[Boothe]: Der Amerikanische Traum und das bittere Erwachen

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Boothe
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Charname: Cassidy Parker Boothe
Pseudonym: Michael-James Kaufman (aktuell)
Alter: 42
Augen: Blassgrün, leuchtend
Haare: Dunkelblond, kurz
Größe: 1,82 Meter
Stadt: Venedic
Rasse: Mensch
Klasse: unwissend
Beruf: Taxifahrer
Fähigkeiten: Willensstark
Gut mit Schusswaffen
Schauspieltalent
Kennt Venedic blind (auch den Untergrund, Geheimes)
Gut mit Kindern
Sonstiges: Im Moment ist Boothe untergetaucht und lebt unter einem Alias, da die sizilianische Mafia Venedics eine Vendetta gegen ihn führt
Hauptchar: Lazarus
Charblatt: viewtopic.php?f=52&p=1286#p1284
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[Boothe]: Der Amerikanische Traum und das bittere Erwachen

Beitragvon Boothe » 21.09.2016, 18:58

"Rise an' shine, Loverboy." Cassidy Boothe öffnete blinzelnd und träge seine Augen. Auf einem ungemütlich und kalt wirkendem Metallstuhl hockte Detective Robert Waingrowe, sein Partner beim Venedic Police Departement. Waingrowe hatte den Titel eines Liedes zitiert, an das sich Boothe kaum erinnern konnte, obwohl er sehr wohl wusste, dass er es kannte. "Rise an' shine, Loverboy...?" Nein, er bekam seine Erinnerung einfach nicht zu fassen.

"Na, Dornröschen? Weilst endlich wieder unter den Lebenden, was?" Boothe kniff die Augen angestrengt zusammen. Hinter seinen Schläfen pochte es. Hinter der linken nervig, aber nicht schmerzhaft - etwa wie mit einem filzbekopften Drumstick. Hinter der rechten allerdings, spürte er ein gnadenloses Donnern, als treibe jemand wieder und wieder einen mittelalterlichen Rammbock gegen seine Schädel-Innendecke. Seine Hand glitt über die schmerzhafte Stelle und sofort schreckten seine Finger zurück. Über seinen Koteletten, an seinem Haaransatz, hatte jemand weichen Mull und Watte geklebt. Zumindest fühlte es sich so an. Beim Zurückziehen verhedderten sich seine zittrigen Finger in zwei Schläuchen, die er damit aus seiner Nase riss. Ein Anflug von Panik erfasste ihn und erst jetzt nahm er seine Umgebung wirklich wahr.

Er lag in einem Krankenbett, erkannte das William-Harvey-Memorial-Hospital im Herzen Venedics. Das monotone, gleichbleibende Piepsen neben ihm machte plötzlich Sinn, stammte es doch von seinem EKG-Monitor. "Bob! Was zur Hölle ist hier los?", rief er heiser. "Hey, beruhig' Dich, Boothe", sprach der Detective im offen getragenen, beigefarbenen Trenchcoat mit dem hochgeschlagenen Kragen. Er fasste die Schulter des Verletzten und rüttelte ihn leicht, wobei er murmelnd hinzufügte: "Wenigstens erkennst Du mich heute. Nicht so wie gestern. Aber da warst Du auch nur 'ne halbe Stunde wach und total durcheinander."

"Wovon sprichst Du da, verdammt?! Was geht hier vor sich?"
"Du erinnerst Dich an nichts mehr?" Boothe drückte sich in eine sitzende Position hoch und schüttelte heftig den Kopf. Nicht nur, um Waingrowes Verdacht zu bestätigen, sondern auch, um seine wirren Gedanken zu ordnen. Letzteres misslang kläglich. Er sah an sich herab, schlug die Bettdecke zur Seite. Sein Leib, der sich so taub und schwer anfühlte, war in ein Patientengewand gehüllt, das bis über seine Knie reichte. Aber er schien unverletzt. Zumindest bis auf seine Schläfe. Was war passiert? Hatte man ihn feige von hinten niedergeschlagen? So in etwa fühlte es sich zumindest an. Cassidy erinnerte sich, lange und konfus geträumt zu haben, doch wie zuvor bereits gelang es ihm nicht wirklich, den Gedankengang nachzuvollziehen, die darin befindlichen Erinnerungen zu greifen.

