[Cadan]: Das Leben nach dem Leben

Hier findest Du die Ankunftstexte aktiver Charaktere aus New York City.
Benutzeravatar
Cadan
Mensch
Beiträge: 61
Registriert: 17.11.2016, 11:40
Posts: 1-2x/Woche
Charname: Cadan Freeman
Pseudonym: Freeman
Alter: 40
Augen: grün
Haare: dunkelbraun, kurz
Größe: 1,86
Stadt: New York
Rasse: Mensch
Klasse: wissend
Beruf: Stadtstreicher; eig. Navy-Seal
Hauptchar: Skender
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de

[Cadan]: Das Leben nach dem Leben

Beitragvon Cadan » 18.11.2016, 16:23

Unter der Brücke sah es aus wie in einem Heerlager. In manchen Nächten herrschte regelrecht Überfüllung. Männer, Frauen, Alte, Junge. Es war trocken hier unten, das war wichtig. Cadan blickte sich um. Überall Unrat. Penetranter Uringestank. Selbst er roch es. Es herrschte permanenter Lärm hier unten. Über dem Lager war die mehrspurige, viel befahrene Bundesstraße, über die man in die Stadt hinein oder aus ihr heraus kam. Keinen Meter neben ihm lag Sam. Er war somnolent und nicht mehr ansprechbar. Er lag in Lumpen gebettet und in stabiler Seitenlage, falls er sich noch einmal übergeben musste. Direkt daneben McLeod. Sam und McLeod. Cadans beste Freunde. Die wichtigsten Menschen für ihn in dieser Zeit, in diesem Leben.

Es gab für ihn kein Hab und auch kein Gut.
Er hatte nur wenig und gut war rein gar nichts an dem, was er besaß. Gut war eigentlich auch nichts mehr in seinem Leben. Vielleicht war es sogar praktisch zu nenne, dass er alles, wirklich alles an Besitz, mit sich herum trug. Nirgendwo gab es etwas, das ihm gehörte, um das er sich kümmern oder sorgen musste. Er trug alles an seinem Körper. Alles, was er noch hatte, alles, was ihm noch geblieben war. Nicht mal sein Gang war der alte. Langsam schlurfend, fast bedächtig, setzte er einen Fuß vor den anderen, wenn er sich von einem Ort zum anderen bewegte. Aber Zeit spielte keine Rolle mehr in einem derartigen Dasein. Den Rücken gebeugt, so als trage er eine schwere Last. Dabei war sein Rucksack ohne nennenswertes Gewicht. Er roch schon lange nicht mehr seinen eigenen Körper und war froh bisher von Parasiten verschont geblieben zu sein.

Der ehemalige Soldat schlief nicht, hatte nur die Augen geschlossen, hielt für all die Menschen hier unten Wache. Neben ihm stand eine verrostete, handliche Eisenstange. Er kannte alle Geräusche in der Umgebung. Sogar das Getrippel und Gefiepse der Ratten konnte er wahrnehmen, die ihn aber meist in Frieden ließen. Er vermied das Denken. Das Denken an früher, an das andere Leben. Abgebrochen waren die Brücken dorthin, in diese gänzlich andere Welt. Unerreichbar war es. Das Leben, das frühere Leben, das nicht mehr war. Er dachte lieber an morgen. Morgen stand betteln auf dem Programm. Das Betteln war die unterste Stufe. Tiefer konnte man nicht sinken. Cadan erinnerte sich an das erste Mal. Es war hart. Der erste Tag, an dem er bettelte. Er bettelte passiv. Äußerlich scheinbar teilnahmslos saß er vor dem Eingang eines Kaufhauses, einer Bank, einer Kirche, einem Bahnhof. Ein kleines Behältnis vor sich, einige kleine Münzen darin. Sam und McLeod beschrieben meist ein Stück Pappe mit ungelenken Buchstaben, eine Bitte formulierend. Cadan bevorzugte die stumme Variante, ohne Text.
Er vergrub sich tiefer in den Schlafsack und versuchte einzuschlafen. Wieder hörte er die Ratten tippeln und spürte den zugigen Wind unter der Brücke. Er roch die Abgase von der Straße über ihm, versuchte an nichts zu denken.

