[Farmund]: Lazare, veni foras!

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Farmund
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Re: [Farmund]: Lazare, veni foras!

Beitragvon Farmund » 11.10.2016, 06:37

„... und nun haben wir das Jahr ...“

Zum ersten Mal nahm er diesen Satz wahr. So viele Sätze von so vielen Menschen hatte er schon gehört. Doch nun ertönte es im Gespräch zwischen zwei flachen Menschen in einer magischen Kiste. Und dieses Mal hörte er es wirklich. Welches Jahr? ... Das bedeutete, 300 Jahre später. Aber noch war ihm nicht ganz klar, was das wirklich hieß.

300 Jahre.

Das würde bedeuten: Die Erde, die Welt der Sterblichen und die der Bluttrinker, 300 Jahre später. In der Zukunft.

Dann kam die Panik.

Er fand andere Bluttrinker und jagte ihnen hinterher, bis er sie einholte. „Welches Jahr haben wir?“, fragte er. Sie starrten ihn an und brachten kein Wort hervor. Dann liefen sie davon. Hatten sie Angst vor der Zeit? Die magischen Stimmen aus den Kisten sprachen ununterbrochen von der Zeit. Oder hatten sie Angst, selbst zu einer solchen Stimme zu werden, wenn sie davon sprachen?

Nackte Angst kroch ihm durch die Knochen.

Aber sicher würden die Ratsherren der Stadt und die Inquisition es nicht erlauben, dass solch gefährliche Geräte öffentlich herumstanden. Sicher waren die flachen Menschen darin irgendwie bestraft.

Es brauchte noch ein paar Nächte länger, bis das Datum wirklich einsickerte. Er achtete nun darauf und hörte das Datum ständig und überall.

Er lief durch die Straßen und fragte die Sterblichen und die Bluttrinker. „Welches Jahr haben wir?!“ Doch die meisten schauten nur groß und eilten dann weiter. Wenn er aber Antwort bekam, war es nur die Bestätigung der Jahreszahl. 300 Jahre später.

Dann stand er die ganze Nacht über im Park an derselben Stelle und beobachtete die Sterne durch das Blätterdach hindurch.

300 Jahre.

Er erinnerte sich dumpf an einige Fragmente seines Erwachens. Die Finsternis der Erde. An Schmerz und an Angst. Er wusste nicht, ob es die eigene Angst gewesen war oder die eines anderen, die er nur aufgefangen hatte. Wie konnte er noch hier sein? So etwas gab es doch nur in Mythen und Märchen. Altvampire gab es nur im Märchen.

300 Jahre.

Und noch einmal 300 Jahre. So alt wie er selbst gewesen war, vor diesem langen Schlaf. So alt war er doch geworden, oder? Die volle Lebensdauer eines Vampirs, so wie er es kannte. Maximal 300 Jahre wurde ein Vampir alt. Er konnte nicht älter gewesen sein. Sein Leben war beinahe vorüber gewesen. Und jetzt? Es ergab keinen Sinn. Überhaupt keinen.

Da war noch irgendjemand gewesen, der ihn aufgeweckt hatte. Wo war der? Er war weg. Er war fortgelaufen, wie er sich zu erinnern glaubte.

Diese eigenartige Musik, die überall aus den magischen Kisten ertönte, der Gesang einer magische Stimme. Hinter den Ästen der Bäume blinkten bunte, zauberische Lichter. Aber die Welt konnte sich doch nicht so ändern, nur weil die Zeit verging. Es war immer noch die Welt.

Benommen folgte er den Lichtern und schritt langsam durch eine hell erleuchtete Straße. Was war für die Leute rings um ihn zu sehen? Eine verlotterte Gestalt mit schlecht passender, zerissener Kleidung, irgendwo aus dem Müll oder vielleicht von einer Vogelscheuche gestohlen. Schmutzig, löchrig. Das Haar voller Staub. Bleich war die Haut und die Gestalt daher offensichtlich krank. Ein paar kichernde Mädchen, die über Twilight sprachen, wichen ihm im großen Bogen aus.