"Was ist hier los...?", murmelte er nun viel leiser, ein immer unguter werdendes Gefühl in sich aufkeimen fühlend, das seiner Brust wieder und wieder befahl, sich schmerzhaft zusammenzuziehen, was ihn beinahe nach Atem ringen ließ. "Offiziell?", fragte Waingrowe knapp, zog eine Zigarettenpackung hervor und schob sich spielerisch eine Kippe in den hängenden Mundwinkel. "Stört Dich doch nicht, oder?"
"Mh-mh." Kurz starrte er auf das halbleere Schächtelchen Chesterfields, das in der rauen Hand des Detectives ruhte. "Weißt Du was? Gib mir auch eine."

Waingrowe gluckste amüsiert und nuschelte: "Wusste gar nicht, dass Du wieder rauchst." Boothe zog die Brauen über der Nase zusammen. "Wusst' ich auch nicht." Er wusste es wirklich nicht. Es war keine Erinnerung daran, dass er rauchte, sondern nur der Drang eben dies zu tun. Überbleibsel einer Sucht, welche er in einem anderen Leben scheinbar bezwungen hatte. Bob Waingrowe reichte seinem verwirrten Partner eine der Zigaretten und dieser steckte sie sich zwischen die eigen geformten Lippen.

Mit scharrendem Schnalzen entzündete der alte Mann im Trenchcoat das schwere, glänzende Benzinfeuerzeug mit der auffallend aufwendigen Prägung an beiden Backen. Cassidy lehnte sich vor, hielt den Hals der Kippe in das langsam tanzende Feuer und zog kräftig am Filter, woraufhin ein orangerotes Glimmen vom Ende des Stängels auf ihn zukroch. Ein Gefühl von Ruhe umarmte ihn allmählich, ganz langsam. Die Nervosität und der zuvorige Anflug von Panik schwanden, verschwammen und verloren sich irgendwo im matschigen Grau, wie der verfärbte unreine Schnee unter einem Auto.

"Okaaay..." Hörbar blies Boothe den metallfarbenen Dunst aus seinen Lungen, bildete durch seine spezielle Lippenbewegung einen Rauchkreis, der träge auf das Fenster zuwaberte, aber zerfloss, ehe er das Freie erreichte. Und er fragte seinen Partner noch einmal: "Also, sag schon: Was ist passiert?" Waingrowe nahm einen letzten Zug an seiner Chesterfield und warf den Stummel dann aus dem Fenster, ohne überhaupt hinsehen zu müssen. Dann legte er seine Unterarme auf seinen Knien ab, faltete die Hände vor diesen und beugte sich verschwörerisch nach vorn.

"Wie gesagt, offiziell heißt es", und plötzlich wurde seine Stimme so schnell, dass eindeutig war, dass er das, was er sagte nicht wiederholen wollen würde, "Du hättest Deine Frau erschossen und dann versucht, Dir selbst das Leben zu nehmen." Boothes Gesicht blieb eine regungslose Maske. Er hatte Wort für Wort verstanden, doch begriffen hatte er nicht wirklich. "Meine Frau... Natalie...?" Als träfe ihn der Schreck seines Lebens, zuckte er zusammen, während tausende zusammenhangloser Bilder wie auf einmal vor seinem geistigen Auge aufblitzten.

Ein oder eher zwei Minuten lang sagte niemand etwas. Säße Boothe nicht aufrecht und atmete er nicht so deutlich ein und aus, könnte man angesichts seines wie gefroren wirkenden Antlitzes meinen, er sei tot. "Ich war es nicht", flüsterte er farblos, wie nebenbei, als sei es Randinformation. Waingrowe sah ihn durchdringend an, er nickte und beruhigte: "Ich weiß, dass Du es nicht warst. Ich kann es nur nicht beweisen. Niemand glaubt, dass Du es-"
"Es war das kleine blonde Miststück!", fiel er seinem Partner laut ins Wort.

Innerlich sah er das Bild von einem Revolverlauf, der auf sein Gesicht gerichtet war. Gehalten wurde die Waffe von behandschuhten Fingern, die aus Händen flossen, so klein, dass diese kaum den klobigen Griff des Schießeisens zu umfassen vermochten. Diese Hände waren die Blüten weiblicher, schlanker Arme, die sich in einer abgegriffenen Lederjacke verloren, unter welcher ein breiter, nicht jedoch tiefer Ausschnitt lag, der die auffallend ausgeprägten Rundungen ihrer Brust eher schlichtete. Das schöne, filigran verlaufende Schlüsselbein floss eben dort zusammen, wo eine kleine Perle an einer feinen Silberkette baumelte. Ein weiblicher, schmaler Hals reckte sich zwischen den breiten, blätternden Kragenflanken der Jacke empor, auf dem wiederum ein täuschend unschuldiges, von vollem, langem, blondem Haar gerahmtes Gesichtchen thronte. Über einem kühnen Kinn zog sich der grimmige Mund der Lippen wegen in einer schmalen Linie entlang. Fuhr man mit dem Blick über den schönen Kupido-Bogen erkannte man ein so harmlos und kindlich wirkendes Stupsnäschen. Dann fühlte man ihr Starren. Man sah in übergroße, von langen, schwarzen Wimpern gerahmte Augen. Graublaue, eiskalte, bohrende, funkelnde, boshafte, unheilvolle Gespensteraugen deren vollkommene Absenz jedweder Emotion und Leidenschaft ihm schon allein in der Erinnerung an diese ein schauriges Frösteln über den Rücken jagte.

"Welches Miststück?", fragte der Detective verwundert. "Du hast gestern schon so wirres Zeug gefaselt." Boothes Hand schnellte hervor und packte Waingrowe am Kragen, zog ihn ganz nah vor sein Gesicht, als er spie: "Ich weiß, wer meine Natalie erschossen hat!" Und schon ließ er den ranghohen Polizisten los, noch ehe dieser sich aufregen konnte. "Sie war fast noch ein Kind. Gerade erst volljährig, vielleicht..." Und er schilderte dem Mann mit dem obsoleten Fedora genau das, was er in seinem Traum gesehen hatte. Während er über die folgenschwere Situation Aufschluss gab, verdüsterte sich Waingrowes Gesicht, der fast schien, als machte das für ihn alles wirklichen Sinn. Wusste er irgendetwas darüber? Nein, sonst hätte er längst etwas gesagt. Sicher ging es ihm einfach nur selbst ein wenig nahe, dass die Frau seines Freundes und Partners beim V.P.D. ermordet worden war.

"... dann schoss sie meiner Natalie, die gerade aus der Küche kam, ohne mit der Wimper zu zucken mit meinem Smith & Wesson einfach in den Kopf. Und dann hat die Schlampe mich erschossen..." Bei diesen Worten fasste er sich wieder an die Stelle seines Schädels, die so sorgfältig umwickelt worden war. Cassidy wusste jetzt natürlich wieder, dass sich nichts anderes als eine Schusswunde darunter verbarg. Wie hatte er das überleben können? Er erinnerte sich, wie er auf die Knie gefallen war, ehe die Killerin seinen Revolver betätigt hatte.

"Der Schusswinkel war so steil, dass die Kugel sich verkantet hat und Dich noch nicht einmal besonders schwer verletzen konnte", erklärte Waingrowe, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Der Doc hat gesagt", plauderte er munter weiter, "dass Du vielleicht vieles vergessen hast und Dir Dinge schlechter merken kannst. Wahrscheinlich aber nur vorübergehend." Boothe antwortete nicht. Er dachte an seine Frau, Natalie. Sie war tot. Vor wenigen Minuten erst hatte er sich daran erinnert, dass dem so war und dennoch war der Schmerz in seinem Innern nur dumpf. Als wäre nicht seine Frau gestorben, sondern eher die eines Freundes. Ihm wurde klar, dass er ihren Tod irgendwie in seinen Träumen schon nahezu verarbeitet haben musste. Ein gänzlich anderer Gedanke dominierte seinen Geist: Rache!

"Jedenfalls", sprach Waingrowe noch immer, "hattest Du trotzdem großes Glück. Hast nämlich 'ne Menge Blut verloren. Das Problem war Deine seltene Blutgruppe. Da musste erstmal'n Spender gefunden werden."
"A2B Positiv", wusste Boothe wie mechanisch. Aufmerksam sah er schließlich zum Detective auf und wollte wissen, wer der großzügige Spender gewesen war. Waingrowe lehnte sich endlich wieder gemütlich in seinem Stuhl zurück, um sich eine weitere Zigarette anzustecken, ehe er mit einem schiefen Grinsen antwortete: "Cassie." Boothe hob eine Braue, sah den unrasierten Kerl mit den schwarzen und grauen Bartstoppeln fragend an. "Deine Tochter?"

"Oh..."
"Soll das heißen, Du erinnerst Dich nicht an Deine eigene Tochter?", polterte Waingrowe. "Cassie... meine kleine Cassandra...", Boothe lächelte wie frisch verliebt. "Natürlich erinner' ich mich." Seine blassgrünen Augen begannen förmlich zu strahlen. "Meine kleine Eiskunstläuferin. Sie war so wunderschön wie ihre Mutter, als sie diesen Pokal in den zarten Händchen hielt."
"Sorry, wenn ich Dich aus Deinem kleinen, Amerikanischen Traum wecken muss, Kumpel", nuschelte Waingrowe qualmend, "aber Deine 'kleine Cassandra' ist mittlerweile neunzehn, war seit Jahren nicht mehr auf dem Eis und arbeitet im größten Puff der Stadt." Cassidy öffnete bereits die markanten Lippen, um Empörtes zu erwidern, da fügte sein Partner noch an: "Ach, und sie hasst Dich!"

