszulaufen, hielten sie sie abermals fest. Sie konnten nicht wissen, ob Jo hinterher springen wollte und abermals wehrte sich das Mädchen. "Lassen Sie mich los, ich muss zu ihr, sie kann - sie kann nicht schwimmen, ich muss ihr helfen, lassen sie mich ..." Tränen rannen über das junge Gesicht und Verzweiflung war das einzige, das ihre Stimme betonte, reine Verzweiflung und der Unglaube, dass wirklich geschehen war, was sie soeben hatte mit ansehen müssen. Sie wollte nicht glauben, dass Annica tot war ... "Sie kann doch nicht schwimmen ..." - sie wollte ihr helfen, wollte sie aus dem Wasser ziehen, und irgendwann sackte sie gegenwehrlos in Tränen aufgelöst in sich zusammen. Joannas Körper verkraftete das Trauma nicht mehr ...


Entscheidungen

Joanna erwachte im Krankenhaus und eine Zeit brach heran, die schwerer für die junge Frau nicht hätte sein können. Ihr Vater tat alles, um sie aufzumuntern, doch Joanna schien nichts mehr erfreuen zu können - auch als sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Die Farben in der Welt schienen verblasst zu sein und Joanna kehrte sich Monate lang komplett nach innen, schwieg und konnte sich auf nichts und niemanden konzentrieren oder einlassen. Weinen sah man sie nie, das tat sie im Stillen, wenn sie allein war und es dauerte Wochen, bis sie zum ersten Mal das Grab von Annica besuchen konnte. Seit diesem Tag ging sie jeden Tag zu ihr, sprach mit ihr, brachte ihr Blumen, doch der Schmerz in ihrem Herzen hatte viel zu tiefe Wunden hinterlassen. Sie machte sich Vorwürfe, redete sich ein, dass Annica vielleicht nicht abgerutscht wäre, nicht gesprungen wäre und noch viel länger dauerte es, bis sie mit sich selbst Frieden schließen konnte.

Ein Jahr später, Joanna war 20, bekam ihr Vater die Diagnose Lungenkrebs. Ab diesem Zeitpunkt kümmerte sie sich ausschließlich und nur um ihn. Es lenkte sie ab, machte ihre Situation aber nicht einfacher, denn nun würde sie noch jemanden verlieren, den sie liebte - die letzte Person auf dieser Welt, die sie liebte. Der Schock der Diagnose saß tief und noch tiefer der Schmerz, den sie versuchte zu verdrängen, um für ihren Vater stark zu sein. Das einzig positive an dieser ganzen Situation war, dass sie es wieder schaffte, ihr Leben in den Griff zu bekommen, denn nach Annicas Tod war ihr alles egal gewesen, sie hatte sich gehen lassen und nichts schien mehr wichtig zu sein. Dies alles änderte sich, als ihr Vater ihr sagen musste, wie es um ihn stand und er sorgte sich mehr um das Seelenheil seiner Tochter, als um sein eigenes Leben - mit einem Mal wusste er, wie es seiner Frau ergangen sein musste.

Es sollte ein grauenvolles, auch körperlich schmerzhaftes Jahr werden und Benjamin starb eines Nachts an Atemnot. Joanna war bei ihm, sie wusste, sie konnte nichts tun, außer seine Hand halten und zusehen, wie er qualvoll erstickte. Die Ärzte wollten sie rausschicken, doch sie konnten die junge Frau nicht zwingen, die genau zu wissen schien, was sie wollte und sich davon nicht abbringen lassen würde. Danach kehrte Stille ein.

Stille in ihr Herz, Stille in das Haus und Stille in ihr Leben. Wie mechanisch versuchte sie unter Anleitung den Nachlass zu verwalten, den Hausstand aufzulösen und die Beerdigung zu organisieren. Joanna war wie ein Abbild ihrer selbst, wie eine Hülle ohne Leben, denn sie hatte alles verloren, was ihr im Leben wichtig war. Alle Menschen, die sie aufrichtig geliebt hatte und zwei davon in so kurzem Zeitabstand verlieren musste, dass es kaum möglich war, sich davon zu erholen. Und dennoch gab sie nicht auf. Sie gab vor allem deswegen nicht auf, weil sie wusste, dass keiner von ihnen das gewollt hätte.

Aber sie konnte nicht in diesem Haus bleiben, nicht in dieser Stadt, konnte nicht nach New York über diese Brücke fahren, niemals mehr. Weit weg von hier, soweit wie es ihr möglich schien und somit war San Fransisco ihr Ziel für den Neuanfang. Sie wollte all das Schöne und Grausame nun hinter sich lassen, einzig die Erinnerungen an wundervolle Zeiten packte sie ein, nahm nur wenige wirklich wichtige Habseeligkeiten und Erinnerungsstücke mit sich, setzte sich in den nächsten Flieger und schloss die Augen, um wirklich abschließen zu können und hinter sich zu lassen.

In San Fransisco suchte sie sich einen kleinen Job und von der Jugendherberge aus eine kleine Wohnung, die sie überraschend schnell fand. Sie hatte ein kleines Erbe, doch dieses schmälerte sich zusehends, als sie ihre Kamera, die sie zwei Jahre zuvor von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte, reparieren lassen musste und auch das kleine Labor, das sie sich in ihrem Badezimmer fürs Bilderentwickeln einrichtete, nahm einige Ersparnisse in sich auf, als wären diese Luft. Das Zimmer war möbliert und dennoch gönnte sie sich zumindest eine neue Matratze, weil sie gar nicht wissen wollte, wie viele Leute und wer vor allem darauf schon geschlafen hatte. Das einzige Geld, das sie nicht anrührte, war das auf dem Konto, das ihr Vater für Annica angelegt hatte - ihr eigenes erspartes von ihrem ersten Lohn.

Ihre Vermieterin war ein Herzblatt. Beide schienen sich von Anfang an gegenseitig in ihr Herz geschlossen zu haben und manche Nachmittage verbrachte Joanna bei der alten Frau mit dem grauweißen Dutt, deren Familie sich nur bei ihr meldete, wenn sie etwas brauchte oder haben wollte. Hanna half der Frau im Haushalt, mit der Gartenarbeit und kaufte für sie ein und so entstand auch ein schweigendes Abkommen, dass sie ihre Miete etwas schmälern konnte, wenn sie nicht genug Geld in einem Monat verdiente, um zu überleben. Sie arrangierten sich einfach und somit konnten beide sehr gut leben.

Joanna erholte sich langsam von ihrer Vergangenheit, vor allem der der letzten Monate und versuchte, das Leben wieder in sich aufzunehmen. Es musste weitergehen und es ging weiter. Sie würde nicht zulassen, dass die Trauer sich auffraß, denn sie war sicher, dass niemand gewollt hätte, dass dies passierte und somit konnte sie auch wieder lachen und Spaß haben. Allerdings würde eine Stelle in ihrem Herzen zu jeder Zeit besetzt sein von Annica, denn ohne sie war alles nur halb so schön, egal wie sehr sich Joanna bemühte mit ganzem Herzen bei der Sache zu sein. Lediglich beim Photografieren konnte sie komplett aufgehen. Des Weiteren ging sie mittlerweile viel lockerer mit One-Night-Stands um, auch wenn sie wusste, dass sie sich sicherlich oft dorthinein flüchtete, um keine engeren Bindungen mehr eingehen zu müssen. Sie war für diese noch lange nicht bereit und ihrem derzeitigen Empfinden nach, würde sie niemals bereit dafür sein, auch wenn sie ahnte, dass dies ein Trugschluss sein könnte.


Frisco
Die Szenen zu diesem Teil des Lebenslaufes wurden im Forum "Tales of the Vampires and Witches" geschrieben. Folgendes ist nur eine Zusammenfassung und vor allem Kürzung dessen, was passiert ist. Rausgelassen wurden alle Informationen, die forumrelevant für das Tales sind, aber nicht für den weiteren Verlauf hier. Joanna hat sie somit hier einfach nicht erlebt, bis auf folgendes.

Bild

  • Liebes Tagebuch,

    ein neues Buch, ein neuer Anfang und nun schon seit einiger Zeit in San Francisco. Es hat so sich so viel getan und seit über zwei Jahren habe ich nicht mehr geschrieben. Das Gefühl, es wieder zu tun, lässt sich mich leicht melancholisch werden, doch es fehlt mir. Wem sonst soll ich meine Gedanken anvertrauen, als Dir ... es ist ja niemand mehr da. Deswegen werde ich jetzt aber auch nicht mehr an Dich schreiben, bitte verzeih mir, aber meine Zeilen richte ich ab sofort an Annica und ich hoffe, Du leitest sie ihr weiter *zwinker*

    Alles Liebe und vielen Dank,
    Joanna

    Liebe Annica,

    ich habe mir überlegt, ob ich mir nicht einen Hund anschaffen soll, diesen Gedanken aber wieder verworfen und dennoch lässt mich der Gedanke nicht los. Vor allem in jeder weiteren Nacht, in der ich alleine - ohne Dich - bin. Doch wenn ich wirklich einen Hund haben soll, dann wird es einfach passieren, die Situation wird stimmen und es wird passen, dann werde ich sicher nicht nein sagen.

    Mittlerweile habe ich mich in meiner kleinen Wohnung in Mrs. Tootzies Häuschen eingelebt, und auch wenn es nur zwei Zimmer sind, so fühle ich mich wirklich überaus wohl. Die Küche ist winzig, aber ich esse sowieso kaum zuhause. Das Badezimmer dafür gibt mir Platz, meine Laborarbeiten dort zu machen, auch wenn ich die Hälfte auf Waschmaschine und Wäschetrockner abstellen muss.

    Mrs. Tootzie ist wunderbar. Ich helfe ihr im Haushalt und dafür ist es nicht so schlimm, wenn die Miete einmal später kommt oder ich sie erst einmal im Monat bezahle, anstatt jede Woche. Ihre Familie kann ich nicht verstehen. Sie kommen nur, und was heißt kommen, sie rufen nur dann an, wenn sie etwas wollen und wenn sie es nicht bekommen, beschimpfen sie die alte Dame als Drachen.

    Sie lässt sich nicht viel anmerken, aber ich weiß mittlerweile auf den ersten Blick, wenn sie wieder angerufen haben, weil sie sich ein drittes Auto kaufen wollen und Geld brauchen. Mrs. Tootzie hat mir anvertraut, dass sie ihr Testament hat umschreiben lassen, ohne dass die Kinder das wissen. Ich will gar nicht wissen, an wen ihr Vermögen geht, wahrscheinlich irgendeine Organisation, die ihre Familie wirklich zum Ausrasten bringt. Das kann ich mir gut vorstellen. Ich kann Mrs. Tootzie aber gut verstehen, doch hoffe ich auch, dass Mrs. Tootzie noch lange lebt, sie ist eine sehr amüsante, lustige Dame.

    Ich habe sie einmal inflagranti erwischt, als sie in ihrem Auto am CB-Funk herumgebastelt hat. Ich musste so lachen und Mrs. Tootzie meinte, das Gerät sei uralt und es interessiere sie einfach, was in der Stadt so los sei und es sei von ihrem Mann eingebaut worden und wenn es doch schon mal da sei, sollte man es schließlich auch nutzen. Ich habe mir verkniffen zu sagen, dass es illegal ist, den Polizeifunk abzuhören, es hätte ja eh nichts gebracht. Und wenn sie ihre Freude daran hat, soll es mir recht sein.