Er versuchte die anderen Bluttrinker zu finden, die ihm als einzige die Fragen beantworten konnten, die ihn plagten. Gerne hätte er engere Kontakte mit ihnen geknüpft. Aber wo waren die alle nur? Es gab immer weniger von ihnen.

~ Lieber Flöte als Trübsal blasen ~

~ Wer den Teufel zum Freund hat, hat's gut in der Hölle ~


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Re: [Farmund]: Lazare, veni foras!

Beitragvon Farmund » 11.10.2016, 06:38

Wo waren die eigentlich tagsüber? Er stieg in die Gänge und Katakomben im Nürnberger Buntsandstein tief unter der Stadt herab. Alles verlassen, alles verfallen. Die jungen Vampire der Stadt wohnten hier nicht mehr. Mit einem Schlag befiel ihn Wehmut. Ein Schmerz breitete sich tief in ihm aus und er hatte einen Kloß im Hals. Und dann kam dumpfe Panik in ihm hoch und sein Herz fing zu rasen an. Er hob die Kerze, blickte um sich. Schreckliches war hier geschehen. Er sah sich um. Da und dort kam ihm etwas bekannt vor. Aber er konnte es nicht einordnen. Wohnten nicht mehr? Wieso hatte er dies gedacht? Geisterte es hier? Der Spielmann hatte genug. Er floh. Und er kehrte auch nicht wieder zurück.

In dieser Nacht machte er sich zum ersten Mal darüber Gedanken, wer er eigentlich war. Auf einem hohen Dach ließ er den Wind durchs Haar streichen und blickte hoch zum weiten, sternenübersähten Firmament. Er wusste, dass er Der Spielmann war. Aber wie hieß er eigentlich?

Und am nächsten Morgen lag er sehr nervös in seinem Keller. Er hatte keine Antwort gefunden. Wenn er die ganze Zeit auf der Suche nach einem Orden war, hatte er dann selbst einst zu einem Orden gehört? Wieso hatte er dort unten nachgesehen? Er hatte ein großes Stück aus seiner Vergangenheit verloren. Eine dumpfe Befürchtung stieg in ihm auf. Doch er dachte den Gedanken nicht zu Ende. Da hatte er zuviel Angst davor.

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Re: [Farmund]: Lazare, veni foras!

Beitragvon Farmund » 11.10.2016, 06:39

Zwei Wochen später

Amerika! Das war der große Wunsch, das lockende Ziel! Alle wollten sie nach Amerika. Er hörte den anderen Bluttrinkern aus der Ferne zu. Er hatte es inzwischen aufgegeben, ihnen nachzujagen und mit ihnen sprechen zu wollen. Er hatte gehofft, sie würden irgendwann von der Vergangenheit dieser Stadt sprechen. Stattdessen sprachen sie von ihrem Reiseziel. Sie wollten fortgehen. Auch von München, von Berlin und von Köln war die Rede. Vor allem aber sprachen sie von Amerika. Und dort im Speziellen von einem Ort: Venedic.

Er hatte gedacht, Venedig liege in Italien. Na ja, offenbar doch nicht.

Die jungen Frischlinge schwärmten: In dieser Stadt sollte es besonders viele Vampire geben. Auch alte Vampire.

Gute Idee! Er musste auch nach Venedic! Alte Vampire, das klang gut. Dort würde er Antworten finden.

