Wichtige Anmerkung:
In diesem Lebenslauf ist häusliche Gewalt ein zentrales Thema und nicht jede Szene ist zensiert. Jeder muss selbst entscheiden, ob er fähig ist, diese Szenen zu lesen. Er handelt selbstverantwortlich. Ich übernehme keine Verantwortung dafür, wenn die Passagen triggern oder ähnliches. Ich habe versucht, es im Rahmen zu halten, kann aber nicht versichern, dass es ausreicht, um betroffene Personen nicht an eigene Erfahrungen zu erinnern!
Es sei zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in diesem Text keine Gewaltverherrlichung passiert, sondern er sich eben genau deswegen dagegen ausspricht!
Lebenslauf
Wie alles begann ...
Es war ein hübscher, warmer Abend, an dem Magdalena mit ihrer kleinen Schwester über den Jahrmarkt spazierte. Die Kleine, gerade mal neun Jahre alt, hatte einen Heidenspaß an buntem Zuckerwerk und abenteuerlichen Spielen, die man an den Buden spielen und sogar kleine Geschenke gewinnen konnte.
"Sie sind keine Geschenke, wenn man bezahlt, was dafür tut und sie dann gewinnt, weil man gut war ...", erklärte Geraldine ungeniert dem Jahrmarktsmann, der für nur einen Penny drei Bälle zum Dosenwerfen anbot. Er lachte und Ada, wie Magdalena genannt wurde, als Geraldine das Sprechen gelernt hatte, errötete.
"Sei nicht so vorlaut, Gil", sagte sie in leisem, lächelenden, aber dennoch ernsten Ton.
"Ach was, junge Miss, lasst das Kind nur reden. Wenn es erwachsen wird, wird es sich schon oft genug selbst den Mund verbieten müssen", er war ein Bär von einem Mann, vor dem Ada sich ein bisschen fürchtete, doch Gil schien keine Berührungsängste zu haben.
"Wenn man einen Penny teilen könnte, würde ich einen Handel eingehen", sagte sie weiter, die Warnung ihrer Schwester missachtend, und blickte vorwitzig in das haarige Gesicht, aus dem das bassige Lachen drang.
"Nun gut, nun gut, Du hast mich geschlagen. Ich gebe Dir vier Versuche für einen Penny, ist das ein Deal?" -
"Sieben!" -
"Gil!", Ada wollte dawischen gehen, doch die beiden schienen jetzt schon in ihr Spiel verliebt zu sein.
"Sechs und keinen mehr! Und nur, weil Du so eine hübsche kleine Lady bist!", lachte der Dicke.
"Einverstanden", schlug Geraldine ein und er legte sechs Bälle auf den Tresen, kassierte seinen Penny und trat zur Seite.
Ada hätte sie auch nicht abhalten können, hätte sie gewollt. Sie kam gegen das Temperament ihrer kleinen Schwester nicht an. Nicht, weil das Temperament so stark war, was es allerdings war, sondern weil Ada selbst eher zurückhaltend war. Schon als Kind war sie das gewesen, als Baby hatte sie nie geschrieen, Gil hingegen hatte das ganze Haus zusammengebrüllt. Die beiden waren grundverschieden und das lag nicht an den zehn Jahren, die ihr Alter sie trennte. Dennoch waren sie ein Herz und eine Seele, beide liebten einander abgöttisch und hätten alles für die andere getan.
"Super ... schon drei ...", rief Geraldine gerade und schaffte tatsächlich noch zwei weitere Dosen zielsicher zu Fall zu bringen.
"Bravo", sagte Ada freudig und leise und der Mann in der Bude grinste wieder bärig.
"Dann hat die kleine Lady aber einen richtigen Wurfarm, würde ich behaupten. Hier", er griff nach einem riesigen runden und bunten Lutscher, der fast das ganze Gesicht des Kindes einzunehmen drohte,
"Du hast Deinen Preis wahrlich verdient!" Geraldine nahm ihre Belohnung dankend an und knickste frech.
"Sag Danke ...", erklärte Ada lächelnd und sah nur kurz zu dem Bär. Gil aber sah das alles nicht so und ihre große Schwester tadelnd an.
"Warum sollte ich? Ich habe bezahlt, ich habe getroffen und ich habe ehrlich und fair gewonnen. Warum muss ich Danke sagen?" Wieder lachte der große Mann und Ada konnte darauf nichts weiter erwidern bis auf:
"Weil man das so macht."
Da kamen aber auch schon andere Spieler und der Mann winkte ohnehin ab. Er hatte das Nichtdanken nicht falsch verstanden und rechnete der Kleinen ihren Schneid sichtbar an.
"Sie hat ganz Recht", ertönte dann eine dunkle, männliche und sehr angenehme Stimme in Adas Rücken. Sie wandte sich um, während Geraldine nur seitlich zu dem Mann aufblickte und die Augenbrauen skeptisch zusammenzog.
"Ich meine, sie hat ganz Recht, sich nicht für etwas zu bedanken, was sie ehrlich und fair verdient hat. Nicht wahr, junge Lady?" Vor ihnen stand ein stattliches Exemplar von einem Mann. Tiefe blaue Augen, dunkles Haar, ein reines bartloses Gesicht, schön geschwungene Lippen, hübsche Zähne und der Kleidung nach zu urteilen, wohl situiert.
Geraldines Mine verließ die Skepsis und sie grinste ob dieser Bestätigung ihres Betragens zu ihrer Schwester hoch.
"Setzt ihr doch nicht solche Flausen in den Kopf, Mylord", wich sie, wieder errötend, seinem direkten Blick in ihr Gesicht aus und sah zu Gil hinunter, um nicht einfach wegzusehen. Sein kurzes lautes Lachen holte sie aber wieder zurück zu seinem Blick.
"Verzeiht, My Lady, aber ich bin gewiss kein Lord." "Und sie keine Lady ...", übernahm Gil die Antwort, die Ada zur Erwiderung fehlte.
"Nicht?", der Fremde grinste und sah das junge Mädchen lächelnd an.
"Sieht sie nicht aus wie eine Lady mit ihrem hübschen Gesicht und dem schönen Kleid? Das schöne, dichte Haar und ihrer anmutigen Frisur? Findest Du nicht, dass sie eine Lady sein könnte?", fragte er sie und Geraldine sah wieder zu Ada hoch, die nun gänzlich hinter Wangenröte verschwand.
"Doch, sie ist die schönste Schwester auf der ganzen Welt, aber sie ist dennoch keine Lady!", sie beharrte auf ihrem Wort, wie sie immer auf allem beharrte, was sie empfand.
"Lass gut sein, Gil", sagte Ada leise.
"Aber sie könnte eine sein, also darf ich sie so nennen", ignorierte der Mann Adas Worte, wie auch Gil sie ignorierte.
"Ja, das stimmt", nickte diese.
"Also erlaubst Du mir, dass ich sie weiterhin My Lady nenne?" "Nicht so ganz." "Nicht so ganz?" Ada musste trotz der für sie doch irgendwie unangenehmen Situation, die ihr dennoch schmeichelte, lächeln, wie eingehend er mit der Kleinen umzugehen wusste.
"Wieso nicht so ganz?" -
"Sie gehört Dir gar nicht. Es ist also nicht richtig, sie als Deine zu bezeichnen ..." "Gil, bitte, vergiss das Siezen nicht ...", sagte sie leicht ermahnend und zu ihm gewandt,
"... entschuldigt bitte ihr Betragen."
Jetzt sah er wieder zu Ada und sie fühlte ihre Wangen abermals aufglühen.
"Das macht überhaupt nichts. Wenn man so fest mit beiden Beinen auf dem Boden steht, darf man sich fast alles erlauben", entschied er schlicht und lächelte weiter.
"Und Miss Gil hat Recht, Ihr gehört mir natürlich nicht, aber kann ich Euch vielleicht einladen? Jetzt hier auf dem Jahrmarkt? Zu einer Süßigkeit vielleicht?"
"Ich ... nein, es tut mir leid, wir wollten gerade gehen." Ada lächelte entschuldigend, wusste nicht umzugehen mit so viel Aufmerksamkeit.
"Wollten wir?" -
"Ja, wollten wir.", bestätigte sie die Frage Gils sanft und zog sie leicht mit sich.
"Vielen Dank für das schöne Gespräch. Ich wünsche Euch einen guten Abend, Sir." Er schmunzelte belustigt, als sie Gil vom Jahrmarkt führen wollte. Erst wenige Sekunden später folgte er ihr.
"Entschuldigt bitte, Miss, nur auf einen Moment", sprach er sie wieder an.
"Vielleicht morgen Abend? Einen Spaziergang im Mondschein?" Gil grinste zu ihrer Schwester hoch, die nicht wusste, wie sie antworten sollte.
"Natürlich will sie", entgegente die Kleine und handelte sich einen tadelnden Blick ein.
"Die Erlaubnis von Miss Gil scheine ich zu haben. Ich bitte Euch, widtmet mir einen Abend und wenn Ihr dann noch immer keinen weiteren möchtet, respektiere ich Eure Entscheidung." Ada blickte verunsichert von ihm zu ihrer Schwester und wieder zurück. Sie schien schon längst gegen die beiden verloren zu haben.
"Ich kenne nicht einmal Euren Namen", versuchte sie die Antwort hinauszuzögern, konnte aber nicht verleugnen, dass sie ihn recht anziehend fand.
"Ich Euren ebensowenig", entgegnete er ihr und sie wurde schon wieder rot.
"James Ashton", sagte er aber dann, bevor sie etwas sagen konnte und verneigte sich galant.
"Magdalena Hayward", brachte sie hervor und lächelte betroffen.
"Alle nennen sie Ada", erklärte Gil,
"und ich bin Geraldine Hayward, sehr angenehm", jetzt schmunzelte auch Ada als sie auf Gil sah, die dem Mann die Hand hinstreckte. Dieser nahm sie aber wie man die einer Lady nahm und deutete einen Handkuss an.
"Sehr angenehm, Miss Geraldine Gil Hayward", dann nahm er auch Adas Hand, die sich nicht wehren konnte und sah ihr bei seinem Handkuss tief in die Augen,
"und Miss Magdalena Ada Hayward." Sein Blick funkelte sie an wie klare Sterne.
"So trefft mich doch hier unter dem Rosenbogen beim Park, gegen sechs möchte ich meinen, ich werde da sein und empfehle mich", er wartete gar keine Antwort ab, verbeugte sich vergnügt jeweils vor jeder der Ladys und ging von dannen.
"Du hast ein Rendevouz", kicherte Gil und ließ sie mit dieser Anspielung bis zum nächsten Abend nicht in Frieden.
Die Hand der Tochter
Aus diesem Treffen wurden alsbald einige Treffen. Dass er sie nur nachts treffen konnte, erklärte er damit, dass er die Sonne nicht recht vertrug. Es störte sie nicht. Und aus diesen Treffen wurde dann alsbald sein Geständnis, sich in Ada verliebt zu haben. Da sie jedoch jeglichen körperlichen Kontakt vor einer Hochzeit vermied, passte er einen guten Zeitpunkt ab, um um ihre Hand anzuhalten. Selbstverständlich, wie es sich gehörte, bei Adas Vater Timothy Hayward, einem Mann, der seiner Familie nicht gänzlich einen Mittelstand bieten konnte, sie aber über alles liebte.
Er fühlte sich geehrt, dass ein solch betuchter Mann seine älteste Tochter ehelichen wollte und willigte ein, darüber nachzudenken. Er sprach mit seiner Frau Mary-Anne und auch mit Ada selbst.
"Geht das alles nicht viel zu schnell?", fragte Mary-Anne und sah dann auf ihre Tochter, die mit am Küchentisch saß.
"Wenn man sich liebt, kann nichts schnell genug gehen", lachte Timothy und Ada senkte verlegen das Haupt.
"Liebst Du ihn so sehr, dass Du glaubst, dass Du Dein Leben mit ihm verbringen möchtest?" Jetzt sah sie wieder auf und strahlte über das ganze Gesicht.
"Ja, Mama, das tue ich wirklich. Aber ich finde auch, dass es etwas schnell geht ... ich kann es gar nicht fassen und will es gar nicht glauben."
"Ach Papperlapapp, bei uns ging das auch nicht viel kürzer und schau, wir lieben uns wie am ersten Tag. Tun wir doch, oder?" "Wir hatten Glück", erklärte seine Frau und lächelte aber dennoch. Es war eine Liebesheirat gewesen, in ihren Kreisen nicht unüblich, weil die Aussicht in höhere Kreise einzuheiraten nicht gerade hoch war.
"Du hast meinen Segen, wenn Du es wirklich willst, mein Kind", sagte sie liebevoll und Timothy klopfte aufs Holz.
"Dann wäre es abgemacht und ich bin froh, dass Du eine solch gute Partie machen kannst, mein Mädchen." "Ich bin eher froh, dass sie aus Liebe heiratet", erklärte Mary-Anne.
"Natürlich, das auch", Timothy lachte und war wegen allem einfach froh. Ada selbst atmete durch. Sie würde also heiraten.
Es gab nur noch eine kleine Winzigkeit.
"Er ... er möchte allerdings in die neue Welt fahren, er möchte nach Amerika ziehen", brachte sie dann heraus, Angst davor, was ihre Eltern dazu sagen würden. Mary-Anne gefror das Lächeln auf den Lippen, doch ihr Vater schien nicht weiter überrascht, auch wenn auch aus seinem Blick ein bisschen Glanz wich.
"Ja, ich weiß, er hat es mir mitgeteilt", sagte er und warf seiner Frau einen entschuldigenden Blick zu.
"Nach Amerika ...", wiederholte diese und ließ sich in den Stuhl zurücksinken.
"Ich würde sehr oft schreiben, Mama, jeden Tag, an jeden von Euch."
"Wir werden Dich vielleicht nie wieder sehen", Mary-Ann war wie paralysiert.
"Ach nein, überhaupt nicht. James hat doch Geld, er wird sicherlich die Überfahrt alle paar Jahre zu Weihnachten hier her bezahlen können", schlichtete ihr Vater und Ada hoffte, dass es so war.
"Bestimmt wird er das ...", sagte sie leise und nahm die Hand ihrer Mutter in die ihre. Diese liebevolle, warme, weiche Hand, die nie zu altern schien, auch wenn schon graues Strähnen ihr Haar durchzogen und man auch jetzt sogar die Ansätze ihrer Lachfältchen deutlich sehen konnte.
"Oh, mein Kind ...", sagte sie, zog sie an sich und drückte sie fest. Ada ließ es geschehen, atmete ihren feinen Duft nach Seife und Gemüsesuppe ein und wünschte, sie würde sicher wissen, dass es nicht das letzte Mal was, dass sie sie so sehr umarmte. Tränen stiegen beiden in die Augen und doch lächelten sie einander an als sie sich lösten. Mary-Ann drückte ihr wehmütig einen Kuss auf die Stirn, auf die Wangen und die Lippen und lächelte.
"Hauptsache Du bist glücklich, mein Kind, Hauptsache das. Mehr will ich nicht. Außer täglich einen Brief ..."
"Das verspreche ich Dir! Das verspreche ich Dir auf ewig!", lächelte jetzt auch Ada und sie drückten sich wieder an sie, während der Vater einen kleinen Jubelschrei ausstieß und Gil hineingestürmt kam, um sich mit ihnen zu freuen.
Sie nahm es nicht so schwer, Abschied zu nehmen. Gil war zuversichtlich und ganz sicher, dass James Ada hin und wieder nach London kommen ließ und dass auch sie vielleicht irgendwann ihre große Schwester im noch größeren New York besuchen kommen durfte.
Die Hochzeit sollte nur wenige Wochen später folgen. Die Aussteuer war dürftig, aber sie war liebevoll und von Herzen zusammengestellt. James schien sie auch nicht wichtig zu sein, denn er machte den Eltern ein großzügiges Geldgeschenk. Für ihn war es eine Art Abfindung, aber das sagte er nur leichtfertig dahin, weil er die hübsche Tochter aus dem Hause Hayward so weit weg entführte. Sie lachten darüber und niemand wusste, dass sie Ada niemals wieder sehen würden.