    Ich glaube allerdings, dass sie ihn nicht nur abhört, sondern gezielt auch davon fährt, wenn etwas gibt, das interessant er scheint. Erst letztes Wochenende, als ich später von einem Auftrag zurückkam, wuselte sie ins Haus, ganz hektisch und mit Schlapphut, beigen Trenchcoat und ihrer Handtasche. Die Handtasche schlenkerte wie ein Pendel, weil sie so aufgeregt war und scheinbar schneller im Haus sein wollte, als ich zuhause.

    Als ich aufschloss, war nichts mehr von dieser Aktion zu sehen. Sie saß seelenruhig in ihrem Sessel vor dem Fernseher, hatte ihr Strickzeug auf dem Schoss, der Kanal rieselte schon und sie tat, als würde sie schlafen. Sie schmatzte überaus laut, als sie mir vormachen wollte, aufzuwachen und räkelte sich, sie sei wohl eingeschlafen. Daraufhin lud ich sie zum Kaffee in ihrer Küche ein, aber als ich sie beiläufig fragte, was sie heute Abend denn getan habe, log sie mich an, sie habe Glücksrad geschaut und dann den halben Abend verschlafen.

    Unter ihrer Zuhauseschürze konnte ich noch ihren Straßenblusenzipfel sehen. Ich habe mir hier das Lachen wirklich böse verkneifen müssen, aber ich möchte ihr auch nicht zu nahe treten. Vielleicht wird sie mir irgendwann erzählen, was sie nachts treibt, das ich bislang nicht mitbekommen soll.

    Zumindest hat sie die Leidenschaft, schon seit Jahrzehnten, Zeitungsberichte zu Kriminaldelikten zu sammeln. Je grausamer, desto besser und jeder Fall bekam im Keller seine eigene kleine Akte von erstem Artikel bis hin zum Urteil, wenn es denn eines gab. Akribisch genau habe sie alles katalogisiert und ich habe es nur durch Zufall entdeckt, als ich sie nach einer Tasse Zucker fragen wollte und sie im Keller wähnte, weil es dort unten herumpolterte.

    Sie scheuchte mich mit den Worten hinaus, dass ich mir doch bitte einfach nehmen solle, was ich brauche, schließlich habe sie mir schon zwei Dosen Bohnen weggenommen. Es müsste Ravioli gewesen sein, weil ich keine Bohnen kaufe oder esse und gefehlt hat obendrein auch keine dieser, aber auch hier hat sich mich wirklich innerlich zum Lachen gebracht.

    Am Abend rief sie mich dann zum Kaffee nach unten und erklärte mir dann ausflüchtig, dass sie diese Zeitungsartikel sammle und das schon seit Jahren. Ich habe das Gefühl, dass sie das Gefühl hatte, mir eine Erklärung zu schulden, von daher spielte ich das Spielchen einfach mit. Meine Frage, warum sie das tue, ignorierte sie allerdings geflissentlich und kümmerte sich dann um die Erklärung, dass sie wohl jeden Fall in San Francisco in- und auswendig kenne, der sich in den letzten 40 Jahren ereignet habe. Ich finde diese Frau einfach wirklich irre genial, ich kann es nicht anders beschreiben. Wir haben aber auch ansonsten immer sehr viel zu lachen, denn ihre Schlagfertigkeit kennt keine Grenzen.

    Ihr Motto ist dabei, dass man alten Frauen alles verzeihe, weil die meisten Menschen glaubten, dass man alte Menschen nicht ernstnähme und somit redet sie sich meiner Meinung nach irgendwann noch um Kopf und Kragen, denn wenn sie einige Dollar zuwenig in der Tasche hat, dann steckt sie Dosen und einige Packen anderer Lebensmittel oder auch mal Zigaretten einfach in ihre Tasche. Mehrmals schon sei sie erwischt worden, und habe dann behauptet, sie habe Alzheimer und nicht mehr daran gedacht hatte, dass sie etwas in ihre Tasche steckte, weil sie die Hände nicht frei gehabt habe. Sie kam damit durch. Jedes Mal.

    Ich will gar nicht wissen, wie oft sie das in diesem Laden schon gemacht hat und zwei mal nicht, wie lange das noch funktioniert, bis die Leute dort misstrauisch werden. Sie ist ja so dreist, das immer wieder im gleichen Laden zu machen. Dabei hat sie mir gesagt, dass sie genug Geld habe, sie schwämme darin, aber sie sähe nicht ein, warum sie diesen (O-Ton) "Halsabschneidern Geld in den Rachen werfen" sollte.

    Sie habe sich informiert und die Herstellungskosten inkl. der Lieferung und Lagerung, wie auch die fixen daraufzurechnenden Kosten und ein Gewinnanteil seien gerade mal die Hälfte des Preises wert und alles andere würden diese "miesen Abzocker" nur zusätzlich bereichern, und da sie sich dort nicht freundlich genug behandelt fühle (die Leute in diesem Laden sind überaus freundlich), würde sie auch nicht einsehen, genug Geld mitzunehmen, um wirklich alles zu bezahlen, was sie brauche. Ich glaube, das ist ihre Rache dafür, dass der kleine Tante-Emma-Laden, bei dem sie wohl vor Jahren jeden Tag eingekauft hatte, wegen der Supermarktkette hatte schließen müssen. Aber das ist nur eine Vermutung meinerseits.

    Ich habe dann irgendwann angeboten, dass ich für sie einkaufen würde, aber das wollte sie erst nicht. Doch sie hatte vor kurzem eine angestauchte Hand (angeblich, weil die Türe mit ihrer Hand dazwischen ins Schloss gefallen wäre) und somit musste sie mir diese Aufgabe, zumindest für eine Zeit, übertragen. Ich habe das mit der Türe übrigens ausprobiert, als sie auf dem Friedhof war (mittlerweile bin ich mir nicht mal mehr sicher, ob sie wirklich auf den Friedhof geht, wenn sie es sagt), und diese Türe schnappt sofort zurück, wenn ein Widerstand dazwischen steht. Dort hat sie sich sicherlich nicht die Hand verstaucht.

    Aber nicht, dass Du jetzt einen falschen Eindruck von mir bekommst, ich spioniere ihr nicht hinterher. Es ist einfach so, dass es mich interessiert, vor allem hätte ich wirklich gern gewusst, was sie so treibt in ihrem Alter, ich meine, sie ist fast 70 Jahre alt und wenn sie irgendwann nicht nach Hause kommt, dann sollte ich als einzig nahestehende Person in ihrer Umgebung zumindest eine leichte Ahnung haben, wo ich sie suchen muss.

    Vielleicht frage ich sie irgendwann noch einmal, aber ich glaube, dann scheucht sie mich wieder wie ein Huhn aus der Küche und behauptet, ganz dringend noch einen Kuchen backen zu müssen, bei dem ich sie nicht stören dürfe. Ich solle dann abends kommen, um vom Kuchen zu kosten (als müsse sie mir beweisen, dass sie wirklich backen wollte). Lustigerweise gibt es diesen Kuchen in besagtem Supermarkt um die Ecke mit dem leckeren Titel "Hausgemacht Kuchen und Torten eingefroren - Kein Backen mehr und nie wieder bemehlte Schüsseln".

    Diese Frau gibt mir wirklich ständig etwas zu lachen und ich stoße wirklich immer nur mehr oder weniger zufällig drauf. Ich kann nicht verstehen, warum ihre Familie sie so auszunutzen versucht, anstatt einfach mal für ein Wochenende ohne Hintergedanken von Texas herzufahren. Sie schimpft zwar immer über ihren Sohn und auch die Tochter, aber ihre Enkel liebt sie sehr. Zumindest den Jungen ihrer Tochter und die Tochter ihres Sohnes, die drei anderen seien nach den Eltern geraten und sie sei überzeugt, dass sie keinen Fehler in der Erziehung gemacht habe. Das schieb sie gerne auf ihren toten Mann - der Herrgott sei seiner Seele gnädig, sagt sie dann gerne, aber ich weiß, dass sie von Gott genauso viel hält, wie Du und ich. Oh Annica, ehrlich, ich wünschte, Du könntest sie kennenlernen, denn Du würdest sie lieben, da bin ich sicher.

    Nun denn, für heute komme ich aber mit meinen kleinen Anekdoten von Mrs. Sophya Tootzie ans Ende, denn ich muss mich jetzt auf den Weg in die Stadt machen, mir eine Zeitung schnappen und nachsehen, ob es endlich wieder Jobs gibt, die ich machen kann. Langsam wird das Geld knapp und ich mag die kleine alte Lady nicht so lange warten lassen, auch wenn sie es, laut ihrer Aussage, nicht brauche. Vor allem ist sie gerade schon wieder weggefahren, obwohl sie behauptet hat, sie müsse ein Mittagsschläfchen machen *lach*

    Drück mir die Daumen und bis zum nächsten Eintrag,
    in Liebe,
    Deine Joanna
Es war jetzt schon zwei Wochen her, als Joanna das letzte Mal einen wirklich ertragreichen Job hatte machen können, langsam wurde das Geld knapp und die Anzeigen in der Zeitung gaben nicht wirklich viel her. Mal ganz abgesehen davon, dass sie eigentlich schon längst ihrem beruflichen Werdegang näher kommen sollte und auch wollte und sich in diese Richtung nicht wirklich etwas Prickelndes ergab.

Die schwarzbraunen Strähnen aus dem Gesicht pustend und den Stift, der mittlerweile die ganzen Anzeigen im "Mirror" als Bingo-Spiel missbraucht hatte, vor sich auf den Tisch werfend, blickte die junge Photografin auf und ließ sich von ihrer Umgebung ablenken.

Ein altes Ömchen in graurosa Kostüm auf der einen Seite und eine kleine Gruppe Jugendliche saß auf der anderen Seite des kleinen Cafés, in dem Joanna sich von einer UV-Lampe in Sonnenform anstrahlen ließ, die versprach, sommerliche Gefühle auszulösen - zumindest war so ähnlich der Slogan dieses kleinen Ladens mitten in der Stadt. Ein paar Plastikblümchen auf den pastellgelben Tischdecken brachten jedoch auch nicht ernsthaft den gewünschten Effekt und wirklich talentierte Modells für hübsche Bilder stellten sie schon zweimal nicht dar.

Joanna ließ sich resignierend in den wackeligen, weißen Plastikstuhl zurückfallen und sah noch einmal auf ihren Tisch. Der Latte Macciato war leer, lediglich der Schaum haftete noch an dem dickbäuchigen, hübschen Glas und doch sah es genauso ausgelaugt aus, wie sie sich fühlte - irgendwie leer und ideenlos.

Durchatmend setzte sie sich auf und zog sich die Annoncen noch einmal heran. Vielleicht hatte sie ja etwas übersehen, vielleicht waren noch Anzeigen auf anderen Seiten. Doch irgendwo tief in ihrem Inneren war sie sicher, dass sie sich das alles nur schönreden wollte. San Francisco schien einfach keine Jobs für sie zu haben, und in einer Imbissbude wollte sie ihre Zeit nun wirklich nicht verbringen. Jo blätterte dennoch auf die Titelseite und starrte sie an, ohne irgendetwas darauf bewusst zu lesen.