Die Jungvampire wollten mit dem Flugzeug reisen. Diese Metalldrachen in den Lüften, die die Menschen ritten. Was? Allerdings nur bis nach New York. Bis New York konnte man reisen, weiter ging es sich nicht aus. In diese Stadt würden sie fliegen, ganz an der Ostküste von Amerika. Na gut, ja. New York kannte er, das kleine Kaff. Musste inzwischen auch etwas gewachsen sein, wenn nun Flugzeuge dort landeten. Ob es so groß geworden war wie Nürnberg? Er hatte gedacht, die Flugdrachen gäbe es nur hier. Aber in einer Nacht? Von hier aus konnte man in acht Stunden nach Amerika gelangen, behaupteten sie - in acht Stunden? Acht Stunden? Von was redeten die da? Amerika lag weit fort, jenseits des großen Ozeans, auf der anderen Seite des Erdballs.

Spielmann und Vampirbote war er einst gewesen. Für Jahrhunderte lang war er viel herumgekommen. Es gab nicht viele, sterblich oder unsterblich, die mehr deutsche Dialekte kannten als er. Auch dessen Veränderungen über die Jahrhunderte. Dessen konnte er sich ohne Stolz rühmen. Doch um sie zu verstehen, musste er zumindest im Ansatz wissen, was sie sagen wollten. Amerika, in acht Stunden? Das konnte einfach nicht sein.

Doch die Jungvampire besprachen auch, wie dieses scheinbar unmögliche Unterfangen mit dem Flugzeug zu machen sei. Das Flugzeug würde der Dunkelheit folgen. Es würde in der Zeit zurückreisen. Es würde innerhalb von acht Stunden in New York sein. Und es würden trotzdem nur zwei Stunden vergangen sein - er verstand kein Wort davon. Auf jeden Fall war es sehr starke Magie.

Üblicherweise reisten Vampire ja mit dem Schiff. Es gab inzwischen sehr große Schiffe aus Metall, die viel sicherer zu sein schienen als die aus Holz früher. Er konnte sie am Fluss sehen. Sie waren viel größer und bequemer. Er war die ganze Nacht davon fasziniert gewesen, dass sie nicht untergingen. Riesig konnten sie sein. Der Nachtteil war, dass das sehr lange dauern würde. Fliegen wäre schneller. Acht Stunden bis Amerika! Es klang unmöglich.

Aber wenn Menschen Metalldrachen reiten konnten, dann auch Vampire. Vampire waren magische Kreaturen. Ihnen mussten das sogar noch leichter fallen. Und die Frischlinge hier verließen sich offenbar auch darauf, dass die Menschen das schafften und man sich um nichts zu kümmern brauchte. Sie schienen es nicht das erste Mal zu tun.

Acht Stunden. Das klang schon sehr verlockend. Schiffsreisen waren auch aufgrund der langen Dauer gefährlich, weil so wenig Beute da war. Viele Monate war man dann unterwegs. Im Flugzeug: Acht Stunden. Wenn er aufpasste, wie sie das mit der Zeit legten und welchen Metalldrachen sie nahmen ... Er beschloss, kein Schiff zu nehmen und wie die jungen Vampire hier das ersten Mal in seinem Leben mit dem Flugzeug zu reisen.

Nach Amerika wollte er, Antworten finden, sich selbst finden. Das war sein einziger Anker in dieser Welt. Er, der Spielmann, musste nach Amerika.

Beim Flughafen verlor er die jungen Vampire aus den Augen, weil sie ganz unverfroren in diese helle Halle hinein marschierten. Was machten sie dort? Das ging doch nicht. Was hatte ein Vampir in einer hellen Halle zu suchen? So stieg der Spielmann anderswo über den Zaun. Die jungen Vampire waren natürlich nicht mehr zu finden. Ihm blieb ihm nichts übrig, als den Flughafen zu beobachten. Er hörte die Menschen darüber reden, welches Flugzeug wohin flog. Es war ein regelmäßiger Zeitplan. Er fand heraus, welcher Metalldrache nach New York flog. Er konnte ihn sogar vom Gebüsch aus sehen, das am Flughafengelände wuchs.

Mit einem Stecken zeichnete der alte Vampir Zeichen in den Sand der Spielkiste auf einem Spielplatz in der Nähe des Flughafens. Am Holz am Rand saß er, betrachtete die Linien und Ziffern am Sand nachdenklich und ließ den Ball auf dem Finger kreisen, den einige Kinder liegengelassen hatten. Er versuchte zu verstehen, was die jungen Vampire gesagt hatten. Das Rechnen fiel ihm so schwer. Zu welcher Zeit musste sich der Metalldrache in die Luft erheben? Dumpf erinnerte er sich daran, welche Uhrzeit die jungen Vampire genannt hatten. Konnte er sich darauf wirklich verlassen?

Die Erde war eine Kugel. Sie drehte sich um die eigene Achse. So wie dieser Ball. Die Erde drehte sich um die Sonne. Die Sonne war der Stamm von dem Lindenbaum hier, neben der Sandkiste. Auf der Seite des Erdballs, der gerade der Sonne zugewandt war, war Tag. Und dann war noch dieses winzige Flugzeug aus kleinen Stängeln. Das Flugzeug flog durch die Luft. Es flog entgegen der Richtung, in die die Erde sich drehte. Somit flog es der Nacht hinterher. Die Erde drehte sich unter dem Flugzeug hinweg und schaffte Amerika immer näher und näher an das Flugzeug heran, selbst wenn es sich nur in der Luft gehalten hätte. Aber es bewegte sich auch fort, und zwar mit sehr hoher Geschwindigkeit. Auch wenn Geschwindigkeit selber und der Mechanismus über seinen Verstand gingen. Dadurch ging es. Dadurch konnte man innerhalb einer Nacht in Amerika sein. Wenn man wusste, wie schnell die Erde sich drehte und wenn man wusste, wie schnell das Flugzeug flog, konnte man berechnen, wie bald das Flugzeug in Amerika sein würde. Es gab viele Dinge, die er nicht verstand. Aber einige Dinge verstand der Spielmann mit kristallener, autistischer Klarheit.

Venedic. Vielleicht war Venedig überschwemmt worden und die Bewohner waren alle nach Amerika gezogen. Er hatte es sich inzwischen anders überlegt. Er wollte nun doch lieber nicht direkt in diese Stadt. Was war, wenn es dort Vampire gab, die ihm Böses wollten? Wenn sie alt und stark waren, dann waren sie gefährlich. Er erinnerte sich noch an die Bande, die ihn angegriffen hatte. Inzwischen hatte er akzeptiert, dass es wohl doch Vampire gab, die älter waren als 300 Jahre. Er konnte es wohl kaum leugnen. Schließlich war er selber einer, oder? Es gab also wohl auch welche, die so stark waren wie er. Und wer wusste schon, wie stark noch! Da gab es noch eine Nachbarstadt von Venedic, die sie auch genannt hatten, die er vorher gar nicht so beachtet hatte. Aber je länger er darüber nachdachte, desto einladender erschien sie ihm. Phoenix hatten sie sie genannt - vielleicht war sie einmal abgebrannt. Allerdings, Städte brannten immer wieder nieder. Das lag in der Natur von Städten. Irgendwie kam der Ort ihm bekannt vor. Da war irgendein seltsames Echo. Was seltsam war, denn in Amerika war er ja noch nie gewesen. Trotzdem war ihm, als erinnere er sich irgendwie an sie. Diese Stadt zog ihn an. Er konnte förmlich die Straßen vor seinen Augen sehen. Auch dort gab es eine Gemeinschaft der Nacht, aber hoffentlich nicht so alte Vampire wie in Venedic. Vielleicht gab es dort ja auch einen Orden. Irgendjemanden, der ihn nicht weglief und der ihm sagen konnte, was passiert war.

Zuerst überlegte er, sich einfach in eine Kiste zu legen und mit der Post nach Phoenix zu verschicken. Doch wohin die Kiste bringen? Mit wem sprechen? Welche Adresse sollte er darauf schreiben? Um da etwas Glaubwürdiges zu finden, wusste er einfach nicht genug. Und was war, wenn der Zoll die Kiste öffnete? Zoll hatte es zu seiner Zeit auch schon gegeben. Da lief er doch lieber in einem günstigen Moment blitzschnell über den leeren Platz und hechtete in den Laderaum hinein. In acht Stunden würde er in Amerika sein. Dann konnte er einen Weg nach Phoenix suchen. Vielleicht in einem anderen Flugzeug, das nach Phoenix flog? Acht Stunden. Acht Stunden bis nach Amerika. Was für eine unglaublich kurze Zeit. Es war eine glänzende Idee gewesen, darauf zu kommen.

Was für eine fürchterliche, schlechte Idee. Es herrschte absolute Dunkelheit. Die Kammer hatte keine Fenster und war hermetisch abgedichtet. Selbst Vampiraugen erkannten hier nichts mehr. Und es gab so wenig Luft. So ein dichtes Verließ kannte er nicht. Die unsichtbaren Wände rückten immer näher und näher. Der Metalldrache dröhnte und röhrte, als ob er am Leben wäre wie ein wildes Tier. Die Wände vibrierten. Er war in Angst, ob der Drache ihn in seinem Bauch nicht bemerkte. Zugleich schien er durch das Flugzeug hindurch blicken zu können. Er konnte fühlen, dass unter ihm Meilen leerer Luft lagen. Und die Erde war ganz, ganz weit unten. Es war das Schlimmste, was der Spielmann je erlebt hatte. Er wurde fast verrückt, klammerte sich so fest an sich selbst, dass er sich kratzte. Jede Sekunde wurde zur Ewigkeit. Und dann kam noch eine Sekunde. Und noch eine. Es wollte kein Ende nehmen.

Über den dunkel beleuchteten New Yorker Flugplatz steuerte Jack den Gepäcktransportwagen und war mit den Gedanken woanders. Er mochte seinen Job, es war gute Arbeit. Er hoffte nur so dringend, dass sein Chef sein Alkoholproblem nicht bemerkte. Er litt unter dem Kater, mit dem er heute wieder zum Dienst angetreten war. Angekommen fuhr er die Leiter aus, öffnete den Gepäckraum und dachte darüber nach, wie er wohl Carrie herumkriegen könne. Als er die Hände nach dem ersten Koffer ausstreckte, fuhr ein mit rotem Blut überströmtes Ungeheuer aus dem Schwarz heraus. Wie der leibhaftige Teufel setzte es über ihn hinweg und verschwand in die Dunkelheit der Nacht. Mit einem Schrei fiel Jack nach hinten und polterte die Trittleiter herab. Seine Kollegen, die sich gerade die Handschuhe anzogen, drehten sich überrascht zu ihm um. Nie wieder griff Jack zur Flasche.

So schnell ihn seine Beine trugen raste der Spielmann über die betonierten und mit Gras bewachsenen Flächen des Flughafengeländes hinweg, an fahlen Signallampen und an im Gras schlafenden Vögeln vorbei. Solange bis er zu einem mit Gestrüpp bewachsenem Seitenbereich kam und umarmte dort einen Baum.

Er schloss die Augen, fühlte kühle Rinde an seiner Schläfe und beruhigend festen Boden unter seinen Füßen. Seine Knie zitterten. Er keuchte. So verharrte er, während der Schweiß auf seiner Haut trocknete und die Kratzer langsam heilten, und horchte dem eigenen Herzschlag, der das ganze Universum mit Donner zu erfüllen schien. Erst ein innerer Alarm und ein Prickeln auf der Haut ließen ihn den Kopf heben. Vielleicht war er viele Stunden da gestanden, vielleicht erst relativ spät angekommen. Der Morgen zog herauf. Gleich an Ort und Stelle grub er sich ein Grab in die Erde und verbrachte darin vergraben den Tag.

So kam der Spielmann nach Amerika.

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