Hochzeitsnacht - Blutnacht
Schon gleich nach der abendlichen Hochzeit würde das Schiff ablegen und alle begleiteten sie zum Hafen, um es ablegen zu sehen, hinterher zu winken, zu weinen und sich dennoch zu freuen, dass Ada glücklich werden würde, auch wenn alles, was sie erwartete, erst einmal fremd war. Lange stand Ada an der Reling und sah auf das kleiner und dunkler werdende England zurück, das 19 Jahre lang ihre Heimat gewesen war.
James besprach sich mit einigen seiner Geschäftsfreunden, die mit ihnen nach New York reisten, und so ging sie allein in ihre Kabine und war etwas aufgeregt, weil sie hier ihre Hochzeitsnacht verbringen sollten. Der Komfort des Schiffes seiner Zeit war noch nicht sehr hoch, dennoch konnte man einen Unterschied festmachen zwischen des Zustandes des Schiffes an sich und der Passagiere, die viel Geld für eine etwas bessere Unterkunft bezahlen konnten.
James kam spät, sie war auf dem Bett eingeschlafen, als er die Türe schloss. Sein Blick war verändert, doch Ada bezog das auf das gedämpfte Licht und ihre Müdigkeit, als sie ihn wach werdend anlächelte.
"Wie spät ist es?" -
"Halb vier", antwortete er knapp und löste seine Fliege, nachdem er das Jackett ausgezogen hatte.
"Oh, spät ...", sagte sie noch etwas schlaftrunken und stand auf, um sich das Kleid zu öffnen. Die Aufregung kam zurück und sie errötete bei dem Gedanken, sich vor ihm auszuziehen.
"Spät? Daran wirst Du Dich wohl gewöhnen müssen ...", er klang gereizt und sie sah ihn fragend an.
"Ist was passiert? Alles in Ordnung? Geht es Dir gut?", fürsorglich kam sie einen Schritt auf ihn zu und wollte sein Gesicht in ihre Hände nehmen, wie sie es sooft schon getan hatte, doch barsch entzog er sich ihrer Nähe und öffnete das Hemd.
"Was soll die Fragerei? Natürlich geht es mir gut!"
Verstört über seine grobe Art ließ sie die Arme sinken und sah ihn verständnislos und fragend an.
"Ich ... es tut mir leid ... ich wollte nicht-" -
"Es interessiert mich einen Dreck, was Du wolltest. Du hast mich mit Respekt zu behandeln, verstehen wir uns?" Es war keine Frage, die er an sie stellte, sondern ein Befehl, den er ihr gab und sie verstand die Welt nicht mehr. Ada wusste nicht, was sie darauf sagen, wie sie reagieren sollte auf seine Art und Weise mit ihr zu sprechen, erschrak vor diesem Zorn, den sie an ihm nicht kannte, und glaubte sich in einem bösen Traum.
"HABEN WIR UNS VERSTANDEN, HABE ICH GEFRAGT?", schrie er sie an und Ada zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen.
"Ja ... ja, natürlich haben wir ... ja", sie wich vor ihm zurück und stieß am Kosmetiktisch an, der hier her gestellt worden war und eigentlich gar nicht hier her passte, und sie jetzt daran hinderte, noch weiter zurückzuweichen. Ihre Stimme war überaus leise geworden, ängstlich.
"Gut", sagte er schlicht und streifte das Hemd von den Schultern,
"Zieh Dich aus!" Doch Ada wollte sich nicht ausziehen, nicht vor einem Mann, den sie nicht wiedererkannte, nicht in dieser Situation, nicht hier, nicht jetzt, überhaupt nicht.
"Ich ...", sie wollte ihm aber auch nicht widersprechen aus Angst, dass er wieder schreien würde.
"Was DENN? Zieh DICH AUS, HAB' ICH GESAGT!"
Er hatte mittlerweile den Gürtel an seiner Hose geöffnet, als er hart ihr Handgelenk ergriff und sie zu sich zog, sie umdrehte und ihr das Mieder ihres Hochzeitskleid mit voller Kraft aufriss. Tränen schossen in Adas Gesicht. Sie wollte sich wehren, doch er war so viel kräftiger als sie.
"Bitte ... bitte nicht ... ich ...", sie fand überhaupt keine Worte auszudrücken, was sie nicht wollte, gar keine Möglichkeit zur Abwehr. Das Kleid riss er ihr ihre Worte ignorierend herunter, wie auch den Rest, den sie vor einigen Stunden noch liebevoll ausgesucht und angezogen hatte, behandelte sie wie eine Puppe, drehte sie in die Richtung, in die er sie brauchte, bis sie nackt vor ihm stand, die Beine gegeneinander presste, mit dem Armen die Brüste bedeckte, zitterte wie Espenlaub und weinte.
"HÖR AUF ZU HEULEN!", schrie er sie wieder an und sie schluchzte auf, unfähig überhaupt irgendetwas zu tun. Er holte aus und schlug ihr so hart ins Gesicht, dass sie mit einem erschrockenen Aufschrei aufs Bett fiel.
Dann vollzog er die Hochzeitsnacht mit ihr, wie es sich für ein frischgetrautes Ehepaar gehörte ...
Für Ada schienen gefühlte Ewigkeiten zu vergehen. Als er sie biss war das der geringste Schmerz. Als er verlangte, dass sie sein Blut trinken sollte, wäre sie auch körperlich nicht mehr fähig gewesen, sich zu wehren. Als sie starb, auch wenn sie nicht wusste, weshalb - und sie wusste in diesem Moment, dass sie starb - war sie froh, dass nun endlich alles vorbei war.
Ihre letzten Gedanken galten ihrer geliebten Familie und den Worten ihrer Mutter: <font color="#808080">"Hauptsache Du bist glücklich, mein Kind, Hauptsache das. Mehr will ich nicht."</font>
"Das bin ich, ganz bestimmt, Mama, das bin ich jetzt gleich ...", flüsterte sie, bevor die Dunkelheit ihr Bewusstsein mit sich nahm.
Die neue Welt
Als Ada wieder erwachte, schlief James selig neben ihr, als wäre nichts gewesen. Sie fühlte sich eigenartig, aber nichts an ihrem Körper tat ihr weh bis auf die Krämpfe in ihrem Magen. Übelkeit überkam sie und sie rutschte aus dem Bett und übergab sich in die Waschschüssel. Doch mehr als Galle und ein bisschen Blut kam nicht. Das Hochzeitsessen hatte sie nicht mehr miterlebt, vielmehr war ihr schlecht, als in ihr Bewusstsein zurückkam, was geschehen war. Tränen rannen ihr übers Gesicht und sie rutschte zu Boden und weinte, versuchte nicht zu schluchzen, um ihn nicht zu wecken und erst Minuten später begriff sie, was es bedeutete, dass er schlief.
Sie griff nach einem Kleid, zog es sich über und schlich zitternd zur Tür, doch sie war verschlossen. Sie rüttelte daran, aber sie ließ sich nicht öffnen. Verzweifelt ließ sie sich abermals an dem kalten Holz der Türe hinuntergleiten, weinte, weil sie nicht aufhören konnte zu weinen, und griff dann mit dem nächsten Gedanken nach seiner Hose. Darin fand sie den Schlüssel, doch als sie die Tür mit zitternden Händen aufschließen wollte, drückte er schon seine Hand an ihr vorbei dagegen.
"Wo willst Du denn hin? Meinst Du, ich finde Dich nicht, wenn Du auf dem Schiff herumstreunst?"
Schiff ... sie war auf einem Schiff ... Ada drückte sich voller Angst in die Ecke an der Türe und er grinste sie nur an. Viel ausgeglichener, ruhiger, wie ihr schien, doch sie durchflutete nur Angst.