Die Druckstellen des Kugelschreibers hatten bis auf diese Seite durchgedrückt und kleine, feine Beulen hinterlassen. Das Sudoku hatte sie schon ausgefüllt, kleine Blumen waren in die Ecken gezeichnet, und wie sollte es auch anders sein, sogar die Wettervorhersage brachte einfach nichts anderes, als die letzten paar Wochen: Kühle, triste Winde und für alte Ömchen, wie das ein paar Tische weiter, Kopfschmerzen und Muskelziehen.

Wie kam man überhaupt auf die Idee, seine Zeitung "Mirror" zu nennen? "Wie zentral und weltwichtig diese Frage doch ist, Joanna, konntest Du Dir nicht ein weniger wichtiges Thema aussuchen, über das Du nachdenkst? Vielleicht über Huhn und Ei? Oder darüber, wie Du an Deine Miete kommst oder gar, wie Du Deine berufliche Zukunft gestalten möchtest?", seufzend hob sie die Hand und bestellte noch einen weiteren Latte, den sie sich eigentlich überhaupt nicht leisten durfte, aber das Koffein brauchte sie jetzt einfach.

"Mirror ... Mirror ... warum eigentlich nicht Mirror? So eine große Zeitung wird doch wohl Praktikantenplätze anbieten ...", und auf einmal schien doch die Sonne über ihrem Tisch aufzugehen. Joanna wollte überhaupt keine Zeit verlieren, legte einige Dollarnoten auf den Tisch und verabschiedete sich mit dem Glöckchen an der Türe, noch bevor der bestellte Kaffee an ihren Tisch gebracht worden war. Die Zeitung hatte sie vorsorglich mitgenommen und während des Gehens streifte sie sich den Kamerariemen über Schulter und Brust.

Sie würde, auch wenn es derzeit sehr ungünstig war, kostenlos diesen Job machen, denn mit ihrer Vermieterin würde sie sich schon irgendwie arrangieren, das Hauptziel war in diesem Moment ihre Zukunft und ohne ein Bewerbungsschreiben, einen Anruf oder sich überhaupt Gedanken darüber zu machen, welche Referenzen sie vorweisen könnte, fuhr sie zielstrebig zum Pressegebäude, das im Impressum der Zeitung mit Straße und Hausnummer genannt worden war.

Das große Gebäude versprach viele Arbeitsplätze und Joanna fühlte eine kleine Euphorie in sich. Fast genauso trübselig, wie sie vor einer halben Stunde gewesen war, war sie nun voller Erwartung und lief die Stufen des Pressehauses hinauf, um sich an der Pforte anzumelden. Ein Mann älteren Jahrgangs, der zweifelsohne von einer Fremdfirma angestellt worden war, was sein Namensschild im Nachhinein dann auch bewies, saß hinter einer Glaswand und rätselte über genau dem Sudoku, das Joanna vor nicht einer Stunde selbst gelöst hatte.

"Guten Tag, Sir. Könnten Sie mir bitte sagen, in welchem Stock ich die Chefredaktion finde?" Der weißhaarige, freundlichrunzlige Herr blickte über seine Halbmondgläser hinweg und betrachtete die junge Frau, die mit ihrer Kamera schon fast wie eine ausgelernte Reporterin für ihn auszusehen schien. "Mit dem Fahrstuhl. Einfach auf den Knopf drücken, der zur Chefetage und der Hauptredaktion verweist, dort können Sie sich direkt an den Empfang wenden." - "Herzlichen Dank." Und mit einem Lächeln verabschiedete sich die junge Frau und lief zielstrebig auf die silbernen Schließtüren des Lifts zu, drückte auf den breiten Knopf, der sofort aufleuchtete, und wartete, bis sich die Fahrstuhltüren mit einem kleinen Pling öffneten und ein etwas verwirrt aussehender, brünettstrubblig junger Chaot herausstolperte, fast einige Blätter seines kleinen Aktenberges verlor und auch schon um die nächste Biegung verschwunden war, bevor Joanna selbst die Fahrkabine betreten konnte.

In der Tat waren die Druckknöpfe für die einzelnen Etagen rechts mit kleinen silbernen Schildern beschriftet, die Wände waren aus abgedunkeltem Spiegelglas und für einen Moment fragte sich Jo, ob sie jeden Tag mehrmals gesäubert wurden, da keine Fingerabdrücke auf ihnen zu sehen waren. Als ginge sie davon aus, dies testen zu können, weil sie nun öfter hier sein würde, drückte sie ihren Zeigefinger an den linken unteren Rand und grinste, bevor sie auch ihren gewünschten Zielort antippte.

Es schien eine gefühlte Ewigkeit zu dauern, bis der Aufzug an seinem Ziel angelangte. Immer wieder stiegen neue Leute in Kostümen und Anzügen, aber auch in Jeans und T-shirts zu oder aus, und zu gerne hätte sie gewusst, in welchen Abteilungen wer welches Outfit zu tragen hatte, damit sie ebenso genau wusste, wohin sie in keinem Fall kommen wollte. "Du bist Dir Deiner Sache aber sehr sicher!", schalt sie sich selbst, als sie das ersehnte Aufblinken ihrer Etage endlich mit einem weiteren Pling erreichte.

Als sie ausstieg, wurde ihr noch einmal bewusst, wie groß diese Zeitung eigentlich sein musste. Die Fläche schien kaum überschaubar, überall waren Gänge, Büros und gläserne Trennwände, die die einzelnen Büros teilten. Glas, wohin das Auge blickte und eine riesige Empfangstheke - zumindest wirkte sie auf Joanna riesig - an der eine Frau mit Headset saß und sich die Nägel polierte. Es war das typische Bild, welches man sich von Sekretärinnen machte, die am Empfang des Chefs saßen und alle Leute abwimmelten. Womöglich stellte man absichtlich diese Persönchen ein, weil sie leicht dümmlich jeden abwimmeln konnten, der nicht vorgelassen werden sollte, da man irgendwann von allein aufgab, weil es scheinbar keinen Zweck hatte, mit dieser Frau weiter zu verhandeln und sie womöglich das Wort "verhandeln" nicht einmal kannte, ebenso wenig wie "Gnade" oder "Ein-Auge-Zudrücken".

Joanna konnte es nicht sehen, aber sie war fast sicher, dass diese Frau einen roten, knielangen, gerade geschnittenen Filzrock trug, der einen leichten Pinkstich hatte, wenn man genau hinsah und sich den Blick verderben wollte. Dazu waren Pfennigabsätze in jedem Fall notwendig und eine Laufmasche konnte dieser Frau den ganzen Tag verderben. Aufrecht ging Joanna auf den Tresen zu und nur widerwillige blickte die Empfangsdame sie an und somit von ihren Nägeln auf. Dass sie nicht noch eine Kaugummiblase in Joannas Richtung platzen ließ, war alles. Es hätte das Bild einfach nur perfekt abgerundet.

"Hallo. Ich möchte mich beim Chefredakteur vorstellen, ist er im Haus?" Joanna versuchte es einfach auf die freundliche, direkte Art, wenn sie bettelte, käme sie garantiert nicht weiter. "Haben Sie einen Termin, Miss ...?"
- "Jenkins. Nein, den habe ich nicht, aber es dauert auch nicht lange."
Es schien kein Vorbeikommen an dieser Frau, Joanna spürte es, auch wenn sie erst einige wenige Worte mit ihr gewechselt hatte.
"Ohne Termin kann ich Sie leider nicht vorlassen. Rufen Sie an und lassen Sie sich einen Termin geben, die nächsten müssten frühestens in vier Monaten zu bekommen sein. Auf Wiedersehen." Joannas Mund beugte sich in eine leicht schiefe Richtung, als sie versuchte auf die linke Seite ihrer Unterlippe zu beißen, um spontan etwas Kreatives aus ihrem Jackenärmel zu zaubern. Gab es denn überhaupt irgendein Ass, das sie ausspielen konnte?

"Hören Sie, ich habe eine überaus interessante Story, die wird sich Ihr Chef nicht entgehen lassen wollen. Sie sollten ihn zumindest danach fragen, wenn Sie Ihren Job behalten wollen. Wenn ich nämlich an die Konkurrenz gehe, dann wird er von mir persönlich erfahren, dass er diese Story hätte haben können, hätten Sie mich nur zu ihm vorgelassen. Vielleicht ...", fast hätte Joanna es übertrieben und noch angefügt, dass die Frau ihr gegenüber möglicherweise einen Bonus bekam, weil sie sie durchgelassen hatte, aber es war das kleine stoppende Gefühl in ihrem Inneren, das Joanna sagte, dass sie dies lieber nicht aussprechen sollte, wenn sie auf dem richtigen Weg bleiben wollte.

Das äußere Erscheinungsbild der Frau schien sich nicht wirklich zu verändern, es wirkte, als hätten Joannas Worte sie nicht im Geringsten berührt, nur ein kleines Aufflackern der Augenlider ließ Joanna selbstbewusst bleiben, denn auch wenn ihre Gegenüber an der Richtigkeit Joannas Worten zweifelte, so konnte sie sich nicht sicher sein, ob nicht doch etwas dran wäre. Nichtsdestotrotz würde es an ihrem Stolz kratzen, dieser Erpressung zu unterliegen und dennoch: Eine gute Story war nun einmal eine gute Story. Kein Chefredakteur der Welt würde eine gute Story einfach so der Konkurrenz überlassen, wenn er sie selbst hätte haben können. Einen Sündenbock würde es in jedem Fall geben und Joanna stellte sich vor, wie es in dieser Frau arbeitete, dass sie dieser Sündenbock werden würde, wenn auch nur ein Fünkchen Wahrheit an dem war, was die junge Frau ihr versuchte weis zu machen.

"Um was handelt es sich denn?", fragte sie daher versucht desinteressiert, aber eine Spur zu aufmerksam für Joanna. Sie wollte sichergehen. "Es ist nicht so, dass ich Ihnen nicht vertrauen würde, glauben Sie mir, aber ich kann Ihnen das wirklich nicht erzählen. Sie sehen sehr vertrauenswürdig aus und ich glaube auch, dass sie es sind, denn sonst hätten sie diesen wichtigen Job hier unter Garantie nicht bekommen. Da bin ich mir sicher, aber bitte verstehen Sie, dass ich das niemandem außer dem Chef erzählen kann, es ist eine viel zu abstrakte Geschichte und sie hat ...", Joanna blickte auf das Titelblatt der Zeitung, die sie noch immer geknickt in der Hand trug und auf dem sie nur die wichtigsten Worte des Titels aufschnappen konnte. Daraufhin aber sofort wieder zurück in das Gesicht der durchschnittlich gutaussehenden, etwas billig wirkenden Person. Eine Titelstory war nicht ohne Grund die Titelstory ...

" ... Ihnen kann ich es ja verraten, zumindest ein bisschen. Diese Story hat mit diesem Mann zu tun", Joanna hielt die Zeitung in die Höhe, auf der das Bild eines Rockstars zu sehen war, der dem Mirror anscheinend ein Interview gegeben hatte. "... diesem Rockstar. Verstehen Sie, es ist wirklich überaus wichtig, dass ich sehr schnell mit der Chefredaktion spreche. Noch ist die Story brandheiß, ich weiß nicht, wie es in ein paar Stunden sein wird ..." Joanna versuchte so überzeugend und geheimnisvoll wie möglich zu klingen, flüsterte fast und hielt festen Blickkontakt zu dieser sonst so undurchdringlich wirkenden Schleuse, die nun in der Hand hatte, ob sie vorgelassen wurde oder nicht ...

Es waren Augenblicke des Schweigens, Abwägens und dann des - "Klicks". Ohne ein weiteres Wort nahm die Empfangsdame ihren prüfenden Blick aus Joannas Augen und tippte auf ihrer Telefonanlage herum. Joanna hatte gewonnen. Zumindest dieses Spiel. Sie entspannte sich leicht, wenngleich auch nicht viel, denn noch immer war sie nicht in diesem Büro. "Und dann?", zum ersten Mal fragte sich die junge Frau, was dann passieren sollte. Spätestens, wenn sich herausstellet, sollte sie überhaupt in das Büro vordringen dürfen, dass es sich überhaupt nicht um eine Story, sondern einen mickrigen Praktikantenplatz handelte, würde sie doch wieder hochkant rausgeschmissen werden. "Nun ist es zu spät, darüber hättest Du Dir auch vorher Gedanken machen können", gab sie sich selbst den Rüffel, als die Blondine vor ihr wohl ihren Gesprächspartner erreicht hatte und leicht unsicher verholen in den Hörer hüstelte.

"Eine Mrs. Jenkins ist hier und sie sagt, sie hätte eine interessante Story." Joanna runzelte die Stirn. Mrs genannt zu werden war nicht wirklich das, was sie gewohnt war. Sah sie schon alt, verheiratet und verbittert aus? Dennoch unterdrückte sie einen Kommentar und tat, als würde sie nicht zuhören, drehte sich leicht vom Tresen seitlich und spürte die bohrend, weiter prüfenden Blicke der Frau auf ihrem Profil. "Es geht um diesen Rockstar. Diesen ..." Die Sekretärin unterbrach sich selbst für einen Moment und Joanna ging einige Schritte weiter vom Tresen weg, weil sie das Gefühl hatte, dass sie den Ablauf zu ihrem Ziel störte. Sie schaute sich ein Kunstbild an, das an der Wand hing und von auffallend schlechtem Geschmack gezeichnet war, den Rest des Gespräches nahm sie von ihrer Position nur noch als Flüstern wahr, bis sie wieder direkt und laut angesprochen wurde.

"Mrs. Jenkins? Sie können reingehen." Joanna wandte sich um, als wäre sie tief aus ihren Kunstüberlegungen gerissen wurde, lächelte ein kurzes Dankeschön und ging dann auf die dicke Türe zu, um zu klopfen. Je schneller sie drin war, desto geringer war die Gefahr, dass die Frau hinter ihr sich alles noch mal überlegte, wobei dies garantiert nicht der Fall sein würde. Womöglich hatte sie mit ihrem Chef noch ausgemacht, was er bestellen musste, wenn der Sicherheitsdienst kommen und Joanna aus dem Büro entfernen sollte. Alle großen Chefs, dessen war sie sich sicher, hatten solche Codes und Absprachen, damit sie nicht in schlechtes Licht gerückt wurden.

Auf das Klopfen reagierte kein "Herein", daher nahm sie sich die Frechheit heraus, die Türklinke zu drücken und einfach in das Büro hineinzugehen. "Mrs ... Jenkins?", er klang nicht sehr überzeugend, als er den Namen mit ihr als Person verbinden musste, ob er das nun wollte oder nicht und unweigerlich erinnerte sich Joanna daran, dass sie mit Jeans, schwarzem Top und abgetragener Lederjacke nicht wie eine ernstzunehmende Persönlichkeit für ihn aussehen musste. Mit einem kurzen Blick auf das Namensschild an seiner Tür, bevor sie diese schloss, vergewisserte sie sich, dass sie ihn beim Namen nennen konnte.

"Miss Joanna Jenkins, Mr Rickman, ja", die Tür schloss geräuschlos und sie ging selbstbewusst auf seinen Tisch zu, von dem er sich nicht erhoben hatte. Aus den Augenwinkeln musterte sie das zusammengewürfelte Büro aus eigenwilliger, mit dem Bild draußen vergleichbarer Kunst, alten, wie auch modernen Möbeln und Accessoires und vor allem einem edlen Badenmantel ähnlichen Männerüberrock, der auf dem Sofa lag. Wohnte er hier?

"Man sagte mir, dass Sie etwas Interessantes haben." Der Moment schien gekommen, in dem er gleich den Hörer in die Hand nehmen und seiner Sekretärin sagen würde, dass er einen Kaffee mit viel Zucker brauchte, auch wenn er keinen Zucker in seinen Kaffee nahm und diese dann gleichwohl wusste, dass sie den Sicherheitsdienst zu verständigen hatte. Joanna atmete kurz durch.

"Ja, in der Tat," versuchte sie hier gerade das folgende Übel hinauszuzögern? Zwar deutete er auf den Sessel vor sich, doch sie zog es vor zu stehen, daher winkte sie leicht ab. "Mein Gesuch an Sie dauert nicht lange." Und ja, sie versuchte tatsächlich die Zeit hinauszuzögern, das musste nun aber ein Ende haben und noch einmal nahm sie allen Mut zusammen dem eigenwillig wirkenden Mann den Grund ihres Besuchs zu erläutern. "Ich hätte gerne eine Praktikumstelle bei Ihnen und Ihrer Zeitung. Dass ich mich behaupten und Ihnen von Nutzen sein kann, dürfte ich bewiesen haben, denn ich bin sicher, nicht jeder kommt bis zu Ihnen vor und genauso kann auch meine Arbeitsweise für Sie Gewinn herausschlagen." Nun war es draußen, hätte sie noch etwas anfügen sollen? Was, wenn er Referenzen verlangte? "Referenzen? Du tickst doch nicht richtig, Du kannst froh sein, wenn er Dich und Deine nichtvorhandenen Referenzen nicht lauthals hinausschreit." Erwartungsvoll blickte sie in seine Richtung, versuchte ihren selbstbewussten Eindruck zu erhalten und rechnete mit allem ...

"Und bitte, bevor Sie antworten, rufen Sie jetzt nicht ihre Sekretärin an, die auf irgendwelche Geheimabsprachen den Sicherheitsdienst ruft, sondern denken Sie darüber nach und wenn Sie wirklich auch nicht die leiseste Verwendung für mich haben, dann gehe ich von selbst ohne großes Aufsehen zu erregen." Zeigte sich hier jetzt doch ihre Nervosität oder wirkte sie weiterhin von sich überzeugt? Die Weltkugel schien sich in ihren Kopf gequetscht zu haben, zumindest fühlte es sich so an.

  • Liebe Annica,

    sie haben wieder begonnen. Ich bin sicher, dass diese Träume jetzt wieder begonnen haben, die ich hatte, nach dem Du gestorben bist. Es war wohl einfach zu viel heute und vielleicht hätte ich Dir schreiben sollen, bevor ich schlafen gegangen bin, manchmal hat das geholfen. Nun, jetzt ist es passiert und ich hoffe, ich bekomme noch alle Bilder zusammen, denn wenn ich mir die Szenen wieder in Erinnerung rufe, wird es etwas abstrakt werden, doch Du wirst mir sicherlich helfen, die Verwirrungen zu entknäulen, nicht wahr? Ich werde Dir danach erzählen, was heute alles geschehen ist. Irgendwie war es wie in einem falschen Film ...

    Ich erinnere mich, dass ich einen Job in einer Diskothek hatte. Sie hieß Monday oder so ähnlich, irgendein Wochentag war es jedenfalls und da heute Montag ist, wäre das ja mehr als passend. Immer wieder sehe ich diese eisblauen Augen vor mir. Ich weiß nur noch, dass der ganze Traum von ihm handelt und später fand ich auch heraus, dass er ein Vampir ist. Wirklich abgefahren. Und ich frage mich, wie ich Vampire in diesen Traum arbeiten kann, irgendwie ... ach, Moment. Ich habe heute das Interview mit diesem Rockstar gelesen und der behauptet ja, er sei ein wirklicher Vampir und seine verrückten Fans sind ja auch teilweise der Meinung, sie wären welche. Okay, dann wäre das dann auch geklärt. Erinnert mich irgendwie an den Film von Anne Rice ... Wahrscheinlich ist er ein fanatischer Fan von ihr. Würde passen.

    Weiter passierte, dass dieser Vampir im Traum nun genauso wenig in diesen Club passte, wie ich und ein kleines blondes Schnepfenweib hing ihm am Jackenzipfel. Irgendwie standen wir dann aber auf einmal draußen vor dem Club, keine Ahnung, wie wir da hin kamen oder was passiert ist, jedenfalls machte mich so ein großer Kerl an, den man gerne in die Sparte "Frauenschläger" packen möchte. Der Vampir - oh man, ich wünschte, ich könnte mich an seinen Namen erinnern, na ja, egal - sagte, er solle die Finger von mir lassen, doch er brachte nur provozierende Sprüche. Irgendwie bin ich dann so ausgerastet, dass ich ihm mein Knie in die Weichteile rammte.

    Ich merke schon, eigentlich sollte ich vorher erzählen, was am heutigen Tag passiert ist, aber gut. Es ist so, dass ich heute zur Redaktion des Mirrors gegangen bin, um nach einem Praktikumplatz zu fragen. Ich war hier wohl etwas dreist, aber diese Dreistigkeit siegte im Endeffekt. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich mir hier nicht mein eigenes Grab geschaufelt habe. Dieser Rickman, das ist der Chefredakteur, hat es echt drauf zu Pokern. Ich habe mir mehr als einmal gewünscht, aus diesem Büro so schnell wie möglich wieder rauszukommen. Ich glaube, er spielt gern mit Leuten und ich kann ihn nicht leiden, vor allem auch, weil er es schafft, mich zu verunsichern, aber ich habe es überlebt.

    Jetzt habe ich einen Auftrag, den ich als unlösbar ansehe, aber ich will es versuchen und wenn ich es schaffe, soll ich wohl wirklich eine Stelle dort bekommen. Leicht habe ich schon das Gefühl, ausgenutzt zu werden, ich denke, er nimmt mich nicht ernst und weiß genau, dass ich das, was er von mir verlangt, nicht leisten kann - weil es niemand leisten kann in meiner Position. Aber ich möchte es versuchen, mein Ehrgeiz ist geweckt, ich möchte ihm die Genugtuung einfach nicht geben, dass er über mich lachen kann, weil er es "vorher wusste". Ich weiß zwar nicht, wie ich das anstellen werde, aber ich werde irgendwas hinbekommen - ich muss einfach, egal wie aussichtslos es erscheint.

    Jedenfalls begann mit diesem Gespräch wohl mein ganzes Unglück. Ich setzte mich in eine geklaute Taxe, was ich vorher ja nicht wissen konnte, und zwar wurde diese von einem Kerl Sparte "Frauenschläger" geklaut, auch wenn er nicht dem glich, von dem ich träumte, ...
Scheinbar bemerkte er seinen Fahrgast überhaupt nicht, denn er warf im selben Moment, in dem er den Wagen startete, die Tür zuzog und losfuhr die Zeitungen achtlos auf Joanna, anstatt auf den Beifahrersitz.

"Hey", rutschte ihr hinaus, als er etwas murmelte, das sie in diesem Moment nicht aufnehmen konnte. Sie versuchte die Zeitungen, die sich, wären sie liquide gewesen, mit ihren vermischt hätten, reflexartig zu halten und aufeinander zu stapeln, als ihr auf der Titelseite seines "Mirros" ein Bild sprichwörtlich entgegensprang.