Benutzeravatar
NPC
NPC
Beiträge: 91
Registriert: 11.09.2016, 11:47
Hauptchar: Forum-NPC
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de
Kontaktdaten:

Re: [Cadan] Das Leben nach dem Leben

Beitragvon NPC » 18.11.2016, 19:32

geschrieben von Sally-Anne

"Jennifer Palmer", wiederholte sie in Gedanken den Namen, der die nächste Zeit ihre Identität sein würde. Wieder und wieder hatte sie es mit den Coaches durch gespielt. Sie wusste, dass es jetzt darauf ankam, dass man ihr die Geschichte abkaufte. "Jenny, 31 Jahre, keine Kinder. Arbeit verloren, vom Mann verlassen", der Hintergrund war bis ins kleinste Detail durch geplant. Sogar die Schläge, die sie von ihrem Mann bekommen hatte, waren noch sichtbar. In Wahrheit handelte es sich um eine Verletzung während des Trainings, aber es passte perfekt in das Bild. Vor drei Tagen war sie hier bei den Obdachlosen angekommen. Der Gestank, die Enge und die vielen Menschen machten die Szene fast unerträglich. Man hatte ihr eingeschärft, dass sie vorsichtig sein musste. Die Dienstmarke und die Waffe hatte sie zurück lassen müssen. Sie sollte sich möglichst anpassen. Schon am zweiten Tag hatte sie von alldem genug, aber sie musste heraus finden, wie es sein konnte, dass die DNA eines Toten bei einer Blutspende in NY aufgetaucht war. Die einzige nennenswerte Spur, die es gab, war eben jene, dass es sich um einen Penner gehandelt haben sollte. Darum war sie nun hier.

Jenny drehte sich um und erkannte eine junge, blonde Frau neben sich. Sie hatte sie in den letzten Tagen schon öfter gesehen. Einen Namen hatte die andere nicht genannt, Misstrauen war hier unten weit verbreitet und das machte die Untersuchungen schwieriger. Sie musste behutsam vorgehen, das Vertrauen erarbeiten und so vielleicht nach und nach etwas in Erfahrung bringen. Wie lange das dauern würde, war nicht vorher zu sehen. Bisher konnte sie nur beobachten und pünktlich einmal am Tag zog sie sich zurück, um von einem öffentlichen Fernsprecher Meldung zu machen. Heute hatte sie wieder nichts zu berichten gehabt, aber sie hatte ein paar Jugendliche beim Drogendealen beobachten können. Wahrscheinlich hatte jeder hier Dreck am Stecken.

Ein leises Rascheln neben ihrem Kopf ließ sie herum fahren und sie sah in zwei blitzende Knopfaugen. Es war ein Reflex, dass sie hoch schreckte und einen Satz zurück machte, wobei sie fast über die Blonde gefallen wäre. "Verdammter Scheiß", fluchte sie. Mit allem hier konnte sie sich arrangieren, aber dieses Ungeziefer raubte ihr den letzten Nerv. Überall hörte man es rascheln, piepsen, trappeln. Das erste, was man ihr bei der Ankunft erklärt hatte, war, dass sie ihren Rucksack immer geschlossen halten sollte. Das machte es uninteressanter für die Nagetiere. Den Schlafsack rollte sie tagsüber fest zusammen und trotzdem schüttelte sie ihn penibel aus, bevor sie hinein stieg. Ihr Alptraum war, dass eine Ratte sich nachts ihre Gesellschaft suchen würde. Zu viel. Jenny hatte eindeutig genug. Sie musste etwas Abstand haben von dem Lärm, den Leuten und allem, was so ganz anders war als das bequeme Leben, das sie sonst führte. Vorsichtig stieg sie über zum Teil schlafende Menschen. Hoffentlich bekam sie ihre Informationen so schnell, dass sie hier zügig wieder weg konnte. Von ihrem Platz am Rande des Lagers ließ sie den Blick über diese unterschiedlichen Leuten gleiten. Alle hatten eines gemeinsam: einen Grund, sich hierher zurück zu ziehen. Ob dieser gut, schlecht, gezwungen oder selbst gewollt war, das unterschied die Obdachlosen. Jenny wandte der Gruppe den Rücken zu und atmete durch. Je schneller sie hier weg kam, umso besser. Gerade, als sie zurück gehen wollte, spürte sie das Krabbeln an ihrem Fuß und gab einen leisen Schrei von sich. Hastig schüttelte sie das Vieh von ihrem Bein und sah hinterher, als es in der Dunkelheit das nächste Opfer suchte.

Dieser Account wird als NPC-Account genutzt, sobald es keinen anderen passenderen NPC-Account gibt.


Benutzeravatar
Cadan
Mensch
Beiträge: 61
Registriert: 17.11.2016, 11:40
Posts: 1-2x/Woche
Charname: Cadan Freeman
Pseudonym: Freeman
Alter: 40
Augen: grün
Haare: dunkelbraun, kurz
Größe: 1,86
Stadt: New York
Rasse: Mensch
Klasse: wissend
Beruf: Stadtstreicher; eig. Navy-Seal
Hauptchar: Skender
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de

Re: [Cadan]: Das Leben nach dem Leben

Beitragvon Cadan » 18.11.2016, 20:41

Ein Fluch, ausgestoßen von einer weiblichen Stimme, nicht weit entfernt, ließ Cadan die Augen einen Spalt öffnen. Die „Neue“ konnte sich noch nicht mit den kleinen Nagern anfreunden, die in der Nacht versuchten ein paar Krümel zu stibitzen. Drei Tage war sie erst hier. Der ehemalige Soldat wusste dennoch bereits, was es über sie zu wissen gab. Anfang Dreißig, kinderlos, keinen Job und der Mann weg. Unter halb geschlossenen Augen betrachtete er sie, während sie über die schlafenden Menschen stieg und sowohl Rucksack als auch Schlafsack einfach zurückließ. Etwas störte Cadan an ihrer Geschichte in Verbindung mit ihrer Person. Es war nicht die Tatsache, dass sie die wenigen Habseligkeiten einfach so den anderen Obdachlosen überließ – jeder von ihnen hatte diesen Anfängerfehler begangen und mindestens eine Nacht unter alten Zeitungen schlafen müssen. Es war etwas in ihrem Blick, das ihn in Alarmbereitschaft versetzte.

Er kannte viele verschiedene Blicke.
Die Blicke der Vorübergehenden, die achtlos vorbei eilten, ihn gar nicht wahrnahmen, ihn vollkommen übersahen. Dann die Blicke derer, die ihn musterten, analysierten und ihm niemals etwas in seine Schachtel warfen. Die Blicke derer, die mit steinerner Miene eine Münze hinein legten. Die Blicke, die verstohlen angstvoll umherblickten, als stellte es eine Peinlichkeit dar, ihm einige Cents zu hinterlassen. Die bösen, die feindseligen Blicke, die ihn aggressiv taxierten, die ihm anklagend Schuld und Verantwortung für sein Dasein entgegenschleuderten. Und die mitleidigen, die traurigen Blicke derer, die ihm einen Dollar schenkten oder zwei. Alle schmerzten. Alle diese Blicke gleichermaßen.
Ihr Blick war anders. Viel zu wachsam, viel zu aufmerksam. Sie betrachtete die Anwesenden nicht, sie taxierte sie. Sie suchte. Man konnte ihr förmlich ansehen, dass sie die Gesichter betrachtete und im Geiste mit einer fotografischen Erinnerung verglich. Fand sie keine Übereinstimmung, wandten sich ihre Augen der nächsten Person zu. Etwas abseits, am Rande der schlafenden Menschen, blieb sie stehen und ließ erneut ihren Blick über die Obdachlosen schweifen. Cadan rührte sich nicht, atmete ruhig und tief und beobachtete sie weiterhin mit beinahe geschlossenen Augen.

Diese Frau war nicht obdachlos. Ihre Haut war sehr gepflegt, trug jedoch Spuren von Gewalt. Ihr Haar war noch vor wenigen Wochen von einem teuren Friseur in Schwung gebracht worden, wenngleich es seit zwei Tagen kein Wasser und kein Shampoo mehr gesehen hatte. Ihre Nägel waren perfekt manikürt, obwohl ohne jeden Lack und kurz. Ihre Geschichte passte nicht.
Es gab zwei Wege um an diesen Platz, dieses gänzlich andere Leben, zu gelangen. Einen langsamen und einen schnellen Weg. Den langsamen Weg gingen Menschen, dessen Leben ganz allmählich sukzessiv bergab ging, Stück für Stück auseinander brach. Langsam aber stetig. Langsam aber sicher.
Er hatte den schnellen Weg bestritten. Sogar den ganz schnellen. Von weit oben rasant schnell nach unten. Nach ganz weit unten. CIA, Tod, Obdachlosigkeit. Sein Sturz hatte eine verdammt hohe Fallhöhe gehabt. Aber diese Frau war nie gestürzt.

Benutzeravatar
NPC
NPC
Beiträge: 91
Registriert: 11.09.2016, 11:47
Hauptchar: Forum-NPC
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de
Kontaktdaten:

Re: [Cadan]: Das Leben nach dem Leben

Beitragvon NPC » 18.11.2016, 21:45

geschrieben von Sally-Anne

Jenny blieb einige Minuten unschlüssig stehen. Sie hatte gesehen, wohin dieses miese, kleine Nagetier gelaufen war. Es war nicht die Richtung, wo sie ihre Sachen zurück gelassen hatte, sondern eine ganz andere. Dennoch zögerte sie, sich einfach wieder hinzulegen. Ihre Kontakte reichten noch nicht weit genug, um sich zu den Männern zu setzen, die auf der anderen Seite den Alkohol miteinander teilten. Schon der Gedanke, die Flasche an die Lippen zu setzen, bereitete ihr Übelkeit. Dabei hatte sie durchaus Durst und Hunger. Vielleicht würde es sie sogar ablenken, etwas zu trinken. Aber noch war sie im Dienst, auch wenn es keiner hier wissen durfte. Sie musste ihre Sinne beisammen halten und darum verwarf sie den Gedanken auch sofort wieder, sich doch noch zu den anderen zu gesellen. Die meisten der Obdachlosen waren Männer und soviel sie wusste, war auch derjenige, den sie suchte, ein Mann. Fast automatisch tastete sie wieder die Umgebung ab, versuchte sich unauffällig ein Bild zu machen. Man hatte ihr versprochen, weitergehende Untersuchungen anzustellen, um vielleicht auch ohne diesen Undercover-Einsatz auszukommen.

Nur bisher gab es keine weiteren Hinweise. Jenny fuhr sich mit den Händen durch die langen, dunkelbraunen Haare, die sie hier der Einfachheit halber zusammen gebunden hatte. Unvorstellbar, dass manche von den Menschen schon Monate oder gar Jahre hier hausten oder eben dort blieben, wo sie gerade einen Unterschlupf gefunden hatten. Gerade für die Frauen musste dieses Leben doch furchtbar sein - selbst mit dem Wissen, dass es ein paar soziale Einrichtungen gab, die einem eine kurze Dusche ermöglichten ... gelegentlich zumindest. Ganz davon ab, dass sie mitbekommen hatte, auf welche Weise einige der Frauen ihr Geld verdienten. Sie schüttelte den Kopf. Unvorstellbar. Das erste, was sie machen würde, wenn das hier vorbei war, wäre ein ausgiebiges Bad - nachdem sie den Dreck unter der Dusche abgespült hatte.

Obwohl es spät war hatte der Autolärm noch immer nicht nachgelassen. Jenny wusste nicht die genaue Uhrzeit. Selbst die Armbanduhr hatte sie nicht mit. Alles, was irgendwie an das alte Leben erinnern konnte, war fort. Bisher hatte man ihr die Geschichte geglaubt. Die wenig verheilte Platzwunde über der Schläfe, die Blutergüsse am Arm. Es war leicht gewesen, das Misstrauen zu zerstreuen. Zumindest die Frauen hatten sich auf ihre Seite gestellt. "Er hat mich geschlagen und aus dem Haus geworfen. Ohne Job, ohne Familie ... ich wusste nicht wohin." Eine Geschichte, wie sie tatsächlich vorkommen konnte? Das zumindest hatten die Coaches und ihr Chef ihr eingeschärft. Aber sobald sie den Fuß hierher gesetzt hatte, war sie auf sich allein gestellt. Ganz anders als bei anderen Einsätzen, war es auch nicht möglich, ihr Kollegen in den Hintergrund zu schicken. Mehrere Neue auf einmal wären viel zu auffällig.

Mit einem letzten Seufzen machte sie sich wieder auf den Weg zurück zu ihrem Platz. Darauf bedacht, niemanden zu stören, stieg sie wieder über die Leute, die allein oder in kleineren Gruppen beisammen lagen. Statt sofort zu ihrem Platz zurück zu gehen, entschied sie sich für einen Umweg. Dass sie in dem spärlichen Licht etwas sehen könnte, war zwar unwahrscheinlich, aber vielleicht gab es etwas zu hören. Sie konzentrierte sich so sehr, dass sie ihren Fehler erst merkte, als sie gegen etwas stieß. "Entschuldigung", kam es einem Reflex gleich von ihr und sie wollte rasch weiter gehen.

Dieser Account wird als NPC-Account genutzt, sobald es keinen anderen passenderen NPC-Account gibt.


Benutzeravatar
Cadan
Mensch
Beiträge: 61
Registriert: 17.11.2016, 11:40
Posts: 1-2x/Woche
Charname: Cadan Freeman
Pseudonym: Freeman
Alter: 40
Augen: grün
Haare: dunkelbraun, kurz
Größe: 1,86
Stadt: New York
Rasse: Mensch
Klasse: wissend
Beruf: Stadtstreicher; eig. Navy-Seal
Hauptchar: Skender
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de

Re: [Cadan]: Das Leben nach dem Leben

Beitragvon Cadan » 20.11.2016, 12:39

Als sie zu ihrem Schlafplatz zurückkehren wollte, nahm sie nicht den direkten Weg. Das bestätigte Cadans Annahme. Sie war nicht hier weil sie eine Bleibe brauchte. Sie war hier, weil sie hier eine Aufgabe zu erledigen hatte. Natürlich gab es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ER ihre Aufgabe war, aber es bestand immerhin die Möglichkeit. Ja, er litt unter Verfolgungswahn. Aber er litt noch unter weitaus mehr psychischen Störungen, weshalb diese eine Macke mehr, ihn nicht weiter störte. Cadan senkte den Kopf noch weiter auf seine Brust, als die Neue den Umweg nahm, der sie direkt an seinem Schlafplatz vorbei führen würde. Nur noch wenige Schritte, dann war sie an ihm vorbei. Drei. Zwei. Einer. Sam drehte sich im Schlaf und stellte ihr damit ein Bein. Glücklicherweise fiel sie nicht, sondern entschuldigte sich nur bei dem Mann zu ihren Füßen, dass sie ihn berührt hatte. Sam nuschelte etwas Unverständliches, hustete, öffnete jedoch nicht einmal die Augen. In Cadans Augen war ihre Entschuldigung jedoch ein weiteres Indiz dafür, dass sie hier nichts zu suchen hatte. Oder besser: dass sie hier etwas suchte.

Aus den halbgeschlossenen Augenwinkeln nahm der ehemalige Soldat eine weitere Person wahr, die sich seinem Schlafplatz näherte. Er wandte leicht den Kopf in die Richtung und verriet damit, dass er nicht schlief. Maxwell, ein Kriegsveteran, kam mit einem silbernen Tablett angelaufen. Der Anblick war derart suspekt, dass Cadan sich aufsetzte und dem Ankömmling unter zusammengekniffenen Augenbrauen entgegen blickte. Der Mann bewegte sich schneller als üblich. Seine blauen Augen unter den buschigen Augenbrauen leuchteten voller Vorfreude. Hoffentlich hatte er nichts geklaut, betete Cadan inständig, denn sonst würde die Polizei innerhalb kürzester Zeit hier auftauchen und das bedeutete, dass er schnell und unbemerkt verschwinden musste.

„John, McLeod“, rief Maxwell schon von weitem. „Das habe ich von Dr. Cullen bekommen. Hat ein Pharmavertreter dagelassen. Wir sollen teilen“. Er grinste über beide Ohren und entblößte dabei seine fast schwarzen Zähne. Vorsichtig, als sei das Tablett aus dünnem Glas und nicht aus Metall, stellte er es vor Cadans Füßen ab. Ein riesiger Berg voller Canapés kam zum Vorschein, belegt mit frischem Räucherlachs, Forellen, Serranoschinken, Trüffelsalami und edlem Käse. Alles war ordentlich mit einer Zellophan-Folie bedeckt. Neben ihm schälte sich McLeod aus seinem Schlafsack und ein paar der umliegenden Menschen taten es ihm gleich und kamen heran. Auch Sam öffnete die Augen und versuchte sich aufzusetzen. Noch immer war er schwer alkoholisiert.

„Es geht genau auf“, proklamierte Maxwell mit demagogischer Stimme. In seinem früheren Leben war er Professor gewesen. „Für jeden genau drei Teile“. Er blickte in die Runde, in der auch die Neue stand. Zittrige, gerötete, faltige, unsäglich verdreckte Hände griffen zu. Geschlagene Hände. „Ich hole Kaffee für uns“, murmelte McLeod. „Ich habe im Lotto gewonnen“. Sam und Cadan blickten fragend. „Einer jungen Dame war unbemerkt ihre Geldbörse aus der Tasche gefallen. Als ich sie ihr hinterher trug und wieder gab, schenkte sie mir 20 Dollar“. McLeod war ein lieber Mensch. In dem Geldbeutel war bestimmt mehr drin gewesen… „Bring mir anstatt Kaffee nen Flachmann mit“, nuschelte Sam hinter ihm her. Maxwell hob das Tablett mit den letzten drei Schnittchen und hielt es der Neuen vor die Nase. Sam hatte keinen Appetit auf Schnittchen.

Sie saßen in großer Runde auf dem Boden, mittendrin die Neue, und labten sich an den edlen Teilchen und dem Kaffee. Wie lange hatte Cadan so etwas nicht mehr gegessen …? Er spürte eine Träne im Augenwinkel. Früher war es fast alltäglich. Früher war es nichts Besonderes. Früher hatte er es nicht wertgeschätzt. „Danke fürs Teilen“, sagte eine Frau, die aussah wie 70, aber gerade mal die 50 überschritten hatte. An die Neue gewandt, fügte sie hinzu: „Es ist etwas Besonderes, wenn man gerade dann teilt, wenn man fast nichts besitzt“.

Benutzeravatar
NPC
NPC
Beiträge: 91
Registriert: 11.09.2016, 11:47
Hauptchar: Forum-NPC
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de
Kontaktdaten:

Re: [Cadan]: Das Leben nach dem Leben

Beitragvon NPC » 21.11.2016, 11:40

geschrieben von Sally-Anne

Davon, dass man sie inzwischen genauso beobachtete, wie Jenny selbst es mit ihrer Umgebung tat, wusste die Agentin nichts. Vielleicht wäre sie dann bedachter vorgegangen, obwohl es letztlich auch nichts mehr gebracht hätte. War die Tarnung einmal aufgeflogen, gab es selten noch Möglichkeiten, das wieder gerade zu biegen. Selbst das Einschleusen eines anderen Agenten wäre in dem Fall ziemlich heikel. Sie hatte also gute Gründe, sich in ihre Rolle hinein zu versetzen, so perfekt, wie es ihr eben möglich war.
Ein Glück war sie nicht zu Fall gekommen, als sie gegen einen der am Boden liegenden Männer gestoßen war. Sie kannte seinen Namen. Sam. Aber sie hatte nur ein paar Worte mit ihm gewechselt bisher. Genau wie mit den Männern, in deren Nähe er sich zumeist aufhielt. Irgendetwas irritierte sie, aber sie hätte es nicht genau sagen können. Sie brauchte mehr Zeit. Und davon gab es hier unten tatsächlich reichlich.

Jenny hatte sich noch gar nicht weiter entfernen können, als sie den Ruf vernahm und ein Mann mit einem Tablett voll Essen zu ihnen stieß. Der Anblick war grotesk. Es passte nicht hierher. Sogar der Geruch des Essens passte nicht. Erst als Maxwell das Tablett auf dem Boden abstellte, konnte die junge Frau erkennen, dass es sich dabei wohl um eine Spende handelte. Unweigerlich fragte sie sich, was mit diesen Resten, die für die Leute hier unten einen wahren Schatz bedeuten mussten, wohl sonst geschehen wäre? Vermutlich hätte man es achtlos in den Müll geworfen. Überhaupt wurde viel zu viel weg geworfen. Schon in den wenigen Tagen, die sie hier war, hatte sie es gelernt. Niemand kam auf die Idee eine Jeans in den Müll zu tun, nur weil sie einen Fleck oder Riss hatte. Privat wäre Jenny niemals so herum gelaufen. Sie hatte nicht einmal einen Pyjama, sondern legte sich - wie alle - mit den gleichen Klamotten unter den Schlafsack, die sie tagsüber anhatte.

Als mehr Leute heran kamen, überschlug Jenny im Kopf, ob es reichen würde. Und dann kam schon Maxwells Erklärung, dass es aufginge. Gern hätte sie ihren Anteil einfach weiter gegeben, aber sie wusste, dass das misstrauisch machen würde. Sie musste also zugreifen, wie alle anderen es taten. Dass sie aber zumindest den wirklich Bedürftigen den Vortritt gelassen hatte, war sicher nicht aufgefallen - irgendjemand musste schließlich der Letzte sein. "Danke", sie schenkte dem Mann ein warmes Lächeln und setzte sich zu den anderen auf den Boden. Inzwischen kam ihr nicht einmal mehr falsch vor, sich in den Dreck zu setzen ... konnte man sich so schnell an so etwas gewöhnen? Den Becher Kaffee nahm sie entgegen und genoss einen Moment die Wärme an den Händen, bevor sie ihn an die Lippen setzte. Für gewöhnlich brauchte sie Milch und Zucker. Ein Sonderwunsch, den sie hier nicht äußern konnte. Aus ihren Gedanken heraus gerissen wurde Jenny von einer Frau, deren Name ihr gerade nicht einfiel. Die Worte lösten schlechtes Gewissen in der Agentin aus. Mit einem Mal kam es ihr fast falsch vor, sich so dreist unter diese Menschen zu mischen und das Wenige, was sie hatten - und teilten - auch noch für sich zu beanspruchen. Insgeheim nahm sie sich vor, eine größere Spende hier zu lassen, wenn alles vorbei wäre. "Gerade diejenigen, die viel haben, wissen oft gar nicht, was es bedeutet zu teilen", gab sie leise zurück und reichte der anderen Frau das letzte Schnittchen, nur um sich weiter an ihren Kaffee zu halten.

Dieser Account wird als NPC-Account genutzt, sobald es keinen anderen passenderen NPC-Account gibt.


Benutzeravatar
Cadan
Mensch
Beiträge: 61
Registriert: 17.11.2016, 11:40
Posts: 1-2x/Woche
Charname: Cadan Freeman
Pseudonym: Freeman
Alter: 40
Augen: grün
Haare: dunkelbraun, kurz
Größe: 1,86
Stadt: New York
Rasse: Mensch
Klasse: wissend
Beruf: Stadtstreicher; eig. Navy-Seal
Hauptchar: Skender
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de

Re: [Cadan]: Das Leben nach dem Leben

Beitragvon Cadan » 22.11.2016, 14:39

"Gerade diejenigen, die viel haben, wissen oft gar nicht, was es bedeutet zu teilen". Es war das erste Mal, dass Cadan die Stimme der „Neuen“ hörte. Sie erinnerte ihn an seine ehemalige Partnerin. Seine Hand glitt in die Tasche des schäbigen Mantels und ließ seine Finger über die polierte Oberfläche des Gegenstands darin gleiten. Es war ein Orden. Die höchste Auszeichnung, die seine Agency für Heldenmut im Einsatz vergab. Er hatte sie für eine Mission erhalten, die er gemeinsam mit eben jener Agentin unter größtem persönlichem Risiko ausgeführt hatte. Es war der Wunsch gewisser Personen in der Agency gewesen, dass sie es nicht lebendig zurückschafften. Zum Verdruss dieser Personen waren sie aber tatsächlich zurück in die Vereinigten Staaten gekehrt. Eine der Personen, die dazu die Weisung gegeben hatten, war vermutlich genau jene Person, die der Frau mit dem Pferdeschwanz die Ermittlungen hier vor Ort übertragen hatte.

Diese Person hatte ihn tot sehen wollen. Der Orden war eine bedeutungslose Geste gewesen. In Wirklichkeit wollten sie ihm eine Kugel in den Kopf jagen. Und deshalb war Cadan sich sicher, dass die „Neue“ nichts Gutes im Schilde führte. Es gab nur zwei Möglichkeiten, was eine Agentin von ihm wollte: eliminieren oder rehabilitieren. Keine der beiden Möglichkeiten gefiel ihm.
Wenn diese Frau die Meldung abgab, dass sich Latham Wheelan alias Cadan Freeman unter diesen Obdachlosen hier befand, dann waren seine Chancen, diesen Ort noch einmal lebend zu verlassen sehr gering. Er war ein Veteran der Agency und hatte viel erreicht. Einige würden behauptet, sogar Unmögliches. Er hatte die höchsten Auszeichnungen erhalten, die die Agency an ihre Mitarbeiter vergeben konnte. Und dann hatte er das leitende Management verärgert. Das war sein Todesurteil gewesen. Nein, Cadan war nicht ein wenig paranoid, er war SEHR paranoid.

Die Agency hatte immer die Rolle der Geschworenen und des Richters übernommen. Und er war der Henker für sie gewesen. Die dort oben hatten entschieden, wer starb und es ihm dann mitgeteilt. Und er hatte es erledigt. Fast so, als wären die da oben Gott. Wer durfte leben, wer musste sterben? Und jetzt saß er seinem Henker gegenüber und aß Kanapees. Und er hoffte inständig, dass der Pferdeschwanz ihn nicht erkennen würde.

Benutzeravatar
NPC
NPC
Beiträge: 91
Registriert: 11.09.2016, 11:47
Hauptchar: Forum-NPC
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de
Kontaktdaten:

Re: [Cadan]: Das Leben nach dem Leben

Beitragvon NPC » 25.11.2016, 08:40

geschrieben von Sally-Anne
abgesprochen mit Cadan


Der Kaffee wärmte von innen und obwohl einer der Männer dafür vermutlich - für seine Verhältnisse - ein Vermögen ausgegeben hatte, schmeckte er fad. In ihrem normalen Leben hätte sie die braune Brühe wohl einfach in den Abfluss gekippt. Hier gab es weder einen Abfluss - außer dem stinkenden Kanaldeckel, von dem sie sich so weit es ging entfernt hielt - und das Verschmähen der Gabe kam einer Beleidigung gleich. Jenny nippte also weiter an dem Becher, während sie den anderen zuhörte, die ihre Geschichten über den Tag tauschten oder Anekdoten erzählten, wie sie irgendwen übers Ohr gehauen hatten. Manche waren auch schweigsam, so wie sie selbst. Aber was hätte sie auch erzählen sollen von diesen drei Tagen, die sie hier verbrachte? Noch hatte ihr Geld gereicht und die Geschichte um den vermeintlichen Ehemann wollte sie nicht weiter auswalzen. Menschen glaubten Lügen nur solange, wie sie nebenbei erzählt wurden. Dessen war sie sich sicher. Zu viel von sich zu erzählen, zu oft die gleichen Dinge zu betonen und zu bereitwillig Vertrauen zu schenken, würde zweifelsohne misstrauisch machen. Auch wenn sich gerade alle in scheinbarer Gemeinschaft befanden, so lebte doch jeder für sich. Zumindest war das ihr Eindruck.

Dass hier unten auch Freundschaften entstehen konnten, denn ohne Rückhalt würde man wohl kein Jahr überleben, schien logisch, dennoch war auf seine Weise jeder allein. Jenny musterte einen nach dem anderen möglichst unauffällig. Bisher war sie kein Stück weiter gekommen mit ihren Nachforschungen und so langsam glaubte sie auch nicht mehr daran, dass sie Erfolg haben würde. Die Obdachlosen hielten sich bedeckt in ihrer Nähe. Die Gespräche waren belanglos und oberflächlich, gaben keinen Anhaltspunkt für das, was sie suchte. Vielleicht war es auch die falsche Gruppe. Immerhin gab es viele solcher Treffpunkte. Viel mehr, als die wohlhabenden Menschen wahrhaben wollten. Jenny trank ihren Kaffee aus und bedankte sich noch einmal für das Essen. Sie war müde und durch die Bewegung im Lager hatten sogar die Ratten sich zurück gezogen. Sie schätzten die Dunkelheit und Ruhe, wenn alle sich schlafen gelegt hatten. Im Augenblick war es zu geschäftig und vielleicht konnte Jenny einschlafen, bevor das Trappeln wieder losgehen würde.

Die Frau, die eben noch neben ihr gesessen hatte, rappelte sich schwerfällig auf und Jenny hielt ihr helfend die Hand entgegen. Sie war überrascht, wie leicht die andere zu sein schien, aber noch konnte sie auf die Reserven aus dem Training zurück greifen. Wie lang würde das gut gehen, wenn sie Tage oder gar Wochen hier hausen sollte, um einem Gespenst nachzujagen? Einem Gespenst, von dem sie nur ahnen konnten, dass es hier sein Unwesen trieb. Sie würde direkt am nächsten Morgen versuchen ihren Kontaktmann zu erreichen, um ihm mitzuteilen, dass sie nicht weiter kam.
Mit dieser Überlegung kroch sie in den muffigen Schlafsack, nicht ohne ihn noch einmal auszuschütteln, was ein unwilliges Brummen eines jungen Mädchens neben ihr zur Folge hatte. Sie war bestimmt nicht mal 16 Jahre und lebte hier. Schon länger, wie Jenny heraus gefunden hatte. Gesucht hatte sie bisher keiner. Bevor die Gedanken sie einholen konnten, schloss sie die Augen und fand tatsächlich in den Schlaf.

Als sie am nächsten Morgen aufwachte, war es noch ruhig. Die anderen hatten sicher noch länger zusammen gesessen. Irgendwann hatte sie das leise Murmeln oder gelegentliche Lachen einfach ausgeblendet und nur noch unterbewusst wahr genommen. Jetzt hörte sie Schnarchen und Atemzüge rings herum. Jenny packte ihre Sachen zusammen und machte sich auf den Weg, um ihre Beobachtungen und den täglichen Bericht abzuliefern. Auch diesmal hatte sie nicht mehr zu erzählen. Außerdem musste sie Frühstück besorgen, ihr Magen knurrte. Vermutlich eine Reaktion auf das doch gute Essen am Abend davor. Eine der Frauen hatte ihr versichert, dass man den Hunger irgendwann nicht mehr spürte. So richtig glauben konnte sie das nicht.

Als sie nach einer guten Weile zurück kam, hatten sich die Reihen schon gelichtet. Es fehlten einige. Auch die Männer, die gestern mit ihnen geteilt hatten, waren fort. Das war nichts Ungewöhnliches, denn jeder hier musste irgendwie seinen Unterhalt verdienen. Mehr aus Routine ging sie zu der Stelle, wo sie am Vorabend gesessen hatten und vielleicht wäre es auch bei dem flüchtigen Blick geblieben, wenn sie in einiger Entfernung nicht den glänzenden Gegenstand gesehen hätte, der so gar nicht hierher passen wollte. Sie bückte sich langsam und sah sich dabei um, dann hob sie die Marke auf und ein triumphierendes Grinsen huschte über ihr Gesicht. Der erste vernünftige Hinweis. Er war hier gewesen. Zumindest aber war jemand hier, der Kontakt gehabt haben musste. Also hatte sie endlich etwas, womit die Kollegen die Computer füttern konnten. Sie schnappte ihre Klamotten, steckte die Marke in die Hosentasche und machte sich umgehend auf den Weg.

Ende.

Dieser Account wird als NPC-Account genutzt, sobald es keinen anderen passenderen NPC-Account gibt.



Zurück zu „Mondblut - New York City, New York, USA“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste