[Ada]: Das schwarze Tor

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Ada
Vampir
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Registriert: 22.09.2016, 19:25
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Charname: Ada (Magdalena) Ashton geb. Hayward
Alter: Anfang/Mitte 20
Vampiralter: 182 Jahre
Augen: blaugrün
Haare: schwarz, glatt, lang
Größe: 177cm
Stadt: New York
Rasse: Vampir
Kodex: klassisch
Beruf: Ehefrau
Fähigkeiten: 1. Kraft des Entzückens
2. Vergessen
3. Aurenveränderung
4. visuelle Gedankenfiktion
Schöpfer: James Ashton
Hauptchar: aBraXaS
FAQ: http://faq.vampir-rollenspiel.de
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[Ada]: Das schwarze Tor

Beitragvon Ada » 02.10.2016, 21:21

OT: Die Szenen-Ankunft wurde mit Ivy aus dem alten Forum geschrieben. Leider ist Ivy bislang nicht wieder hier im neuen Forum angemeldet. Daher habe ich die Ankunft gekürzt und nur Adas Beiträge herausgefischt, die ein Interagieren von Ivy unterbinden können. Die Szene ist hoffentlich dennoch rund, auch wenn sie nicht alles beinhaltet, was gewesen war. Meine Beiträge trenne ich mit einer Linie. Ggf. schreibe ich zwischen diese Linien als Zusammenfassung, was von Ivy kam und nicht in meinen Beiträgen nachvollzogen werden kann.

"Ich muss noch etwas Geschäftliches in der Bibliothek in Brooklyn erledigen", James war knapp in seinen Ausführungen, wie immer. Und wahrscheinlich hätte er gar nichts gesagt, wenn sie nicht fragend zu ihm gesehen hatte, als er abgebogen war, anstelle weiter in Richtung Hauptgebäude des Rats zu fahren.
Heute Nacht wurde dort eine Gesellschaft gegeben. Eine wichtige, wie er immer wieder betont hatte - was für Ada bedeutete, dass sie sich keine Fehler erlauben durfte. Das durfte sie nie, aber offensichtlich gab es in James' Denken noch etwas, das mehr als fehlerlos sein konnte, mehr als perfekt.

Ein neues Kleid hatte er dafür mitgebracht. Es war moosgrün und doch so dunkel, dass man es fast für schwarz halten musste. Es schimmerte matt im Licht. Es war wie viele ihrer Kleider wunderschön und sie hatte sich einige Minuten genommen, sich Zuhause im Spiegel zu betrachten. Der Saum umspielte ihre Fesseln und die schwarzen, schlichten Riemenschuhe mit leichtem Absatz. Es fiel weich und leicht ausgestellt gen Boden und schnürte Taille und Torso glatt und eng zusammen, als wäre es ein Mieder.
Der rechteckige Ausschnitt verlieh ihrem Dekoleté weiche, feste Ansätze, während das diamantene, in seiner Schlichtheit herausragende Collier sich mit ihrem Atem sanft hob und senkte.

Passene Ohrringe als Hänger wogten bei jeder Bewegung vor und zurück. Das Haar hatte sie hochgesteckt zu einer kunstvollen Frisur, im Nacken und an den Schläfen fielen vereinzelte, wellige Strähnen hinab, verdeckten mit dem Kleid fast gänzlich die verblasste Brandmarkung zwischen ihren Schulterblättern.
Ada fühlte sich wohl in diesem Kleid. Es schien eine Mischung aus Moderne und 19. Jahrhundert zu sein, ganz so, wie sie sich selbst innerlich fühlte. Eine Mischung aus alter Zeit und neuer Hoffnung. Hoffnung, dass alles irgendwann schön sein könnte. Gedanken, die ihr halfen, zu überleben.

"Darf ich fragen, warum in einer Bibliothek Geschäfte warten?", sie wollte nicht fragen, doch heute ging es ihr gut. Er hatte sie die letzten Tage mehr ignoriert, als alles andere. Das war ein gutes Zeichen. Ihre Stimme war klar, aber leise, ganz so, dass er sie auch einfach übergehen konnte, hätte er gewollt.
"Darfst Du nicht, aber ich sag es Dir dennoch", gab er nach einem Sekundenlangen Blick auf sie zurück, bevor ihn die Straße vor ihnen wieder zwang, auf den Verkehr anstatt auf sie zu achten. Erst dann erlaubte sie sich unauffällig zu schlucken, angesehen hatte sie ihn bei seinem Blick nicht.

"Dieser Abschaum an Kodexbrechnern hat eine unter sich, die Bücher schreibt. Sie schreibt, was andere nicht einmal hinter vorgehaltener Hand weitertragen würden, wenn ihnen ihr Leben lieb ist. Bücher über unsere Fähigkeiten, unser Sein, unsere ganze Rasse ...", Ada sah kurz zu ihm und erkannte die Zornesfalte zwischen seinen Augen sogar im Profil.
"Diese Bücher müssen verschwinden und jetzt sind sie in einer Bibliothek aufgetaucht. Schlimm genug, dass sie in Buchläden zu kaufen sind", er hieb einmal wütend mit der flachen Hand aufs Lenkrad seines Mercedes, "und jetzt für jeden kostenlos und zu haben ... dieses Weibsstück bringt mich zur Weisglut!"

Ada zuckte innerlich zusammen und sympathisierend hoffte sie in diesem Moment, dass diese Vampiress niemals in seine Hände geriet. Ein Gedanken, den sie tief in sich verschloss, damit er ihn nicht wahrnahm. Es war nicht auszudenken, was dann passiert wäre.
"Du wirst sie finden, da bin ich sicher. Du hast sie bisher alle gefunden", versuchte sie ihn zu beschwichtigen und lächelte überzeugend. "Und wie ich das werde, das schwöre ich Dir!"
"Du wirst", sagte sie darauf noch einmal leiser. "Dann werden sie mir endlich die Position übergeben, die mir zusteht ... schon so lange zusteht", zischte er in sich hinein und Ada wusste, dass er seit Jahrzehnten versuchte im Rat der Alten aufzusteigen, aber es nie weiter als bis in die dritte Ebene geschafft hatte. Er glaubte mehr zu verdienen. Für Ada verdiente er nichts. Sie hatte nur Verachtung für ihn übrig, doch sie traute sich nicht einmal mehr dieses Gefühl zu, es war in Mitleid umgeschlagen. "Und wehe der Leiter der Bibliothek fühlt sich nicht angesprochen und nimmt die Bücher nicht aus seinen Regalen ...", fügte er noch an, sprach aber vielmehr zu sich selbst.

Für den Moment jedenfalls wusste sie, war es besser zu schweigen. Hätte sie ihn bestätigt, hätte er seine Wut auf sie projiziert und behauptet, sie würde glauben, er habe keine wichtige Position, warum sie ihn bestätigen müsse, das wäre doch ganz klar, dass er das könne. Hätte sie ihre wahren Gedanken verraten, hätte er sie womöglich getötet. Das eine war nicht unbedingt besser als das andere, auch wenn es Nächte gab, da sie sich gewünscht hätte, er hätte es getan.
Der Wagen fuhr auf einen nahen Parkplatz der Biliothek. "Du wirst mitgehen", befahl er dann und überrascht blickte sie hoch. "Ich werde Dich sicherlich nicht hier im Auto lassen. Schau Dich doch an. Das Kleid hat mich eine Stange Geld gekostet und den Schmuck, den Du trägst ...", sie nickte schnell, bevor er auf die Idee kam, sie könne seine Ausgaben nicht wertschätzen. "Es ist alles so wunderschön", lächelte sie ihm zu und stellte sich somit dümmer als sie war, miemte die kleine Ehefrau, die sich einfach daran erfreute, was ihr Mann ihr geschenkt hatte.
"Ihr Frauen habt keinen Sinn für Wert, immer nur für Schönheit", grummelte er und stieg aus.

Auch Ada wollte die Hand an die Türe legen und sie öffnen, doch sie besann sich. Er war um den Wagen herumgegangen und öffnete ihr. Sie waren in der Öffentlichkeit. Sein Gentlemandasein war in dieser Öffentlichkeit tadellos.
Man sah ihm niemals an, wie er wirklich war. Er war ein unglaublich charismatischer Vampir mit kurzem dunklem Haar, schlank und einem Lächeln, das vereinnahmen konnte. Sogar Ada noch, wenn sie vergaß, dass das Schöne an ihm im Widerspruch zu dem Bösen in ihm stand.
"Vielen Dank", erklärte sie gekonnt und lächelnd, stieg aus und strich sich den Rockteil des Kleides glatt.

Wenige Schritte ging sie bei ihm untergehakt, bis sie ein schwarzes faszinierendes Tor durchquerten, für das James keinerlei Sinn zu besitzen schien. Somit blieb auch Ada nicht die Möglichkeit stehen zu bleiben, um sich die güldenen Figuren auf dem schwarzen Untergrund genauer anzusehen.
Mehrere unterteilte Stufen führten hinauf zu diesem Eingang, der umschlossen war von einem kahlen beigegrauen Sandsteinklotz, der so gänzlich unpassend schien für solch ein opulentes Türentor. Und dennoch war genau das es, was es zu etwas Heraussragenden machte. Die Türe des Eingangs in diesem Tor wirkte nahezu unscheinbar. Als wären sie Ameisen, die durch den Eingang von riesigen, gotthaften Fabelwesen zu schlüpfen versuchten. Sonnenleuchten an der Decke des Tors und indirektes Licht erhellten es mystisch in seiner nächtlichen Atmosphäre.

Sie gingen hindurch als wären sie hier Zuhause, was mehr an James' Führung lag, als an ihr selbst. Er hatte ihr Unterhaken mittlerweile gelöst und führte sie mit seiner Hand an ihrem Ellbogen weiter. Für Außenstehende wirkte es vielleicht vornehm, Ada jedoch spürte sehr wohl den kraftvollen Druck seiner Finger an ihrem Ellbogen. Sie schluckte den Schmerz herunter und lächelte sanft.
Wie sie es immer tat.

"Ich werde mich jetzt kümmern. Warte hier auf mich", er wartete keine Antwort ab, ließ sie einfach verloren stehen und sie lächelte ihm nach und schluckte. Als er durch eine Glastüre verschwand, blickte sie vor sich. Das Lächeln schwand nicht, doch es erreichte auf einmal auch ihre Augen. Eine leichte Aufregung durchzog ihren Blick, die Hände hatte sie vor ihrem Bauch in einander gelegt und drückte sie fest, weil sie nicht wusste, was sie mit ihnen machen sollte. Für Augenblicke stand sie nur da und sah auf das Meer an Büchern um sich herum.
Menschen liefen herum, flüsterten miteinander, gingen vor allem aber an ihr vorbei und hinaus. Einige sahen sie irritiert an, weil ihr Wirken nicht das einer Studentin in einer Bibliothek entsprach, sondern einer Frau, die möglicherweise ein Konzert besuchen wollte. Ada beachtete es nicht. Neugierig neigte sie den Kopf, um hinter Ecken zu sehen, die sie von ihrer Position nicht sehen konnte. Neigte ihn in die andere Richtung, traute sich keinen Schritt voran. Anspannung durchzog auf einmal ihren Rücken.

Er hatte sie hier an einem öffentlichen Ort abgestellt und sie gebeten - ihr befohlen - zu warten. Bedeutete warten, dass sie hier stehen bleiben musste, mitten zwischen Eingang, Information und Bücherparadies?
Zwei sportliche Männer gingen an ihr vorrüber, sie unterhielten sich angeregt, doch noch bevor sie sehen konnte, wohin sie verschwanden, hatte ihr Blick schon das nächste Ziel erreicht. Eine junge Frau an einer Servicetheke, die an einem Bleistift nagte. Ada schmunzelte breit, dann sah sie einen jungen Menschen, der sich halb hinter seinem Buch duckte und zu verdecken schien. Ada schob belustigt die Augenbrauen kurz zusammen und fragte sich, was er da tat. Lesen war es sicherlich nicht.

Ihr Herz klopfte, sie spürte es hinter ihrer Brust, sie atmete so flach, dass es das Gefühl der Aufregung nur verstärkte.
Niemals hatte James sie an einen Ort mitgenommen, an dem es nur Menschen gab. An einen öffentlichen Ort, an dem nicht nur klassisch Kodextreue waren und ihre Feste feierten. Ihr war es nicht einmal je möglich gewesen, eine Boutique zu besuchen. Sie wusste nicht einmal, dass es diese gab - oder wusste nicht, wie es in ihnen aussah, denn an ihnen vorbeigefahren waren sie oft.
Ada machte einen Schritt in Richtung Lesesaal. Ein Schritt und ihr Absatz hallte in ihrem vampirischen Gehör wie ein Donnerschlag, doch es war kein lauteres Geräusch, als bei allen anderen. Es war nur für sie laut, doch der Donner James' blieb aus. Sie sah in die Richtung, in die er gegangen war, als käme die Bedrohung und Bestrafung für diesen Schritt sofort auf sie zurück. Doch er war nicht da. Sie spürte seiner Aura nach, die sich langsam aufgebracht erhob. Doch er veränderte seine Position nicht. Kam noch nicht zurück.

Ada sah wieder vor sich, atmete tief durch und ging dann einen weiteren Schritt, unsicher, aber voller Möglichkeiten, die sich ihr offenbarten. Was wollte sie tun? Es fühlte sich an wie ein Schritt in eine neue Zukunft, in eine Freiheit, wie ein Fliehen, wie verboten ...
Sie könnte an der Information etwas fragen. Sie konnte mit einem Menschen sprechen, sie konnte ... sie konnte fragen, was der junge Mann da hinter seinem Buch trieb, ein Buch aus dem Regal nehmen, darin blättern. Vielleicht konnte sie es ausleihen, vielleicht ... ihr kam eine ganz andere Idee. Entschlossener als gerade noch, ging sie dann einige sicherere Schritte zum Service.
Zu der jungen Frau mit braunem, hübschem Haar und großen warmen Augen. Sie war jung und sie war sympathisch und Ada lächelte ob beider Tatsachen, aber vor allem, weil sie ein Mensch war. Ein Mensch ... sie hatte das letzte Mal mit einem Menschen gesprochen, da war sie selbst noch einer gewesen.

"Gut... Guten Abend", sagte sie freundlich, etwas leise, aber deutlich und lächelte offen und aufrichtig. Aufregung machte sich in ihr breit. Ihre Hände zitterten, aber sie hielt sie fest ineinander verkeilt, unsichtbar unter dem Tresen, um sich nicht zu verraten. "Verzeiht, Miss. Ich suche ein ... ich suche ein Buch, von dem ich nicht weiß, wie es heißt oder von wem es ist ... wenn ich Euch sage, um was es geht, könnt Ihr mir vielleicht dennoch weiterhelfen?" War ihr bewusst, welchem Risiko sie sich aussetzte, wenn sie etwas tat, ohne vorher um Erlaubnis gefragt zu haben? Wahrscheinlich ... aber die Verlockung, es zu tun, war zu groß. Ein neuer Ort, keine neuen Regeln, sie würde Ausreden genug finden, um sich vor James zu rechtfertigen. Es war es ihr wert. Seine Position war unverändert. Ada beruhigte das ein wenig.

Die Vampiress wusste allerdings nicht, dass die Menschen in der Moderne sich nicht mehr Euchten, es war unter älteren Vampiren nicht üblich, das "Sie" zu verwenden. So fiel ihr dieser Fehler nicht einmal auf.
Viel mehr war sie damit beschäftigt, das Mädchen anzusehen, das so hübsch und lebendig vor ihr ihre Arbeit tat. Ihre Aura war so rein und schön, so ganz anders und unbedarft, anders als die eines Vampirs.

Die junge Frau hatte sie schon gesehen, als sie auf sie zukam. Wie alt mochte sie sein? Nicht viel älter als Ada in die Staaten gekommen war. Aber so ganz anders war ihre Mode, als Ada sie gewohnt gewesen wäre. Das Weiß ihrer Bluse hätte das Weiß eines Hemdes James' sein können. Männlich wirkte sie damit in Adas antiquiertem Blick, aber so unglaublich ansprechend, so schön, so selbstbewusst und selbständig. Ganz so, als wisse sie genau, was Freiheit war. Was Freiheit bedeutet und was Freiheit für eine Frau bedeuten konnte. Vielleicht war sie sie auch schon so sehr gewohnt, dass sie es überhaupt nicht mehr wusste?

Sie arbeitete hier. In einer Bibliothek arbeitete dieses Mädchen. Sie bekam einen Lohn für ihre Arbeit, so hoffte Ada es. Es wäre unmöglich gewesen für sie in einer Bibliothek zu arbeiten. War dieser Bereich doch von jeher dem männlichen Geschlecht vorbehalten gewesen. Auch noch zu ihrer Zeit. Erst kurz danach hatten die Universitäten den Frauen die Türen geöffnet. "Ob sie wohl studiert, die hübsche Person? Sie hat bestimmt ein kluges Köpfchen", dachte sie bei sich, als sie ihre Frage stellte und prompt eine freundliche Antwort erhielt.

Ihre Anrede war befremdlich. Sie hatte sie schon gehört, doch wieder vergessen. Erst jetzt kam in ihr auf, dass man sich heute vielleicht nicht mehr so ansprach, wie sie jemanden ansprach. Und Ada hatte das Gefühl, dass ein "Ma'am" nicht auf sie passen wollte. Eine Miss hätte sie gerne gehört, doch das war sie nicht. Den Schatten, der sie vereinnahmen wollte, unterdrückte sie routiniert. Sie fühlte James noch immer in seiner Position außerhalb eines Wirkungskreises, in dem Ada sich gerade befand. Dennoch sah sie sich flüchtig über die Schulter um, als müsse sie kontrollieren, ob er schon zurückkam.
Erst dann sprach sie leise weiter, weiterhin lächelnd und mit einer faszinierenden Trance im Herzen, die gar nicht begreifen konnte, dass sie mit einem Menschen sprechen konnte. Mit jemandem aus dieser Zeit, mit dem Leben selbst.

"Es ist ein Buch über Vampire. Ein sehr ... realistisches Buch über Vampire", waren für die Menschen Vampirromane aber nicht alle fiktiv und realistisch zugleich? Sie konnten doch gar nicht unterscheiden, was wahr war und was nicht. "Es ist von einer Frau geschrieben worden und ich weiß, es befindet sich erst seit kurzem in dieser Bibliothek", mehr Informationen hatte sie nicht. Konnte die junge Frau damit etwas anfangen?

"Mehr ... weiß ich leider nicht", erklärte sie bedauernd und sah ihre Gegenüber offen an.
Ihre Hände hatten das Zittern sein lassen und so legte sie die Fingerspitzen sacht auf die Kante der Theke, vielleicht auch, um sich etwas festhalten zu können.
Wieder drehte sie sich um, nur kurz, wie nebenbei. Ihr Atem war gedrückt, fast als hätte sie etwas zu verbergen. Doch James war nicht da, sie fühlte es, aber traute diesem Gefühl nicht, wusste, dass sie etwas Verbotenes tat. Wie lange mochte er für seine Geschäfte hier benötigen? Wie viel Zeit blieb ihr im Gespräch mit diesem Mädchen?

Ivy wies Ada darauf hin, dass sie einen Rechner benutzen könnte, um Nachforschungen im Bestand zu betreiben. Sie schlug Anne Rice vor. Dann bat sie sie auch, ihr zu folgen, weil sie glaubte, zu wissen, wo man vielleicht fündig werden könne.
Einen der Rechner? Sie meinte sicherlich einen Computer. James hatte einen, Ada hatte sich schon oft dran gesetzt, als er nicht da war. Johann hatte ihr erklärt - in seinen abgeschnittenen, kurzen Worten zwar - wie sie ihn bedienen konnte und so hatte sie sich auf Photoreisen begeben, den Sonnenuntergang in Suchmaschinen gesucht, Sonnenaufgänge so genossen, Tageslicht, ...
Computer waren ihr nicht fremd, aber sie waren auch keine Routine. Etwas hilflos blickte sie ihre Gegenüber an. "Ich kenne den Namen leider nicht ...", wiederholte sie daher noch einmal und hoffte, sie konnte ihr dennoch weiterhelfen.

Letztendlich aber war es nicht wichtig, ob sie das konnte. Sie wollte ein Gespräch, sie wollte sich mit dem Mädchen unterhalten, wollte ein Gefühl für ihre Lebendigkeit empfinden, wollte das Leben in sich selbst zurück.
Aber auch die Angestellte schien zu bemerken, dass sie so nicht weiterkommen würde und sah sich nun ihrerseits um. Vielleicht nach jemandem, der helfen konnte? Fast wäre Ada soweit gewesen zu sagen, dass es nicht so wichtig sei. Fast hätte sie das Seil losgelassen, das sie hielt und dessen Name "Mut" war. Mut für einen Schritt Revolution gegen James, auch wenn er davon nichts erfahren sollte.

Dann sprach die Brünette doch weiter und Ada schluckte ihren Rückzug hinunter, griff das imaginäre Seil fester. Dennoch musste sie den Kopf schütteln. "Anne Rice ist mir bekannt. Ich glaube nicht, dass das Buch gemeint ist ...", sie wollte nicht sagen, dass sie es wusste, aber sie hatte über Anne Rice schon reden hören. Sie war ein unwissender Mensch oder ein wissender, so genau wusste der Rat das wohl noch nicht. Aber sie war, wenn sie wissend war, ein schlecht wissender, denn ihre Vampire waren fantastisch, fiktiv, mit nichts zu vergleichen, das der Realität entsprach.
James war sicherlich nicht hinter diesen Büchern her. Das konnte die Vampiress sich nicht vorstellen.

Aber etwas anderes erinnerte die junge Frau und sie bat darum, zu warten. Es war ein Bitten, kein Befehl. Ada erfreute die Freundlichkeit der Mitarbeiterin und nickte bereitwillig.
Die junge Frau stand auf und verließ ihren Arbeitsplatz durch eine Glastüre. Sie trug Hosen. Jeans. Für Ada war es ungewohnt eine Frau in Hosen zu sehen. Sie waren an welchen vorbei gefahren, immerzu, wenn sie sonstwohin fuhren, aber Ada hatte nie von Nahem eine Frau in Hosen gesehen. Es stand ihr gut. Ob ihr soetwas auch stehen würde?

Während sie ging und Adas Blick ihr folgte, sprach sie zu ihr und die Vampiress sah wieder hoffnungsvoll auf ihr Gesicht. Dann wurde sie gebeten, ihr zu folgen und Ada sah sich abrupt nach dem Durchgang um, durch den James verschwunden war. Er war noch immer aufgebracht. Mehr noch, als gerade noch. Und dennoch war er noch immer dort, wo er zuvor war.
Wieder sah Ada dem Mädchen in Hosen nach. Wollte ihr folgen zu den Regalen, zu denen sie ging und dann hinter der Biegung verschwunden war.

Die Vampiress atmete durch, sah noch einmal in James' Richtung und gab sich dann einen Ruck. Raffte Zentimeter ihr Kleid und ging der jungen Mitarbeiterin hinterher. Jeder Schritt fühlte sich nach Revolution an und mit jedem Schritt fühlte sie sich sicherer, dass sie das auch tun wollte.
Sie folgte der Richtung, in die die Hübsche verschwunden war und sah sie an einem Regal stehen, an dem die dort stehenden Bücher der Kategorie "Romane. Fantasy/Mystery" zugeordnet waren. Ada musste schmunzeln. Dort gehörten sicherlich einige davon nicht hin.

Eifrig machte sich die junge Frau daran, die Bücherrücken abzusuchen. Ada kam sich etwas hilflos vor, sie hätte ihr gern geholfen, wusste sie aber doch überhaupt nicht, wonach sie suchen sollte, wo sie doch gar nichts wusste. So genoss sie die offene, angenehme Aura, die das Mädchen ausstrahlte und sah sich die Bücher an, die im Regal vor ihr eingereiht waren. Mit der Fingerkuppe fühlte sie die Buchrücken. Auch sie hatten eine große Bibliothek zuhause, doch sie war nicht bestückt mit dererlei Romanen. Sie war ohnehin viel kleiner, als diese hier, obwohl sie sehr wohl als beachtlich angesehen werden konnte.
"Bücher sind so wunderbar ...", flüsterte sie mehr zu sich selbst, als zu der hilfsbereiten Person neben sich. Adas Blick schweifte ein bisschen sehnsüchtig in die Ferne, je mehr Titel sie in sich aufsog.

Ivy kam mit einem Buch von "Emma" zurück.
Ada fokussierte ihren Blick wieder auf die Bibliotheksmitarbeiterin, die mittlerweile wieder aufrecht stand und ein Buch an ihren Körper presste, sie ansprach und die Vampiress somit aus fernen Gedanken zurückholte, die sie kurz darauf selbst nicht mehr hätte reflektieren können.
"Bücher ... sind eine eigene Welt", sie schweifte mit dem Blick kurz ab, um die richtigen Worte zu finden, "Eine Welt, die hilft, die eigene Welt anders zu sehen." Jetzt lächelte sie ihr offen entgegen. Die warmen Augen des Mädchens wirkten aufrichtig und interessiert. Wünsche und Träume eines jungen Menschen wollte Ada darin sehen. Eigene Wünsche und Träume, die sie schon lange nicht mehr gefühlt hatte.

Sie hatte Recht. Sie hatte eine besondere Beziehung zu Büchern. Die einzige Beziehung, die sie führte, sah man von James ab oder auch von Johann. Ein Choleriker als Mann und eine dezente, innere Unterstützung als Diener. Beziehungen konnte man das nicht nennen - nicht so. Die einzige Beziehung, die sie also führte, war eine Beziehung mit und zu Büchern. Eine Erkenntnis, die fast philosophisch anklang und über die sie später noch nachdenken wollte.

Die junge Frau war sehr offen zu Ada, was dieser sehr gefiel. Am liebsten hätte sie sich einen der Stühle rangezogen, sich gesetzt und ihr einfach zugehört. Ada fragte sich, ob sie mit jedem derart offen umging und von sich erzählte. War das normal in heutiger Zeit? Oder war es eine Eigenheit ihrer Persönlichkeit?
Die Vampiress musste in diesem Moment schmerzlich erkennen, dass sie ihre Weltoffenheit und ihre sozialen Kompetenzen und Kenntnisse verloren hatte. Was sie konnte, war, Gesellschafterin zu spielen - meist für Leute, die ihr Dinge erzählten, die sie nicht interessierten.
Doch dieses Mädchen erzählte von sich, wirkte so aufrichtig und ehrlich und so natürlich, dass es Ada komplett einnahm.

"Man sollte es nie verlieren, oder? Es ist doch heute noch viel Wissen und es wird stetig mehr Wissen ...", Ada war nicht sicher, ob die junge Frau es so formulierte, weil sie es vielleicht vermisste. Ihr leichtes Kopfschütteln sprach dafür. Gedanken konnte sie von ihr keine wahrnehmen. Aber damit hatte sie auch nicht gerechnet. Sie war es ohnehin nicht gewohnt, Gedanken zufällig zu hören. In der Regel wurden ihr so nur Befehle und Anweisungen vermittelt, die ein Mensch derart nicht vermitteln konnte. Aber sie hatte davon gehört, dass Gedanken von Menschen gelesen werden konnten. Vielleicht aber war sie nicht fähig, das zu können. Wollte sie das überhaupt?
Wollte sie Gedanken von dieser so offenen Person erfahren, die ihr doch ohnehin schon so direkt entgegen trat?

Der kurze bedauernde Augenblick verwischte jedoch sofort, als sie herzlich lächelte und strahlend weiße Zähne zum Vorschein brachte. Auch Adas Lächeln wurde wieder etwas deutlicher. Und doch ... war doch noch etwas in ihrem Blick, das Sehnsucht ausdrückte. Eine Sehnsucht, wie sie die Vampiress nur all zu gut kannte? Waren sie sich womöglich ähnlicher, als es im ersten Augenblick schien?
Sie konnte nicht danach fragen, denn die junge Frau überreichte ihr in diesem Moment das Buch, das sie die ganze Zeit an sich gedrückt gehalten hatte, als hätte sie an irgendetwas Halt gesucht.
"Emma", flüsterte Ada nach und strich mit den Fingerkuppen über den Buchdeckel, bevor sie es umdrehte, um die Inhaltsangabe zu überfliegen.
Es war ein Roman über Vampire, doch auch wenn nicht viel im Inhalt stand, war Ada sofort klar, dass diese Frau wusste, wovon sie schrieb. Sie blätterte eine beliebige Seite auf, las zwei Sätze, die nächste ... Es musste es wirklich sein, was James suchte.

<font color="#808080">"Es gibt Bücher, die beschreiben Dinge, die einem wahrhaftig vorkommen, auch wenn sie reine Fiktion sind. Wahrscheinlich kommt es einfach daher, dass viele Menschen das so fühlen und es in der Phantasie verarbeiten."</font> Ada sah auf und direkt in den braunen Rehblick der Anderen.
"Es gibt viele fiktive Geschichten, die keine Fiktion sind ...", sagte sie dann nach einer Sekunde des Nachdenkens. Sie wusste nicht, warum sie es tat. Sie wusste nicht, warum sie dieses Risiko einging, aber sie wusste eines in diesem Moment: Frauen mussten zusammen halten, ob sie nun Menschen waren oder Vampire und wenn ein James behauptete, dass Menschen nichts von Vampiren erfahren durften, dann lag er falsch. In diesem Moment war sie so sicher, wie sie sich um nichts in ihrem Leben hätte sicherer sein können. Es war falsch, Menschen die Wahrheit vorzuenthalten. Es war falsch - irgendwem - die Wahrheit vorzuenthalten. Entschlossen sah sie das Mädchen an und vielleicht konnte man in diesem kurzen Augenblick erkennen, dass sie älter war und mehr gesehen hatte, als sie vom Äußeren her schien.

"Ich möchte Dich um etwas bitten", und sie nahm - trotz ihrer guten Erziehung - das Du so offensichtlich auf, als würden sie sich ewig kennen. Das Euch war nicht richtig, mit dem Sie konnte sie sich nicht anfreunden und in diesem kleinen Moment hier in der Regalecke einer Bücherei fühlte sie sich ihr als Frau, als Freund, als Mensch vielleicht sogar, so nahe, dass es die einzig richtige Ansprache war. "Lass Dir niemals, von niemanden erzählen, dass etwas erfunden ist, wenn Du das Gefühl hast, dass es wahr sein könnte. Suche die Wahrheit in Deinem ganzen Leben und lebe für sie. Sei Dir immer, immer selbst treu ..." "... sonst wirst Du irgendwann enden wie ich ...", hätte sie am liebsten noch angefügt.

Ihr Blick war ernster geworden, aber weiterhin offen und freundlich. Sie sprach mit Nachdruck, aber leise und dennoch sanft. Es war nicht ihre Art, vehement in ihren Worten, Gestiken oder Blicken zu werden. Und dennoch konnte man spüren, dass sie es nicht leichtfertig daher sagte oder einfach nur Floskeln um sich warf.
Ada wusste auch nicht, ob es an dem Mädchen selbst lag. Vielleicht hätte jede andere es an ihrer statt sein können, weil sie gerade in dem Moment zugegen war, als Ada wenige stille Schritte einer kleinen Revolution erprobte. Vielleicht aber auch nicht.
In diesem Moment schloss sie das Buch.

Ivy hatte einige intensive Gedankenbilder. Sie fragte sie zudem, ob sie das Buch ausleihen wolle.
Es war ein magisches Moment in diesem Augenblick enthalten. Etwas nicht greifbares und doch fühlte Ada, dass ihre Gegenüber sich nicht ganz so wohl fühlte. Sie schien beunruhigt, ihre Geste versuchte dieses Gefühl offensichtlich fortzuwischen, wie sie das Haar aus dem Gesicht strich. Es war eine Mischung aus Zuneigung und Vorsicht, die Ada wahrnahm, doch sie konnte sich auch täuschen. Menschen einzuschätzen war sie nicht gewohnt und jegliche Vampire in ihrer Umgebung waren nicht unsicher. Sie waren eher viel zu sicher und ihr fiel es leichter Nuancen zu erkennen, die Gefahr bedeuteten, nicht das Gegenteil.

"Vielleicht ... war es falsch?", fragte sie sich in diesem Moment und betrachtete das Mädchen, das lächelte - jedoch nicht selbstbewusst, sondern vielmehr nachdenklich, vielleicht irritiert, so genau zu bestimmen war es nicht.
Und in diesem Moment trafen Ada Gedankenbilder. Sie wusste, wie es sich anfühlte, wenn sie Worte erreichten, die an sie gerichtet waren, sie wusste, wie diese in ihren Gedanken auftauchten. Aber Bilder? Waren Bilder das, was die Vampire meinten, wenn sie darüber sprachen, dass sie die Gedanken von Menschen lesen konnten? Aber Bilder las man nicht einfach ...

Doch die Bilder, die sie erreichten, waren so intensiv, dass sie überhaupt gar nicht mehr darüber nachdenken konnte. Sie sah, was dieses Mädchen in sich sah. Sie sah ihre Schwester im Krankenbett liegen - und sie wusste instinktiv, weil die Fremde es so vermittelte - dass es die Schwester war. Die Schwester starb - viel zu jung. Clarice.
Adas Blick wurde mitfühlend, ernst, traurig, sie wandte sich ab, sah zum Bücherregal und durch dieses hindurch. Fühlte sich an Gil erinnert, die sie so sehr vermisste, auch heute noch. Auch sie war mittlerweile gestorben. Irgendwann. Sie wusste nicht wie und wusste nicht wann, doch die Zeit war fortgeschritten und Ada konnte nur hoffen, dass Gil ein wunderbares Leben gehabt hatte. Besser als sie selbst.

Die Vampiress schloss die Augen, unterdrückte ihren glasigen Blick, stand der jungen Frau gegenüber und ihr Kopf war seitlich weggedreht, als müsse sie sich davor wehren, was sie empfand. Die Aura der Brünetten vibrierte betroffen und Ada hätte sie gerne in diesem Moment einfach in ihre Arme gezogen, doch sie konnte lediglich den Kopf wieder drehen und sie abermals ansehen - mit einem Blick voller Mitgefühl und flachem Atem.
In diesem Moment fragte sie, ob sie das Buch entleihen wolle. Ada sah auf ihre Hände, in denen noch immer Emmas Werk lag. Sie legte sacht die flache Hand auf den Buchdeckel. Dann erst schüttelte sie den Kopf und suchte den Blick der jungen Frau.

"So viel Freiheit ist mir nicht erlaubt", das Lächeln war da, aber so dezent, dass man das Bedauern von ihren Lippen lesen konnte.
"Ich wollte es sehen. Ich wollte wissen, wer es geschrieben hat und ...", Ada erinnerte sich daran, dass James von Büchern gesprochen hatte, "... gibt es verschiedene Bücher von dieser Autorin?"
Sie wollte es wissen, sie musste es wissen, um vielleicht die Möglichkeit zu erhalten, sich diese Bücher irgendwie besorgen, auch wenn sie nicht wusste, wie sie das anstellen sollte.

Der bedrückende Moment war somit vorbei. Dennoch wirkten die Bilder, die Ada gesehen hatte, nach. Sie haderte im Hinterkopf mit sich, ob sie sich dazu äußern sollte. Doch sie fand keinen Anfang, musste erst einmal verarbeiten, was sie gesehen hatte - dass sie überhaupt derartiges sehen konnte und sie musste das Gefühl bestimmen, das sie daran störte. Irgendetwas war komisch an dieser Situation. Irgendetwas war nicht richtig ... es stimmte so nicht.
Sie fühlte Mitleid um diesen Verlust, um den Schmerz, den das Mädchen fühlte, aber es stimmte nicht. Irgendwas war falsch und sie wurde das Gefühl nicht los, auch wenn das Thema sich schon längst verändert hatte.

"Das stimmt nicht ...", sagte sie auf einmal gedankenverloren und voller Konzentration auf ihr Inneres. Von ihrer eigenen leisen Stimme erschrocken, weil sie es nicht laut hatte aussprechen wollen, sah sie wieder hoch und direkt in das Gesicht der Anderen. Wie konnte sie danach fragen? Konnte sie etwas sagen? Was konnte sie erklären? Wie sollte sie es sich selbst erklären? Konnte sie vielleicht noch mehr Gedanken erhaschen, die von dem Mädchen ausgingen, um daran anzuknüpfen?

Wieder erhielt starke Gedankenbilder und Erinnerungen von Yvi, ohne dass diese es natürlich wissen oder merken konnte. Es ging um eine sehr persönliche Geschichte mit ihrer Schwester Clarice.


"Verzeihung, ich habe nur laut gedacht", rutschte Ada dann von den Lippen, als sie merkte, dass sie ausgesprochen hatte, was sie so irritierte.
Und die junge Frau erklärte ihr dann, dass es tatsächlich mehrere Bücher von dieser Emma gab, was sie nickend zur Kenntnis nahm. Es war für sie nur der letzte Beweis, dass sie das richtige Buch in den Händen hielt.

Dennoch ließen sie ihre Gedanken und das, was sie erfahren hatte, nicht los. Sie wusste nicht, was sie damit anfangen sollte und im nächsten Moment schon trafen sie weitere Gedanken - Worte, Bilder, Fragmente, die zusammengesetzt ein einiges Chaos ergaben.
Noch viel tiefer konnte sie ergründen, was ihrer Gegenüber passiert war ... oder eher ihrer Schwester, Clarice. "Was für ein schöner Name", dachte sie und gleichzeitig wusste sie, dass das nicht "falsch" war. Aber was war es dann? Die Gefühle des Mädchens waren es nicht. Sie waren real in ihr, auch heute noch, obwohl Ada wusste - einfach wusste - dass es schon längere Zeit her war, als das alles geschehen sein musste.

"[...] Und weil ihre Hand so kalt ist [...]", Adas Blick weitete sich unmerklich. Aber es stimmt nicht. Mit einem Mal wusste Ada, was nicht stimmte in den Gedanken des Mädchens. Der Tod war nicht korrekt. Es gab keine Situation, in der jemand gestorben war. Aber die junge Frau war überzeugt, dass es so sein musste. Sie war überzeugt, dass es so war, dass ihre kleine Schwester hatte sterben müssen.
"Die kalte Hand ...", wiederholte Ada in ihren Gedanken, "die kalte Hand ...". War sie womöglich manipuliert worden, wie James jeden manipulieren konnte und damit prahlte, wie dumm die Menschen doch seien?

<font color="#808080">"Na schön, dann haben wir doch gefunden, was Sie suchten. Wunderbar."</font> Die Bibliothekarin holte Ada zurück in die Gegenwart. Kaum sichtbar schüttelte sie ihren Gedankenfluss ab. "Ja, ich danke Euch vielmals", fiel sie zurück in die altbekannte Anrede, "Ihr habt mir sehr geholfen", Ada lächelte, doch in ihrem Blick lag Sorge, als sie ihr das Buch zurückgab, nach dem sie die Hand ausgestreckt hatte.
Dann spürte sie ihn. Sie spürte wie James sich bewegte, näher kam. Hastig sah sie sich um und entdeckte auf einem nahegelegenen Tisch einen kleinen Notizbock und mehrere Bleistifte.

"Einen Moment, bitte", aber sie sagte es mehr zu sich selbst, als zu ihr, denn sie bat stillschweigend James, dass er noch nicht durch diese Türe bei der Information kam. Schnell schrieb sie in fein geschwungenen Lettern etwas auf den Zettel und kam zurück zu der Brünetten. Sie faltete das Papier in der Mitte und reichte es ihr.
"Lest es bitte, wenn ich fort bin. Nicht davor. Auf keinen Fall davor", sie wollte nicht, dass James in irgendeiner Form Gedanken des Mädchens wahrnehmen könnte.

"Ich muss gehen ...", sagte sie dann, drückte ihr den Zettel schlicht in die Hand und wandte sich im Gehen noch einmal um. "Entschuldigt, und vielen Dank ..."
"Pscht ...", machte eine Bibliotheksbesucherin an einem der Tische und Ada schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln.
Fahrig griff sie geräuschvoll in den Rock des Kleides, um nicht darüber zu stolpern, huschte rasch auf ihren Platz in der Nähe des Eingangs zurück und versuchte ihr Herz zu beruhigen.
Keine zehn Sekunden später stürmte James mit einem Türenschlag auf sie zu. "Ada?", er brauchte sie ja nicht einmal rufen, denn er sah sie dort, wo er sie zurückgelassen hatte. "Wir gehen!", polterte er ihr entgegen und nahm nicht einmal wahr, wie unruhig sie war. "Natürlich", sagte sie demütig und folgte ihm, als er die Türe aufstieß und nach draußen ging.
Sie wandte noch einmal den Kopf zurück und hoffte, das Mädchen würde den richtigen Weg gehen und nicht in Gefahr kommen. Dann waren sie auch schon draußen und gingen etwas schneller als zuvor auf das Auto zu, das um die Ecke abgestellt war.

Sie stieg allein ein, in seiner Aufgebrachtheit vergaß er gänzlich, dass er sich in der Öffentlichkeit anders verhielt. "Das wird noch Folgen nach sich ziehen", zischte er, als er das Auto anließ und sie sich anschnallte. Es war offensichtlich nicht gut gelaufen und er zu keinem Ziel gelangt. Doch sie fragte nicht nach, ließ ihn schimpfen, wollte den Fokus nicht auf sich lenken. Wenn der heutige Abend nicht gut verlief, dann würde sie seinen Zorn zuhause noch früh genug zu spüren bekommen.

Als er an der Bibliothek vorbei raste, konnte Ada nur hoffen, dass sie nichts Falsches getan hatte. Aber es fühlte sich richtig an.
Die junge Frau hatte jetzt sicherlich den Zettel aufgefaltet und gelesen. Ihre hübschen Buchstaben mit den vielen Schwingungen und Schlaufen:

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Zusammenfassung
Ada hatte im weiteren Kontakt zu zwei Vampiren. Einer davon ein geheimer liberal-revolutionärer, der sie ein bisschen zum Nachdenken brachte - und vor allem zur Neugierde. Dann hatte sie Kontakt zu Adrian, einem sehr alten Vampir des alten Rates. Dieser erfuhr, dass Ada sich zwar ein Kind wünschte, aber auf keinem Fall mit James, da sie wusste, dass das Kind es nicht gut bei ihm haben würde.

Sie suchte nach einer Lösung, aber diese verdrängte sie in den letzten Monaten wieder. Sie versucht einfach weiterhin, vorerst nicht schwanger zu werden, auch wenn ihr Ehemann sich langsam fragt, warum nichts passiert, weil er es ja möchte und es dann nur daran liegen kann, dass sie nicht will ... bislang hatte er nur zu wenig Zeit, seine Konzentration wieder mehr auf dieses Thema zu lenken.

TBC: folgt

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