"Aber sie ist doch meine kleine... Puff? Was zum Teufel für ein Puff?!", stammelte er vollkommen verloren. "Na, keine Sorge", der Detective machte eine wegwerfende Geste. "Sie arbeitet zwar im 'Elysium', aber sie is' da nur Bedienung, soweit ich weiß." Dass er das überhaupt wusste, sprach natürlich Bände über Robert Waingrowe. Der Mann, der die Fünfzigermarke bereits weit überschritten hatte, war ihm - Boothe - als ziemlicher Schwerenöter in Erinnerung geblieben. Allerdings hielt er ihn in dieser Hinsicht gleichzeitig für relativ harmlos. Eine zweideutige Bemerkung hier und da, ein anzügliches Schmunzeln vielleicht und Phantasien für die man Menschen schlichtweg nicht verurteilen konnte.

"Und... was war das mit dem Hass auf mich? Warum sollte sie mich hassen?"
"Ein andern Mal, Boothe", murmelte Waingrowe, sah an dem Verwundeten vorbei zur Wanduhr. "Ich muss langsam mal los. Ruh' Dich aus, ich komm bald wieder." Ächzend erhob der alte Bulle sich, warf seinen zweiten Zigarettenstummel ebenfalls aus dem geöffneten Fenster und schlenderte zur Tür, die groben Hände in die Manteltaschen geschoben. "Warte mal", forderte Boothe und drückte seine eigene Zigarette kurzerhand auf dem Nachttisch aus. "Was zur Hölle soll ich denn jetzt machen?"
"Nichts", schmunzelte Waingrowe hämisch. "Du weißt ja, wie so etwas läuft. Un'sre feinen Kollegen werden hier aufkreuzen und Dir ein paar sehr unangenehme Fragen stellen. Ich werd' versuchen, Deine Unschuld zu beweisen."

"Dann sieh Dir meine Wohnungstür an. Das Miststück muss das Schloss geknackt haben..."
"Das ist schonmal'n Anhaltspunkt. Ich werd' mir auch nochmal die Nachbarn vornehmen. Also, bis bald. Und tu nichts, was ich nicht auch tun würde!"
"Du solltest lieber sagen: 'Tu nichts Dummes'", lächelte Boothe matt. Detective Waingrowe öffnete die Tür, ehe er sich auf Boothes Rufen hin nochmals umwandte. "Und Bob... danke!" Er lächelte nur flüchtig, schloss die Türe hinter sich und schlurfte den Flur entlang, bis man ihn nicht mehr hören konnte.

Cassidy selbst war auf einmal sehr müde, lehnte sich gedankenverloren im Bett zurück und schloss die Augen. Er war sehr froh darum, sich nicht mehr auf Erinnerungen und Träume konzentrieren zu können. Das war alles sehr viel Input auf einmal gewesen, sein Schädel qualmte und die beinahe todbringende Wunde pochte unter stechendem Schmerz. "Ich hab hier ein paar Tabletten für Sie Mister Boothe." Blinzelnd öffnete er nochmal die Augen. Eine Krankenschwester stand vor ihm. Er hatte sie noch nicht einmal hereinkommen gehört. Sie musste abgewartet haben, bis Waingrowe gegangen war. "Sie sind gegen Ihre Schmerzen."

"Danke", nuschelte Cassidy schlaftrunken und stellte das Döschen auf dem Nachttisch ab. "Und sagen Sie ihrem Kollegen bitte, dass er hier drinnen nicht rauchen darf, wenn er wiederkommt, ja?"
"Alles klar", machte er gleichgültig, wollte einfach nur seine Ruhe. "Wie geht es Ihnen heute? Soll ich den Doktor rufen?"
"Nein, Sie sollen mich bitte nur schlafen lassen!", entgegnete er etwas gereizt. "Okay. Erholen Sie sich gut." Und schon war sie wieder weg. Boothe hatte sich noch nicht einmal ihr Gesicht gemerkt. Er wollte einfach nur noch schlafen. Schlafen und vergessen... nicht mehr träumen, nur vergessen.



OT: Boothe war bereits im alten Forum, Noctivagus, aktiv.
TBC: -

"Look at the damage,
The fortunes came for the richer men.
While we're left with gallows,
Waiting for us liars to come down and hang."

The Gaslight Anthem - American Slang


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