"Warum?", flüsterte sie kaum hörbar, es dröhnte dennoch in ihrem Kopf,
"Warum hast du das getan?" Er hätte alles von ihr haben können, er hatte sie doch schon ... sie hatte ihn geheiratet, alles hätte schön sein können. Alles! Warum hatte er das getan? Welchen Grund hatte er, sie anzuschreien, sie zu schlagen, mit Gewalt zu nehmen, was sie ihm doch freiwillig gegeben hätte?
"Warum?", er war weiterhin ruhig, als hätte er sich abreagiert und wäre jetzt wieder die Ausgeglichenheit in Person. Sanft nahm er ihre Hand, den Schlüssel aus dieser in seine und führte sie mit leichtem Druck in die Kabinenmitte zurück und drückte sie aufs Bett. Sie wollte nicht, doch sie ließ es zu, wollte nicht, dass er sie wieder schlug. Ada rutschte so weit weg von ihm, wie möglich und zog die Beine an ihren Körper, zitterte vor Angst und Unwohlsein.
"Nun, damit Du weißt, wer hier das sagen hat und wie Du Dich zu verhalten hast", beantwortete er dann ihre Frage, band sich ein Laken um die Lenden und sammelte seine Hose vom Boden auf, um sie über die Stuhllehne zu hängen.
"Du hättest alles von mir haben können - alles ... ich verstehe nicht, warum ... ich verstehe es nicht ..." -
"Frauen verstehen Männer nicht, das ist nichts absonderliches. Tu einfach, was ich von Dir verlange und alles ist gut", es klang so schlicht, fast einleuchtend. Ganz so, als wäre es das normalste der Welt. Ada schluckte, es fühlte sich komisch an zu schlucken.
Jetzt erst bemerkte sie, dass sie ihn viel deutlicher in dem fahlen Licht erkennen konnte, dass er sehr leise sprach und sie ihn dennoch verstand. Spürte eine Art Verbundenheit zu ihm, die ihr völlig fremd in ihrer Situation vorkam. Über ihnen schritt jemand in seiner Kajüte auf und ab, sie hörte es, als wäre er in diesem Zimmer.
"Du bist jetzt anders, das merkst Du, nicht wahr?" Ada sah auf und zu ihm hin. Sie hatte ihre Hände angesehen, sie wirkten makelloser als zuvor, wenn das überhaupt möglich war. Sie wusste nichts zu sagen, keine Frage zu stellen, wusste nicht, woher er wusste, dass sie sich so anders fühlte.
James setzte sich auf die Bettkante und sah sie prüfend an. Sein Blick war zärtlich. Ganz wie zu Beginn, als sie ihn kennengelernt hatte. Bei ihren Treffen im Park, ihren Spaziergängen - als sie noch so sehr in ihn verliebt war. Dieses Gefühl schlich zurück in ihr Herz, trotz allem, was er ihr angetan hatte. Vielleicht weil ihr Körper keinen Schmerz von all dem mehr empfand.
Es war, als könne er sich nicht erinnern, was passiert war, auch wenn ihr Kopf das noch sehr genau wusste. Doch sein Blick ließ diese Erinnerung verschwimmen. Nicht gänzlich, aber es war wie im Traum, irgendwie unwirklich. War das alles wirklich passiert, wenn sie doch überhaupt nichts in sich fühlte? Sie wusste, sie hätte sich elend fühlen müssen, aber da war nichts. Überhaupt nichts. Sogar die Übelkeit war verschwunden.
"Du bist jetzt ein Vampir ... pardon ... eine Vampiress selbstverständlich. Eine wunderschöne noch dazu. Jedenfalls wenn Du dir die Schminke aus dem Gesicht wischt und Deine Tränen", er warf ihr ein Taschentuch zu, das er offensichtlich aus seiner Hosentasche gezogen hatte, als er noch gestanden war.
Sie griff danach, hielt es fest zwischen den Händen und rührte sich nicht.
"Mach Dich sauber, Ada, das sieht wirklich furchtbar aus ...", er lächelte und dennoch erinnerte sie sich an seine Worte. Sie solle tun, was er sagte und nichts weiter würde passieren. Er würde sie nicht anschreien, sie nicht schlagen, ihr keine Gewalt antun, hatte er gesagt, wenn sie nur tat, was er verlangte. Also wischte sie sich die Schminke mit den Tränen vom Gesicht.
"Schon viel besser", lächelte er dann, doch sie konnte es nicht erwidern. Erst jetzt kam ihr in den Sinn zurück, was er soeben gesagt hatte.
"Vampire gibt es doch nur in Gruselgeschichten ...", sagte sie leise und hoffte, dass das nicht schon viel zu viel gewesen war, um den nächsten Wutanfall auszulösen.
Er lachte. Dieses Lachen. Sie kannte dieses Lachen, sie hatte es lieb gewonnen. Irgendwann. Vorher. Jetzt war es nur noch bedrohlich.
"Ja, das glauben die Menschen. Sie brauchen eine Erklärung für alles, für das sie sonst zu einfältig sind, es zu begreifen. Sie sollen gar nicht von uns erfahren, also erfahren sie Geschichten."
Sie konnte das nicht glauben. Es klang viel zu fantastisch. Aber dass etwas mit ihr anders war, spürte auch sie. Nicht nur tief in sich, sondern überall in und an ihr. Sie spürte, dass etwas anders war, sie
wusste, dass etwas anders war.
"Gib mir Deine Hand", sie wich noch ein Stück zurück,
"los, gib mir Deine Hand ...", er wurde nicht ungeduldiger und doch sträubte sich alles in ihr.
"Ada!", seine Stimme war etwas fester und es dröhnte in ihrem Kopf und sie rutschte ihm nur ein kleines Stück entgegen, damit er ihre Hand ergreifen konnte, um sie dann gänzlich zu sich zu ziehen.
"Bitte ...", bat sie flehend, doch er ignorierte sie und biss ihr ins Handgelenk. Wieder schrie sie leise auf, wollte ihre Hand wegziehen, die Panik wollte wiederkommen, doch schon ließ er von ihr ab, sie los, sie zog sich wieder zurück, hielt die blutende Wunde und wieder schossen ihr die Tränen in die Augen.
"Schau auf die Wunde", sagte er unbeeindruckt und wischte sich das Blut von den Lippen. Sie konnte nicht.
"Schau hin!", sagte er jetzt lauter und die Ungeduld kehrte in seine Stimme zurück. Sie zögerte und doch schaute sie ... und erschrak. Sie ließ ihr Handgelenk los, sah das bisschen Blut, das noch daran entlang glitt, doch es war nichts zu sehen. Keine Wunde, nichts mehr, aber etwas ganz anderes war jetzt in ihr. Der Anblick. Der Anblick dieses roten Blutes, ihres Blutes, es durchzog sie eine Lust danach, die sie kaum zu beschreiben vermochte. Ekel und Anziehung, Ablehnung und Lust durchzogen ihren Körper und sie konnte für Augenblicke nicht von diesem Anblick lassen.
"Leck es ab!", befahl er dann und auch wenn sie sich sträubte, ihr Wille war stärker, es zu tun. Die Lust darauf unbändig und sie zögerte nicht, seinem Willen zu folgen. Sie erschrak vor sich selbst, als nichts mehr von dem roten Lebenselixier auf ihr klebte. Ada wollte vor sich selbst zurückweichen. Doch wie wich man vor sich selbst zurück? Angstvoll blickte sie in seine Richtung. Vampir ... er hatte gesagt, sie sei ein Vampir ...
"Glaubst Du mir jetzt endlich?", er hatte keine Lust mehr, sich länger damit aufzuhalten, man hörte es deutlich heraus.
"Mit dem Teufel ... Du bist mit dem Teufel im Bunde ...", brach es aus der gläubigen Ada heraus und das erheiterte ihn tatsächlich. So sehr, dass er laut lachte und es schien, als wolle er gar nicht mehr damit aufhören. Es klang für Ada wie das Lachen der Hölle persönlich.
"Was hast Du mit mir gemacht?! Warum hast Du das mit mir gemacht? Warum?!", eine nie gekannte Energie durchflutete ihren zarten Körper und sie wäre bereit gewesen, auf ihn los zu gehen, mit Fäusten auf ihn einzuschlagen, doch er hielt ihre Hände fest, als sie bei ihm angekommen war, hielt ihre Handgelenke und lachte weiter.
Dann wurde ihr bewusst, was sie tat, erkannte, in welcher Gefahr sie sich befand, wenn sie sich gegen ihn auflehnte und ließ von ihm ab. James stand auf und sah auf sie herab, wie sie da auf ihre Hände gestützt mit geschlossenen Augen halb sitzend, halb lag und hörte abrupt auf zu lachen.
"Du wirst Dich dran gewöhnen. Und ganz sicher kannst Du verstehen, dass Deine Familie keine Briefe von Dir erhalten kann. Ich werde ihnen schreiben, dass Du auf der Reise gestorben bist. Es ist nicht selten, dass das passiert. Sargschiffe nennen sie solche Schiffe schon. Nun ja ... es würden Krankheiten das ganze Schiff einnehmen. Sie brauchen eben ihre Geschichten, diese Menschen."
Ada hatte nur verstanden, dass sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie haben sollte und sah angstvoll zu ihm auf, bittend, ja flehend, dass er ihr das doch nicht auch noch nehmen konnte.
"Das kannst Du nicht verlangen ... James, das kannst Du nicht verlangen, das kannst Du ihnen nicht antun?" Vergessen war alles, was er ihr antun konnte und angetan hatte. Sie wollte nicht, dass ihrer Familie solch ein Verlust, solch ein Schmerz zugefügt würde.
"Ich mache alles für Dich, James, alles, aber bitte ... bitte Du kannst ihnen das nicht sagen. Meine Mutter, es würde ihr das Herz zerreißen ...", doch er kannte keine Gnade, hatte kein Mitleid, es war ihm egal. Er brauchte es nicht einmal sagen, sie sah es an seinem Blick.
"Bitte ... bitte, James, alles ... ich tue alles für Dich!", bat sie deswegen weiter.
"Das wirst Du auch so tun, Ada. Du bist mein Weib. Du bist verpflichtet, mir zu gehorchen und das zu tun, was ich von Dir verlange. Sei froh, dass ich sie nicht getötet habe!" Ihre Augen weiteten sich. Hatte er das soeben wirklich gesagt?
"Aber das kann ich mir noch überlegen, meine Liebe. Wenn Du nicht spurst, habe ich genügend Leute, die sofort zu ihnen fahren, wenn ich es befehle. Ich denke, wir haben uns verstanden, nicht wahr?"
Ada schluckte und sie verstand, sagen konnte sie aber nichts, nur den Schmerz in ihrem Herzen fühlen, den der Verlust und die Angst in ihm auslöste.
"HABEN wir uns VERSTANDEN, Ada?", er wurde lauter und sie drückte die Lider zusammen, weil es zu laut für ihr neugeborenes Vampirgehör war.
"Ja ...", flüsterte sie ergeben,
"Ja, James, ich werde alles tun, was Du verlangst ...", in diesem Moment hatte sie aufgegeben, resigniert, wollte ihre Familie schützen und alles tun. Wenn sie sich in den nächsten Wochen doch noch versuchte, sich zu wehren, gab sie es unter seiner Gewalt sehr schnell auf. Sie lernte in seiner Nähe ein Nichts zu sein, Stück für Stück, dass er sie so wenig wie möglich beachtete. Auch wenn es schwierig war in der Kabine, wenn er sie nicht gerade darin einschloss. Die ganzen vier Wochen ihrer transatlantischen Reise verbrachte sie nur dort.
Nachts war er mehrere Stunden weg. Treffen mit Geschäftsfreunden, wie er sagte. In anderen Stunden erklärte er ihr, was sie wissen musste über das Vampirdasein. Jedenfalls das, was nötig war. Alles andere schien ihm unwichtig zu sein und sie wusste es nicht besser.
Jeden Abend betete sie zu Gott, er möge sie von diesem Fluch befreien, doch nichts geschah. Sie fragte sich, was sie getan hatte, eine solche Strafe verdient zu haben, doch auch darauf bekam sie keine Antwort. Nach und nach zweifelte sie daran, ob es überhaupt einen Gott gab und dennoch betete sie "zur Sicherheit", falls es ihn doch geben sollte.
Einmal auch neben ihm, als er vermeintlich schlief. Sie betete in Gedanken. Dass er diese lesen konnte, hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst. Als er sie jedoch mittendrin unterbrach und ein weiterer Wutausbruch mit Schlägen folgte, hörte sie auf zu beten. Sie traute sich nicht mehr und nach und nach schwand die Hoffnung, dass es vielleicht einen Gott geben könnte. Und falls es ihn doch gab, dann ließ er mit dieser dämonischen Kraft eines Vampirs Gedanken zu lesen nicht zu, dass Vampire zu ihm sprachen. Sie fügte sich diesem Schicksal.
Es war das letzte Mal auf ihrer Reise, dass er sie schlug, auch wenn er gegen Ende immer ungeduldiger und nervöser wurde. Vielleicht auch, weil es nicht mehr so viel Blut gab. Die Menschen starben an Bord wie die Ratten, die Mannschaft versuchte sie aufzuteilen, um die angebliche Krankheit im Zaum zu halten, doch niemand fand einen Grund, warum die Menschen starben und wirkten, als wären sie blutentleert.
Ada bekam davon nichts mit. Sie erhielt ihre Rationen, die James ihr in einer Kanne mitbrachte. Doch es wurde zunehmend weniger. Es machte ihr nichts aus. Nicht in ihrem Kopf, der sich noch nicht daran gewöhnen wollte, dass Blut nun das einzige war, das sie noch zu sich nehmen können sollte.
Dennoch ... er rastete nicht mehr aus. Es lag vor allem daran, dass Ada erschreckend schnell lernte, wie sie mit ihm umgehen musste, wenn er schlecht gelaunt war. Sie reizte ihn nicht, tat alles, was er wollte, ohne Widerworte, ohne Regung des Missfallens, hielt einfach aus. Die Hoffnung in ihr kehrte zurück, dass es nie wieder passieren würde, wenn sie weiterhin gefällig war. Sie richtete ihr Leben darauf aus.
Fluchtgedanken hegte sie nur zu Beginn. Sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn sie in New York ankämen und sie davon lief, wie sie ein Schiff fand und nach Hause zurückkehrte. Weit weg von ihm und seinen Launen. Doch als sie erkennen musste, dass er ihre Gedanken lesen konnte, unterdrückte sie auch diese Wünsche und gewöhnte sich selbst so ungewollt ab, überhaupt rebellische Absichten zu haben. Sie fügte sich und behielt nur einen kleinen Teil ihres Selbstvertrauens in sich fest verschlossen, weil sie instinktiv wusste, dass sie es zum Überleben brauchen würde.
Es waren auch die letzten Gedanken an einen möglichen Gott, als sie begriff, dass das ihr Schicksal sein würde. Erst dann erkannte sie auch, dass sie auch gar keine Möglichkeit hatte, als Vampir zurück zu ihrer Familie zu kehren. Wie hätte sie es erklären sollen? Nach einiger Zeit war sie sogar so weit, es richtig zu finden, dass James der Familie nach ihrer Ankunft telegraphieren würde, dass sie die Überfahrt nicht überlebt hätte. Es war besser so. Besser, dass sie dachten, sie sei tot, als ein Dämon.
New York
Als sie endlich mit einwöchiger Verspätung im Hafen New Yorks einliefen, hatten sie Glück als reiche, scheinbar gesunde Passagiere das Schiff überhaupt verlassen zu dürfen. James hatte viel Geld bezahlt, dass sie durch die Kontrollen kamen, ohne untersucht werden zu müssen. So kamen sie an Land und Ada spürte endlich wieder festen Boden unter den Füßen.
Auch, weil sie mittlerweile überzeugt war, dass sie einen Weg gefunden hatte, James bei Laune zu halten. So würde es bleiben, da war sie überzeugt, und so konnte sie ihr Leben weiterhin an seiner Seite verbringen. Sie musste schlicht tun, was er verlangte, und konnte sich auf die Momente freuen, in denen er nicht da war und seinen Geschäften nachging. Wenn er erkannte, dass alles gut lief, würde es sicherlich wieder schön werden können.
Sie zogen in ein kleines Anwesen in Manhattan und alles schien auf minimalistische Weise perfekt. Es kam sogar die Zeit, in der sie von sich selbst aus mit ihm schlief und keine Abscheu dabei empfand - aber auch nichts anderes. Sie richtete das Haus hübsch ein. Ein vertrauter Vampir geringeren Standes trat in ihren Dienst. Johann war sein Name, aber wenn Ada geglaubt hatte, in ihm eine Person zu finden, mit der sie sich vielleicht ein wenig austauschen und ablenken konnte, hatte sie geirrt.
Er sprach nur, wenn er gefragt wurde, blieb in ihrer Gegenwart wortkarger als bei James und schien diesem loyal ergeben zu sein. Nie erfuhr sie näheres über die Umstände, wie er zu seinem Posten gelangt war, aus welcher Familie er stammte oder ob er überhaupt noch welche hatte. Er diente und das war alles was er zu tun gedachte. Zumindest in den ersten Jahrzehnten.
James begann auf Gesellschaften zu gehen, um neue geschäftliche Kontakte zu knüpfen. Irgendwann wurde er nach seiner Frau gefragt und für Ada begann die Zeit der teuren Kleider, die er ihr mitbrachte, ebenso wie ein strenge Lehrerin der Damenschule, die ihr vermittelte, wie man sich als Gesellschafterin betätigte. Auch in ihr fand Ada keine Vertraute. Schon von Beginn an nicht, da sie eine Cousine von James war und ähnlich jährzornig wie er selbst. Sie tat, was sie verlangte, und mehr forderte sie nicht heraus.
Sie lernte so gut und so schnell sie konnte, dass diese Frau wieder aus ihrem Leben verschwand. James sah dies mit Wohlwollen, denn trotz der Verwandtschaftsverhältnisse bezahlte er diese Frau und trieb Ada an, sich intensiv der Aufgaben zu widmen, dass er keinen Dollar zuviel bezahlte.
Dennoch ging es ihm nicht schnell genug. Allein die Tatsache, dass er Ada zu diesen Empfängen mitnehmen sollte, widerstrebte ihm zu Beginn merklich. Er wurde übellauniger und Ada versuchte noch sensibler auf ihn einzugehen, lernte ihre Aura zu verändern, ohne anfangs zu wissen, dass sie diese Fähigkeit überhaupt besaß.
"Und ach, da Ihr die Aurenveränderung zu beherrschen scheint, rate ich Euch an, sie anzuwenden, wenn Ihr in Gesellschaften verweilt. Versucht Eure unglaubliche Nichtsartigkeit zu übertünchen, damit Ihr James auch wirklich schmücken könnt", James' Cousine, mit Namen Marit-Clair, erklärte dies beiläufig und Ada nahm es aufmerksam auf. Sie fragte nicht nach, wollte nicht zeigen, dass sie keine Ahnung hatte, was diese Frau ihr gerade erzählte, erkannte dann nach vielen Versuchen jedoch, was sie meinte. Sogar vor dem Spiegel konnte man es erkennen - dann nämlich, wenn sie sich selbst nur noch verschwommen darin wahrnehmen konnte.
Also übte sie auch das. Vor allem durch James gesteigerte Launenhaftigkeit. Auch er bemerkte ihre Fähigkeit und verlangte fortan, dass sie sie im Bett einsetzte, um ihn zu betören. Daraufhin zeigte sich, dass sie die Entzückung beherrschte und er schulte sie mit Druck und Drohungen in dieser, um sich selbst einen Gefallen zu machen. Doch sie war kein geborener Vampir, sie war jung, er war Jahrhunderte alt ... wie sollte es funktionieren?
Es war das erste Mal nach Monaten, dass er wieder begann Gewalt anzuwenden, weil sie ihm nicht genügen konnte. Ada hatte keine Chance, diese Situation zu verbessern. Sie konnte noch so sehr versuchen, zu tun, was er verlangte, sie war schlichtweg in ihrem Alter und ihrem Sein nicht fähig dazu. Lediglich, wenn sie ihre Aura noch stärker zu verändern lernen würde, so glaubte sie zurecht, konnte sie ihm wieder gerecht werden. Es funktionierte nur wenige Wochen.
Wenn es nicht das war, fand er jetzt ständig irgenwelche Gründe, sie zu schlagen. Und auch wenn die Schläge einem Menschen mehr Schmerz zugefügt hätten, als ihr als Vampiress, so war es doch ihre Seele, die großen Schaden dabei nahm. Ein Leben in Angst und ständiger Anspannung.
Als sie ihre Ausbildung nach wenigen Monaten endlich beenden konnte, schlug er sie derart zusammen, dass man erst Tage später sehen konnte, dass sie als Vampir eine Selbtheilungskraft besaß. Es sei deswegen gewesen, weil sie so viel Geld für eine Ausbildung benötigt hatte, die sie hätte schon längst haben müssen. Eine Erwiderung gab es darauf nicht. Auch wenn sie sie gekannt hätte, hätte sie sie ihm nicht entgegen gebracht.
Zumindest aber konnte sie ihn wieder besänftigen, als das erste gesellschaftliche Treffen in einer Oper mit viel Zuspruch an ihn durch ihre Schönheit und Gewandtheit verlaufen war. Er schien auf einen Höhepunkt zu gelangen und sie nun vorzugsweise zu allen derartigen Treffen mitnehmen zu wollen. Er brauchte die Aufmerksamkeit, die er durch sie an seiner Seite bekam. Die Beziehungen, die er knüpfen konnte, weil Ada ihn schmückte und charmant zu den potentiellen Geschäftspartnern war.
Sie zogen nach einigen Jahren in ein Anwesen auf Staten Island und gaben nun selbst Gesellschaften. Ada glänze zu jeder Zeit an seiner Seite und niemand bemerkte das fehlende Glück in ihrem Blick.
Unabhängigkeitserklärung
Es vergingen weitere Jahre. James' Geschäfte, von denen sie nie erfuhr, was er eigentlich genau tat, liefen hervorragend. Sein (scheinbar) bester Freund und Vertrauter <a href="
http://www.vampir-rollenspiel.de/board/ ... 01#post399" target="_blank">Earl Henry Graymore</a> wurde zum Hausfreund, ging stets bei ihnen ein und aus. Ada bediente die Herren im Salon mit Blut in Kristallgläsern, wenn sie sich besprachen. Und es kam der Tag, an dem sie eher zufällig als mutwillig ein Gespräch zwischen ihnen mitbekam.
Dass sie nicht bemerkt wurde, mochte daran liegen, dass sie mittlerweile alles daran setzen konnte, ihre Aura so unscheinbar wie möglich zu machen, auch wenn sie nicht fähig war, sie gänzlich zu unterdrücken. Es täuschte sogar den "Meister" in James. Sie war fähig, sie derart zu verändern, dass sie weit weg zu sein schien. Sie nutzte diese Möglichkeit zu fast jeder Zeit im Haus, wenn James auch zuhause war. Dafür benötigte sie mehr Blut, als er, nahm aber in Kauf, dass er ihr das vorhielt und entsprechende Maßnahmen ergriff, um sie dafür zu züchtigen. Es waren weniger Übergriffe als anders herum.
Mit den Gläsern auf dem Tablett trat sie an die angelehnte Flügeltüre und stockte, als sie ihren Namen aus dem Mund des Earls vernahm.
"Du musst Ada die Freiheit geben, die Leute reden schon ..." -
"Was interessieren mich die Leute, Henry", lachte James auf und Ada hielt die Luft an.
"Wenn Du sie weiter als Ghoul bei Dir behältst, wirst Du Geschäftspartner verlieren, die dafür kein Verständnis haben."
"Was können diese Geschäftspartner wert sein, wenn sie sich von solch einer Sache ablenken lassen?" James klang gereizt.
"<a href="http://www.vampir-rollenspiel.de/board/ ... 01#post400" target="_blank">George Michaels</a>, <a href="http://www.vampir-rollenspiel.de/board/ ... 01#post401" target="_blank">William Thorn</a>, <a href="http://www.vampir-rollenspiel.de/board/ ... 01#post398" target="_blank">Sir Roger Hempton</a>, ...", zählte Henry auf und Ada spürte eine Wutflamme durch James Aura ziehen, die er jedoch sofort wieder zu unterdrücken schien. Namen, die sie nicht kannte, aber offensichtlich zu wichtigen Männern gehörten. Vor allem der letzte.
Vielleicht weil er ein Sir war? James suchte vornehmlich den Kontakt zum Adel, zu hochsituierten Leuten, zu Vampiren, die ihm in einen höheren Status heben könnten. Er suchte nach deren Anerkennung, versuchte stets gut mit ihnen zu stehen, bleute ihr genau ein, wen sie ganz besonders gut unterhalten sollte, wen eher vernachlässigen konnte. Und auch wenn sie diese Namen nicht kannte, sie schienen ebenso wichtig, wie alle, die sie schon getroffen hatte. Vor allem Altvampire, alle dem klassischen Kodex angehörig.
"Gut", sagte er dann kurz angebunden, wanderte seit Minuten im Raum auf und ab,
"gut, dann meinetwegen ...", wiederholte er noch einmal und Ada ließ ihre Aura näher treten und klopfte leise an. Sie wusste, dass nicht die Freiheit gemeint war, die sie zuerst glaubte erhoffen zu können, aber es wäre eine Freiheit von ihm. Das Band würde endlich durchtrennt, das sie an ihn knüpfte. Sie würde freier atmen können, er sie weniger kontrollieren. Hatte er sie doch nicht nur einmal gezwungen, an Ort und Stelle zu bleiben, nur weil er es so wollte. Oder sie mit Kopfschmerzen gezwungen, sich an ihn zu schmiegen, wenn sie eigentlich viel weiter von ihm weg sein wollte.
Er funkelte sie böse an, doch sie sah nicht zu ihm. Stellte die Gläser ab, lächelte dabei wie gewohnt und verabschiedete sich still.
"Sei nachher da, ich muss mit Dir sprechen", sagte James beherrscht, bevor sie den Raum verließ - wo sollte sie auch hin?
"Natürlich, jederzeit", lächelte sie ihm zu, sogar sehr ehrlich in diesem Moment. Nickte noch einmal in Richtung Henry und schloss die Türe hinter sich. In diesem Moment hätte sie glücklicher nicht sein können.
Als James nach Henrys Verabschiedung eine Stunde später in ihrem Lesezimmer auftauchte, hatte er ein Brandeisen in der Hand. Es sah aus wie der fehlende Schürhaken, der neben dem Kamin verschwunden war. Wahrscheinlich hatte Johann ihn für den unteren Kamin gebraucht. James legte diesen in die Glut. Sie beachtete es nicht weiter und klappte das Buch zu, um es auf den Beistellttisch zu legen und sich zu erheben. Er mochte es nicht, wenn sie sitzen blieb, sobald er den Raum betrat.
"Du wolltest mit mir sprechen", sagte sie freundlich und unterdrückte die Vorfreude auf das, was sie erwarten würde. Aber sie nahm auch wahr, dass er schlecht drauf war und so wollte sie ihm keinen Grund geben, diese Laune an ihr auszulassen. Sicherlich war es der Grund, dass er sie freigeben sollte. Es passte ihm nicht und trotz allem stellte sie sich darauf ein, dass er seine Wut an ihr auslassen würde. Sie hoffte nur, dass es nicht zu heftig wurde und sie das meiste mit ihrer Ruhe abfangen konnte.
"Man sagte mir, es wäre besser, Dich von Deinem Ghouldasein zu befreien", begann er, sich mit beiden Händen am Kamin abstützend und sie nicht ansehend,
"man rede schon darüber, dass Du noch immer nicht freigelassen worden wärst", sie hörte den Zorn in seiner Stimme und schloss für Augenblicke die Augen, um nun doch leicht aufkommende Furcht hinunter zu schlucken. Schlimmer als es bisher war, konnte es nicht werden, sagte sie sich. Bisher hatte sie alles überlebt und überstanden. Sie würde auch das überleben und überstehen.
In diesem Moment drehte er sich um und sie wusste nicht, ob sie lächeln sollte oder nicht. Beides hätte ihn provozieren können.
"Freust Du Dich nicht?", fragte er da schon und fixierte ihren Blick.
"Ich ... weiß nicht", sagte sie und er kniff die Augen zusammen, als misstraute er ihren Worten.
"Es ist doch alles gut, wie es ist", beeilte sie sich zu sagen, jegliche Freude musst sie wegschieben, doch sie bemerkte zu spät, dass auch das falsch war. Alles war falsch. Hätte sie sich gefreut, wäre es falsch gewesen, jetzt, da sie die Freude verschleierte, war es das ebenso.
"Du willst also nicht, dass man mich für korrekt hält?"
"Doch natürlich möchte ich das ... nichts mehr als das, James." "Warum freust Du Dich dann nicht?" -
"Ich ... ich war nicht sicher, ich kenne mich doch nicht aus, James, natürlich freue ich mich ..." -
"Du freust Dich also?" -
"Ja, James, sehr sogar", er trat auf sie zu, sie zuckte vor Anspannung kurz zusammen.
"Du freust Dich also von mir los zu kommen, ja? Das ist es also, was Du die ganze Zeit wolltest!" Es wäre wirklich egal gewesen. Es wäre egal gewesen, was sie gesagt hätte, aus jedem Detail hätte er ihr einen Strick gedreht und das getan, was er tun wollte, schon bevor er überhaupt in dieses Zimmer getreten war.
Er riss sie abrupt am Arm herum und gab ihr einen so heftigen Stoß, dass sie zu Boden fiel. Ada unterdrückte einen Aufschrei, blieb liegen, weil sie wusste, dass sie es sonst schlimmer machen würde.
Dass es aber auch so noch viel schlimmer ging, hätte sie niemals geglaubt. Sie hörte, wie er den vermeintlichen Schürhaken aus der Glut zog, wandte sich im Impuls um, doch da hatte er ihr schon das Kleid am Rücken zerrissen, sodass dieser nun frei vor ihm lag.
"Was hast Du vor ...?", fragte sie entsetzt, als er einen kleinen Beutel Silberstaub neben ihr auf dem Boden ausleerte, während sein schwerer Stiefel sie am Boden hielt.
"Ich werde Dich lehren, was es heißt, sich zu freuen, von mir loszukommen. Ich werde Dir beweisen, dass Du auf ewig mein bist, Ada. Du gehörst mir, hast Du mich verstanden? Das wird jeder erfahren, der Dir zu nah kommt. JEDER!", er drückte das heiße Eisen, das sie nun als sein Brandeisen für die Pferde erkannte, in den Silberstaub. Es zischte bedrohlich. Was hatte er vor?
"James ... bitte. Nein, James, ich gehöre Dir doch auf ewig, immer und ewig, das habe ich Dir geschworen", doch sie konnte sich nicht wehren, er presste die Branspitze mit seinem verschnörkelten Initialen J.A. zwischen ihre Schulterblätter. Ada schrie auf. Sie roch verbranntes Fleisch. Der Schmerz durchbohrte ihren ganzen Körper. Niemals hatte sie einen größeren Schmerz gefühlt. Sie keuchte, versuchte das Schreien zu unterdrücken. Tränen schossen ihr in die Augen, sie wand sich unter ihm und auch wenn es nur Sekunden dauerte, war es für sie eine Ewigkeit, als er endlich von ihr abließ.
Ada wandt sich unter Qualen, konnte kaum mehr atmen, auch wenn sie das gar nicht gebraucht hätte.
"Du bist auf ewig mein!", wiederholte er noch einmal boshaft und ging dann in Richtung Tür.
"Putz den Dreck vom Boden!", sagte er noch und verschwand. In diesem Moment ließ er das Band, das sie als Ghoul an ihn band, los und Ada fühlte einen Ruck durch ihren lädierten Körper gehen, der ihr gleichzeitig die Freiheit schenkte und erschreckenderweise für wenige Augenblicke eine Leere hinterließ.
Ada schluchzte dann wieder vor Schmerzen auf, weil sie sich falsch bewegt hatte, konnte sich danach kaum rühren, weil die Wunde so sehr brannte. Silber ... er hatte Silber benutzt ... alles zog sich in ihr zusammen, sie spürte, wie die Hitze sich in die Wunde fraß, konnte sich nur krümmen und keuchen, nicht aufstehen, Strähnen ihrer Frisur klebten in ihrem Gesicht an den Tränen und ihr Körper bebte vom Weinen, als sie hörte, wie die Haustüre ins Schloss fiel. Aber auch dann konnte sie nicht aufstehen. Ihr schwindelte es, sie hatte das Gefühl, gleich das Bewusstsein zu verlieren, als sie schnelle Schritte auf der Treppe hörte. Er würde zurückkehren, er würde jetzt zurückkommen und sie hatte noch nichts aufgefegt, lag immer noch am Boden - es war der einzige Gedanke, den sie noch hatte, als sie sich hochdrückte, in den Stand, sie taumelte. Der Schmerz wollte nicht aufhören und als die Gestalt um die Ecke trat, verlor sie das Bewusstsein.
Arrangements
Als sie Minuten später wieder zu sich kam, lag sie auf dem Canapee. Sie fuhr hoch, doch der Schmerz durchzog ihren Rücken erneut und sie schrie leise auf. Hitze durchdrang ihren Körper, der Blutdurst zehrte an ihren Kräften.
"Mrs. Asthon, bitte, steht nicht auf, trinkt ...", es war die Stimme Johanns, die sie erreichte und sie sah in seine Richtung, hatte ihn gar nicht gesehen.
"Ich muss ... ich muss es auffegen", sagte sie matt und wollte aufstehen, doch Johann drückte sie sanft zurück, darauf bedacht, ihren Rücken nicht gegen die Kissen zu manövrieren.
"Das werde ich gleich tun, trinkt bitte ...", sagte er ihr und sie nahm das Glas in seiner Hand wahr.
"Ich soll ..." -
"Gar nichts, Mrs. Asthon, außer trinken. Ich kümmere mich darum", er drückte ihr das Glas in die Hände, stand auf und begann, den Silberstaub auf die Schaufel zu fegen, die er dort hingelegt hatte.
Ada verstand das alles nicht, verstand auch nicht, warum James so war, warum er solche Dinge einfach so tun konnte. Aber sie verstand, dass sie trinken musste und so trank sie das Glas gänzlich aus und wollte sich zurücklehnen, fuhr jedoch durch den Schmerz wieder vor.
"Seid vorsichtig ...", bat der Butler und setzte sich auf den Stuhl neben sie, die Schaufel und den kleinen Besen auf den Boden neben sie legend. Er füllte das Glas aus der Karaffe nach, die er auf dem Tisch abgestellt hatte.
"Ich kann die Wunde nicht reinigen, er würde es bemerken", sagte er leise,
"er würde es wiederholen", mitfühlend sah er sie an. Das erste Mal in all den Jahren, dass sie das Gefühl hatte, dass er überhaupt Emotionen hatte, eigene Gedanken und eine Meinung zu all dem, was im Haus passierte.
"Trinkt bitte ...", sagte er und nickte in Richtung des Glases. Sie trank und sah ihn über den Rand des Glases hinweg an. Wie alt mochte er sein? Sicherlich älter als sie selbst, jünger aber als James es war. Er wirkte wie etwa vierzig, etwas unscheinbar für einen Vampir, das Lid eines Auges war etwas tiefer als das des anderen. Sie setzte das Glas von den Lippen und er schenkte ein weiteres Mal nach.
"Warum ...", fragte sie ihn.
"Ich ... weiß es nicht", antwortete er, doch das hatte sie nicht gemeint und schüttelte sanft den Kopf.
"Warum tust Du das für mich, Johann ...", sie vermied anzufügen, dass er sonst niemals etwas Derartiges getan hatte.
"Es ist nicht Recht", Johann stand auf und nahm die Schaufel vom Boden und wandte sich zum Gehen.
"Danke ...", sagte sie leise, er stutzte nur kurz, nickte dann, ohne sie anzusehen, und verschwand.
Seither war das Verhältnis zwischen ihnen entspannter. Sie wusste, er war kein Verbündeter, aber sie wusste auch, er war nicht der Feind. Ein stillschweigendes Abkommen war zwischen ihnen entstanden, dass keiner den anderen jemals verraten würde. Wegen dieser Sache nicht und auch nichts, was sonst hätte nachfolgen können. Dennoch sprachen sie darüber niemals mehr auch nur ein weiteres Wort.
Wenn James aber wieder Hand an Ada legte, war er da und versorgte ihre Wunden, sobald James aus dem Haus war. Jetzt, da sie frei war, konnte James nicht mehr mit ihr mitfühlen, was sie empfand. Sie fühlte sich endlich unabhängiger. Die neugewonnene Luft, die sie zum Atmen brauchte, gab ihr Mut und Kraft. Er hatte nun keine Handhabe mehr über sie - nicht mehr derart.
Fortan fand sie immer wieder auch kleine Aufmerksamkeiten von Johann auf dem Frühstückstisch, an dem sie ihre Rationen einnahm. Kleine Blümchen oder eine interessante Zeitschrift, ein neues Buch oder irgendwas dergleichen, das sie erfreuen konnte. Sie dankte es ihm mit ihrem Lächeln, auch wenn er es nur ansatzweise erwiderte. Es machte das Leben erträglicher.
Es kam die Zeit, in der James viele Reisen unternahm und manchmal wochenlang weg war, sodass Ada sich in diesen Wochen überaus frei und wohl fühlen konnte. Sie arrangierte sich mit diesem Leben und hoffte, es würde in Zukunft so bleiben. Auch wurden die Züchtigungen seltener, auch wenn James zuhause war. Er schien irgendeinen anderen Ausgleich gefunden zu haben oder einfach zu müde zu sein, wenn er nach einer langen Nacht ins Haus zurückkehrte.
Ihre Schlafzimmer waren getrennt. Er wollte seine Ruhe, wie er sagte, und die könne er nicht haben, wenn sie sich ständig im Schlaf drehe. Sie nahm es gerne an und nahm auch wahr, dass er nachts seltener zu ihr fand.
Vielleicht war da eine andere Frau, dachte sie irgendwann einmal. Sie beneidete sie nicht. Vielmehr musste sie ihr dankbar sein, auch wenn sie ihr nicht wünschte, dass er sie behandelte, wie er Ada behandelte. Andererseits dachte sie doch verstärkt, dass er sich ihr gegenüber so wahrscheinlich niemals verhielt. Vielleicht waren es auch mehrere. Es war ihr gleichgültig. Solange er sie in Ruhe ließ, sollte es ihr Recht sein. Nur auf Anlässe und Gesellschaften nahm er sie weiterhin mit, weil sie ihm so einen Nutzen brachte. Auch wenn sie nicht gerne in seiner Nähe war, genoss sie den Kontakt zu anderen Vampiren, die oberflächlichen Gespräche, die wie sanfter Regen auf Blumen in der Sonne wirkten, und ihr auch die Möglichkeit gaben, das Haus zu verlassen, anderes zu sehen und das Theater zu genießen.
Das Brandzeichen im Übrigen war so geschickt gesetzt, dass man es nicht sehen konnte. Entweder weil es das Kleid verdeckte, oder ihr Haar, das sie mittlerweile auch der Mode entsprechend einmal offen oder nur zum Teil hochgesteckt tragen konnte.
Ihre Familie hatte sie in dieser langen Zeit nie vergessen. Viele Briefe hatte sie geschrieben, die sie an ihre Schwester adressierte, ohne sie jemals abzuschicken. Es kam auch irgendwann die Zeit, in der sie sicher sein konnte, dass niemand von ihrer Familie mehr lebte. Auch ihre Schwester nicht. Sie trauerte still in sich hinein und hoffte, dass sie ein erfülltes Leben gehabt hatten und über ihren vermeintlichen Tod gut hinweg gekommen waren.