Ein Bild von einem Mann mit den selben Geheimratsecken, die sie gerade eben erst gesehen hatte, demselben unglaublichen Bart und derselben Visage, die sie von Anfang an unsympathisch gefunden hatte. Ihre Pupillen weiteten sich instinktiv, als sie die Schlagzeile las und dann auch den Untertitel dieser Photografie so schnell wie möglich überflog. "John Iowa - bewaffnet und gefährlich". Joanna schluckte und sah seitlich zu ihm auf.

"Ich denke, ich möchte gerne aussteigen, die Taxe scheint nicht frei gewesen zu sein. Es war ein Versehen, entschuldigen Sie", sie versuchte überaus ruhig zu wirken, und sie konnte nicht einfach aussteigen, weil er schon in seinem Tempo angefahren war. So versuchte sie das Herzrasen in ihrer Brust zu ignorieren und freundlich zu sprechen, so freundlich, wie es in dieser Situation nur ging.

Ihre Gedanken überschlugen sich, aber sie behielt zumindest ihre äußere Fassung. Für sie war eindeutig, dass sie neben einem gemeingefährlichen Entführer, der zudem auch noch bewaffnet war, im Auto saß und schon im nächsten Augenblick wurde eine schockierende Vermutung in ihr breit, wer oder was sich in einem bestimmten Zustand in dieser großen Kiste auf dem Rücksitz befinden könnte.

Die junge Frau vermied sogar das Zucken ihres Blickes in diese Richtung. Sollte er mitbekommen haben, dass sie ihn erkannt hatte, brauchte er nicht gleichwohl auch mitbekommen, dass sie sich Gedanken darüber machte, was er in seiner Kiste versteckt hielt und so hielt sie den Blick auf sein Gesicht, hoffend, dass er einfach kurz anhielt und sie raus ließ. Er hatte sich wahrlich rüpelhaft genug verhalten, dass er auch einfach annehmen konnte, dass es daran lag, weswegen sie aussteigen wollte - insoweit er nicht auf die Zeitung und in sein eigenes Gesicht sah. Joanna legte gespielt zufällig ihre Hand darauf, als hielte sie einfach nur die Zeitungen fest.

Die Muskeln unter den erkannten Geheimratsecken waren angespannt und arbeiteten stetig vor sich hin. Wie es nun mal bei einem Mann war, der zuvor schon für sie die Aggression in Menschengestalt war. Sie hätte gerne gelesen, was in diesem Artikel stand, aber für den Augenblick musste sie Ruhe bewahren und sich darauf verlassen, was sie aus Schlagzeile und Untertitel hatte entnehmen können - nur ... wie lange konnte sie diese Ruhe halten, die in ihrem Inneren nicht gerade viel Platz fand, besser gesagt: gar keinen.

"Das kannst du mal eben gleich vergessen, Missy!", es war wohl eher zu sich selbst gesprochen, aber er klang sichtlich genervt, was Joanna in seiner Situation wohl auch gewesen wäre. "Oh scheiße, was mache ich denn jetzt?", dachte sie nur verzweifelt, als er auf den Highway abbog und das in einer so rasanten Geschwindigkeit, dass sie sich instinktiv an der Armablage der Türinnenseite festhielt und dabei die Zeitungen ins Rutschen gerieten. Seine drei fielen auf die Fußmatte und wieder starrte sie dieser Lestat vom Titelblatt an. Sein Blicke wirkte in diesem Moment auf sie wie ein höhnisches Lachen.

Zumindest war diese bestimmte Zeitung außer Sichtweite und prüfend blickte sie schnell in seine Richtung. Seine dunklen Augen fixierten sie wie ein Tier, das angriffbereit ein Opfer gewittert hatte. Ein Schauer lief ihr die Wangen hinab über Hals, Nacken zur Wirbelsäule hin.

"Wenn du aussteigen willst, tu dir keinen Zwang an!", wäre sie nicht mit diesem Menschen in einem Auto gewesen, wäre dieser nicht bewaffnet, hätte er nicht einen Taxifahrer erschossen und einen Mann entführt, der hinten in der Kiste auf der Rückbank lag, hätte sie wohl heißer sarkastisch aufgelacht, doch sie war im Augenblick zu Scherzen nicht aufgelegt.

Für einen Moment dachte sie daran, sich den Gurt umzulegen, festzuzurren und ihm ins Lenkrad zu greifen, damit er gegen die nächste Mauer fuhr, er durch die Scheibe flog und Joanna sich höchstens einige Prellungen und ein Schleudertrauma zuziehen würde, doch auf dem Highway kamen sie an keinen passenden Mauern vorbei. Ihr Herzschlag raste, sie konnte das Blut in ihren Ohren rauschen hören und konnte nicht glauben, dass dieser Mann den Nerv hatte, in dieser Geschwindigkeit nach seinen Zigaretten zu angeln. Er entzündete sie mit den Streichhölzern, die auf der Armatur lagen, als hätte er nie etwas anderes getan als das.

Nicht genug, dass ihr Magen sich durch die Geschwindigkeit und auch die Angst umzudrehen drohte, jetzt nahm er ihr auch noch die Luft zum Atmen. Sie rauchte gerne mal eine Zigarette, wenn es passte, aber jetzt, in dieser Situation schien es ihr die schlimmste Angewohnheit, die sich vorstellen konnte. Ihr Blick blieb an einem der "Nicht-rauchen"-Schildchen hängen, an dem er das Streichholz angerissen hatte und dieses trotzte ihr mit seiner Ironie nur so entgegen.

"Na klasse", jetzt sprach sie mehr zu sich, als zu ihm, klemmte ihre Zeitungen zwischen die Beine, versuchte seine halsbrecherische Fahrweise für den Moment zu ignorieren, schnallte sich in einer eigenartigen Seelenruhe an, erkor eine Leitplanke aus, spannte ihre Muskeln an und griff ihm ins Lenkrad und das so schnell, dass sie es tatsächlich ein Stück nach rechts herumreißen konnte ... Sie war definitiv nicht für solche Situationen geschaffen und sie konnte nur noch hoffen und zu einem nicht geglaubten Gott beten, dass ihr Plan aufging, der ihr in diesem Moment mehr als nur hirnrissig vorkam, aber wohl die einzige Möglichkeit war, die sie hatte.
  • ... und dieser Kerl hat vorher den Taxifahrer erschossen und wohl noch einen weiteren Mann entführt, was ich allerdings erst aus der Schlagzeile der Zeitung erfuhr, als ich schon im Auto saß. Ich hatte mir die letzten drei Ausgaben des Mirrors gekauft, um mich über Rickmans Redakteur zu informieren, den ich mehr oder weniger ausspionieren soll (mein Auftrag von Rickman für die Anstellung beim Mirror). Gar nicht mein Ding, aber das ist ein anderes Thema.

    Jedenfalls wollte ich wieder raus aus der Taxe, aber dieses Arschloch ließ mich nicht. Ich hatte eine Scheißangst, ich kann es gar nicht anders ausdrücken, Verzeihung. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, muss ich wirklich irre gewesen sein, denn ich hab' mich angeschnallt und ihm ins Lenkrad gegriffen, sodass der Wagen auf dem Highway ausscherte. Er hat die Kontrolle sofort wieder über den Wagen bekommen, auch wenn wir erst mal in den Stand kamen. Raus konnte ich allerdings nicht, ich wäre von den vorbeifahrenden Fahrzeugen in der Rush Hour überfahren worden, nur im Auto war es auch nicht grade angenehmer, denn der Typ hat hielt mir auf einmal seine scharfe Waffe zwischen die Augen. Ich hatte keine Chance, und ich dachte "Jetzt ist es gleich vorbei". Ich hatte solche Angst, ich wundere mich, dass so ruhig habe bleiben können ...
Blitzschnell sah sie zu diesem falschen Taximann hinüber und offensichtlich hatte er Schmerzen. Sie wusste nicht, ob schon zuvor oder erst von dieser Schlitterpartie, aber zumindest war er für Sekunden mit sich selbst beschäftigt und Joanna blickte neben sich aus dem Fenster, wollte die Türe aufdrücken, nach dem sie sich abgeschnallt hatte, doch sie hielt abrupt inne, als sie erkannte, dass sie definitiv schneller tot wäre, als es jetzt der Fall war. Ihre Tür führte direkt auf den dichtbefahrenen Highway, sie hatte keine Chance.

Wieder blickte sie zu ihrem Widersacher, um vielleicht eine Möglichkeit zu finden, seinen Schmerz auszunutzen und auf seiner Seite zu fliehen, doch kaum hatte sie sich umgewandt, musste sie zwangsläufig den Lauf seiner Waffe über ihren Augen anschielen, um zu begreifen, was hier gerade geschah. Sie konnte gar nicht so schnell reagieren und hatte nur noch gesehen, wie er die Waffe gezogen und auf sie gerichtet hatte - zielsicher und genau, dass sie entsichert war, klickte nachhallend in ihrem Kopf wider.

"Oh scheiße ...", es war nur ein erkennendes, sehr leises Fluchen, das zumindest die Anspannung in ihr sortierte, auch wenn es sie nicht im Mindesten lockerte. "Das hier ist mein Freund Ray ...", begann der Bärtige und seine Raubtieraugen hatten sie zielsicher, wie die Waffe, im Visier, seine Muskeln drückten sich durch seine hellbeige Jacke, die über sein graues Shirt gespannt war, "Wenn Du Gezeter machst ...", Joanna schluckte leise und versuchte flach zu atmen, was in der aufkommenden Panik nicht unbedingt das einfachste war, "... dann macht auch Ray Gezeter", ihre Lippen zitterten kaum merklich, ihr Körper fühlte sich an wie eine einzige Starre und jeder Atemzug verriet das Zittern ihrer Lungen zusätzlich. Wenn sie zuvor geglaubt hatte, kurz vor ihrem Abscheiden zu stehen, musste sie spätestens jetzt revidieren und erkennen, was es hieß, Todesangst zu haben ...

"Und wag es ja nicht, jetzt wegzurennen. Denn Ray hier hat viele kleine Freunde, die alle schneller rennen können als Du!", Joanna war in einem schlechten Film, über den sie in diesem Moment wohl sehr gelacht hätte, aber ihr war alles andere, aber nicht zum Lachen zumute. Noch weniger als zuvor, vor allem, weil sein Ton, so bittersüß er war, tödliche Gefahr mitschwingen ließ - und nicht nur das, es war eindeutig, dass jede falsche Bewegung ihren Tod bedeutete. Joanna hielt die Tränen zurück, auch wenn ihre Augen aufbegehrend deswegen brannten.

Seine Hand war angespannt und sie sah und spürte, dass er es ernst meinte. Die Panik war kaum noch zu unterdrücken, doch sie durfte jetzt nicht die Kontrolle über sich verlieren. Wenn sie es tat, und dessen war sie sich mehr als bewusst, würde sie sterben, gleich, was sie tat. Ob die kleinen Freunde von Ray ihr hinterher sprinteten und sie einholten, oder der Highway, auf dessen Beton keiner auf die Idee kam, anzuhalten oder langsamer zu fahren. Die Rush Hour war nicht die beste Stunde für einen Spaziergang auf dicht- und vor allem schnellbefahrenem Asphalt.

Joannas Herz pochte bis in den Hals, sie hatte Angst um ihr Leben, eine Scheiß-Angst um ihr Leben und starrte ihn Sekunden lang nur an. "Reiß Dich zusammen, Mädchen, reiß Dich zusammen", sie wollte nicht, dass er sich an ihrer Angst aufgeilte und fast hätte sie bei diesem Gedanken ihre Augen zu kleinen Schlitzen verengt, um die Panik zu bündeln und in für sie so unübliche Aggressivität umzuwandeln, nur damit er nicht sah, wie es ihr ging.

Sie gönnte ihm diesen Triumph nicht und wenn sie nichts und niemanden hasste, so fühlte sie in diesem Moment, wie Hass sich anfühlen konnte. Doch diesen Mut brachte sie dennoch nicht auf, nicht hier, nicht jetzt. Sie liebte ihr Leben und sie verfluchte, dass sie in diese Taxe gestiegen war - verfluchte diese Entscheidung zutiefst, dabei war es doch mehr ein Scherz gewesen - irgendwie einfach nur ein Scherz, um ihn zu verärgern, sich ein Ventil zu suchen - das Ventil Rickman.

"Wenn Du Dich jetzt benimmst, schmeiße ich Dich nach dem Highway raus. Andernfalls ...", seine Waffe drehte sich leicht in seiner angespannten Hand, um noch einmal zu verdeutlichen, dass sie noch da war, "... entscheidet Ray was passiert." Er war wahnsinnig. Joanna war sicher, dass er wahnsinnig war und sie musste reagieren.

Sie musste jetzt reagieren, sonst drückte er ab, dessen war sie sich sicher, aber in ihr sträubte sich alles, sie wollte nicht einfach kleinlaut nicken und ihm ihre Angst zeigen, auch wenn sie ihr offensichtlich in das aschfahle Gesicht geschrieben stand, diese Genugtuung wollte und konnte sie ihm nicht geben, aber etwas erwidern? Gegen das sprechen, was er verlangte? Das konnte sie nicht. Er gab ihr die Option, aus diesem Wagen rauszukommen - lebend, zumindest hatte es sich so angehört. Ihr Verstand hämmerte, dass er sie auch anlügen konnte, aber sie musste sich an diesen Strohhalm klammern, er war der einzige, der in Sichtweite war. Ihr Leben hing an seinem seidenen Faden.

"Ich höre niemanden zetern, Ray, ...", ihre Stimme brannte in der trockenen Kehle, sie wirkte heiser und versuchte fest zu klingen, "... und ich habe nicht vor von einem Auto überfahren zu werden, keine Sorge", sie war froh, dass sie diese Sätze heil herausbrachte und gleichwohl auch, dass sie nicht sarkastisch klangen, sondern fast neutral. Sie wollte nicht einfach so unterjocht werden, ihn allerdings auch nicht noch weiter reizen. Nichts, aber rein gar nichts sollte er von ihrer Persönlichkeit wirklich mitbekommen.

Er sollte nichts wissen, sie wollte nicht, dass auch nur eine Ahnung bekam, wie es wirklich in ihr aussah, und auch wenn sie ihre Angst nicht gänzlich verbergen konnte, so konnte sie sich zumindest so sicher sein, dass er nicht sicher war, wie es wirklich und gänzlich in ihr aussah. Oh nein, vor ihm nicht, sie würde nicht einfach still sitzen, heulen oder winseln, nicht betteln und nicht einfach nicken. Sie würde, wenn sie starb, mit Würde sterben und diesem Arschloch nicht einen Hauch der Genugtuung gönnen. "Wie dumm Du doch sein kannst, Joanna", doch es war ausgesprochen und gesagt, sie konnte es nicht widerrufen und wollte es auch nicht.

Zumindest hatte sie versucht, gleichgültig zu klingen. Sie war sich dessen bewusst, dass er wie sie wusste, welche Scheiß-Angst sie hatte und er konnte ihr einfach nicht verübeln, dass sie versuchte, das Beste aus dieser Situation zu machen - irgendwie. Silberfarben und kalt fühlte Joanna Ray auf ihrer Haut. "Nimm sie weg, nimm sie einfach nur weg ..." In ihrem Arm pochte der Schmerz unaufhörlich im Takt ihres Pulses und sie wünschte, sie könnte hier einfach raus ...

Joanna fühlte, wie ein kleines Rinnsal Blut warm ihre Stirn über die Schläfe passierte und an ihrer Wange zum Hals entlang lief. Sie musste sich beim Aufprall an der Wagentür auch die Stirn gestoßen haben, doch der Schmerz in ihrem Arm schien zu groß gewesen, als dass sie den kleineren der leichten Platzwunde hätte wahrnehmen können.
  • ... Aber ich hab es überlebt, ich weiß nicht wie, aber ich hab es überlebt. Das war wirklich wie im Film, es erinnert mich vor allem an irgendeinen schlechten Film, vor allem die Konversation mit der Waffe ... Er fuhr dann weiter und bei Chinatown ab und hielt abrupt in der Nähe des Hotels, in dem ich jetzt bin. Ich habe mich die restliche Fahrt echt ruhig verhalten - wirklich ruhig, aber er stürmte einfach ohne Vorwarnung aus dem Wagen, ...
Dann bremste der Wagen so derb ab, dass Joanna, aus ihren Gedanken gerissen, kaum eine Möglichkeit hatte, den Aufprall abzufangen. Wieder war es ihr schon lädierter Arm, der in Mitleidenschaft gezogen wurde, doch noch bevor sie überhaupt begreifen konnte, was um sie herum geschah, war der Typ ausgestiegen und lief in einer Eile um den Wagen herum, dass Joanna in Bruchteilen von Sekunden eine Ahnung bekam, was jetzt alles passieren konnte. Ihre Augen waren tellergroß, sie konnte nichts weiter, als ihm zusehen, wie er um den Wagen herum kam und die Türe mit brachialer Gewalt aufriss und sie genau an dem Körperteil herauszerrte, das sie heute schon zwei Mal für fast gebrochen gehalten hatte. "Scheiße!", war das einzige, das sie auf den wiederholten Schmerz und der Panik vor dem, was er nun vor haben könnte, von sich geben konnte.

Doch noch bevor sie sich darauf vorbereiten konnte, überhaupt wirklich auf dem Boden stand, schlug er ihr so dermaßen brutal ins Gesicht, dass sie gegen die Karosserie prallte und vor Schmerz leise aufschrie. War er von allen guten Geistern verlassen? Doch schon in Erwartung, dass dies nicht das einzige war, was nun folgte, griff er sie an den Schultern, zog sie hoch und schüttelte sie unsanft - und wieder war es ihr Arm, der ihr unmissverständlich mitteilte, gerne in Ruhe gelassen werden zu wollen. "Bist Du eigentlich bescheuert oder was!? Dir werde ich helfen, verdammt!!"
  • ... riss mich aus dem Auto raus und schlug mir so dermaßen ins Gesicht, dass es an der Stelle jetzt blau ist.

    Ich dachte, mir sprengt es die Mimik weg. Niemand hat mich je geschlagen, vor allem nicht ins Gesicht und ich hab' an Dich denken müssen und an Deinen Dad, dann ich habe mich einfach vergessen ...
Was hatte sie bitte getan? In Sekunden versuchte Joanna zu begreifen, was hier vor sich ging. Sie hatte die Fahrt über geschwiegen, hatte sich kaum bewegt, ja, sogar das Atmen so flach wie möglich gehalten, um ihn nicht auch damit zu reizen und nun sollte sie diejenige sein, die den Scherbenhaufen seines eigenen Scheiß-Lebens abbekommen sollte? Wut machte sich in ihr breit, ihre Augen tränten vor Schmerz und Ärger und sie wusste nicht, woher sie den Mut und die Kraft nahm und auch gar nicht, wer sie dazu brachte, überhaupt zu handeln, doch sie konnte nicht anders, als ihre Hände gegen seine Schultern zu pressen und ihm so dermaßen in seine Weichteile zu treten, während sie seine Oberkörper noch entgegen des Tritts drückte, dass er nicht mehr anders konnte, als zielsicher getroffen loszulassen. So sehr zu treffen, dass auch Joanna beim Anblick dieser Situation phantomschmerzenartig mitgelitten hätte.

Er wagte es, sie zu schlagen. In ihrem ganzen Leben hatte nicht eine einzige Person die Hand gegen sie erhoben und sie sah rot, sie sah den Vater Annicas vor Augen, wie er auf seine Tochter hatte einprügeln wollen, als diese sich auf ihn gestürzt hatte, um Joanna aus der misslichen Lage zu befreien. Sie spürte, wie die Wut von damals sich auf diesen Mann, diesen Abschaum vor ihr übertrug, dass sie noch einmal mit den Stahlkappen in seine Seite trat, als er sich zusammengekrümmt in die Knie gehen ließ. Er hatte von ihr abgelassen und die einzige Chance, die sie jetzt hatte, war rennen. Ihre Wut wollte gerne noch einmal zutreten und noch mal und noch mal, wollte ihn dafür bestrafen, was Annicas Vater seiner Tochter angetan hatte, doch ihr Verstand war wach genug, um sie dazu zu bringen, von ihm abzulassen, sich blitzschnell zu orientieren und dann zu laufen.

Sie musste laufen, rennen, sie hatte keine Möglichkeit, irgendetwas anderes zu tun oder zu denken und noch während sie über die Straße rannte, an hupenden Autos vorbei, die sie fast umfuhren, erkannte sie den Schriftzug eines Hotels, das sie nun ansteuerte. Immer wieder kamen ihr seine Worte in den Sinn, dass Rays Freunde schneller waren als sie - und Joanna rannte schneller.
  • ... und ihm so dermaßen zwischen die Beine getreten, dass er in die Knie ging. Und ich konnte nicht ganz ablassen und hab' ihm noch in die Seite getreten, bevor ich wegrannte. So gerne hätte ich weiter gemacht, in diesem Moment muss ich vollkommen unzurechnungsfähig gewesen sein. Aber ich hatte solch einen Hass in mir, das kannst Du Dir nicht vorstellen - Hass und vor allem auch Angst und Schmerz - die Erinnerung an Dich und alles einfach auf einmal.

    In meinem Traum habe ich diesem bulligen Kerl nun auch zwischen die Beine getreten. Irgendwie verkörpert er für mich einfach wirklich den typischen Frauenschläger. Ich denke, ich hab' das damit kompensiert.

    Und die rasante Fahrt, denn der Entführer fuhr in einem Tempo über den Highway, dass ich da schon dachte, dass ich das niemals überleben würde, habe ich scheinbar so in den Traum eingebaut, dass der Vampir mich auf seiner Harley mitnahm und doch etwas zu sicher fuhr, wenn Du verstehst, was ich meine. Wenn ich jetzt drüber nachdenke, würde ich gerne lachen, aber gut, er fuhr, als hätte er niemals einen Führerschein gemacht, es war nicht ganz so halsbrecherisch, aber wohl ebenso gefährlich, wäre es wirklich passiert.

    Wir sind nach Alcatraz gefahren. Sehr bezeichnend, wie ich finde, denn ich wünschte, dass dieser Entführer gefasst würde. Da die Polizei allerdings noch nicht angerufen hat, glaube ich, dass er noch immer frei da draußen herumläuft.

    Auch die Todesangst habe ich in diesen Traum eingearbeitet, denn der Moment, als ich erkannte, dass der Typ mit der Harley ein Vampir ist, war genau der Augenblick, in dem er mich biss und mein Blut trank. Ich konnte mich einfach nicht wehren, ich hatte keine Möglichkeit, mich von seinem Griff zu lösen, wie ich auch real keine Möglichkeit hatte, aus diesem Auto zu kommen, als dieser Kerl mir die Waffe an die Stirn hielt.

    Er trank so viel von mir, dass ich kaum noch Kraft hatte, mich wach zu halten, aber ich weiß nicht, wie, doch er hat von mir abgelassen. Ich habe seinen Namen genannt, immer und immer wieder, vielleicht hat er es irgendwann gehört, ich weiß es nicht. Es ärgert mich wirklich, dass ich mich nicht an seinen Namen erinnern kann.

    Die Szene switcht dann auch irgendwie und er heilt meine Wunden mit seinem Blut. Eine eigenartige Vorstellung, dass das Blut von Vampiren die Wunden von Menschen heilt, aber gut. Ich weiß nicht genau, wie ich auf so was komme, denn in Filmen habe ich das nicht gesehen oder darüber gelesen. Das wäre mir neu. Vielleicht weil ... nein, das passt nicht. Ich lasse diese Stelle mal offen. Die Heilung aber könnte generell sein, weil ich später noch im Krankenwagen saß und mich verarzten ließ. Mein Arm ist übrigens auch lädiert, weil ich zwei mal gegen den Wagen geprallt bin und der Kerl mich an genau diesem Arm überaus unsanft aus dem Auto zerrte.

    Er ist so blau, dass ich das gar nicht beschreiben kann - dementsprechend tut er weh, aber das wird vorbei gehen. Ich bin froh, dass nichts gebrochen ist. Im Traum bin ich auch mit dem Arm angestoßen, sodass es höllisch weh tat. Auch hier also eine Parallele. Ich scheine diesen Traum wirklich meinen kompletten, heutigen Tag zu verarbeiten - oder es zumindest zu versuchen.

    Woran ich mich grade noch erinnere, ist, dass ich Gedanken oder eher Erinnerungen von diesem Vampir mitbekommen habe, als er mich mit seinem Blut heilte. Ich war irgendwie high davon und träumte. Auch lustig, einen Traum im Traum zu haben, aber okay ... Jedenfalls habe ich irgendwie "gesehen", dass er eine ähnliche Situation durchlebt haben muss, wie ich mit Deinem Tod, Annica. Zumindest vom ersten Gefühl her.

    Irgendwas war mit einem Freund von ihm, irgendwas, aber ich weiß nicht mehr genau was, außer, dass da auch eine Waffe mit im Spiel war. Möglicherweise war Ray (der Entführer nannte seine Waffe Ray) der ausschlaggebende Punkt dafür. Und, ach, es könnte natürlich sein, dass ich einen Traum im Traum hatte, weil mir diese ganze Situation vorkam wie ein Albtraum und ich das Gefühl hatte, im falschen Film zu sein. Würde sich zumindest etwas erklären.

    Ich glaube, der Freund von diesem Vampir überlebte, im Gegensatz zu Dir, aber sicher bin ich mir nicht. Es ist alles sehr verworren in diesem Moment und ich weiß nur noch, dass er mich dann hochnahm und mich zu den Menschen brachte, die auf Alcatraz eine Nachtour machten. Zumindest in die Nähe von diesen. Real bin ich ja in das Hotel gelaufen, um mir dort Hilfe zu suchen. Aber bei dem Vampir hatte ich letztendlich keine Angst mehr.

    Ich wusste irgendwie, dass er mich nicht absichtlich verletzte oder gar töten wollte. Moment, ich glaube, ich hatte mich verletzt, als wir irgendwie weiter oben standen, auf einem Teil Ruine, wo man eigentlich nicht sein sollte. Ich habe meine Hand aufgerissen, am Stacheldraht und deswegen hat der Vampir sich nicht zurückhalten können. Irgendwie so muss das gewesen sein.

    Aber wie kann ich das jetzt auf die Situation heute übertragen? Vielleicht, dass ich selbst Schuld bin, dass es soweit kam, denn ich hätte schon vorher wissen können, dass die Fahrt nicht angenehm ist, weil der vermeintliche Taxikerl schon so aggro auf den Bordstein fuhr und ebenso cholerisch ausstieg. Ich wollte ihn irgendwie ärgern und vielleicht auch deshalb, weil dieser Rickman mich wirklich richtig in die Enge getrieben hatte, aber auch hier bin ich ja selbst Schuld an der Situation. Das könnte jedenfalls irgendwie passen. Mea culpa - oh man.

    Das alles ist so wirr, Annica, so verworren, dass ich es nicht sortiert bekomme. Ich glaube, ich würfle sehr viel durcheinander und hoffe, dass ich das später noch nachvollziehen kann, in welcher Reihenfolge was eigentlich wirklich passiert ist - also im Traum wie auch in der Realität.

    Ich glaube, mehr fällt mir gerade nicht ein, ohne dass ich irgendwelche zusätzlichen Gedanken hinzubringe, die hier nichts verloren haben. Es war zumindest ein sehr eigenartiger Traum. Ich weiß noch, dass ich ihn fragte, ob ich ihn wiedersehen würde, doch er verneinte und meinte dazu dann noch, wenn es so wäre, würde er mich töten. Ich glaubte ihm nicht. Ich hoffe, das heißt nicht, dass ich diesen Kerl wiedersehen werde, nicht dass ich auch noch ... oh, scheiße.

    ... okay, ich habe vergessen zu schreiben, dass er eine riesige Kiste im Taxi auf dem Rücksitz stehen hatte. Sie war so groß, dass ein Mensch hinein gepasst hätte und ich musste die ganze Zeit daran denken, dass er jemanden entführt hatte. Puh, ich glaube höre mal auf für den Moment, ich will mir das alles nicht weiter vorstellen.

    Aber eines noch ... ich hatte das Gefühl, dass den Vampir und mich eine Seelenverwandtschaft oder so etwas ähnliches verbindet. Vielleicht, weil wir ähnliche Vergangenheiten hatten. Ich kann es nicht beschreiben. Ich kann mir das allerdings irgendwie damit erklären, ...
"Miss Jenkins?", Joanna blickte auf, als eine Polizistin an den Krankenwagen herantrat und fragend in die Runde blickte. "Sie können gleich rein, Officer, wir sind sofort fertig," antwortete der Braunäugige anstelle der Angesprochenen und die blonde Polizistin nickte. Es dauerte keine fünf Minuten, als die Plätze dann getauscht waren und die Sanitäter sich nach draußen begaben. Der Kollege der jungen Blondine stand etwas abseits, hörte zwar mit, aber blieb auf Distanz, weil sie anscheinend damit rechneten, dass auch sexuelle Dinge vorgefallen sein könnten, was Joanna aber während ihrer Aussage sehr schnell revidierte.

Sie musste alles haargenau schildern und ihr Verstand versuchte das Chaos der Gefühle in den Griff zu bekommen, immer wieder wollten die Tränen siegen, und immer wieder behielt Joanna die Oberhand. Dann hörte sie entfernt einige Leute aufgeregt sprechen und sah auf. Der Cop an der Türe hielt seinen Blick an der Wagentüre vorbei und verdrehte dann halb genervt, doch vor allem belustigt die Augen. "Sie ist wieder da", sagte er schlicht zu seiner Kollegin, zog sich die Mütze auf den Kopf und ging dann fast schon etwas brustschwellend aus Joannas Sichtweite. "Mrs. hier gibt es nichts zu sehen. Diesmal nicht. Und Sie wissen doch, dass sie nicht in die Untersuchungen reinplatzen können." Joanna hörte seine Worte nur am Rande, vernahm aber deutlich, dass er ein Schmunzeln auf den Lippen trug und ein Grinsen unterdrückte.

"Ach Papperlapp," bei der weiblichen Stimme, die sie nun deutlicher vernahm, wurden ihre Augen groß und sie konnte sich nicht mehr auf die Fragen der Polizistin konzentrieren, "... lassen Sie mich gefälligst durch. Meine Enkelin sitzt in diesem Wagen und ich lasse mir von Ihnen garantiert nicht verbieten, sie zu sehen," Joanna war sich mehr als sicher, wer das war und kaum einige Sekunden später sah sie auch schon das liebgewonnene Gesicht von Mrs. Tootzie, wie sie ungeduldig hinter dem Cop stand und versuchte, an ihm vorbei in den Krankenwagen zu linsen. "Ist das Ihre Großmutter, Miss?", fragte dieser dann offensichtlich zweifelnd und Joanna blickte mit überraschtem Blick und offenen Lippen von ihm zu Mrs. Tootzie und wieder zurück.

"Meine Großmutter?", sie brauchte den Bruchteil einer Sekunde, bis sie reagieren konnte, "Ja, ... ja, natürlich. Omi? Was machst Du denn hier?" Kaum hatte Joanna ihre "Großmutter" bestätigt, fühlte die sich von niemandem mehr abgehalten, um den jungen Mann aus ihrem Weg zu schieben und direkt zu ihrer "Enkelin" in den Wagen zu steigen. "Mädchen, alles in Ordnung bei Dir?", sie sah ehrlich besorgt aus und inspizierte sie mit Blicken, als ob sie kontrollieren musste, dass auch wirklich noch alles an seinem Platz war. "Wir sind dann auch fertig, Miss Jenkins. Falls weitere Fragen aufkommen sollten, hoffen wir, dass Sie uns bei der Aufklärung des Falls zur Verfügung stehen," Joanna hatte auf Mrs. Tootzies Frage noch nicht antworten können, als Miss Officer sich verabschiedete.

"Ja natürlich, melden Sie sich einfach, wenn Sie mich brauchen. Ich hoffe, dass Sie ihn fassen können", waren die etwas überrumpelten Worte der jungen Frau, auf die die Polizistin nickte. "Das hoffen wir auch. Passen Sie auf sich auf, Miss Jenkins", und mit diesen Worten sprang sie die zwei Stufen vom Wagen auf den Boden und direkt neben ihren Kollegen, um sich dann aus dem Sichtfeld zu begeben. Joanna hörte nur noch, wie er leise lachte und sie fragte, was sie tun würde, wenn sie solch eine Großmutter hätte. Ihre Antwort verstummte in der Entfernung.

"Das sieht nicht gut aus," murmelte während dessen Mrs. Tootzie und Joanna blickte sie wieder an. "Es geht schon. Was machen Sie nur hier? Woher wussten Sie ...?", aber Joanna unterbrach ihre eigene Frage. Der CB-Funk. Natürlich, wie konnte sie das nur vergessen? Ein Grinsen zog sich auf ihre Lippen, als Mrs. Tootzie antwortete und Joanna versuchte, ihre Jacke wieder überzuziehen. "Ich hab' den Wagen sauber gemacht und bin dabei an den CB-Funk gekommen, da hab ich davon gehört. Dein Name wurde durchgegeben und ich habe in Deiner Wohnung alle möglichen Sachen zusammengepackt, die ich wichtig fand, und hab' sie Dir gleich mitgebracht, falls Du ins Krankenhaus musst."

Joanna konnte gar nicht so schnell folgen, wie Mrs. Tootzie beichtete und somit geschickt die Frage überging, wie sie auf die Idee kam, in Joannas Wohnung Dinge zusammenzusuchen, sie konnte schließlich weiß Gott was dort verstecken. Joanna vertraute ihrer Vermieterin allerdings vollkommen und so empfand sie das hübsche Gefühl der Geborgenheit, als sie in die alten, grauen, von Lachfältchen umgebenen Augen sah, die durch die Brille um ein Vielfaches vergrößert waren. "Ich muss nicht, glaube ich. Das ist sehr lieb von Ihnen, Mrs. Omi Tootzie," und Mrs. Tootzie lachte auf. "Solange der Humor noch da ist, ist alles nur halb so schlimm.", weissagte sie und legte ihre warme auf Joannas zitternde Hand, sofort ging das Lächeln aus ihren Augen, gefolgt von reiner Sorge.

"Wirklich alles in Ordnung?" Joanna wusste nicht, was sie antworten sollte und ihr schossen einfach nur die Tränen in die Augen, saß da, sah die alte Frau mit dem weißen Haar an und konnte das Weinen nicht mehr zurückhalten. Es ging wie in einer leichten Woge, dass Mrs. Tootzie ihren Arm vorsichtig um die Schultern des Mädchens legte und diese sich an sie drückte und Minuten lang einfach nur schluchzte.

Sie war nicht nah am Wasser gebaut, aber die Anspannung, die Angst und die Erkenntnis, dass sie wirklich nur knapp dem Tod entgangen war, übermannte sie in diesem Moment. Die Schmerzen unterstützten, auch wenn sie nur halb so schlimm waren in diesem Moment. Es war einfach ein viel zu langer Tag. Einige Momente später, in denen beide nichts sagten, Joanna langsam nur noch lautlos weinte und die alte Frau ihr sacht über den Rücken gestrichen hatte, sprach sie erst wieder. "Wollen wir nach Hause gehen, Joanna? Ich mache uns einen feinen Kaffee und dann kannst Du, wenn Du möchtest, alles erzählen, oder wir schauen einfach etwas Glücksrad oder spielen Karten. Wie wär's?"

Joanna rückte wieder auf, wischte sich die Tränen aus den rötlichen Augen und hätte diesem Angebot so gerne zugesagt. Es war einer der seltenen Momente, in denen ihr wirklich überaus schmerzlich und nicht zu verdrängend bewusst wurde, dass sie niemanden mehr hatte, der sie einfach lieb hatte, in den Arm nahm oder mit ihr sprach, Karten spielte oder fernsah. Da war einfach niemand mehr, der tröstete, den sie hätte anrufen können oder den sie bei sich im Portemonnaie als Karte hatte, damit bei lebensgefährlichen Unfällen die Ärzte wussten, wen sie benachrichtigen mussten. Bis jetzt. Sie wusste, dass sie noch heute Abend so eine Karte schreiben würde, auf der dann Mrs. Sophya Tootzie stand, die im Notfall bitte angerufen werden sollte. Dankbar sah sie die alte Frau an, die ohne weiteres wirklich ihre Großmutter hätte sein können.

"Ich würde nichts lieber tun als das, Mrs. Tootzie, doch ich kann leider nicht. Ich habe die Aussicht auf einen Job beim Mirror und der entscheidende Auftrag, den ich dafür erledigen muss, führt mich mindestens drei Nächte in dieses Hotel hier vorne. Mein Zimmer ist schon reserviert und die Zeit ist knapp bemessen. Doch hoffe ich, dass wir das nachholen können?", große Hoffnung lag in ihrer Stimme und auch ihrem Blick. Die Vermieterin und Freundin tätschelte der jungen Frau die Hand.

"Das sind ja wunderbare Aussichten und Ablenkung ist das beste Heilmittel. Ich spreche aus Erfahrung, mein Mädchen. Und natürlich holen wir das nach, aber dann mit Schampus, weil ich weiß, dass Du diesen Job bekommen wirst. Du bist ein wunderbares Mädchen, Joanna, niemand kann Dir das abschlagen und ich bin sicher, dass Du das schaffst," Joanna musste ob der Begeisterung Mrs. Tootzies lächeln. Sie wusste, dass noch Restsorge in ihr war, aber sie wusste auch, dass es Joanna wirklich gut tun würde, sich abzulenken. "Ich werde Dich dann einfach in ein paar Tagen ausfragen, was heute und die nächsten Tage alles passiert ist.", fügte sie dann noch mit einem Zwinkern an und die junge Frau wusste, dass die alte Frau dies durchaus nicht nur scherzhaft meinte. Aber sie sollte ihre Geschichte bekommen, und Joanna nahm sich vor, ihr wirklich alles zu erzählen, was passiert war, sobald sie wieder zuhause war. "Abgemacht", sagte sie daher nur knapp und zwinkerte zurück.

"Nun denn, ich hab ja die Sachen schon alle gepackt. Ich glaube wirklich, da ist alles drin, was Du brauchst, außer Du hast irgendwelche Geheimecken, die ich in diesem Haus nicht kenne. Falls Du noch etwas brauchst, ruf mich einfach an. Ich habe mir gestern ein solches Mobilfunktelefon besorgt, kann zwar noch nicht richtig damit umgehen, aber abnehmen - das schaffe ich noch, wenn es klingelt. Meine Nummer ist auf dem Zettel in der Tasche. Ich bringe Dir das Fehlende dann einfach vorbei, ich habe sowieso hier zu tun ..." Joanna hatte gar keine Möglichkeit irgendetwas zu erwidern. Mrs. Tootzie hatte es einfach drauf, jeden in Grund und Boden zu reden, daher nickte sie einfach. Widerspruch wäre so oder so bei dieser Frau nicht in Frage gekommen.

"Na dann hopp, die Leute wollen sicher auch Feierabend machen, dann holen wir Deine Sachen aus dem Auto und Du checkst ein", wieder nickte Joanna und folgte schmunzelnd der alten Frau aus dem Krankenwagen. Kurz musste sie die Augen zusammenkneifen ob der Helligkeit des Tages, ihrer versiegten Tränen und die Gewohnheit, die ihre Augen angenommen hatten, als sie diese halbe Stunde im etwas düstereren Wagen verbracht hatte. Joanna verabschiedete sich noch mit einem Danke von den Sanitätern.

Noch immer stand ein Streifenwagen auf dem Bordstein und stumm verbreitete das Blau-Rot-Licht seinen Zwinkern. Zu gerne hätte sie gewusst, ob sie ihn schon gefasst hatten, als Joanna über sich ein leicht entferntes, aber für den Moment ohrenbetäubendes Geräusch wahrnahm, das eindeutig von einem Polizeihelikopter stammte, der über sie hinweg flog. Vielleicht ein Lichtblick und vielleicht ein Zeichen dafür, dass sie wusste, wo er war und entlang fuhr? Sie hoffte, dass es so war.

"Täubchen, nicht träumen," abermals war es Mrs. Tootzie, die ihr Wort an sie richtete und Joanna führte ihren Blick wieder die Straße hinunter und in Richtung des alten Wagens, den die ebenso alte Frau ihr eigen nannte. Sie war einige Meter weit von ihr entfernt und Joanna machte sich auf den Weg, die schwere Tasche zu übernehmen, die die Rentnerin aus ihrem Kofferraum zu hieven versuchte. "Um Himmels Willen, was haben sie da nur alles reingepackt?", fragte Joanna, als sie mit der linken Hand nach der Tasche griff, um sie auf den Boden zu hiefen. "Na, alles, was mir wichtig schien, und noch ein paar Sachen, die man so braucht, wenn man im Krankenhaus ist. Ich denke, man kann sie auch in einem Hotel gebrauchen, Liebes, das feine Futter da ist nicht unbedingt immer das Wahre," wieder zwinkerte sie und Joanna verkniff sich die weitere Frage danach, was das alles nur sein konnte und lachte leise auf.

"Gut, Täubchen, wenn Du mich jetzt nicht mehr brauchst, dann muss ich los. Ich hab' da noch einen Termin beim Friseur und den will ich nicht verpassen.", Joanna stutzte, ließ sich aber nichts anmerken. "Ja genau, Friseur, als ob sie zwei mal die Woche zum Friseur gehen würde ...", vielleicht bekam die alte Dame doch langsam Alzheimer, wie sie gerne einmal beim Erwischen von Klauversuchen behauptete, denn sie war erst vor zwei Tagen beim Friseur gewesen, doch Joanna enthielt sich jeglichem Kommentar deswegen.

"Kein Problem, vielen Dank, Mrs. Tootzie, ich bin sicher, Sie haben an alles gedacht." - "Und wenn nicht ...", begann die Greisin und Joanna vollendete ihren Satz, "... werde ich mich melden." Mrs. Tootzie nickte begeistert. "Hab' ich Dich gut erzogen, Mädchen.", dann grinste sie, patschte noch einmal liebevoll die gesunde Seite des jungen Gesichts und lächelte für eine Sekunde sehr herzlich, bevor sie wieder grinste, einstieg und winkend losfuhr. Joanna stellte die Tasche ab und winkte ihr nach.
  • ... dass Mrs. Tootzie auf einmal da war - also real - weil sie wieder einmal den CB-Funk abgehört hatte. Es war seine sehr vertraute Situation und mir wurde bewusst, dass ihr mir - und vor allem, dass Du mir so sehr fehlst und ich eigentlich niemanden mehr habe, dem ich mich anvertrauen kann. Ich meine, ich weiß das schon lange, aber so sehr schmerzlich gefühlt habe ich es seit Langem erst einmal heute wieder ... Ich vermisse Dich ...

    In Liebe,
    Deine Joanna ...
Joanna hatte kaum eine Chance ihren Auftrag vom San Fransiscoer "Mirror" zur erfüllen, denn nur wenige Stunden später brachte ein Erdbeben, das die Seismologen offensichtlich nicht hatten voraussehen könnten, die Stadt zum Beben. Viele Menschen verloren ihr Leben, Joannas Hotel wurde in Mitleidenschaft gezogen, doch konnte sie sich noch gerade daraus retten. Mrs Tootzies Haus stand etwas außerhalb auf den Hügeln Friscos, sodass es keinen Schaden nahm, doch die Tatsache, dass eine Nachbarin der alten Frau unter den Trümmern eines Kaufhauses begraben wurde, ließ Mrs Tootzie darauf kommen, umziehen zu wollen. Sie hatte nichts mehr, was sie hier hielt. Nichts mehr, bis auf Joanna, diese aber fragte sie kurzerhand, ob sie nicht mitkommen wollte und so kam Joanna mit.

Sie hatte ihren Auftrag beim Chefredakteur Rickman abgesagt, sie sah keinen Sinn mehr darin, diese Nachforschungen zu machen, nicht zuletzt deswegen, weil sie vor dem Beben den Redakteur, den sie hätte ausspionieren sollten, kennengelernt hatte. Er war unterkühlt gewesen, aber wohl vor allem deswegen, weil private Dinge in diesem Hotel zu erledigen hatte, wie Joanna nach Kurzem schon herausfand. Diese privaten Dinge waren es, die den Chefredakteur interessierten und Joanna sah nicht ein, Rickman irgendwelches Futter für seine persönlichen Fehden zu liefern. Rickman hatte gespürt, dass sie mehr wusste, als sie zugeben wollte, als sie ihm anrief, um abzusagen, doch Joanna legte nach kurzem Hin und Her einfach auf und ließ sich daraufhin verleugnen.

Und so machten sich diese beiden Frauen auf den Weg nach Phoenix. Phoenix - die Stadt, die Mrs Sophya Tootzie ausgesucht hatte, weil dort ihre Freundin Esther lebte, die sie schon sehr lange nicht mehr getroffen hatte. Joanna freute sich darauf, auch wenn sie beide Frisco sehr vermissen würden ...


Zurück zu „[Menschen]: Nicht-Eingeweihte | unwissend“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste