[Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

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Zoe
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[Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Zoe » 23.09.2016, 14:42

OT: Der Ankunftext hat sich geändert. Der Ursprung war ein Treffen mit "Dragon", einem Vampir-Charakter von "André" im alten Forum. André ist im neuen Forum nicht dabei und ich habe, glaube ich, keine funktionierende E-Mail-Adresse mehr von ihm, daher kann ich eine Kopie der Ankunft hierher nicht erfragen und muss ausweichen. Es folgt eine kurze Zusammenfassung dessen, was Zoe erlebt hat und dann eine Szene mit Boothe, die danach folgte - sie soll als Ankunftext fungieren.

Erstes Posting

Es hatte keinen Zweck. Nach Minuten des Dasitzens und Beobachtens von nennensunwertem Geschehen, das sich dauerhaft wiederholte, seufzte Zoe und stand von ihrer Reisetasche auf, in der sich ihr ganzes Hab und Gut befand.

Immer wieder liefen hektische Leute an ihr vorbei, packten mit und ohne Hilfe ihre Taschen und kleine wie auch große Koffer in den Kofferraum einer Taxe, stiegen ein, nannten dem Fahrer ihr Ziel und ließen sich kutschieren. Familien trafen sich hier draußen, aber seltener, so spät es war. Wenige Kindern waren zu sehen, die meisten von den wenigen schliefen in den Armen ihrer Mütter und Väter und einmal wackelte ein Obdachloser an den Eingangstüren vorbei und wurde vom Aufsichtspersonal verscheucht.

Zoe wollte niemanden von ihnen ansprechen und um Hilfe bitten. Sie alle sahen entweder viel zu zeitlos, oder einfach nach froh darüber, endlich nach Hause oder ins Hotel zu kommen, aus, als dass das Mädchen sie hätte aufhalten wollen, oder gar können. Zudem machte sich langsam der Jetlag, den sie namentlich nicht hätte benennen können, spürbar.

In Phoenix war es dunkel, und als sie losgeflogen waren, war es in Moskau dunkel gewesen. Die Nacht schien für heute endlos zu sein. Sie hatte im Flieger geschlafen, aber ihr Körper wollte die Zeitumstellung von zehn Stunden nicht einfach so akzeptieren. Zoe war aufgekratzt, eigentlich wach und aufmerksam, spürte aber die Müdigkeit in ihren Gliedern, die all diese Aufregung nicht gewohnt waren.

So schulterte sie ihre Tasche und orientierte sich an einem Gehweg die Straße entlang, in die die meisten Taxen gefahren waren. Die Skyline zeigte, dass es dort zur Stadt gehen musste, eine Entfernung konnte sie allerdings nicht abschätzen. Die Nacht war lau und die Luft angenehm frisch, so ließ es sich in jedem Fall aushalten, auch wenn der Weg etwas länger werden würde. Dass Scottsdale eine andere mittelgroße Stadt war, in der Zoe sich befand, und nicht Phoenix selbst, wusste sie nicht.

Die Lichter und die frische Luft, die Häuser und die Leute, die auch nachts hier noch vereinzelt unterwegs waren, das Hupen der Autos und ihre lauten Motorengeräusche trugen zu Zoes Jetlag leider nicht viel Gutes bei. Auch wenn sie sich anstrengte, all das zu ignorieren, pochte es langsam zunehmend in ihren Schläfen. Sie hoffte darauf, irgendwo unterzukommen, als ihr dann der Gedanke kam, dass sie gar nicht wusste, wie sie und wo überhaupt sie unterkommen konnte. Sie hatte weiterhin kein Geld, sie konnte nicht einfach eine x-beliebige Person fragen, ob diese sie bei sich aufnahm, oder besser noch, ihr ein Zimmer in einem Hotel oder einer Pension bezahlte. Aber auch die aufkommende Verzweiflung versuchte die junge Frau aus ihren Gedanken vertreiben. Sie konnte sich Panik nicht leisten, vor allem, weil sie das Gefühl von Panik kaum bis gar nicht kannte. Sie kannte Angst, Ängstlichkeit, vielleicht einfache Furcht, aber dass sie einen Kloß im Hals spürte, weil sie nicht wusste, wie sie aus dieser Situation herausfinden sollte, kannte sie nicht.

Ihr Herz pochte mit jedem Schmerzpochen in ihren Schläfen mehr auch in ihrer Brust. Es schnürte ihr den Atem ab, und sie musste Pausen einlegen, bis sie die vielbefahrene Hauptstraße weiter entlang gehen konnte. "Was ist nur los? Du wirst es schon schaffen, es ist nicht schlimm, unter freiem Himmel zu schlafen, es wird alles gut gehen ...", doch ihre Mut zusprechenden Gedanken konnten die Tränen nicht verhindern, als der Wunsch nach Tobias' Unterstützung, gepaart mit der Angst um seinen Verbleib und sein Wohlergehen nun auch noch dazu kamen.

Vor wenigen Minuten war sie noch so zuversichtlich gewesen, hatte sich auch darauf gefreut, Neues zu sehen und ihren Weg zu gehen. Aber sie hatte komplett unterschätzt, wie viele Eindrücke auf sie einbrachen und jeden Schritt, den sie weiter ging, merkte sie, wie unbeholfen, unsicher, ja, wie hilflos sie eigentlich war ohne die Unterstützung von Außen. Sie wusste nichts, sie wusste rein gar nichts über dieses Land. Sie wusste nicht, wie man irgendwie weiterkommen konnte, wenn man kein Geld hatte. Sie hatte nie darüber nachdenken müssen, weil Tobias dafür gesorgt hatte.

Zoe selbst hatte sich immer nur aufs Lernen und auf das Neue konzentriert, um nichts zu verpassen und Tobias hatte ihr all das ermöglicht, indem er für sie gesorgt und ihr den Boden für dieses Lernen geschaffen hatte. Er hatte - abermals - einen leichtsinnigen, wenig durchdachten Fehler gemacht. Aber daran dachte Zoe nicht. Zoe wäre nicht auf die Idee gekommen, dass Tobias mit seiner Schutzglasglocke diese Situation ungewollt hervorgerufen hatte.

Was hatte er geglaubt? Glaubte er wirklich, dass Zoe sich einfach so ohne Hilfe, ohne ihn zurechtfinden könnte? Das fragte sich auch in diesem Moment Zoe, die ihre Tasche abstellte und sich auf sie setzte. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und schluchzte. Sie war allein, sie fühlte sich einsam, sie war hilflos und fühlte sich verlassen, sie hatte Angst um Tobias, hatte Angst vor der Ungewissheit, spürte, dass sie nicht fähig war, weiter zu kommen.

Hier war niemand, kein Passant mehr seit einigen Minuten, den sie hätte um Hilfe bitten können. Aber sie wollte auch niemanden um Hilfe bitten. Sie konnte gar nicht, sie war hier - ihrer Meinung nach - in der Stadt des Mannes in Schwarz. Sie glaubte sich in Phoenix, in der Stadt, in der er seine Finger überall hatte, einer Stadt, in der es sowohl Menschen, als auch Vampire gab, die für ihn arbeiteten. Die Gefahr, dass sie an einen solchen geriet, schien nicht klein für sie zu sein. Wen also hätte sie fragen können? Sie wusste nicht, ob sie sich in ihrem Verhalten verraten würde, sie wusste nicht, wie man ganz normal miteinander umging oder zumindest nicht, ob es normal war, wie Tobias und sie miteinander umgegangen waren.

"Sei einfach Du selbst." Hörte sie nun Tobias' Worte in ihrem Kopf. "Sei einfach Du selbst ...", wiederholte sie nun flüsternd. Das hatte sie im Flugzeug getan, sie hatte es getan, als sie gemeinsam einkaufen gewesen waren, hatte das bei der Pensionsfrau getan, die sie in Moskau zum Flughafen gebracht hatte, bei allen Leuten, die sie im Laufe der letzten fünf Jahre auf der Straße, in Geschäften oder anderweitig zufällig, aber vor allem kurz, getroffen hatte. Es waren ein paar gewesen, aber niemand, der sie beachtet hätte. Ihre Ausflüge in der Stadt, sie waren so anders als die Kontakte im Laboratorium gewesen.

Alles war anders, man sprach über ganz andere Dinge, meist mit Fremden überhaupt nicht. Tobias erklärte ihr vom Wissen und Nichtwissen bezüglich Vampiren, hatte ihr auch erklärt, dass man, wenn man etwas einkaufte, der Verkäuferin auf die Frage "Hi, wie geht's?" nicht ausführlich antwortete, es nur eine Begrüßung war, die man mit "gut" kommentierte, insoweit man die Person nicht oder kaum kannte. Das alles hatte sie gelernt, aber es kam ihr eigenartig vor, nicht offen und ehrlich zu sein. In ihrem Kopf wusste sie, dass es wohl richtig war. Sie wusste, dass sie sich auf Tobias' Worte hatte verlassen können.

Aber Tobias hatte auch gesagt, sie solle allein nach Phoenix reisen, er würde sie finden. Er glaubte offensichtlich, dass sie das alles schaffte, doch jetzt saß sie hier mutterseelenallein auf dem Gehsteig in tiefer Nacht und fragte sich, ob Tobias wirklich sicher gewesen sein konnte, dass sie das alles schaffte. Aber er hätte ihr das niemals gesagt, wenn nicht. Sie vertraute ihm, sie vertraute ihm vollkommen - und so fragte sie sich das eher im Bezug auf sich selbst. Fragte sich, ob sie Fehler machte, fragte sich, warum er glaubte, dass sie das konnte ... sie wollte ihn nicht enttäuschen.

Zoes Gedanken drehten sich im Kreis, die Farben und Lichter der Straße und Autos verschwammen vor ihren Augen in den Tränen. Ihr Kopf dröhnte, die Übelkeit der Migräne drückte auf ihren Magen und schnürte ihr die Kehle zu. Flach und schnell atmend, versuchte sie sich selbst zu beruhigen, drückte die Fingerspitzen an ihre Schläfen, massierte leicht und schloss die Augen, um sich auf ihren Körper zu konzentrieren, damit sie ihn beruhigen konnte.

Doch anstatt es besser zu machen, wirkte es, als würde sich alles verschlimmern. Das Pochen war mittlerweile so stark, dass es ihr schwindelte und sie die Augen wieder öffnen musste, doch die Eindrücke, die sie nun in sich aufnahm, gepaart mit der Lautstärke der vorbeirasenden Fahrzeuge war zu viel. Als ein Lastwagen laut sein Horn ertönen ließ und polternd, groß und bedrohlich auf der Straße, recht nah an ihr vorbeizog, und auf der gegenüberliegenden Seite das Geheul von Sirene zu hören war, begann der Tinitus in ihren Ohren unaufhörlich laut zu ziehen.

Eine Reizüberflutung ließ sie ihre Hände auf die Ohren pressen, was ihren Kopfschmerz schlagartig verschlimmerte und das Übelkeitsgefühl sie zusammensacken ließ. Zoe rutschte von ihrer Tasche auf den Hosenboden, doch sie merkte es nicht einmal. Auch ihr Wimmern und das Zusammenpressen ihrer Lider bekam sie nicht mehr mit. Von einem verschwommenen Farbenwirrwarr und Reizen, die ihre Sinne überhitzten, schwappte sie fast übergangslos in ein Loch, das sie einsog und nicht mehr hergeben wollte ... sie fiel und fiel und irgendwann war da nichts mehr, alles war nur ruhig und leer, aber auch das bekam sie nicht mehr mit ...

Zusammenfassung der nachfolgenden Szene

Dragon, ein Vampir, spürte Zoe auf. Da sie keine Schweißproduktion hatte und ihr Körper die Überanstrengung nicht ausfiebern konnte, fiel sie ins Delirium.

"Kannst Du ... helfen?", , fragte sie auf russisch, sie war nicht fähig zu begreifen, dass sie in diesem Land Englisch zu sprechen hatte. "Bitte ... hier ist es so ... Karussell ...", sie erinnerte sich an einen kleinen Jahrmarkt, auf den Tobias sie vor einem Jahr mitgenommen hatte.

Ein sehr kleiner Rummelplatz mit einem Kinderkarussell, dessen Elefant sie auf ihrem Rücken getragen hatte. Ein weißer Elefant ... Tobias hatte erzählt, dass es ein Gedicht gab ... über einen weißen Elefanten. Ihr war auch dort etwas übel geworden, aber es war mehr ein Kribbeln, als unangenehm. "Ich kann den Rüssel nicht erreichen ...", flüsterte sie weiter, sie merkte nicht, dass sie erzählte, an was sie sich erinnerte. Sie hatte Tobias zugerufen, dass sie den Rüssel nicht erreichen konnte, sie hatte gelacht. Jetzt konnte sie nicht lachen.

"Haben Elefanten ein Katzenfell?" Fragte sie weiter ... ihre Gedanken waren schon weiter, Tobias und sie standen vor dem Karussell, sie konnte sich nicht vorstellen, wie echte Elefanten aussahen ... oder viel mehr, wie sie sich anfühlten. Dann sackte sie wieder weg. Ein leichter Wind fuhr ihr durch die Strähnen und kühlte weiter ihre Haut.
Dragon brachte sie in ein Haus im englischen Kolonialstil, das seinerzeit nicht bewohnt worden war. Die Möbel waren mit weißen Laken bedeckt gewesen. Er brachte sie in eines der Betten in einem der Schlafgemächer und deckte sie zu. Sie wachte irgendwann auf, der Vampir versorgte sie mit Essen und Getränken - oder besser gesagt ein bunter Rabenvogel, der ihm augescheinlich gehorchte. Dragon stellte sich mit "Tatsu" vor.
"Ich bin ...", was stand nur noch in ihrem amerikanischen Pass? "... Janka ... zum Teil." Sie konnte einfach nicht lügen.
Sie unterhielten sich kurz, sie fragte, warum er russisch spräche, und wem das Haus gehörte. Es gehöre sich selbst, wie er sagte, und Dragon schenkte ihr einen Elefanten:
Original von Dragon/André
Ein winziges Figürchen, aus kalter, milchig grüner Jade kullerte aus der Jackentasche und blieb regungslos liegen. Es zeigte einen tanzenden Elefanten von erstaunlicher Schönheit, der auf einer Lotusblüte balancierte, vier arme besaß und in ihnen allerlei Dinge hielt: Eine kleine Axt, eine winzige Mandelblüte, eine Gebetskette und einen dicken Wälzer. Besah man sich das Kleinod genauer, konnte man sogar erkennen, dass dem Dickhäuter ein Stoßzahn fehlte. "Ich spreche Russisch, weil du es tust und ich habe dir einen Elefanten gebracht, weil du vorhin danach verlangt hast. Er hat sogar einen Rüssel, den man erreichen kann."
Dann verabschiedete sich der Vampir, sagte ihr, sie solle auf sich aufpassen, es sei wahrscheinlich ein herber Verlust, würde ihr etwas geschehen. Sie solle skeptisch bleiben und vorsichtig. Nicht jedem sofort vertrauen. Er war weg ...
Nur einer blieb zurück, ein schwarzer Vogel, den sie als Krähenvogel aus einem von Tobias' Büchern wiedererkannte. Er blieb sitzen, wo er war, und sah sie an. Sie blickte auf die Türe, hinter der sie glaubte, dass der Fremde verschwunden war, dann zurück in die schwarzen Knopfaugen des gefiederten Freundes. Die junge Frau war nachhaltig fasziniert davon, dass jemand eine Sprache sprach, nur weil sein Gegenüber diese sprach ... es musste eine Vampirfähigkeit sein, die sie noch nicht kannte. Nun war er einfach weg. Gerne hätte sie ihn zurückgehalten, aber es ging zu übergangslos. Wie sollte es nur passieren, dass sie ihn rufen konnte, wenn sie Hilfe brauchte? Würde er sie beobachten? Kurz hielt sie bei dem Gedanken die Luft an und sah in Richtung des Fensters, in der Hoffnung auf eine Antwort, die nicht kommen sollte.

"Was bedeutet denn 'neesan', Rabenvogel? Magst Du mir das nicht verraten? Und mein Name ist Zoe ... halb Janka, halb Zoe ... vielleicht findest Du den Vampir irgendwann, dann kannst Du es ihm erzählen, nicht wahr? Das kannst Du doch, oder nicht?" Zoe nahm den orangefarbenen Saft und trank einen Schluck, sodass sich ein kleiner Karottenbart über ihren vollen Lippen abzeichnete. Sie wirkte in diesem Moment und mit ihren Worten viel kindlicher, als sie in Wirklichkeit war. Aber wie sonst sprach man mit einem Vogel und trank von einem Saft, bei dem man gar nicht wusste, dass er einen orangefarbenen Rand um den Mund hinterließ?

Den Elefanten aus Jade ließ sie dabei jedenfalls nicht los und den Rabenvogel nicht aus den Augen. Als sie wieder auf die Elefantenfigur sah, erkannte sie, dass die Farbe der Figur, die gleiche Farbe war, wie die der Augen des Vampirs. Zoe lächelte sacht bei dem Gedanken.

Alles kam ihr vor wie ein Märchen. Wie etwas, das sie überhaupt nicht wirklich erlebt hatte. Aber was es auch war, es war schön gewesen und sie fühlte sich sicher und wohl. Zoes Blick fiel neben sich. Dort lag noch immer die schwere Jacke. Sanft strich sie über das Leder.Es fühlte sich gut an, und wie ein wertvoller Schatz. Noch ein Schatz, den Tatsu zurückgelassen hatte und auf den sie acht geben wollte. Nun aber war sie wieder allein, allein mit dem Rabenvogel. Sie fragte sich, ob auch er irgendwann einfach verschwand. Jetzt jedenfalls war es wichtig, weiterzugehen. Sie konnte hier nicht bleiben, auch wenn es ein hübscher Gedanke war, in einem Haus zu sein, das sich selbst gehörte ...
[/size]Folgt nun die Szene mit Boothe, die nun mit ihm gepostet wird.

. oO ° * ° Oo .

Leben ist das, was uns zustößt,
während w
ir uns ganz anderes vorgenommen haben.

(Henry Miller)

Wer sich des Fragens schämt,
der schämt sich des Lernens.

(Christoph Lehmann)


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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Boothe » 23.09.2016, 15:50

Cassidy Parker Boothe sah mit geschürzten Lippen auf seine Armbanduhr. Dann sah er in den Rückspiegel. Seit geschlagenen anderthalb Stunden kutschierte er den glatzköpfigen Geschäftsmann nun bereits über den Freeway zwischen Phoenix und Venedic. Drei Mal hatte er in dieser Zeit versucht, Smalltalk von der Stange zu brechen - die meisten Leute mochten das so. Vor allem auf so langen Fahrten. Nicht so dieser Kerl.

Es wunderte Boothe, dass er überhaupt noch daran dachte, dass jemand auf der Rückbank saß, und er den stillen und irgendwie unheimlichen Kerl nicht längst vergessen hatte. "Komischer Kauz", fand er. Wie er da hinten schon rumsaß, in seinem teuren, schwarzen Maß-Anzug und der roten Krawatte über dem weißen Hemd, zugeknöpft, dass er kaum noch Luft bekommen konnte. Die gesamte Fahrt über lag ein schwarzer, dicker Koffer auf seinem Schoß und er hatte nicht ein einziges Mal seine Hände von ihm genommen, die in anschmiegsamen, schwarzen Lederhandschuhen steckten.

Unentwegt starrte der Typ aus dem Fenster und doch sah er ins Nichts. Nicht ein einziges Mal hatte Boothe seine kalten, eisblauen Augen zucken sehen, die unter den markant geschwungenen, schwarzen Brauen in schattigen Höhlen lagen. Er war glatter als glattrasiert und sein kahler Schädel sah aus, als wäre noch niemals auch nur ein einziges Härchen auf ihm gewachsen. Und gerade als er denken wollte, den wohl langweiligsten und biedersten Mann aller Zeiten auf seiner Rückbank sitzen zu haben, hatte er ein Tattoo in dessen Nacken gesehen. Aber wie seltsam war dieses Tattoo? Es sah aus, wie ein Strichcode. Wie schräg! "Als ob diesen Kinderschreck irgendjemand 'einkaufen' würde", schmunzelte Boothe.

"Ach, was soll's?" Mit einem Räuspern bereitete er sich auf den letzten Versuch vor, ein Gespräch zu beginnen. Nicht, dass ihn die Ruhe im Allgemeinen störte, nein nur die Ruhe störte ihn, wenn er gemeinsam mit diesem annähernd gruseligen 1,90-Meter-Mann im gleichen Wagen sitzen musste. Mit dem Vogel stimmte doch irgendetwas nicht!

"Und?", begann er also leise. "Wo geht der Flug hin?" Die unangenehme Stille kehrte zurück, weil der Anzugträger nicht sofort antwortete. Boothe spürte seinen bohrenden Blick im Nacken. "Kopenhagen", antwortete er einsilbig. "Ähm... Dänemark, richtig?"
"Ja."
"Mir ist Ihr Koffer aufgefallen - Geschäftsreise?"
"Ja." Cassidy seufzte. "Okay, Partner, ich geb's auf. Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich Radio höre?"
"Nur zu."
"Was auch immer, Du Sonderling!", echauffierte er sich innerlich ein wenig. Genau genommen, störte ihn das Schweigen allerdings auch nicht viel mehr, als die kernig-tiefe, irgendwie unangenehm kreidige Bariton-Stimme des Glatzkopfs.

Er sah noch einmal auf die Uhr; eine halbe Stunde nach Mitternacht. Er schaltete auf Frequenz 102.6 MHz, hoffend, dass auf halbem Wege nach Phoenix noch der Venedicsche Lokalsender VSSR - "Willkommen beim VSSR; dem Venedic Sing 'n' Swing Radio!" - empfangen wurde, den er so gern hörte. Nicht nur der Musik wegen...

Krrrscht - "-ommen zurück bei VSSR, 102.6. Ihr hört 'V.V.s Lullaby-List' und ja: Ich bin V.V.! Okay, also... das war ein bisschen Big Easy, ein bisschen N'Orleans-Sound, mit Louis 'Satchmo' Armstrong und 'Mack the Knife', aus den Fünfzigern. Hat's euch gefallen? Ja?" Die samtige, weibliche Stimme gluckste vergnügt und angenehm jugendlich. "Mir auch! Also, es ist gerade eine halbe Stunde nach Mitternacht rum - wird Zeit für die nächsten Anrufer. Das Thema ist noch immer das gleiche: Das WJAC-Radio war seit Wochen nicht mehr auf Sendung. Was meint ihr - und damit meine ich euch, meine lieben Nachtschwärmer - ist passiert? Ja, was ist passiert mit Walt dem Piraten? Arrrrrh!"

Frauen hatten das Piraten-Arrrh einfach nicht drauf! Boothe musste kurz, fast tonlos auflachen, als es selbst seiner mit Abstand liebsten Radio-DJane V.V. misslang. Und das obwohl sie eine etwas tiefere, rauchige Stimme hatte. Seiner Meinung nach die perfekte Radio-Stimme für eine Frau. Eine Stimme, die ihn bei Nachtfahrten zwischen 22 Uhr und zwei Uhr morgens stets angenehm beruhigte. Und jedes Mal kam ihm V.V.s Stimme bekannter vor, und doch kam er nie darauf. Jemand aus seiner löchrigen, schleierhaften Vergangenheit? Oder doch nur reiner Zufall?

"... okay, das war Barney und auch er glaubt daran, dass die - uuuuh - Vampire Walt letzten Endes ausgesaugt haben. Damit ist es wohl mittlerweile gut ein Drittel aller heutigen Anrufer, die sich zu dieser Theorie zusammenschließen. Wo sind all die kreativen Verschwörungstheoretiker da draußen?" V.V. seufzte mit hoher, theatralischer Stimme. "Hi, mit wem spreche ich?"
"Hey, V.V.-Mäuschen! Ich bin's: Nick!"
"Ach! Nicht er wieder!", grummelte Boothe leise, der tatsächlich für einen Augenblick vergessen hatte, dass er nicht alleine im Taxi saß. Aber ein schneller Blick in den Rückspiegel verriet ihm, dass es den glatzköpfigen Mann im Anzug herzlich wenig interessierte, wer in V.V.s Sendung durchgestellt wurde.

"Nicky, Nicky, Nicky", hauchte die Moderatorin mit ihrer manchmal so lasziven Stimme. "Ich dachte schon, Du rufst heute gar nicht mehr an, alter Schwerenöter."
"Na klar, ruf ich an! Hab ich Dich jemals enttäuscht?"
"Fast jede Nacht, Baby", lachte sie ihr angenehm leises, kehliges Lachen. "Also, schieß los Tiger; Was ist mit Walt dem Piraten geschehen?"
"Zwei Worte, Süße: Pik-... As!"
"Magst Du... etwas spezifischer werden, mein Lieber?"
"Na, was wohl? Ich rede von 'Spade', V.V.! Spade, Du weißt schon, dieser Auftragskiller, den das V.P.D. seit Jahren vergeblich sucht!"
"Ja ja, lässt stets eine Pik-As-Spielkarte am Tatort zurück, ich erinnere mich. Aber auch um Spade ist es in letzter Zeit ruhig geworden, findest Du nicht auch, Nicky-Baby?"
"Na ja, stimmt schon, aber immer noch besser als dieser Vampir-Mist."
"A-men, Bruder! Okay, li'l Nicky, danke für Deinen, kaum vorherzusehenden Anruf. Ich bin allerdings nicht von Deiner Theorie überzeugt. Jemand setzt Spade auf Walt an? Ich glaube nicht. So, wen haben wir noch...?"

Der Freeway vor ihm war schwarz und ewig lang. Es war, als hätte ein Riese eine gigantische, Asphalt-Klopapierrolle von Venedic fortgestoßen, die sich dann bis nach Phoenix abgerollt hatte. Kein Ende war in Sicht. Das Einschläferndste aber war der weiße Mittelstreifen im hellen Lichtkegel seiner Scheinwerfer, der einem beim Daraufstarren irgendwie das Gefühl vom Fallen vermittelte. Boothe blinzelte angestrengt, langsam müde werdend. Nur alle paar Minuten begegnete ihnen ein anderer Wagen. Und wenn, dann waren es zumeist große, schwere LKWs. Fernfahrer, die die Nacht hindurch fahren mussten. "Scheiß-Job!", fand er.

"Yooo, V.V., hier is' Daaan", meldete sich eine junge, männliche Stimme, die irgendwie erschreckend träge wirkte. V.V. lachte wieder. "Daaan? Mit drei 'a', ist das richtig? Nur für den Fall, dass ich Dir 'nen Brief schreiben möchte, weißt Du?"
"Äääähm... häh?"
"Oh, nichts, nichts. Also, Daaan, was glaubst Du, ist Walt zugestoßen? Lass mich raten: Außerirdische haben ihn entführt?"
"Na-na, Maaann, 's is' doch glaaasklah."
"So? Ist es?"
"Klaaah, Maaaann! 'ch hab's immah an seinah Stimme gehört, Schwestah, hab's jeeedes Mal gehört!"
"Ach, wirklich? Was Daaan?" Dass sie das 'denn' mit dem Namen des Anrufers ersetzte brachte Boothe ein weiteres Mal dazu, leise aufzulachen. "Ich liebe dieses Mädel!", grinste er leise, obwohl er seinen Passagier diesmal nicht vergessen hatte.

"Gaaanja, Schwestah. Diesah Waltah... diesah Waltah, der hat sich daaauernd einen durchgezogen."
"Du klingst ja ziemlich überzeugt... glaub ich." Man konnte ihr Stirnrunzeln beinahe hören. "Klaaah, Maaann! 'ch hör sowas sooofort. 'ch kenn mich aus, Schwestah."
"Also das glaub ich Dir aufs Wort, Danny-Boy. Aber... Moment... worüber sprechen wir überhaupt nochmal? Du schaffst mich ganz schön, Daaan. Ach ja: Was haben Walts Rauchgewohnheiten - nicht, dass ich ihm irgendetwas unterstellen wollte - mit seinem Verschwinden zu tun?" Dan-mit-drei-a lachte. Zumindest hielt Boothe es für ein Lachen. Als ein Husten hätte das leise Röcheln nämlich ebenfalls durchgehen können.

"Heeheheheh... 's is' doch klah, Schwestah: Brudah Waltah is' im Bau! Sie ham ihn verknackt, weil seine Taschen voller Gaaanja war'n. Waltah no mo' free maaaan."
"Ähm... okaaay. Also Walt sitzt im Kittchen, weil die Polizei ihn mit Drogen erwischt hat?"
"Aaaye, Schwestah."
"Wahnsinn... danke, Daaan! Schlaf Dich aus! Wow, also ich muss sagen, meine lieben Mitternachts-Junkies, mir brummt der Schädel! Triple-A-Dan hat mir definitiv den Rest gegeben. Lasst uns mal 'ne Runde entspannen, ja? Viel Spaß mit 'The Voice' himself; Hier kommt Frank Sinatra mit Fly me to the Moon - da wär ich jetzt übrigens auch gern. Ich glaube, Daaan wohnt dort oben irgendwo..."

Boothe lächelte. Er mochte den Song wirklich gern. Wieder etwas fitter als zuvor tippte er die Melodie mit einem Finger auf dem Lenkrad mit. "Ich könnte 'ne Zigarette vertragen", kündigte er an und sah vorsichtig in den Rückspiegel. "Stört Sie doch nicht, oder?"
"Nein", bestätigte der Glatzkopf monoton, nach wie vor aus dem Fenster starrend. Wenn er nur wenigstens schlafen würde. Das würde Cassidy nicht so verflucht nervös machen. "Natürlich stört's Dich nicht", verzog er sein Gesicht, während er das stählerne Zigarettenetui aus der Jackentasche zog und eine Selbstgedrehte herausholte. "Was stört Dich schon, hm? Der Dritte Weltkrieg vielleicht? Wäre das zumindest ein bisschen unangenehm? Du halb-stummer Mistkerl!"

Einhändig schob er sich die Zigarette zwischen die vollen, eigen geformten Lippen und entflammte sie mit seinem treuen Zippo. Er kurbelte das Fenster an seiner Seite einen Spalt weit auf, damit der Rauch abziehen konnte. Außerdem hielt die frische, zugige Luft ihn wach. Mit hochgeklapptem Kragen, war es recht angenehm. Fror der Kerl im Anzug nicht bei diesem Zug? "Ach! Und wenn schon! Soll er sich halt beschweren!"

Nach 'Fly me to the Moon' sowie vier weiteren Liedern, die seinem Geschmack entsprachen, stand die nächste Anruferrunde aus. Drei neue, wirre Theorien über den Verbleib des Moderators des WJAC-Piratensenders musste er sich noch anhören, ehe er endlich den Flughafen von Phoenix erreicht hatte: "Die Polizei hat ihn geschnappt und foltert ihn seit Wochen, um Informationen zu bekommen! Die korrupten Bullenschweine! FREIHEIT FÜR WAAALT!!" und "Ich schwör's Dir, V.V.: Walt wusste einfach zu viel! Bestimmt wurde er von den gleichen Typen vergiftet, die auch Bruce Lee und seinen Sohn Brandon auf dem Gewissen haben, weil der zu viel über Kung-Fu wusste! Er hätt's einfach nicht öffentlich thematisieren dürfen, verstehst Du?" Und der letzte Anrufer hatte natürlich einfach behauptet, selbst Walt zu sein. Und das obwohl selbst einem Gehörlosen die Unterschiedlichkeit der beiden Stimmen nicht entgangen wären. Aber wie immer kam V.V.s volle, samtige Stimme für den ganzen Unsinn wieder auf, den ihre Anrufer so manches Mal von sich gaben.

"So. Wir sind da." Er stellte das Radio ab und besah sich des Taxameters. Doch noch ehe er den Fahrpreis zu sagen vermochte, reichte ihm der unheimliche Glatzkopf einige große, auffällig knitterfreie Scheine. Boothe zählte das Geld ab und stellte fest, dass der Kerl ihm doch tatsächlich an die fünfzehn Prozent Trinkgeld gegeben hatte - was eine Menge Geld war, bei einer solch langen Strecke. Vor allem hatte er damit gerechnet, dass der Mann im Anzug den Betrag auf den Cent genau bezahlen würde.

"Sie... haben sich nicht verzählt?"
"Nein", schloss der Hochgewachsene scheinbar kategorisch aus. Eine seiner, in schwarzes Leder gehüllten, Hände lag schon am Türgriff, da hielt er inne. "Warum? Ist... etwas nicht in Ordnung?" Aus seinem Mund, mit dieser kreidig-rauen, tiefen Stimme klang es beinahe wie eine Drohung. "Nein, nein, nein - Im Gegenteil! Es ist mehr als in Ordnung. Das ist ein verdammt großzügiges Trinkgeld, Mister, danke!"
"Sicher", nickte der Glatzkopf, ohne auch nur den Hauch eines Lächelns und stieg aus dem Wagen. Ohne sich noch einmal umzudrehen rückte er seine blutrote Krawatte zurecht und schritt mit seiner steifen Haltung und nahezu mechanischen Bewegungen auf die Terminals zu. "Puh! Den bin ich los. Aber gutes Geld, immerhin."

Als er außer Sichtweite war, stieg auch Cassidy aus. An einem kleinen Eck-Supermarkt nahe des Flughafens kaufte er sich einen großen, frisch aufgebrühten Coffee-to-go, eine Ein-Liter-Flasche Cola (ja: noch mehr Coffein um die lange Rückfahrt zu überstehen) und ein paar lecker aussehende Sandwich-Toasts. Und schon saß er wieder in seinem Taxi, stellte den gleichen Radiosender wie zuvor ein und fuhr zurück auf den Freeway, der ihn aus Phoenix bringen und in Richtung Venedic führen würde.

"Nein, V.V., Du verstehst das nicht", war sich eine gehetzte Männer-Stimme im Radio sehr sicher, "Walt war nie ein richtiger Mensch. Seine Stimme... seine Stimme, sie klang immer so merkwürdig! Hast Du es nicht gemerkt? Hat es denn niemand gemerkt?"
"Daaan hat uns doch erklärt, dass das vom Cannabis kommt. Erinnerst Du Dich?", spottete V.V. leicht. "Dan hat aber keine Ahnung, V.V.! Walt war nie ein Mensch! Seine Stimme war immer computergeneriert. Die Regierung... die Regierung! Sie testen diese neuen Radio-Schallwellen..."

Boothe hörte nicht mehr hin, denn etwas anderes beschäftigte ihn: Er war noch keine halbe Stunde gefahren, als er langsam seine Geschwindigkeit drosselte. Eine Frau wanderte die Straße entlang. Es windete mittlerweile recht stark, er konnte ihr rückenlanges, dunkles Haar in den stoßhaften Böen fliegen sehen. Sie trug eine schwere, schwarze Lederjacke, die ihr eindeutig zu groß war. Ihre Arme hatte sie um den eigenen Leib geschlungen, blickte entweder nach vorn oder auf den Boden, er wusste es nicht. In jedem Fall sah sie verloren aus. Und diese Jacke...

Ein Szenario konstruierte sich vor Boothes innerem Auge: Die junge Fremde und ihr Freund waren etwas außerhalb gefahren. Ihr Freund war ein Lederjacken-tragender Badboy. Ihre Eltern mochten ihn nicht, ganz und gar nicht, hatten ihr vielleicht verboten, sich mit ihm zu treffen. Natürlich hatte sie nicht auf Mommy und Daddy gehört, war zu ihrem Freund ins Auto gestiegen und sie waren hier rausgefahren. Dann hatte er versucht sie zu küssen. Heißblütig hatte sie seine Küsse erwidert, obwohl er nach Zigaretten und Bier roch und schmeckte. Solange, bis er ihre Brüste berührt, ihr zwischen die Beine gefasst hatte. "Nein!", hatte sie bestimmt gesagt. "Ich bin noch nicht soweit!"
"Zier Dich nicht so! Komm schon, Du willst es doch auch!"
"Nein! Fahr mich nach Hause!"
"Das hier macht doch viel mehr Spaß!", hatte er befunden, sie weiter betatscht. "Dann lauf ich eben!", trotzte sie ihm, selbstbewusster, als er gedacht hatte, vielleicht selbstbewusster, als sie es sich selber zugetraut hatte. Sie hatte ihm eine schallende Ohrfeige verpasst, sich seine Jacke gegriffen und war ausgestiegen, die Tür zu seinem schrottreifen Wagen hinter sich scheppernd ins Schloss knallend. "Die Jacke bekomm ich zurück, ist das klar!?"
"Erst wenn Du Dich entschuldigst", rief sie sich über die Schulter, mit neuem, ungeahntem Mut. Aber als er dann wirklich ohne sie zurück in Richtung Stadt gefahren war, fühlte sie sich allein und schäbig. "Mommy und Daddy hatten recht!"

Boothe steuerte sein Taxi auf die Seitenspur, hielt wenige Meter vor dem jungen, zurückgelassenen Ding. Er stieg aus, steckte die Hände in die Jackentaschen und sprach zu der, die ihm entgegenschritt: "Guten Abend, junge Dame. Ich bin auf dem Weg zurück nach Venedic. Soll ich Dich vielleicht ein Stück mitnehmen?" Er lächelte sie offen und ehrlich an, zog eine Hand aus der Tasche und deutete auf den gelben Dachbalken, auf dem glanzlos das Wörtchen "Taxi" stand. "Siehst Du? Das Lämpchen brennt nicht, meine Schicht ist für heute vorbei. Du kannst ruhig mitfahren, keine Sorge, der Taxameter bleibt aus, musst nichts zahlen."

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Zoe » 23.09.2016, 20:55

Es war dunkel draußen, nicht klar, ob es schon eine später oder die selbe Nacht war. Ein Wind hatte eingesetzt und es war frisch. Tatsus wärmende Lederjacke war wie die Erfüllung einer Vorsehung. In der Tasche spürte sie den kleinen Jade-Elefanten, der von nun an ihr Begleiter sein sollte. Das erste richtige Geschenk, das sie bekommen hatte, war also ein Jade-Elefant ... Tobias Geschenke waren etwas anderes gewesen. Aber hatte der Fremde vorhersehen können, dass es so kühl wurde in dieser Nacht? Sie konnte ihm überhaupt nichts bezahlen für die Jacke, die er dagelassen hatte, und sie war sich nicht einmal sicher, ob er sie nicht vielleicht sogar vergessen hatte.

Als ihr dieser Gedanke kam, war sie schon einige Straßen weitergelaufen und hätte allein niemals wieder zurück zum Haus gefunden, das sich selbst gehörte. Hoffentlich kam Tatsu nicht dorthin zurück und suchte sie oder eben dieses Schmuckstück. Notfalls hätte sie ihn rufen können, da sie aber keine Hilfe brauchte, wollte sie ihn nicht umsonst bemühen.

Letztendlich, so sagte sie sich, war es doch ganz einfach: Wenn sie um Hilfe rief und er sie fand, dann fand er sie auch, wenn er seine Jacke suchte. Vielleicht beobachtete auch der Rabenvogel, wohin sie ging, auch wenn sie ihn nicht mehr gesehen hatte, seit sie das Haus verlassen hatte. In diesem Moment war sie einfach dankbar um die Wärme, die das gute Stück spendete. Sie versank zwar nicht in ihr, aber sie war ihr dennoch etwas zu groß. Gerade noch so, dass sie sie gut tragen konnte, ohne sich selbst darin zu verlieren.

Sie wusste nicht einmal, wohin sie lief. Wie auch, sie wusste ja nicht einmal, dass sie gar nicht war, wo sie zu sein glaubte. Tobias sagte, er würde sie finden - irgendwann. Irgendwann war ein sehr weitläufiger Begriff. Das konnte jetzt sein, das konnte auch erst in Monaten sein. Zoe war sich bewusst darüber, dass sie selbst die Suche nach ihrem Bruder antreten musste. Wenn Tobias sie fand, wo auch immer sie war, dann fand er sie auch dort, wohin sie ging. Ganz genau wie Tatsu das auch konnte.

Einige Passanten hatte sie gefragt, wie sie von hier nach Venedic kommen würde, aber die meisten sahen sie nur an, als fühlten sie sich veräppelt. Zoe wusste, dass es den Ort, den sie suchte, nicht offiziell gab. Auch Tobias hatte davon gesprochen, dass er nie von diesem Ort gehört hatte. Da aber die Telefonliste eindeutig sagte, dass es diesen Ort geben musste, würde sie ihn auch irgendwann finden, sie war sicher. So ließ sie sich einfach von ihrem Gefühl leiten und zwei Straßen und eine Antwort, sie solle doch nach Italien fliegen, weiter, traf sie auf keine Passanten mehr, die ihr helfen konnten - viel mehr auf eine sehr dunkle, unbehäuserte Straße, die ins dunkle Nichts zu führen schien.

Kurz blieb sie stehen und sah den geraden Strich Asphalt entlang. Der Wind schob sich in jegliche unausgefüllte Lücke zwischen ihrer Kleidung und ihrer Haut. Sie nahm ihre Tasche durch die Trageschlaufen über die Schulter und drückte ihre Arme fest um ihren Oberkörper. Phoenix, wo sie sich glaubte, war nicht Venedic. Also musste sie aus der Stadt hinaus in die nächste und nächste und nächste, bis sie ankam, wo sie ankommen wollte.

Die Richtung fühlte sich richtig an und so atmete sie kurz durch, wusste um noch zwei belegten Brote in Butterbrotpapier, die orangefarbene Frucht und einige Schlucke gleichfarbigen Saft, die sie vor ihrer Abreise aus dem Haus, das sich selbst gehörte, in ihre Tasche gelegt hatte, und ging nun einfach voller Mut und voller Zuversicht entgegen des Windes, der mal von links, mal von rechts, von vorne und blöderweise auch manchmal von hinten zu kommen schien, die Straße weiter.

Zoe dachte darüber nach, dass es eigentlich ganz gut war, wenn ein Wind von hinten kam, weil er sie anschob, aber sie entschied sich dennoch dafür, dass sie ihn lieber mochte, wenn er ihr das Haar aus dem Gesicht bließ, als andersherum. In diesem Moment hielt vor ihr ein Auto, das gerade an ihr vorbeigerauscht war. Ihr erster Gedanke war voller Freude "Tobias ...", der nächste die Angst, dass es auch die Russen sein konnten, die sie zurückholen wollten. Hier auf weiter Flur hätte sie keine Chance, sich zu verstecken. Es gab hier nichts, nur Sand und Stein, diese Straße und kein weiteres Auto, das für Hilfe hätte anhalten können. Stocksteif blieb sie stehen.

Ein Mann stieg aus, er hatte keine Haare mehr auf dem Kopf, dabei war er gar nicht so alt, wie der, den sie aus dem Dorf kannte, in das Tobias sie zum Einkaufen mitgenommen hatte. Erst als er näher kam, erkannte sie, dass er doch Haare hatte. Der Wind, der ihr weiterhin das eigene ins Gesicht wehte, wehte es ihm glatt nach hinten, und da seine Geheimratsecken, über die sie wusste, dass diese bei Männern ausgeprägter waren als bei Frauen, weil sie die Unterschiede zwischen ihrem Bruder und sich herausfinden wollte, ausgeprägt waren, hatte sie es nicht gleich erkannt.

Immer wieder versuchte sie vergeblich, ihre lange Strähnen aus dem Gesicht zu wischen. Der Wind pfiff über ihren Köpfen, sodass sie ihn nur schwer verstand. Der Schall wurde auf ihn zurückgeworfen. Es war schon fast orkanartig, was gerade heraufzog. So schlimm war es vor wenigen Minuten noch nicht gewesen. "Bitte wie?", rief sie ihm nun doch zu, weil er nicht wirkte, wie einer derer, die sie schnappen wollten. Hatte sie Venedic gehört? Wahrscheinlich war das nur ein Trugschluss, weil sie so sehr wünschte, dorthin zu kommen. Mit Trugbildern kannte sie sich leider nur all zu gut aus.

Erst jetzt, als er darauf deutete, erkannte sie das Taxizeichen, was sie zwar nicht lesen, aber zuordnen konnte und schüttelte den Kopf. "Ich habe nicht Geld für Taxi, nein." Zoe lächelte offen zurück und versuchte nun ihren nicht vorhandenen Pony nach hinten zu halten, dass sie ihn besser sehen konnte und ging noch einen Schritt weiter auf ihn zu. Jetzt verstand sie ihn auch besser, als er sagte, dass es sie nichts kosten würde. Sie wusste nicht, was ein Taxameter war, aber wenn es bedeutete, dass sie kein Geld bezahlen musste, dann durfte es gerne so komisch heißen.

Auf Gedanken zwecks schlechter Hintergedanken bei einem Mann, der ein Mädchen nachts in seinem Wagen mitnahm, kam sie nicht. Diese Erfahrungen hatte sie nicht, und darüber machte sie sich nicht die geringsten Sorgen. Natürlich musste sie vorsichtig sein. Tobias wie auch Tatsu hatten sie gewarnt. Aber im Augenblick schien es ihr sicherer, in einem Auto mitzufahren, als vom Wind weggeweht zu werden, der ihr unangenehm laut durch die Ohren pfiff. "Ich werde sehr ruhig und still mitfahren, das ich kann versprechen", sagte sie herzlich darauf, dass er zugleich bei seinem Angebot erklärt hatte, dass sie "ruhig mitfahren" könne.

Ihr Englisch war normalerweise besser, aber sie war lange aus der Übung, weil sie mit Tobias nur Russisch gesprochen hatte. Nur im Labor hatte sie Englisch gesprochen, was schon fast 6 Jahre her war. Sie merkte, dass ihre Aussprache nicht ganz korrekt war, aber sie wusste auch, dass sie es bald wieder besser können würde. Würde er sie jetzt mitfahren lassen, da sie ihm versprochen hatte, ruhig zu sein?

Vielleicht konnte sie dem Mann irgendwann ein neues Lämpchen schenken, weil seines kaputt gegangen war. Es war ganz schlimm, dass er kein Geld verdiente, wenn das Lämpchen aus war. Bestimmt war es eine Floskel der Verzweiflung, wenn man sagte, dass "die Schicht für heute vorbei" sei. Er tat ihr sehr leid. Sie würde sich sagen lassen, wo sie ihn fand, und sobald sie konnte, würde sie ihm ihren Dank zukommen lassen, wenn er sie noch mitnehmen wollte, auch wenn er so traurig war.

. oO ° * ° Oo .

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Boothe » 24.09.2016, 09:05

Als hätte man sie spontan und innerhalb einer einzigen Sekunde eingefroren, war das junge Ding einfach dort, am Straßenrand stehen geblieben, als Boothe aus seinem Taxi gestiegen war und sich vor sie gestellt hatte. Der scharfe Rückenwind blies dem Mädchen wieder und wieder Strähnen ihres langen, schwarzen Haars in das unschuldige Gesichtchen und sie gab sich sichtlich Mühe, die störenden Strähnen wieder aus ihrem Antlitz zu streichen.

"Bitte wie?", rief sie ihm fragend zu, nachdem er ihr die Freifahrt angeboten hatte. Er wollte es erklären, doch sie schien bereits zu verstehen, als er auf das Taxischild auf seinem Autodach deutete. Sie schüttelte jedoch ihren Kopf. "Ich habe nicht Geld für Taxi, nein." Nun erst war Boothe ihr osteuropäischer Akzent aufgefallen. Er war nicht sonderlich auffallend ausgeprägt, und wäre da nicht die grammatikalische Schwäche gewesen, hätte er es womöglich noch immer nicht bemerkt.

Die junge Frau hielt sich mit der Hand das Haar am Ansatz zurück und erwiderte sein Lächeln. "Ich werde sehr ruhig und still mitfahren, das ich kann versprechen", sagte sie, nachdem er ihr erklärt hatte, dass er ihr eine Freifahrt angeboten hatte. Ihre Stimme klang freundlich in seinen Ohren, fast zutraulich. Sie freute sich bestimmt, bei diesem stürmischen Wetter ein Stückchen mitgenommen zu werden.

"Ruhig und still?", wunderte der ehemalige Polizist sich mit gerunzelter Stirn. "Den feinen Herrn 'Ruhig & Still' hab ich heute schon über zwei Stunden lang nach Phoenix gefahren, Süße", lächelte er, und seine Augen lächelten mit ihm, "ich hatte eher gehofft, Du wärst lebhaft und gesprächig. Na komm", winkte er sie zu sich rüber, hielt ihr die Tür zur Rückbank des Taxis auf.

"Oder magst Du lieber vorne sitzen? Mir ist es egal, ist ja keine offizielle Taxifahrt." Für die Dauer eines kurzen Momentes behaftete er die junge Frau mit einem befremdlichen Blick. Wer war sie? Irgendetwas war hier faul. Sie wirkte so verloren. Und zwar nicht nur auf geographischer Ebene. Es war nur so ein Bauchgefühl. Jahrelange Polizeierfahrung spielte womöglich mit eine Rolle.

Nach wie vor stimmte ihn der osteuropäische Akzent nachdenklich. Seine emsig ratternden Hirn-Zahnräder fabrizierten eine weitere Theorie; Die Dunkelhaarige war jung und hübsch, etwas an ihr wirkte auch auf den ersten Anhieb ein Stück weit naiv. "Zwangsprostitution vielleicht?" War das Mädchen womöglich aus dem Ostblock unter falschen Versprechungen ins "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" verschifft worden, nur um dann ein noch schlechteres Leben als in ihrer Heimat zu führen? Dazu gezwungen, ihren Körper zu verkaufen, nur um dann den Löwenanteil des Geldes zwielichtigen Zuhältern abzudrücken?
Nein... auch diese Möglichkeit kam ihm unstimmig vor. Irgendetwas machte sie besonders, er konnte es spüren.

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Zoe » 24.09.2016, 10:19

Er sah ein bisschen skeptisch aus, aber das musste er auch. Sie war ihm schließlich genauso fremd, wie er ihr. Sie fragte sich für einen Moment, ob sie ihre Stirn ebenso kunstvoll in Falten legen konnte, wie er, doch sie kam zu keinem Ergebnis und es war auch einfach weder Ort noch Zeit, das jetzt herauszufinden.

Sie verstand nicht wirklich, was er da sagte. Er hatte einen Herrn gefahren, der "Ruhig und Still" hieß. Warum hieß man "Ruhig und Still"? Vielleicht war der Name Ruhigundstill, dann hatte sie das einfach falsch verstanden. Er hatte also einen Herrn Ruhigundstill gefahren und sie hatte verstanden, sie müsse ruhig sein und sich still verhalten. Aber "still" er gar nicht gesagt, sie hatte "still" gesagt.
Etwas verwirrt war sie jetzt aber doch. Wahrscheinlich hieß der Mann, den der Taxifahrer gefahren hatte, Ruhig, und der war ihm zu still gewesen. Deswegen wünschte er sich, dass Zoe lebhaft sei und viel spräche. "Hm." Das hörte sich logisch an und passte zu seinen Worten, daher nickte sie. Eigentlich zu sich selbst, aber das wusste er ja nicht.

Der große Fremde öffnete die Hintertüre, um sie einsteigen zu lassen, als sie eigentlich schon auf die vordere Türe zusteuerte. Sie war immer neben Tobias gesessen. In Amerika hatte sie noch keine Taxen benutzt, in Russland konnte man auch auf den Beifahrersitz einsteigen - oder war das nur so gewesen, weil die Frau so freundlich war am Steuer und hinten ein paar alte, rostige Hühnerkäfige gelegen hatten? Neben der Frau der Pension in Moskau war sie auch gesessen, als diese sie zum Flughafen gefahren hatte. Auf der Rückbank war dort aber alles frei gewesen. Sie stutzte und hielt mitten in der Bewegung inne, um dann auf dem Rücksitz Platz nehmen zu wollen, als der Fahrer fragte, ob sie lieber vorn sitzen mochte. Es sei ihm egal.

So wie er es erklärte, musste man normalerweise dafür bezahlen, hinten zu sitzen. Das konnte sie zwar nicht so ganz verstehen, weil man vorne doch viel mehr sehen konnte, aber so schien es nun einmal zu sein. Leute, die es bezahlen konnten, saßen hinten, also wollte sie umso mehr vorne sitzen. Er hatte schon viel zu viel Gutes für sie getan, wenn er sie bei diesem Sturm nun mit in die nächste Stadt nahm. Er schien es einfach gewohnt zu sein, hinten die Türe zu öffnen, weil alle anderen immer hinten saßen. Jetzt war es ihm vielleicht unangenehm, zu sagen, dass sie doch vorn sitzen sollten, weil sie ja nicht bezahlte. Das brauchte es ihm aber ihr gegenüber nun wirklich nicht zu sein, wenn es ihr doch gar nichts ausmachte, neben ihm zu sitzen. Nun war auch diese Situation klar und sie strahlte.

"Ich lieber vorne sitzen", sprach sie ihm nach. Sie wusste, was er sagte und kannte die Worte, aber Synonyme zu finden, war im Augenblick noch nicht so leicht. Genausowenig, wie einen Satz umzustellen. Es hörte sich richtig an und war sicher auch richtig, schließlich hatte er es auch so gesagt. Da es ihm zudem auch egal war, wo sie saß, schlüpfte sie etwas umständlich an ihm vorbei, öffnete die Beifahrertüre und setzte sich rein. "Anschnallen nicht vergessen", fiel ihr Tobias' Stimme ein und sie tat, wie ihr geheißen. DieTasche fand einen Platz auf ihrem Schoß und so blickte sie zu ihrem Gönner auf und lächelte, als wäre sie abfahrtbereit.

Sie würde gleich noch etwas trinken und vielleicht ein Brot essen. Sie glaubte, auf dem einen sei Marmelade gewesen. Ein bisschen Zucker konnte jetzt wirklich nicht schaden. Es war einfach alles viel zu aufregend. Zoe war gespannt und freute sich auf die Fahrt. Sie musste auch gleich fragen, wohin er denn fuhr und ob er Venedic kannte. Taxifahrer wussten doch immer, wo es lang ging. Jedenfalls die Russen wussten das.

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Boothe » 25.09.2016, 03:48

Auf seine laut geäußerte Hoffnung, sie wäre eher ein gesprächiger Typ, nickte die junge Frau, wenn auch mit leichter Verzögerung. Aber dass es das ein oder andere Verständigungsproblem geben würde, dessen war Boothe sich spätestens nach ihrem Satzbau sicher gewesen - "... das ich kann versprechen", erinnerte er sich.

"Ich lieber vorne sitzen", strahlte sie ihm förmlich entgegen, nachdem sie vor der, von ihm aufgehaltenen, Hintertür gezaudert hatte. "Na, dann los", zwinkerte er, "bevor wir uns noch 'ne Erkältung einfangen." So, wie sich das Mädchen an ihm vorbeizwängte, schien sie seine vorangegangenen Worte als Aufforderung genommen zu haben, die Beifahrertüre selbst zu öffnen und sich zu setzen. Er hätte sie ihr auch aufgehalten, "aber was soll's?"

Achselzuckend schlug er die Tür zur Rückbank ins Schloss und ging um die Motorhaube herum zu seinem Platz. Beim Vorüberschreiten gewahrte er die junge Frau mit der übergroßen Jacke, angeschnallt, die Tasche auf dem Schoß und zu ihm emporlächelnd. Dezent verwirrt lächelte er zurück, stieg auf den Fahrersitz, schloss die Tür des langen Ford Crown Victoria hinter sich und startete den Motor.

Das Radio war noch angeschaltet, als er losfuhr, doch V.V.'s Lullaby-List neigte sich dem Ende zu - was bedeutete, dass es fast zwei Uhr morgens war. "Okay, meine Nachtfalterchen", hauchte sie mit ihrer samtigen Stimme, während Boothes gelber Ford leise und ruhig über den Asphalt glitt, "das war's dann für heute. Ihr wisst ja, was jetzt kommt. Gute Nacht also und zuckersüße Träume euch allen. Eure V.V. - Over an' out" Sie machte ein übertriebenes Kussgeräusch und ihr letzter Song in dieser Nacht begann.

Ja, Boothe wusste, was nun folgen würde. Es war schließlich jede Nacht das letzte Lied, das V.V. einspielte; Richie Havens' Hands of Time. Das war ihre persönliche Art "Gute Nacht" zu sagen, vielleicht ein Tick von ihr. Cassidy lächelte, denn er liebte den Song wirklich, egal, wie oft er ihn schon gehört hatte.

"Die Musik stört Dich doch nicht, oder?", vergewisserte Boothe sich, mit einem schnellen Seitenblick zu der jungen Frau hin. Seine Linke lag locker auf dem Lenkrad, während er sich mit der Rechten über den verspannten Nacken fuhr. Der Freeway war lang und öde. Die Fahrt hätte er auch freihändig fahren können, daher seine lockere Pose hinter dem Steuer.

"Du kannst Deine Tasche ruhig in den Fußraum stellen, wenn Du magst. Keine Sorge, der ist ganz sauber", sprach er mit sanfterer Stimme als sonst. Sicher auch ein wenig von Müdigkeit belegt, aber in erster Linie der Umgebung und der Musik wegen vollkommen entspannt. Die Musik an sich war nicht besonders laut eingestellt. Er mochte es ohnehin niemals besonders laut, auch dann nicht, wenn er alleine fuhr. Und mit seiner jungen Beifahrerin würde er sich somit in normaler Sprechlautstärke noch perfekt verstehen können.

Und auffallend sauber war der Fußraum tatsächlich. Nach Schweiß stinkende Taxifahrer gab es schließlich zu Genüge. Unfreundliche, grantige Schlamper, in deren Taxen es roch wie im Zoo an einem heißen Altweiber-Sommertag. Boothe wollte einfach nur, dass seine Fahrgäste sich wohl fühlten, nichts zu beklagen hatten. Das machte es ja auch für ihn leichter und rentierte sich in der Regel spätestens beim Trinkgeld, wenn er den Fahrgast an dessen Zielort absetzte.

Er wippte einige Sekunden lang den groovigen Takt der Musik mit, ehe er seinen Kopf ein weiteres Mal zur Seite drehte. "Ich bin übrigens Chris", nannte er dem hübschen Ding auf dem Beifahrersitz sein derzeitiges Pseudonym. "Und Du bist...?" Er hätte einer so harmlos wirkenden jungen Frau irgendwie gerne seinen echten (Nach-)Namen genannt, doch beim Amaturenbrett hingen ja ohnehin seine Personalien mitsamt Bild aus, auf denen er als Christopher Church eingetragen war.

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Zoe » 25.09.2016, 08:55

Bevor Zoe aber wie geplant überhaupt irgendetwas fragte, ließ sie sich von einer weiblichen Stimme aus dem Radio einfangen. Blöderweiser sprachen die Radio- und Fernsehmenschen immer so schnell, dass sie nur die Hälfte verstand. Das war auch beim Flugzeugfilm so gewesen, den sie dann geflissentlich ignoriert hatte. Die russischen Untertitel hatten sie in ihrem fast gänzlichen Analphabethismus auch nicht weitergebracht.

Die Frau aber sprach irgendwas von Zucker und Zoe zog die Tasche zurecht, um ihre eingepackten, belegten Brote und das orangefarbene Getränk herauszusuchen. In diesem Moment ertönte ein Song, der sie aufhorchen ließ. Es war eine sehr ruhige Melodie, der sich dem sonoren Motorengeräusch des Autos anpasste, welches mittlerweile weiterfuhr. Zoes Blick sah die dunkle Straße vor ihnen entgegen. Der Mittelstreifen verschwand schluckend und immer wieder aufs Neue unaufhörlich unter ihnen.

Die dunkle Landschaft der Wüste flog einfach nur so an ihnen vorbei. Zoe hielt in ihren Bewegungen inne, was mit der Tasche auf den Knie etwas umständlich aussah, aber gar nicht unbequem war. Sie wollte schlichtweg dieses Lied genießen. Eines von so vielen, die sie noch nicht gehört hatte, daher schüttelte sie einfach ihren Kopf, als er fragte, ob sie die Musik störe. "Musik ist eine Sprache, die keine Übersetzung braucht", , überlegte sie sich lächelnd. In diesem Moment spürte sie schlicht die Dankbarkeit, dass sie in diesem Auto von diesem fremden Mann mitgenommen wurde und nicht im Wind frieren musste. Sehr schnell aklimatisierte sie sich, auch vom Gefühl. Sie fühlte sich wohl und dieser Mann neben ihr schien auch ein guter Mensch zu sein.

"Was ist Erkältung? Und was "Nachtfalterchen"", fragte sie dann nach einer Weile gegen Mitte des Songs und sah zu ihm rüber. Sie wusste, dass sie nicht, wie andere Menschen, krank wurde und hätte auch nicht nachgefragt, wenn sie verstanden hätte, was denn dieses Wort bedeutete. Es war ihr nicht geläufig und daher musste sie auf ein Thema ansprechen, das sie so eigentlich eher übergangen hätte. Tobias hatte gesagt, man sollte lieber nicht zu viel sprechen, gerade von Dingen, die einen von anderen unterschieden. Vor allem vor Leuten, die man schlichtweg nicht kannte.

Fast zeitgleich war sein Hinweis mit ihrer Frage gewesen, dass der Fußraum vor ihr sauber wäre und sie ihre Tasche dort abstellen konnte. Sie erinnerte sich, dass sie etwas trinken wollte und zog nun leicht am Reißverschluss der Tasche und holte sich Brote und Saft heraus. Jetzt konnte sie die Tasche auf den Boden gleiten lassen und nickte ihm ein stummes Dankeschön zu. Sorgsam faltete sie das Brot aus seinem Papier, nachdem sie die dickbauchige, aber kleine Falsche zwischen ihre Knie geklemmt hatte.

Ein schneller Blick unter die Hälften zeigte Marmelade mit Erdnusscreme, auch wenn sie letztere noch nie gegessen oder je benannt hatte. Das Brot selbst war schneeweiß. Das Brot davor hatte Körner gehabt und moccakaffeefarben ausgesehen. <font color="#808080">"Ich bin übrigens Chris. Und Du bist ...?"</font> "... hungrig. Du hast Hunger?", Zoe hob ihren Blick nun wieder zu ihrem Fahrer, als sie sich erinnerte, dass er ja schließlich auch etwas haben können wollte. "... zuckersüß", schmunzelte sie noch hinterher, die Worte der Radiomoderatorin nachsprechend, und auch den Traum der Marmelade meinend. "Ein bisschen Janka", antwortete sie dann aber sich etwas an den Vampir erinnernd, und versöhnlich, um sich wahrheitsgetreu vorzustellen.

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Boothe » 25.09.2016, 12:40

Dass sich die junge Frau auf dem Beifahrersitz an der Musik nicht störte, hatte Boothe schon bemerkt, noch bevor sie ihren Kopf geschüttelt hatte. Sie hatte in ihrer Tasche herumgekramt, ehe sie aufgehorcht hatte. Sie schien die Melodie förmlich aufzusaugen. "Gibt's solche Musik dort nicht, wo auch immer Du herkommst?", wunderte er sich, freute sich aber andererseits, weil er ihren Ausdruck so interpretierte, dass ihr der Song gefiel. Und es war wahrlich selten geworden, dass so junge Menschen für - seiner Meinung nach - legendäre Klassiker noch ein Ohr hatten.

Es dauerte eine kleine Weile, ehe das Mädchen wieder das Wort ergriff, was Boothe allerdings nicht störte, da er nach wie vor das Lied genoss. "Was ist Erkältung? Und was "Nachtfalterchen"?" Der Taxifahrer hob eine Braue, als er zur Seite, zur Fragenden blickte. Es hatte nichts Herablassendes oder dergleichen. Er war nur ehrlich verwundert, dass sie nicht wusste, was eine einfache Erkältung war. "Woher kommst Du nur, mysteriöses Mädchen?"

Boothe nahm einen tiefen Schluck aus der Cola-Flasche, die er kurzerhand aus dem Stauraum an der Innenseite der Fahrertür gezogen hatte. "Eine Erkältung ist, wenn Du Schnupfen hast und husten musst und sowas", erklärte er dann etwas unbeholfen. "Nur 'ne leichte Krankheit, weißt Du? Nichts schlimmes. Und Nachtfalter...", er legte kurz die Stirn in Falten, während er die Cola wieder verstaute. "Das sind diese hässlichen, fetteren Schmetterlinge, mit diesen Mustern, die aussehen wie Baumrinde. Aber ich bin mir nicht ganz sicher. Das ist nicht unbedingt mein Spezialgebiet."

Er lächelte kurz zu der Frau mit der großen, schwarzen Lederjacke hinüber, ehe er anfügte, damit sie selbst nicht fragen musste: "V.V., die Moderatorin - die äääh... die Frau aus dem Radio gibt uns Zuhörern andauernd irgendwelche Namen, die mit der Nacht zu tun haben, weil ihre Radiosendung immer so spät kommt. Du weißt schon", er rieb sich kurz über das leicht stoppelige Kinn, "Nachtschwärmer, Nachtigallen, Glühwürmchen... so'n Kram halt." Noch einmal warf er einen schnellen Blick zur Seite, um zu sehen, ob sie begriff. Er schätzte sie nicht als begriffsstutzig ein, aber er war sich immer noch nicht sicher, wie gut sie rein sprachlich das verstand, was er sagte.

Nachdem Boothe seine Beifahrerin auf den sauberen Fußraum hingewiesen hatte, hatte diese wieder an ihrer Tasche herumfuhrwerkt, ein paar Belegte Brote sowie ein Getränk herausgefischt - er schwankte des dimmen Lichts wegen zwischen Orangen- und Multivitaminsaft. Dann hatte sie die Tasche tatsächlich vor ihren Füßen niedergelegt.

Sie nickte ihm dankbar zu, ehe sie eines ihrer Sandwiches auspackte. Es hatte etwas sehr kindliches, wie sie die Brote aufklappte, um den Aufstrich zu inspizieren. Überhaupt wirkte vieles von dem was sie tat, sowohl mit Mimik als auch mit Gestik, befremdlich auf ihn.
Anstatt seine Frage - "Ich bin bin übrigens Chris. Und Du bist...?" - mit der Nennung ihres Namens zu komplettieren, fuhr sie mit einem "... hungrig" fort. "Du hast Hunger?"

Nicht sofort reagierte er, wich zuvor sanft und gekonnt einem Schlagloch aus. Anschließend wandte er sich wieder an das Mädchen. "... zuckersüß", erklärte sie noch, die äußeren Ränder ihrer vollen Lippen kräuselten sich leicht. "Du bietest mir eins Deiner Brote an?", fragte er ungläubig, weil nicht wissend, ob er sie richtig verstanden hatte.

"Ich hab Hunger, ja." Trotzdem hob er kurz abwehrend die Hand. "Aber ich hab mir vorhin was zu essen gekauft, also iss Du Deine Sandwiches mal nur selber. Außerdem ess ich abends generell lieber pikant. Danke trotzdem, Kleine." Vorsichtig, warf er sein Augenmerk zu ihr hinüber, abschätzend, wie sie reagieren würde. Was, wenn sie doch Opfer von Ausnutzung und Gewalt gewesen war? Dennoch, das abschließende "'Zuckersüß' passt zu Dir eh besser, als zu mir" hatte er sich einfach nicht sparen können. Ebenso wenig, wie das möglicherweise etwas forsche - nicht jedoch anzügliche - Schmunzeln.

"Ein bisschen Janka", besann sich sein nicht zahlender Fahrgast dann doch noch auf das, worauf er mit seiner zuvor gestellten Frage eigentlich hinaus gewollt hatte, während Boothe seinerseits selbst eines der, am Flughafen von Phoenix erworbenen, Sandwiches aus dem Handschuhfach hervorholte. "Ein bisschen Janka also, was?" Er lächelte schief, zu verstehen glaubend, während er das belegte Toastbrot einhändig und umständlich aus der Plastikfolie packte, die andere Hand am Lenkrad. "Ich verrate Dir mal was", begann er, nach wie vor lächelnd, das üppig mit Schinken, Käse, Tomaten und Salatblättern belegte Weißbrot schon dicht vor dem Mund haltend. "Genau genommen bin ich auch nur ein bisschen Chris."

V.V.s Sendung war also vorbei. Wie jedes Wochende wurde sie von diesem älteren, irgendwie angenehmen "Irgendwas Stevenson" abgelöst, mit seiner zweistündigen CineRadio-Sendung, in welcher er nur Lieder spielte, die auf irgendeinem Filmsoundtrack zu finden waren. Im Moment lief irgendein irisches Lied aus irgendeinem Film, den er wohl nicht kannte. Die Ansage hatte er verpasst. Das Lied selbst klang irgendwie sehr... alt. Und während es nicht wirklich seine Art Musik war und er das Lied etwas dröge fand, schaltete er nicht um. "Der Song hat irgendetwas..."

Kauend sah er danach ein weiteres Mal zu der jungen Frau rüber. Er schluckte einen großen Bissen hinunter und wünschte auch ihr einen guten Appetit. "Janka... das ist übrigens ein wirklich hübscher Name", fand er ehrlich. "Wo kommt er her?" Das war noch nicht einmal eine so ungeschickte Überleitung, wie er fand. "Wo kommst Du her? Ich meine, Du bist nicht hier in der Nähe irgendwo geboren, oder?" Und mit "in der Nähe" hatte er vom gesamten, amerikansichen Kontinent gesprochen.

"Look at the damage,
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Waiting for us liars to come down and hang."

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Zoe » 25.09.2016, 12:44

"Prostúda ...", sie nickte und verstand, was er sagte. Gleichzeitig dachte sie bei sich, dass es doch recht ärgerlich war, wenn man manche Worte nicht verstand und dann auf ein Thema zu sprechen kam, bei dem man gesagt bekommen hatte, man solle es umgehen. Zoe lächelte. Sie wusste zwar nicht, wie sich Husten und Schnupfen anfühlte, weil sie es nie hatte oder es so lange her war, dass sie sich nicht erinnern konnte, aber was Erkältungen an sich waren, wusste sie natürlich sehr wohl.

Beim "Nachtfalter" allerdings tat sie sich etwas schwer. Vor allem konnte sie sich nicht recht vorstellen, wie man einen Schmetterling, die sie sehr wohl kannte, hässlich finden und fett nennen konnte. Der Vergleich mit Baumrinde trug zusätzliche Schwierigkeiten bei, weil sie das Wort "Baum" verstand, "Rinde" allerdings nicht. Er sei sich da aber nicht ganz sicher und das nahm sie wörtlich. Er lag bestimmt falsch. Schmetterlinge waren nicht hässlich und somit wusste er einfach nicht richtig Bescheid. "Das in Ordnung, wenn Du nicht weißt. Ich auch nicht viel weiß", nickte sie ihm ermunternd zu, obwohl sie der Meinung war, in den letzten fünf Jahren überaus viel gelernt zu haben. Ihr war bewusst, dass das nur ein winzig kleiner Teil von dem war, was es alles noch gab.

Daraufhin erklärte er auch noch etwas, was mit der Stimme im Radio zu tun und die von diesen "Nachtfalterchen" gesprochen hatte. Sie verstand davon nur die Hälfte, lächelte aber höflich. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es besser war, nicht nachzufragen. Doch eine Ungereimtheit musste sie dennoch klären: "Sie gibt Namen mit Nacht. Warum Gluhwurmechen?" Sie kannte das Wort nicht in der englischen Sprache, aber darum ging es ihr in diesem Moment auch nicht.

Als er dann auch sagte, er sei hungrig, hob sie ihm schon ihr Brot entgegen, doch er wehrte ab, bevor es ihn erreichen konnte, weil er selbst etwas hatte. Sie schmunzelte, als sie begriff, dass er ihr "zuckersüß" auf das Brot bezogen hatte, anstatt auf eine kleine Frechigkeit, die sie versucht hatte, auszudrücken. Zoe nahm es nicht schwer damit, denn sie musste einfach besser Englisch sprechen und verstehen lernen, dann konnte sie solche Scherze auch so anbringen, dass man sie verstand. Es stand ihr nicht im Sinn, sich zu erklären, lieber biss sie von ihrem Brot ab, denn ihr Körper verging vor Zuckergier.

Und dann ... Es schmeckte unglaublich ... und sie sah für einen Moment wohl wirklich überrascht aus, als sie auf das abgebissene Brot blickte, auf ihn und wieder auf das Brot, während sie kaute. Diese leicht säuerliche Süße der Himbeermarmeladenkörnchen mit dem dicken Belag an Erdnussbutter, die zäh auf der Zunge lag und an den Zähnen klebte. Es fühlte sich lustig an und schmeckte sonderbar gut.

Durch die Creme aber musste sie gleich auch einen kleinen Schluck trinken, was ihr wieder einen sanft durchschimmernden orangefarbenen Rand um den Mund einbrachte, während er auf ihren Namen zu sprechen kam und sein eigenes Brot auspackte. Es war nicht so hübsch verpackt, wie ihre in den weißen Butterbrotpapieren. Es war durchsichtig und barg überhaupt keine Überraschung, was ihn erwartete. Sein Brot aber war genau so weiß, wie das ihre. Es sah mit seinem ganzen Gemüse sehr lecker aus.

Zoe versuchte mit der Zungenspitze und geschlossenen Lippen gerade, ein Brot-Creme-Gemisch aus ihrem Backenzahn zu holen, was ihr ein etwas schiefes Lächeln einbrachte, als er sagte, er sei [font color="#808080"]"auch nur ein bisschen Chris"[/font]. Zoe hielt kurz inne und betrachtete ihn. Sagte er das einfach so, oder war er auch nicht wirklich Chris, wie sie nicht wirklich Janka war. Zu fragen traute sie sich nicht, aber ihre Aufmerksamkeit lag etwas mehr auf ihm, als zuvor, als sie dann einen neuen Biss vom Brot nahm. Ihr Blick wechselte von seinem Gesicht, zu seinem Brot und wieder zurück. Den nächsten Song im Radio nahm sie daher gar nicht wirklich wahr. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihn anzusehen und auch sein Brot anzusehen, und ihn anzusehen ... während sie selbst kaute und mit dem kleinen Finger eine Strähne aus ihrem Mundwinkel fischte.

"Ja, wirklich hübscher Name", stimmte sie zwischen dem nächsten Bissen zu, als wäre Janka tatsächlich nicht ihr Name. Aber er war es ja, sie war ihn nur nicht gewohnt. Wie auch, sie hatte so lange gar nicht gewusst, dass sie so hieß. "LrRuschlan'", sagte sie dann, als sie den nächsten kleinen Biss von ihrem Brot nahm, das Brot aber noch nicht von ihren Lippen weggeführt hatte. Entschuldigend sah sie ihn mit großen Augen an. Das Grinsen war zumindest in ihnen herauszulesen. Sie hatte auf beide Fragen geantwortet, die dritte aber musste warten, bis sie ihren Bissen in die Backe geschoben hatte. Sie hielt gleichzeitig eine Hand vor den Mund, um zu übergehen, dass sie mit vollem Mund sprach.

"In Ru-land geboren, auch da. In Mo-kau", es war nicht so einfach, so zu sprechen, aber sie hoffte, dass er dennoch verstand. In diesem Moment wurde das nächste Lied angespielt und die Russin horchte auf. Der Moderator hatte Downtown von Petula Clark angekündigt, was ihr nichts sage, aber Zoes Herz sprang sofort schon bei den ersten Tönen darauf an, ohne den Song je zuvor gehört zu haben. Er war irgendwie ... so behebend. So ... fühlend. Irgendwie die Euphorie in ihr selbst wiederbelebend. "Wissen Du, wo Venedic ist?", fragte sie dann unvermittelt, nachdem sie geschluckt hatte, noch bevor sie ihren Blick von den bunten Radiolichtern auf ihn fokussierte.

. oO ° * ° Oo .

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Boothe » 25.09.2016, 12:47

"Prostúda?", lächelte er, ohne einen Ton von sich zu geben. "Das heißt Erkältung? Klingt eher, als hätte es mit dem Horizontalgewerbe zu tun."
"Das in Ordnung, wenn Du nicht weißt", fand das Mädchen auf seltsam beschwichtigende Art und Weise. "Ich auch nicht viel weiß." Es klang in seinen Ohren seltsam, wie sie das sagte. Einerseits war das Kindliche, das ihm zuvor bereits aufgefallen, auf der anderen Hand jedoch klang sie beinahe etwas mütterlich, wie sie ihm so aufmunternd zunickte und sich mit ihm auf eine Stufe stellte, was das Nichtwissen anbelangte. Hätte sie diesem Satz in einer Sprache, die sie wirklich beherrschte vielleicht einen ganz anderen Ton verliehen?

Er antwortete darauf nichts, sah nur kurz zu ihr hinüber und sponn sich bezüglich ihrer Vergangenheit eine weitere Idee: Sie sagte von sich, dass sie nicht viel wusste - was wenn sie in ihrem Heimatland eine Bauerstochter gewesen war? Rüben ziehen, Heu Schippen, Kühe melken. Was Bauern ebenso taten. Womöglich hatten ihre Eltern ihr überhaupt keine schulische Bildung ermöglichen können, da sie sie als Arbeitskraft auf dem eigenen Hof dringender brauchten. Es konnte ja sein, dass sie sich in einen jungen Burschen aus einem nahen Dorf oder einem Nachbarhof verliebt hatte und mit ihm durchgebrannt war, nur um dann - in den USA angekommen - festzustellen, dass er an blonden, amerikanischen Cheerleaderinnen viel mehr fand. Was, wenn sie ihn in flagranti erwischt hatte und vor Stunden erst aus der schäbigen, ersten gemeinsamen Wohnung ausgebüchst war? Aber nein: Ein Blick auf ihre Hände verriet ihm, dass sie sicher nicht Jahre lang die Handflächen und Fingerkuppen am derben Holzgestänge eines obsoleten Pflugs aufgeraut hatte.

"Ein bisschen Janka" hatte noch mehr Fragen: "Sie gibt Namen mit Nacht. Warum Gluhwurmechen?" Er lachte leise auf. Nicht nur, weil sie das Wort "Glühwürmchen" dermaßen niedlich mit ihrem Akzent zersetzt hatte, sondern auch gerade der vielen Fragerei wegen. Dabei wunderte er sich allerdings auch über sich selbst: Er war nicht im mindesten genervt, obwohl er zum Teil Fragen beantwortete, die einer vier- oder fünfjährigen würdig waren. In sich spürte er vollkommene Ruhe und Entspannung. Und wenn er zurück zu seinem letzten Fahrgast, dem schick gekleideten Glatzkopf mit dem verdächtigen Koffer, dachte, dann fiel ihm auf, dass ihm dessen Schweigen viel mehr aufgekratzt hatte, als es die aufgeweckte, wissensdurstige Art Jankas jemals könnte.

Diese Geduld, welche er an sich selbst feststellte beruhigte ihn ungemein. Nach wie vor kannte er sich selbst noch nicht zu einhundert Prozent. Zwar war ihm mittlerweile klar geworden, dass er Nerven wie Drahtseile hatte, doch dass ihm diese auch bei kindlicher Neugierde - und jeder weiß, dass diese so Mancheinen zur Weißglut treiben kann - nicht rissen, überraschte ihn positiv. War er kinderlieb? Wie schlimm war Cassies Kindheit seinetwegen? Oder hatte er sie und seine verschiedene Frau Natalie erst zu terrorisieren begonnen, als erstere in die Pubertät gekommen war? Hatte es einen eindeutigen Knackpunkt in seinem Leben gegeben?

Bevor er sich jedoch in (negativen) Gedanken verlor, rief er sich in Erinnerung, dass er Janka Bisschens - so nannte er sie fortan innerlich - Frage noch nicht beantwortet hatte. "Glühwürmchen...", begann er mit sanfter, tiefer, ruhiger Stimme. Meilenweit vor ihm waren nach wie vor nur schwarzer Asphalt und die mitternachtblauen Wellen der Wüste zu sehen. Hier und da blitzte im einklängigen Vorbeirauschen eine olivgrüne Kaktee auf, die Arme vom schmalen Leib gespreizt, als wäre sie ein Anhalter am Straßenrand. "Glühwürmchen nennt V.V. uns manchmal, weil es tagsüber nichts als hässliche Käfer sind, verstehst Du?" Seine Aversion gegen jegliche Art von Insekten dürfte Janka Bisschen mittlerweile aufgefallen sein. "Man nennt sie auch 'Leuchtkäfer' und sie leuchten nur nachts - tagsüber würde man das Leuchten ja auch gar nicht sehen." Er nickte um seine Erklärung zu bekräftigen, gab dann noch zu: "Und nachts sind sie dann auch wirklich schön. Standest Du nachts schon einmal auf einer Waldlichtung und hast dutzende dieser grüngelben Schweife um die Bäume und Büsche flirren sehen?", fragte er in einem seltenen Anflug von Romantik und blickte mit einem zurückhaltenden Lächeln zu ihr rüber.

Das Lächeln wurde um einen Deut breiter und fast zu einem Grinsen, als er gewahrte, wie Janka Bisschen höchst erstaunt war, dass ihr das Sandwich allem Anschein nach außerordentlich lecker schmeckte. Sie nahm einen weiteren Schluck aus ihrer Flasche. Dem feuchten, orangefarbenen Schimmern über ihrer hübsch geformten Oberlippe nach zu urteilen war es dann doch eher Mehrsaftgetränk als Orangensaft. Denn Orangensaft hinterließ ja eine doch eher gelbe Spur, keine orangefarbene. "Was auch immer", dachte er. "Ich hatte schon immer mit Mühe und Not Vierer in Chemie. Oder Biologie. Oder was auch immer das ist."

Boothe sah, wie sich die Zunge des dunkelhaarigen Mädchens hinter geschlossenen Lippen in ihrem Mund bewegte. Angesichts des dicken Erdnussbutteraufstrichs ihres Sandwiches schloss er darauf, dass sie ein wenig dieser zähen Masse zwischen den Zähnen kleben hatte. Sie aber sah ihn nur eine Weile weiter neugierig an, nachdem er ihr durch die Blume gesagt hatte, dass Chris ebenso wenig sein wirklicher Name war, wie Janka der ihre war.

"Ja, wirklich hübscher Name", fand auch sie, nachdem er ihr diesbezüglich sein ernst gemeintes Kompliment gemacht hatte. Wüsste er nicht, dass Janka nicht ihr echter Name war, hätte er diese Aussage für vermessen gehalten. So aber lächelte er nur zustimmend. "LrRuschlan'", fügte sie noch an. "Bitte?", wunderte er sich mit zusammengezogenen Brauen. Aber in ihren Rehaugen - die trotz der blauen, nicht braunen Farbe irgendwie welche waren - lag der Ausdruck von Lewis Carrolls Grinsekatze, aber auch eine leise Entschuldigung.

Sie hielt dann eine ihrer kleinen Hände vor den Mund, wobei sie ihre Herkunft kundgab: "In Ru-land geboren, auch da. In Mo-kau."
"Russland, also, hm? Hab ich's mir doch gedacht." Weil er nicht wusste, was er darauf sagen sollte, stolperte ihm lediglich ein trockenes "Cool" über die Lippen, ehe er sie wieder lächelnd ansah und meinte: "Und lass Dir ruhig Zeit mit dem Sprechen, musst Du nicht mit vollem Mund tun. Wir fahren noch knapp 'ne Stunde. Wir haben also alle Zeit der Welt."

Dann begann Petula Clark "Downtown" zu trällern. Nicht direkt das, was er als "seine Musik" bezeichnen würde, aber dabei schlief er zumindest schon einmal nicht ein. Außerdem gefiel es Janka Bisschen offanbar sehr gut, darum ließ er es laufen. Nachdem sie die heiteren Töne eeine kleine Weile lang auf sich hatte wirken lassen, fragte das Mädchen ihn, ob er wisse, wo Venedic ist. Er runzelte die Stirn. Hatte er das nicht zu ihr gesagt, bevor sie überhaupt erst zu ihm ins Taxi gestiegen war?

"Wir sind auf direktem Weg dorthin", lächelte er einfach. "Wie gesagt: Noch 'ne Stunde ungefähr." Er sah auf seine Armbanduhr mit dem schwarzen Lederriehmen. "Bisschen weniger", fügte er noch an, ehe er es einfach wagte zu fragen: "Was willst Du in Venedic? ... falls ich fragen darf..." Er hatte noch irgendetwas fragen oder sagen wollen, doch dann begann Nash Kato, Sänger der Band Urge Overkill, mit seiner tiefen, dramatischen Stimme zu singen: "Girl... you'll be a woman... soon..." Irgendwann mitte der Neunziger hatte die Band das Lied von Neil Diamond gecovert und es war dann in dem Kultfilm "Pulp Fiction" aufgetaucht. Das wusste er von Cassie.

Warum erinnerte er sich an etwas dermaßen belangloses hingegen jedoch noch nicht einmal an die Hochzeit mit Natalie? Sein Blick wurde etwas fahrig, ein klein wenig glasig. Wie, ja wie nur, konnte er alles wieder gut machen? Wie konnte er das Vertrauen seiner Tochter wiedergewinnen, das er ohne jede Zweifel nicht verdiente?

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Zoe » 25.09.2016, 12:48

Dieses Lied war so belebend, so hübsch verpackt, dass Zoe leicht mitwackelte. Allerdings so dezent, dass es auch die Unebenheiten des nächtlichen Freeways hätten sein können. So jedenfalls schmeckte die nusscremige Marmeladenbrotkombination doch gleich noch viel besser. Der Zucker tat ihren Zellen gut. Sie spürte, wie er sich als Glücksgefühl in ihrem ganzen Körper auszubreiten schien, wie für andere Alkohol. Oder war es einfach nur die belebende Art und Weise, wie diese Petula ihr Lied sang? In jedem Fall ging es ihr gut und das war die Hauptsache.

Mit glänzenden Augen sah sie letztendlich auch wieder zu ihrem Fahrer, als dieser versuchte, Glühwürmchen zu erklären. Er hatte eine ganz tolle Stimme, wie Fast-Janka fand. Sie nahm jedes seiner Worte auf und hörte ihm aufmerksam zu. Verstehen allerdings, konnte sie ihn dennoch nicht. Sie wären alle Käfer ... am Tag. Hässlich. Da gab es rot-weiß-gepunktete Käfer, die fand sie nicht hässlich. Er meinte wahrscheinlich andere. Aber alles Leben war faszinierend, jedenfalls für Zoe. Da stand hässlich und schön überhaupt nicht zur Debatte.

"Warum ist Dir immer so wichtig, dass etwas nicht hübsch, alles ist nicht hübsch für Dich", mahnte sie ihn fast. Aber so herzlich, dass man es ihr wahrscheinlich nicht unbedingt übel nehmen konnte. Zumindest aber hielt sie ihm zugute, dass er die Glühwürmchen nachts hübsch fand. "Es ist ganz wunderbar, was überall wachsen und laufen. Der Käfer sagen auch nicht, dass Du bist hässlich für ihn. Weil er ist ein Käfer. Er verlieben sich in Käfer, nicht in Kriz", sein bisschen Namen sprach sie dann doch etwas umständlich russisch aus. "Ich habe Lichter geseh'n im Wald, ja. Ich glaube ich verstehen, was Gluhwurmechen ist", lächelte sie ihm aber dennoch versöhnliche entgegen. Das Brot war jetzt leider aufgegessen, sonst hätte sie wieder hineingebissen. Daher nahm sie abermals die Flasche mit dem dunkelorangefarbenen Saft und leerte auch diese. Die Flasche verschwand wieder in ihrer Tasche, die an ihren Füßen lag.

"Wir sind auf direktem Weg dorthin ... noch 'ne Stunde ungefähr." Zoe schnellte mit ihrem Kopf so schnell hoch, dass sie mit der Stirn am Handschuhfach anschlug. "Ouch", gab sie von sich und rieb reflexartig, fast noch bevor die Hand ihre in Falten geschmerzte Stirn erreichte. "Wir fahren in Venedic?", fragte sie aber dennoch und ignorierte das leichte Pochen in ihren Schläfen. Kopfschmerz war ihre Schwäche, jetzt brauchte sie diesen garantiert nicht. Die Aufregung übertünchte allerdings alles, und ebenso aufgeregt sah sie ihn an, als er schon fragte, was sie dort wollte. Zoes Herz schlug ihr bis in den Hals und auf einmal konnte nichts schnell genug gehen. Nicht einmal das hübsche neue Lied, das anspielte, konnte sie beruhigen. Es unterstütze lediglich eine Nachfahrt im Auto, während die Scheinwerferkegel den grauschwarzen Asphalt und die dunkelgelb gezogene Linie inmitten der Straße unter ihnen hinweg ziehen ließ.

"Ich suche meine ... jemanden, Familie", korrigierte sie sich noch während des Sprechens und durch den falschen Genus beim Reflexivpronomen war nicht klar, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. Da sie sowieso nicht so leicht in die englische Sprache zurückfand, konnte auch ihre Eigenkorrektur sehr wohl als grammatikalisches Verbessern gelten. Zoe lächelte zur Unterstützung - allerdings leicht unsicher. Sie log schließlich nicht. Ihr Kopf aber pochte wieder stärker.

"Du kennst dort viele Leute?" Mit einem Mal fiel Zoe auf, dass sie gar nicht wusste, wie und wo sie ihren Bruder eigentlich suchen sollte, ihre Stimme vibrierte etwas bei ihrer Frage. Welche Anhaltspunkte hatte sie schon? Sie wusste nur, dass Nikolai in Venedic, Amerika, war, mehr nicht. Tränen traten ihr in die Augen und die junge Frau sah aus dem Seitenfenster in die Nacht, um sich nicht zu verraten. Tobias fehlte ihr ungemein, sie hoffte, dass es ihm gut ging, dass er vor allem und überhaupt noch am Leben war. Er hatte immer gewusst, was zu tun war. In diesem Moment wurde Zoe wieder einmal bewusst, dass sie nichts über diese Welt wusste, schon gar nicht, wie sie überleben, oder gar jemanden finden konnte.

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Boothe » 25.09.2016, 12:51

"Warum ist Dir immer so wichtig, dass etwas nicht hübsch, alles ist nicht hübsch für Dich."
"Ich ääähm...", er schüttelte leicht den Kopf und schmunzelte dann ein wenig überfordert wirkend, so unvorbereitet hatte Janka Bisschen ihn mit ihrem Vorwurf getroffen. "Es ist mir gar nicht so wichtig. Ich mag Käfer einfach nicht. Ich finde- Hm." Er fuhr sich mit der Rechten über das Kinn, während sie ihn weiterhin belehrte, mit ihrer Art, die er nur als kindlich fasziniert beschreiben konnte:

"Es ist ganz wunderbar, was überall wachsen und laufen. Der Käfer sagen auch nicht, dass Du bist hässlich für ihn. Weil er ist ein Käfer. Er verlieben sich in Käfer, nicht in Kriz."
"Gott sei Dank verliebt sich kein Käfer in mich", lachte er kurz und schaute entschuldigend zu ihr herüber, ehe er schnell wieder auf die Straße blickte. "Du sprichst von den natürlichsten Dingen, als wären sie überhaupt nicht so selbstverständlich...", wunderte er sich leise. "Als sähest Du das alles zum ersten Mal. Wie Alice im Wunderland..."

Boothe kurbelte auf Fahrerseite das Fenster herunter, legte seinen linken Ellbogen locker auf dem Rahmen ab und fuhr einhändig weiter, nachdem er noch einen kräftigen Schluck aus seiner Cola-Flasche genommen hatte. "Ich habe Lichter geseh'n im Wald, ja. Ich glaube ich verstehen, was Gluhwurmechen ist." Sie lächelte und er lächelte zurück, ehe er sprach: "Du würdest am liebsten die ganze Welt umarmen, hm?" Er schmunzelte noch immer, um zu signalisieren, dass das in keinster Weise herablassend gemeint gewesen war.

"Ekelst Du Dich denn gar nicht vor Käfern oder Spinnen oder Schlangen? Die meisten Frauen finden die widerlich. Nun ja... meine Tochter nicht", wurde er ein wenig leiser weil er Cassie vermisste. "Sie hatte eine riesige Vogelspinne als Haustier." Vom Ekel seiner Erinnerung gezeichnet verzog er das Gesicht für einen Moment. "Aber ich glaube, sie hat jetzt keine Spinne mehr."

Vornübergebeugt kramte Janka Bisschen in ihrer Tasche herum, während Boothe ihr noch einmal bestätigte, dass sie auf direktem Weg nach Venedic waren. Das Mädchen schien davon so überrascht, dass sie sich prompt den Hinterkopf am Handschuhfach stieß. Ihr entfuhr ein "Ouch" und sie rieb sich die Stirn. "Wir fahren in Venedic?", wollte sie nochmals bestätigt wissen.

"Ja, dauert nicht mehr lange", sagte er schnell, ehe er besorgt zu ihr hinübersah. "Bist Du okay? Wegen Deinem Kopf, mein ich." Das Augenmerk wieder auf die Straße gerichtet deutete er auf das Handschuhfach. "Da müssten noch ein paar Aspirin drin sein. Tabletten, die gegen Kopfschmerzen helfen. Oder geht es?", fragte er noch einmal nach, wieder mit leicht besorgter Miene zu ihr rübersehend.

Auf seine Frage, was sie denn in Venedic wollte, antwortete sie vergleichsweise ambig: "Ich suche meine... jemanden, Familie." Ob er ihr Stocken dem mangelnden Sprachvermögen zuschreiben sollte, oder ob sie nicht näher darauf eingehen wollte, nach wem sie suchte, viel Boothe schwer zu beurteilen.

Dass die junge Frau bei ihren Worten lächelte ambitionierte ihn jedoch dazu, einfach nachzuhaken: "Du suchst Deine Familie oder eine Person aus Deiner Familie? Vater, Mutter, Bruder, Schwester...? Ich hab das nicht ganz verstanden." Ihre Stimme nahm einen etwas unsichereren Ton ein, als sie von ihm wissen wollte, ob er in Venedic viele Leute kannte.

Sie sah aus dem Fenster. Dass sie ihn zuvor bei jedem Wortwechsel stets aufmerksam angesehen hatte, machte ihn stutzig. Weinte sie etwa? War ihre Stimme deshalb so belegt gewesen? Ein weiteres mal wunderte er sich über ihre Hintergrundgeschichte. Was hatte sie nur nach Amerika verschlagen? Er glaubte kaum, dass der größere Teil ihrer Familie hier lebte. Es wäre doch recht untypisch, eines der jüngsten Familienmitglieder zurückzulassen. Im Normalfall waren es im Gegenteil eher die Älteren, die sich nicht mehr auf einen neuen Kontinent einlassen mochten oder konnten. Es war wahrscheinlicher, dass sie einem Familienmitglied folgte.

Womöglich hatte sie mit "Familie" auch ihren Ehemann gemeint. Vielleicht hatte sie jung geheiratet. Es konnte ja sein, dass er vorgereist war, um einen Job zu finden, etwas Geld zu verdienen, ehe er ihr welches zukommen hatte lassen, damit sie den Flug bezahlen konnte. Möglicherweise lebte ihr Mann schon einige Monate in den Staaten, hatte bereits eine Wohnung gefunden. Klein, spartanisch eingerichtet, aber gemütlich. Vor allem zu zweit.

Nein. Auch diese Erklärung stellte ihn nicht zufrieden. Ganz und gar nicht. Kurz nahm er sie, zur Seite schielend in Augenschein. Er musste an seine Tochter Cassandra denken. Auch sie hatte er relativ blass in Erinnerung, mit schwarzen, glatten Haaren. Ob sie Janka ähnlich sah? Sie mussten etwa im gleichen Alter sein.

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Zoe » 25.09.2016, 12:54

"Du sprichst von den natürlichsten Dingen, als wären sie überhaupt nicht so selbstverständlich ... Als sähest Du das alles zum ersten Mal. Wie Alice im Wunderland ... Du würdest am liebsten die ganze Welt umarmen, hm?" Sie hatte nur zur Hälfte verstanden, was er hier von ihr wollte und daher überging sie es für den Moment, in dem sie nach Venedic fragte. Natürlich freute sie sich, natürlich sah sie alles zum ersten Mal und alles war ganz wunderbar.

Sie konnte ihm darauf keine Antwort geben, ohne Angst haben zu müssen, sich durch Sprachpatzer oder Fangfragen, die sie gar nicht kannte, zu verraten. Sie konnte nur ahnen, dass sie sich verraten könnte, dass jemand möglicherweise Fragen stellte, die das heraufbeschworen, darauf kam sie nicht.

Was sie aber gerne gewusst hätte, war, wer Alice im Wunderland war. Es hörte sich schön an und so vertraut, dass sie sich das auf ihren geistigen Notizzettel schrieb, um in einem späteren Zeitpunkt darauf zurückkommen zu können.
"Ekelst Du Dich denn gar nicht vor Käfern oder Spinnen oder Schlangen? Die meisten Frauen finden die widerlich. Nun ja ... meine Tochter nicht", bevor sie antworten oder nachfragen konnte, sprach er von seiner Tochter und einer Spinne. Zoe konnte nicht sagen, ob sie Spinnen oder Schlangen nicht mochte, sie ekelte sich auch nicht unbedingt vor irgendetwas, jedenfalls nicht zwingend. Irgendwie hatten sich ihr diese Frage noch nicht gestellt und sie wusste ja auch, dass sie nicht war, wie andere waren. Daher war es auch nicht schlimm, dass ihr das fehlte, was den "meisten Frauen" nicht fehlte. Dennoch musste sie sich zwangsläufig Gedanken darüber machen, ob sie nicht so tun musste, als hätte sie vor Käfern - "Warum sollte ich vor rot-weißen hübschen Tierchen Angst haben?" - Spinnen oder Schlangen - "Was sind Schlangen überhaupt?" - Angst.

Seine Tochter aber hatte doch auch keine Angst vor Spinnen, also gab es Ausnahmen und Zoe war froh darüber, nicht spielen zu müssen oder zu lügen. Viel mehr war interessant, dass Kriz ein Papa war, wie sie ihn ja nicht gehabt hatte. Außer in Tobias auf irgendeine Weise, aber der war kein wirklicher Papa in der Realität. Ein warmes Gefühl von Faszination war in ihren Blick getreten, noch bevor die Tränen gekommen waren. Sie hatten ihn fast schon vaterverliebt angesehen, wie es nur in Vater-Tochter-Beziehungen möglich war. Vielleicht war auch das ein Grund dafür - vielleicht auch, dass er selbst etwas betrübt klang - dass ihr die Tränen kamen. Es war viel gewesen in den letzten Tagen, sehr viel für eine so neue Seele. Warum nur war er so traurig? Sie konnte nicht danach fragen, ohne, dass ihre Stimme die Tränen verraten hätte, die ihr den Blick verschleierten.

Zuvor hatte er sie auch nach ihrem Kopf gefragt, sie hatte nur genickt, alles war "in Ordnung". Es war nur ein kurzer Schmerz gewesen. Medikamente hätten sowieso keine Wirkung. Aspirin war eines der ersten, das nicht mehr geholfen hatte. Es war auch egal, der Schmerz in ihren Schläfen überragte gerade die Traurigkeit ihres Gemüts nicht, wenn sie an Nikolai dachte - oder an die Sehnsucht, von einem, eher ihrem Papa in den Arm genommen zu werden, wie sie es schon auf der Straße gesehen hatte. Sein Nachfragen war nicht hilfreich, diese ganze Fassade aufrecht zu erhalten, doch sie war tapfer und schluckte einige dicke Tränen einfach hinunter und hoffte, das ihre Stimme sie nicht verriet.

"Einen Person aus mein' Familie, ich suche." Sie wollte nicht sagen, wen, sie hatte schon zu viel gesagt. Noch immer sah sie aus dem Fenster und wollte nicht darüber nachdenken, dass sie Nikolai vielleicht niemals fand. "Wer ist Alice im Wunderland - Dein Tochter?", sie hatte versucht, unbemerkt die Tränen aus ihren Augen zu streichen und sah ihn jetzt wieder kurz an, um dann vor sich aus der Frontscheibe auf die Straße mit dem Lichtkegel zu achten.

. oO ° * ° Oo .

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Boothe » 25.09.2016, 12:57

Es wunderte Boothe nicht, dass Janka Bisschen nicht auf seine Frage antwortete, ob sie am liebsten die ganze Welt umarmen wollte. Das Mädchen schien quirlig und doch müde zugleich. Wo auch immer sie hergekommen war; um sie herum hatte es meilenweit nichts als gähnende Ödnis und den leeren Highway gegeben, ehe er sie vom Straßenrand aufgegabelt hatte. War sie zu Fuß unterwegs gewesen, dann war sie seit Stunden umhergewandert.

Auch auf eventuelle, typische Stadtphobien, etwa vor Spinnen oder Schlangen, ging die Russin nicht ein. Sie schien für den Moment komplett auf "Input" eingestellt zu sein. Aber dass er eine Tochter hatte schien Janka brennend zu interessieren. Ihr Blick schien aufmerksamer als je zuvor. Und bevor er sich fragen konnte, ob sie Tränen in den Augen hatte, da hatte sie ihm einen befremdlichen Blick geschenkt, der doch so voller Zuneigung schien.

Bedeutete das, dass er sie vielleicht an ihren eigenen Vater erinnerte, wenn er von Cassie sprach? Es konnte ja sein, dass sie ihn in Venedic suchte. Oder er war bereits verstorben, und er hatte unbeabsichtigt eine Wunde in ihr aufgerissen, weil sie ihren Vater sehr geliebt hatte. Oder ihr Vater war ein Arschloch und sie hatte so viel in seine sorgenvolle Stimme interpretiert, dass sie ihn für einen guten Vater hielt und deswegen so berührt war. Oder, oder, oder.

"In Ordnung", sagte sie zu seiner Beruhigung, bezog sich auf seine Frage, wie es ihrem Kopf nach dem Stoß am Handschuhfach ginge. "Einen Person aus mein' Familie, ich suche", erklärte sie weiter. Boothe glaubte, ihrer Stimme noch immer eine leichte Belegtheit anzuhören. Eine Person also. Hatte sie absichtlich das Geschlecht der oder des Gesuchten nicht festgelegt oder war es wieder die Sprachbarriere, welche ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte?

Sie sah aus dem Fenster. Und das war der Hauptgrund, aus welchem er sie nicht weiter auf ihre Familie ansprach. "Okay", antwortete er etwas verspätet, ganz leise nur. "Ich hoffe Du findest sie oder ihn sehr bald." Boothe stieß einen leisen Seufzer aus. Eigentlich war es mehr eine Mischung aus einem Seufzen und einem Gähnen.

Am Horizont wurde der dunkle Schattenriss der Stadt, die ihrer beider Ziel war, immer deutlicher. Aus einem schwarzen Fleck vor dem mitternachtblauen Himmel wurde eine klar definierte Silhouette. Kantige, stäbchenförmige Hochhäuser ragten empor, versteckten ihre majestätischen Häupter zwischen dunkelgrauen Wolken. Der endlose, schwarze Highway schien direkt in den düsteren Umriss zu münden.

"Wer ist Alice im Wunderland?", fragte Bisschen-Janka sich, versuchte aber sogleich selbst die Lösung zu finden; "Dein Tochter?" Er lachte leise. "Nein", ein geduldiges, wohlwollendes Lächeln umspielte seine Mundwinkel und umkräuselte seine teegrünen Augen, als er kurz vom Asphalt fort und in Jankas reines Gesichtchen sah. "Alice im Wunderland ist ein Kinderbuch. Es handelt von einem Mädchen, das sich in einer fremden Welt voller Magie wiederfindet."

Cassidy räusperte sich leise. Hob gestikulierend die Rechte vom Lenkrad, nachdem er seine Linke wieder vom Fenster genommen hatte und erzählte: "Meine Tochter heißt Cassandra." Er machte eine kurze, liebevolle Lächelpause, an sein Mädchen denkend. "Ihre... Mutter hat ihr früher immer aus Alice im Wunderland vorgelesen. Sie, äh... sie hat es geliebt. Obwohl sie die Geschichte bestimmt fünfzig mal vorgelesen bekommen hat..." Gegen Ende war seine Stimme leiser, ein Flüstern beinahe, geworden.

Hatte er Cassie auch jemals vorgelesen? Ganz dunkel meinte er, sich zu erinnern. Als sie ganz klein gewesen war. Drei oder vier Jährchen alt, vielleicht. In Zeiten, in welchen er noch ein fürsorglicher Vater gewesen sein mochte. "Sie ist jetzt ungefähr so alt wie Du", merkte er mit freundlichem Blick in die Augen seiner Beifahrerin an. "Cassie, meine ich. Sie hatte auch so hübsches, schwarzes Haar und Deinen aufmerksamen, neugierigen Blick, weißt Du?"

Er sah wieder nach vorn. Kurz lehnte er sich ein paar Zentimeter zu ihr herüber, ohne sich von der Straße fortzuwenden. "Sieh mal", sagte er und deutete mit einem Kopfnicken nach vorn. Mittlerweile konnte man die Lichter der Stadt bereits als helle, gelblich-weiße und feuerrote sternförmige Flecken erkennen. Es waren tausende und abertausende. Viel mehr, als man Sterne am Himmel sehen konnte, bei all den finsteren Wolken.

"Das finde ich viel schöner, als irgendwelche kriechenden Käfer", grinste er. "Eine Großstadt bei Nacht muss das schönste sein, was je von Menschenhand erschaffen worden ist...", fand er andächtig, beinahe träumerisch und so gar nicht nüchtern, wie er meistens zu sein pflegte. Janka hatte etwas von ihrer kindlichen Begeisterungsfähigkeit auf ihn übertragen.

Ohne es, auch nicht in Gedanken, auszusprechen, war sie wahrscheinlich der angenehmste Fahrgast, den Boothe jemals in seinem Taxi sitzen hatte. Immerhin fuhr er bereits seit ein paar Monaten Nachtschicht. Die junge Russin war so viel fröhlicher und ruhiger und entspannter, als all die nervösen Großstadtmenschen, für die immer alles nicht schnell genug gehen konnte. Und die hinten in seinem Taxi saßen und wüste Beleidigungen oder Befehle oder haltlose Vorwürfe in ihre Handys bellten.

Eine wundervolle Live-Version von Tracy Chapmans Fast Car lief im VSSR-Nachtradio an. "Oh, ich liebe ihre Stimme", lächelte er leise. "Hörst Du das?", fragte er die junge Frau auf dem Beifahrersitz rhetorisch. "Die Frau hat richtigen Soul in ihrer Stimme. Und die Texte, die sie schreibt machen sogar Bob Dylan Konkurrenz." Sein Lächeln verlor ein wenig an Intensität und er zog eine Braue an, während er zu Janka herübersah. "Lass mich raten: Du hast keine Ahnung, wer Bob Dylan ist, nicht wahr?"

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Zoe » 25.09.2016, 13:00

Ja, sie hoffte auch, dass sie Nikolai sehr bald fand. Aber wie sollte sie das anstellen? Sie wusste nicht einmal wie groß Venedic war, geschweigedenn wie man in dieser Stadt - oder jeder anderen - jemanden suchen sollte. Einmal mehr sehnte sie sich an Tobias und machte sich in der Erinnerung an ihn Sorgen um denselbigen. Wenigstens konnte Kriz sie mit seiner Wunderlanderklärung ablenken, bevor sie in ihren Gedanken noch weiter abdriftete. Sie konnte in ihrer Position sowieso nichts weiter tun, als warten.

Ein Kinderbuch sei Alice im Wunderland und nicht seine Tochter. Aber doch ein Mädchen, in einer fremden Welt, voller Magie ... irgendwie assoziierte Zoe diese Beschreibung mit sich selbst. Sie war ein Mädchen und war in einer ihr komplett fremden Welt, in einer fremden Stadt, einem fremden Land, in einer fremden Welt. Und diese Welt war für sie so voller Magie ... was war Magie? Das Wort war so schön und wirkte so vertraut, dass es nur so sein konnte, dass das auch auf sie zutraf. Konnte man fragen, was Magie war? Sie konnte die Sprache schließlich nicht sicher, er würde vielleicht gar nicht merken, warum sie fragte.

Vorerst aber erklärte er, dass seine Tochter Cassandra hieße. "Eine schöne Name", kommentierte sie ehrlich höflich, als er auch schon weiter sprach. Die Mutter von Cassandra hatte das Buch sehr oft vorgelesen. Vorlesen ... gerne hätte Zoe selbst lesen können. Aber das wenige, das sie beherrschte, reichte für ein ganzes Buch nicht aus. Viel mehr erkannte sie Worte anhand ihres Aussehens, als dass sie wirklich lesen konnte. Und mit einer Anzahl von fünfzig konnte sie auch nicht viel anfangen, aber da es mehr als zwanzig war, was sie schon viel fand, da man auch nur zehn Eier in einem Pappkarton bekam und die auch schon viel waren, waren fünfzig bestimmt noch viel mehr als viel. Ob sie keine anderen Bücher gehabt hatten?

Kriz war so leise in seinem Sprechen geworden, das Zoe zu ihm aufsah, ihn seitlich betrachtete und sich wünschte, er würde ihr Alice im Wunderland vorlesen. Ob er traurig war? Es war kurz still und ihr Verdacht bestätigte sich in sich selbst, trotz dass er dann weitersprach und nicht wie sie zuvor Tränen in den Augen hatte. Er liebte seine Tochter sehr und Zoe wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als zu erfahren, wie es war, von Eltern geliebt zu werden.

Von einem Vater, von einer Mutter geliebt zu werden. Wieder schossen ihr die Tränen in die Augen, sie konnte sich nicht dagegen wehren, wollte sich auch nicht wegdrehen. Es schmerzte sie so dieses Unwissen, auch, dass dieser Blick, diese Liebe in seinem Blick nicht von ihrem Vater an sie war. Sie schluchzte leise auf, als sie sich doch abwandte. "Entschuldigung", schnell wischte sie sich über die Augen, versuchte das Zittern ihrer Unterlippe zu verbergen. War es womöglich ihre eigene Traurigkeit, die sie geglaubt hatte, bei ihm zu entdecken?

"Sieh mal", innerlich widerstrebte es ihr, sie wollte nicht, dass er sie so sah, aber dann sah sie doch in die Richtung, in die er nickte. Und sie sah ... das Herz klopfte ihr auf einmal bis zum Hals und verhinderte ein Schlucken, das bildete einen Kloß und sie konnte für einen Moment nicht atmen. Noch bevor er irgendetwas dazu sagen konnte, wusste sie, dass sie Venedic immer näher kamen, dass DAS Venedic war, DA wo Nikolai war, da wo sie hingehörte ... Gänsehaut breitete sich auf ihren Unterarmen aus. Es war unglaublich, so viele Lichter, wo vorher nur schwarz war. Die Skyline einer Stadt, die nicht schlief, nie schlief. Ob Nikolai auch nicht schlief?

Als Kriz sie auf einen Song im Radio aufmerksam machte, wischte sie sich schnell die Tränen von den Wangen und riss sich von dem Anblick ihrer Gedanken los. Vorsichtig lächelnd lehnte sie sich zurück und lauschte, und schaute, und lauschte. "Soul ..." was auch immer das war - Seele in der Stimme. Und er riet richtig: "Nein, ein Bob Dülen ich kenne nicht." Zoe schüttelte den Kopf und ließ sich verführen in eine Sanftheit der Melodie, die ihr Herz für sich allein eroberte. Musik war so etwas Wunderbares. Sie wollte gar nicht zurückdenken, dass man diese ihr so viele Jahre vorenthalten hatte.

Wieder glitzerten Tränen in ihren Augen. Sie glitzerten wie die Lichter der Stadt, auf die sie sanft und schnell zufuhren. Aber diesmal waren es lächelnde Tränen, lächelnde Tränen mit ein bisschen Sehnsucht, ein bisschen Schmerz, mit ein bisschen Melancholie. Aber trotz der Schwere, die ihr Herz umfasste, war es nichts, was in diesem Moment nicht einfach auch richtig gewesen wäre. Mit der flachen Hand und Daumen und Zeigefinger umfasste sie ihr Näschen, während ein leichtes Brennen ihre Augen verließ. Sie wollte nicht aufschluchzen.

"Danke ...", sagte sie einen Augenblick später und zog leise die Nase hoch und schluckte Tränen. Wie gerne hätte sie ihn gefragt, ob er ihr - ... sie sah ihn an, vielleicht auch etwas prüfend. Dann wanderte ihr Blick langsam, fast im Takt des Lieds zur Skyline zurück. Es dauerte einen weiteren Moment, bevor ihre Lippen sprachen, ihre Gedanken aber weit weg schienen. In diesem Moment war ihre Stimme wie Seide - leise, sanft, aber so ausdrucksstark und sicher, wie sie vielleicht kaum einen Moment zuvor gewesen war.

"Ich suchen meinen Bruder da. Er ist da und weiß von mir nicht. Er weiß nicht von mir ... nichts." Eine kurze Pause, während sie sich fragte, welches dieser Lichter wohl ihm gehören mochte. "Du kannst lesen für mich "Aliz im Wundaland" ..." Es war nicht klar, ob es eine grammatikalisch falsche Frage war oder der Hinweis, dass sie verstanden hatte, dass er gerne seiner Tochter vorgelesen hätte, es aber vielleicht nie getan hatte. Sie wusste es selbst nicht. Zoe sah mit ihrem lächelnden Blick zu ihm rüber und schluckte noch einmal den schwermütigen Gedanken an Nikolais Licht hinunter.

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Boothe » 25.09.2016, 13:09

Es war für Boothe ganz einfach zu erkennen, wie sehr es in Bisschen-Janka arbeitete, als er ihr von Alice im Wunderland erzählte. Sie nahm die Informationen wissbegierig auf und er war sich ziemlich sicher, dass er nicht der einzige war, der gewisse Parallelen zwischen dem russischen Mädchen und Lewis Carrolls kindlicher Heldin erkannte.

Janka Bisschen fand, dass Cassandra "Eine schöne Name" war. "Danke", lächelte er, obwohl er nichts mit der Namensauswahl zu tun gehabt hatte. Er erinnerte sich daran, wie er noch bis zur letzten Minute vor der Geburt fest davon überzeugt gewesen war, einen Sohn zu bekommen. Als er zu seiner Frau Natalie in den Kreißsaal getreten war, hatte diese ein kleines Mädchen in den Armen gehalten. Ein winziges Menschlein, an dessen Kopf sich ungewöhnlicherweise schon ganz mutig dichtes, schwarzes Haupthaar hatte sehen lassen. Und er hatte sich gefreut, wie er niemals geglaubt hatte, sich freuen zu können.

"Ich mag den Namen ganz arg", fuhr er leise fort. "Aber ich habe ihn nicht ausgesucht. Cassies Mutter hat das getan." Sein Lächeln wurde wieder ein traurigeres. Dass ihr forschender Blick ihn sonderbar vertraut von der Seite traf half nicht gerade. Hätte sich eine oberflächliche Blondine zu ihm ins Taxi gesetzt, hätte er zwar nicht so eine angenehme Unterhaltung geführt, wäre aber wenigstens weder äußerlich noch innerlich wieder und wieder so an seine Tochter Cassandra erinnert worden. Was an für sich ja schon sehr sonderbar war, weil er weder wusste, wie seine Tochter jetzt, im Erwachsenenalter, aussah, noch welche Wesenszüge sie aus Kindheitstagen beibehalten hatte. Es war einfach nur so ein Gefühl... und die Sehnsucht natürlich.

Es machte Boothe wahnsinnig, so anonym bleiben zu müssen. Sicher, es war das einzige, was zu tun Sinn ergab. Er musste sich bedeckt halten. Sonst würde er wegen des Mordes an seiner Frau den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Wegen eines Verbrechens, das eine andere begangen hatte. Aber die ständige Geheimniskrämerei bedeutete zwangsweise auch eine gewisse Einsamkeit.

Wem konnte er schon vertrauen? Selbst Detective Bob Waingrowe, sein letzter Kontakt zu seiner Vergangenheit, hatte sich seit einem knappen halben Jahr nicht mehr gemeldet. Dass er sich Janka Bisschen noch nicht einmal mit seinem richtigen Namen hatte vorstellen können...

Das Schlimmste war aber bei Weitem, dass er seine Tochter nicht sehen konnte. Dass sie ihn nicht sehen wollte, weil sie der Zeitung glaubte, die ihn den Mörder seiner eigenen Frau nannte. Es war eine unfassbar schwer zu tragende Bürde, das Gesicht der Killerin dermaßen fest im Gedächtnis eingebrannt zu haben, dass man sich an das Gesicht seiner verstorbenen Frau kaum noch erinnern konnte. Und er hatte nicht den Hauch einer Spur, die ihn auf den blutigen Pfad der jungen blonden Mörderin bringen konnte.

Das einzige, was für ihn sprach, waren zwei Augenzeugenberichte gewesen. Diese wollten eine Blondine aus dem Haus, in dem er gewohnt hatte, rennen gesehen haben, die auf Boothes Beschreibung gepasst hatte. Und das direkt nachdem die Schüssen gefallen waren. Das letzte, was er darüber wusste, war dass Waingrowe einen Phantombildzeichner der Polizei zu den beiden Augenzeugen hatte schicken wollen. Dann hatte Boothe nie wieder von seinem ehemaligen Partner gehört. Alleine konnte er ja schlecht beim V.P.D. vorbeispazieren und fragen, wie die Ermittlungen liefen.

Bei dieser Vorstellung musste er fast schon schmunzeln. Doch dieser Gedanke verlor sich schlagartig, als er Bisschen-Janka neben sich schluchzen hörte. Obwohl es nur ein leises Schluchzen war. "Entschuldigung"
"Heeeyy... nein, nein, nein", versuchte er mit sanfter Stimme zu beruhigen und fasste sie leicht an der Schulter. "Es gibt nichts, wofür Du Dich entschuldigen müsstest, hörst Du?"

Er wusste nicht, ob eine Bestimmte Situation ihre Tränen verursacht hatte oder ob sie endlich von ihrer Lage im Allgemeinen übermannt worden war. Immerhin musste sie stundenlang am Highway entlanggewandert sein. Sie wandte sich von ihm ab. Er konnte nicht einfach fragen, was los war. Das Mädchen brauchte sicher einfach nur ein wenig Zeit für sich. Aber ihr ein Taschentuch anbieten, das konnte er. Und das tat er auch. Wenn sie darüber sprechen wollte, was ihr die Tränen in die Augen getrieben hatte, würde sie das von selbst tun, er würde sie bestimmt nicht drängen.

Als aber Venedics gleichermaßen dunkle wie prachtvolle Silhouette am Horizont erschien, wurde die junge Russin wieder aufmerksam. Man sah ihrem Gesicht noch immer an, dass sie geweint hatte. Doch das schien ihr jetzt nicht mehr wichtig zu sein. Viel zu faszinierend wirkte das, worauf sie zufuhren allem Anschein nach auf sie.

Da er nicht genau gewusst hatte, wie er sie aufheitern konnte, hatte er simplerweise wieder damit angefangen, die Musik zu kommentieren, die Bisschen-Janka zumindest ein klein wenig Trost zu spenden schien. "Nein, ein Bob Dülen ich kenne nicht." Was Cassidy bei so ziemlich jeder anderen Person als persönlichen Affront empfunden hatte, konnte er der jungen Frau kaum verübeln. Ihre Weltenfremdheit überstieg ein Maß, in welchem man sich über mangelndes Wissen über musikalische Legenden hätte beschweren können, um ein Vielfaches.

"Das macht nichts", besänftigte er sie, die wieder lächelte, obwohl ihre schönen Augen noch immer in Tränen schwammen. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er, wie Janka Bisschen weiterhin gegen die Tränen ankämpfte. Es tat ihm wirklich ein wenig weh, sie so zu sehen. Ganz egal, dass er sie kaum eine Stunde kannte.

"Danke ...", sagte sie mit einem leisen Schniefen. Er reichte ihr diesmal nicht ein Tempo, sondern einfach die ganze Packung. "Nichts zu danken", winkte er beinahe flüsternd ab, ohne überhaupt genau zu wissen, wofür sie sich bei ihm bedankt hatte. Boothe wollte dieses Mädchen einfach nur nach Hause bringen. Er hoffte inständig, dass sie von Venedic nicht so verwirrt war, wie es den Anschein hatte. Dass sie ihm genau würde sagen können, wo er sie absetzen sollte, sobald sie die Stadtgrenze erreicht hatten.

"Ich suchen meinen Bruder da", erklärte sie da plötzlich neben ihm. Er linste kurz vorsichtig zu ihr herüber, lächelte ein leises, aber ermutigendes Lächeln. Also fuhr sie fort: "Er ist da und weiß von mir nicht. Er weiß nicht von mir ... nichts." Instinktiv drosselte Boothe ein wenig die Geschwindigkeit, als ihnen ein großer Truck mit blendenden Leuchten entgegenkam und trat erst wieder kräftiger aufs Gas, als der Koloss vorbeigefahren war.

"Und... Du weißt nicht so genau, wo Dein Bruder wohnt, nicht wahr?", hakte er vorsichtig nach. "Weißt Du denn, wo ich Dich am besten hinfahren soll? Oder hast Du vielleicht seine Telephonnummer?" Was sollte er nur mit ihr anstellen, wenn sie überhaupt keine Ahnung hatte, wie sie ihren Bruder kontaktieren konnte? Jetzt, da er sie schon beinahe nach Venedic gebracht hatte, würde er den Teufel tun und sie einfach irgendwo in der Stadt absetzen. Nicht mit ihren Englisch-Problemen, nicht eine so hübsch und unschuldig zugleich aussehende junge Frau und schon gar nicht mitten in der Nacht.

Er blickte noch einmal vorsichtig auf die Armbanduhr. Es war schon bald drei Uhr. Womöglich war es nur ihre Aufregung, dem Ziel so nahe zu sein, aber es wunderte ihn nichtsdestominder, dass er sehr viel müder zu sein schien, als sie. "Du kannst lesen für mich "Aliz im Wundaland" ...", bot sie vollommen unerwartet an und lächelte ein vollkommen ansteckendes Lächeln zu ihm herüber. Und er ließ sich anstecken.

"Ich soll Dir Alice im Wunderland vorlesen?", fragte er schmunzelnd nach. "Weißt Du, Bisschen-Janka" - er sprach sie zum ersten Mal mit diesem Namen an - "wenn Du nicht genau weißt, wie Du Deinen Bruder finden sollst, dann könnte ich für Dich ein oder zwei Nächte in dem kleinen Hotel bezahlen, in dem ich gerade wohne. Natürlich ein eigenes Zimmer!", fügte er schnell und mit ernstem Gesicht hinzu. Denn das letzte was er wollte, war dass sie ihn im letzten Moment doch noch für unaufrichtig oder jemanden, der mit einem Hintergedanken spielte hielt und ausstieg. Boothe hatte mittlerweile wirklich Angst, dass ihr irgendetwas zustoßen könnte, wenn er sie nicht an ihr Ziel brachte. Oder zumindest an ein Zwischenziel.

"Dann könntest Du erst einmal eine Nacht lang darüber schlafen. Und vielleicht kann ich Dir morgen ja helfen, Deinen Bruder zu suchen", lächelte er wieder und sah mit warmem Blick zu Janka Bisschen herüber, wobei er sich mit der Rechten kurz im Nacken kratzte. In diesem Moment begann ein weiteres, seiner Meinung nach perfektes "Nachtlied" - nicht, dass er es gekannt hätte. Eine Band namens "Bat for Lashes" war angekündigt worden. Das Lied hieß Travelling Woman. Der Titel allein schien dem russischen Reisemädchen ebenso auf den Leib geschneidert, wie Alice im Wunderland - wenn nicht mehr noch.

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Zoe » 25.09.2016, 13:10

Kriz bedankte sich dafür, dass Zoe den Namen "Cassandra" schön fand und die Russin musste überlegen, warum er das tat. Es dauerte einen Moment, bis sie darauf kam, dass er ja als Vater den Namen seiner Tochter ausgesucht haben musste und dass seine Wahl nun dann ja auch ein Kompliment war. Hieß das Kompliment?
Tobias hatte ihr immer viel Lob gegeben und auch mal erklärt, dass sowas auch Kompliment heißen konnte. Es war sicher ein Kompliment, denn ein Lob bekam man, wenn man etwas gut machte und ein Kompliment, wenn etwas schön war. Aber ... dann ... jetzt hatte sie sich selbst verwirrt. Der Name war ja schön und er hatte es gut gemacht mit dem Aussuchen. "Hast Du eine Lob bekommen oder eine Komplaiment?", fragte sie auf ihre wirren Gedanken hin und sah ihn an. Sie konnte es nicht für sich behalten, es überforderte ihren Kopf in diesem Moment.

Es war auch der Augenblick, in dem er ihr sagte, dass er den Namen sehr gern mochte und dass die Mama ihn ausgesucht hatte, nicht er. "Dann Du hast eine tolle Mama ausgesucht, die ein tolles Namen ausgesucht hat", lächelte sie ihm kompromissbereit entgegen, denn sie wollte nicht, dass er traurig war, weil er nun doch kein Kompliment-Lob bekommen hatte. Sie hoffte, dass sein trauriger Blick dann wieder fröhlicher werden konnte.

Als sie dann aber selbst kurz in die Melancholie abzurutschen drohte, versuchte er sie zu beruhigen. Doch er hatte es schon sehr schnell geschafft, als er ihr die Lichter am Horizont gezeigt hatte. Vieles ging schnell vorbei, vielles kam noch schneller an - viele Gefühle, viele Emotionen und Gedanken. Es war ein Wechselbad von all dem und es war natürlich erschreckend, natürlich interessant, natürlich lustig, natürlich traurig - vor allem war all das aber so neu. Alles war so neu - es gab eine Welt. Es gab einfach eine Welt, in der sie nun sein durfte, wo sie doch vor fünf Jahren noch geglaubt hatte, das sich alles auf einige Wände reduzierte. Sie wollte lieber nicht daran denken, dass dort noch so viele andere waren wie sie ...

Die Sache mit Cassandras Namen fiel ihr wieder ein. Sie hatte auch einen Namen. Sie hatte zwei Namen. Sie wusste, wie man sie hätte nennen wollen. Kriz kannte sie nun so, wie ihre Eltern sie genannt hätten oder eigentlich sogar hatten. Und auch wenn es sich so vertraut anfühlte, so war "Zoe" doch das, was sie von jeher gewohnt war und auch liebte. Es war nicht ein Name, der ihr vertraut war, es war IHR Name und das war ein Unterschied.
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie nicht Zoe heißen sollte. Aber wollte auch niemals wieder auf das Janka verzichten. Ihre erste greifbare Verbindung zu ihrer Vergangenheit.

Das Taschentuch, dass er ihr zuvor gereicht und sie lächelnd angenommen hatte fühlte sich weich an zwischen ihren Händen. Sie nutzte es nicht, sondern fühlt es nur - nebenbei, gar nicht wirklich bewusst.
Dann rannen die Tränen allerdings wieder und ihre Nase ebenso und so reichte er ihr eine ganze Packung dieser Taschentücher und sie lächelte ihn dankbar an und nutzte nun wirklich eines, weil es einfach nötig war. "Danke ...", sagte sie dann und musste lachen. "Ich glaube, das ist alles wunderbar hier sein können ... zu können", sie verbesserte sich. Je mehr sie Englisch sprach, desto mehr hatte sie das Gefühl zu wissen, wann sie etwas falsch sagte, auch wenn sie weit davon entfernt war, akzent- und fehlerfrei zu sprechen.

Es war wohl seine Freundlichkeit und seine eigene Traurigkeit zuvor, die sie veranlasste, Vertrauen zu schöpfen und ihm zu sagen, was sie in Venedic wollte. Sie mochte sein Lächeln. Dann zuckte sie allerdings zusammen, als ein Truck mit einer endlosen Lautstärke und grellem Licht an ihnen vorbeizog. Ihr Herz raste in diesem Moment - von einem Augenblick auf den anderen und in ihren Kopf bohrte sich ein tiefer Schmerz. Für diese wenigen Sekunden schien die Welt einzubrechen und sich um sie selbst mit ihr selbst zu drehen.
Erst als der riesige, breite und lange Anhänger des Trucks vorbei gezogen war, verstand sie, dass es nichts war, was ihr Sorgen machen musste - doch ihr Herz sah das anders, ihre Wahrnehmung schwomm und instinktiv hatte sie die Hände auf die Ohren gepresst und die Lider zusammen. Jetzt erst merkte sie, wie das aussehen musste, doch noch immer wummerte es in ihrem Kopf.

Es dauerte einen Moment, bis sie sich auf seine Worte konzentrieren konnte und sich erinnerte, was er gerade gefragt hatte. "Entschuldigen bitte ...", sagte sie leise und massierte ihre Schläfen, atmete durch, bis sie spürte, dass ihr Herz sich beruhigte. Wo ihr Bruder wohnte ... hatte er gefragt, wo ihr Bruder wohnte? "Ich wissen nicht, wo er wohnen. Nur ich weiß, dass in Venedic ...", sie fühlte, dass sie schlechter sprach, als gerade noch und wusste, sie musste wieder klarer werden. Sie nahm die Finger von den Schläfen und fühlte ihre Stirn. Sie war kühl, kühl wie immer, nur ihre Wangen brannten.

"Wohin ...", jetzt kam die Erkenntnis, dass sie gar nicht wusste, wohin ... Sie wusste nicht, wo ihr Bruder war, das war ihr zuvor schon klar gewesen. Aber nun wusste sie auch nicht, wohin sie selbst wollte. Hatte sie das zuvor gewusst? Zoe hatte das Gefühl, dass sie es möglicherweise vergessen hatte. Vielleicht hatte sie es gewusst, wohin sie wollte, aber in diesem Moment hatte sie es vergessen ... "Ich weiß nicht ... keine Nummer", erklärte sie ihm und leichte Verzweiflung spiegelte sich in ihrem Blick. Nicht aber, weil sie nicht wusste, "wohin", sondern weil sie nicht wusste, ob sie zuvor gewusst hatte, "wohin".

Sie musste sich beruhigen, sie wusste es selbst und sie erinnerte sich an Alice ... Alice, von der er ihr doch vorlesen, ihr erzählen sollte. Sie hatte das dringende Bedürfnis der Zerstreuung. Vielleicht wusste sie dann wieder mehr ... immer noch pochte es in ihren Schläfen, doch es wurde schon besser.
"Ja, bitte ...", erklärte sie dann vorsichtig lächelnd, als er noch einmal fragte, ob er richtig verstanden habe. Auch er schmunzelte. Es tat ihr gut. Dann nannte er sie "Bisschen-Janka" und sie runzelte nichtverstehend die Stirn, verlor das Lächeln aber nicht auf ihren Lippen, sah ihn nur vielleicht ein bisschen fragend an.

"Hotel? ... Bezahlen? Ich haben Rubel ... ein bisschen." Sie hatte nicht genügende, das wusste sie, aber sie konnte ihm alle davon geben. Sie zog sie aus der Hosentasche und reichte sie ihm rüber. Dann fiel ihr auf, dass sie "bisschen" gesagt hatte. "Was ist Bisschen-Janka?", fragte sie ihn. Aber im gleichen Moment fiel es ihr wieder ein. "Oh ...", machte sie da schon. Sie hatte ja gesagt, dass sie ein bisschen Janka war und dann hatte er vielleicht ihren Namen falsch verstanden? "Janka ... ein bisschen von diese", verbesserte sie also und lächelte ihn breit an. Vielleicht erkannte er ja jetzt seinen Fehler.

Dann erklärte er ihr, dass er ihr helfen würde, ihren Bruder zu finden. Ihre Augen wurden groß und das Lächeln schwand. "Du willst helfen?", fragte sie ungläubig, aber mit einer so großen Hoffnung im Herzen, dass der Kopfschmerz schon fast vergessen war.
Das Lied im Radio vernahm sie nur am Rande, viel zu aufgeregt war sie über seine Aussage und hoffte, dass sie das richtig verstanden hatte - und natürlich wollte sie diese Hilfe annehmen. Was blieb ihr denn auch für eine Wahl?

. oO ° * ° Oo .

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Boothe » 25.09.2016, 20:36

"Hast Du eine Lob bekommen oder eine Komplaiment?" Verwirrt sah Boothe vom monotonen Freeway auf und zur Seite, ins fragende Gesicht der jungen Russin. Er hatte durchaus verstanden, was sie gefragt hatte, nur nicht, was sie von ihm wissen wollte. Aber das war auch zunächst nicht von Belang, denn sie fuhr fort mit: "Dann Du hast eine tolle Mama ausgesucht, die ein tolles Namen ausgesucht hat", nachdem er ihr erklärt hatte, dass er seine Tochter nicht selbst benannt hatte.

"Jaah...", machte er langsam und lächelte leise, aber auch deutlich angeschlagen. "Das habe ich." Ihm war nicht danach, die ohnehin bereits gedrückte Stimmung weiter nach unten zu ziehen, indem er Bisschen-Janka mitteilte, dass diese "wundervolle Mama", die er ausgesucht hatte, vor über einem halben Jahr getötet worden war.

Sie warf ihm wieder eines dieser bestechenden, aufmunternden Lächeln zu. Ihr war wohl nicht entgangen, wie ihn die Erinnerungen an seine kleine Familie, die er verloren hatte, mitnahmen. Also bemühte er sich um ein offeneres Lächeln, als er mit diesmal viel festerer Stimme sagte: "Ja, ich habe eine wirklich wundervolle Mama ausgesucht. Danke für das Kompliment", zwinkerte er noch hintendran, ihre zuvorige Frage nicht ganz verlegt habend.

Das erste Taschentuch, das er der jungen Frau gegeben hatte, hatte diese nur zwischen den Fingern gedreht und beinahe daran gefühlt, als wären ihr die Augen verbunden und sie hätte allein an der Struktur erkennen müssen, was sie da in den Händen hielt. Erst als ihr noch ein weiteres Mal die Tränen gelaufen waren und er ihr die gesamte Tempo-Packung herübergereicht hatte, hatte sie auch von dem Taschentuch Gebrauch gemacht.

Sie bedankte sich und musste sogar kurz auflachen. "Ich glaube, das ist alles wunderbar hier sein können ... zu können." Sie begann schon, ihre eigenen, grammatikalischen Fehler zu erkennen und sogleich zu korrigieren. Er fragte sich insgeheim, wie gut ihr Englisch wirklich war. So schnell wie sie damit begonnen hatte, ihre eigentliche Sprachfähigkeit zu reaktivieren... Sicher, ihr Akzent war nach wie vor unverkennbar, doch er war sich ziemlich sicher, dass sie sich sehr bald schon gut mit seinen Landsmännern und -frauen verständigen können würde.

Als der Lastwagen ihnen entgegenkam und sie lautstark und mit blendenden Scheinwerfern passierte, presste Janka Bisschen sich die Hände über die Ohren und schloss wie in starkem Schmerz die Augen. Boothe hatte den Fuß schon über der Bremse, wollte an den Straßenrand fahren, um nach ihr zu sehen, da hatte sich seine Beifahrerin schon wieder einigermaßen beruhigt.

Sie entschuldigte sich für ihren Migräneanfall - oder was auch immer mit ihr los war, er wusste es nicht. "Weiß Du, Du solltest vielleicht wirklich eine Aspirin nehmen, meinst Du nicht?" Sein Blick war mehr als besorgt. "Und wenn Du möchtest, dass ich anhalte, damit Du Dir kurz die Beine vertreten kannst, dann scheu' Dich bloß nicht davor, zu fragen", lächelte er. "Okay?"

"Ich wissen nicht, wo er wohnen. Nur ich weiß, dass in Venedic...", erläuterte sie, wobei sie sich nach wie vor die Schläfen massierte. "Na ja", zuckte er die Achseln. "Es ist immerhin ein Anfang." Hätte er noch Kontakt zu Waingrowe, überlegte der einstige Polizist, hätte dieser wenigstens den Namen von Bisschen-Jankas Bruder durch die gängigsten offiziellen und eben auch durch polizeiliche Register gehen lassen können.

"Wohin..., wiederholte sie, kramte vielleicht in ihren Gedanken, ob sie überhaupt über irgendwelche Anhaltspunkte verfügte, was den Aufenthaltsort ihres Bruders betraf. "Ich weiß nicht...", gab sie zögerlich zu. Es kam jetzt alles ganz schnell. In einem Anflug von Naivität musste sie gedacht haben, dass es schon nicht allzu schwer sein konnte, ihren Bruder zu finden, wenn sie wusste, in welcher Stadt er wohnte. Aber sie sprachen hier von Venedic; das war eine Millionen-Metropole.

"Keine Nummer", schloss sie, und Cassidy hörte allmählich die Verzweiflung, die in ihrer zarten Stimme aufkeimte, noch bevor er sie in ihren Augen sah. Aber Bisschen-Janka war tapfer. Sie wollte nicht mehr weinen, glaubte er. Und als er noch einmal nachgehakt hatte, ob sie wirklich gemeint hatte, das er ihr aus Alice im Wunderland vorlesen sollte, da lächelte sie bereits wieder.

"Ja, bitte..."
"Weißt Du was?", sein Schmunzeln wurde noch um einen Deut breiter. "Vielleicht mach ich das sogar irgendwann. Aber...", seine Stimme wurde zögerlich und ein wenig leiser, weil ihm peinlich war, was er hinzufügen musste: "... ich glaube, ich kann nicht so gut vorlesen."

Nachdem er aus seinem Kurzkoma aufgewacht war und hatte feststellen müssen, wie viel er von seinem langen Leben davor einfach vergessen hatte, da hatte er vieles ausprobiert. Erst ganz alltägliche Dinge. Ob er noch wusste, wie man sich die Schuhe oder eine Krawatte bindet. Ob er noch alle Bundesstaaten auswendig kannte. Ob er sein Gesicht noch mit einer Nassrasur glätten konnte, ohne sich zu schneiden. Dabei hatte er festgestellt, dass er so ziemlich alles, was er jemals gelernt und gewusst hatte, noch immer abrufen konnte. Was er verloren hatte, waren nicht etwa seine Fähigkeiten, sondern viel mehr große Teile dessen, was ihn persönlich, als Individuum ausmachte.

Lesen und schreiben hatten natürlich auch zu seinen ersten Selbsttests gehört. Lesen ging relativ problemlos, obwohl er ab und an über lange oder komplizierte Wörter stolperte und ihn Schachtelsätze oft dazu brachten, eine Passage noch einmal lesen zu müssen. Schreiben war schlimmer. Viel schlimmer. Nicht nur, dass er die Schrift eines unkonzentrierten Drittklässlers hatte, nein, auch seine Rechtschreibung war von ähnlichem Niveau.

Dabei waren ihm auch Situationen wieder eingefallen, aus seiner Zeit als Polizist beim Venedic Police Department. Vor allem wahre Tiraden seiner Vorgesetzten, da seine Polizeiberichte in der Regel wohl katastrophal ausgefallen waren.
Was er aber nicht ausprobiert hatte, war, sich selbst etwas laut vorzulesen. Und er hatte ein sehr ungutes Gefühl bei dem Gedanken.

"Hotel? ... Bezahlen? Ich haben Rubel ... ein bisschen."
"Nein, nein, steck das weg", lachte er freundlich. "Behalte Du nur Deine Rubel. Ich habe nicht besonders viel Geld, aber ich kann Dir ganz bestimmt zwei oder drei Nächte bezahlen. Mach Dir deswegen bitte keine Sorgen. Das ist wirklich überhaupt kein Problem." Ein Schmunzeln hing ihm noch nach, als er klarstellte: "Außerdem ist das Downtown, das Hotel, das ich meine, alles andere als luxuriös. Aber für ein paar Tage hältst Du es sicher aus, nicht wahr?"

Es fiel ihm so schwer einzuschätzen, wie viel oder wenig Geld Janka Bisschen und ihre Familie gehabt hatten, da wo sie herkam. Wie ihm zuvor ja bereits aufgefallen war, hatte sie zumindest schon einmal weiche, zarte Hände, die ein Bauernhofleben wohl ausschlossen. Zumindest ein Hofleben, auf dem sie selbst mit anpacken hatte müssen.

Obwohl er den aktuellen Wechselkurs zwischen russischen Rubel und U.S.-Dollar wusste, hatte er nicht lange genug hingesehen, um zu wissen, wie viel Geld sie ihm vor wenigen Momenten zu reichen versucht hatte. Sie sah aber in jedem Fall nicht verwahllost aus. Verloren vielleicht, sicher, aber nicht verwahllost. Recht gepflegt war sie auch und diese Lederjacke sah teuer aus. Aber woher sie die hatte, wusste er ja nicht. Zu groß war sie ihr eindeutig. Er runzelte kurz die Stirn, lächelte innerlich über sich selbst, dass er sie nicht danach gefragt hatte und holte das dann einfach nach: "Diese Jacke. Mir ist aufgefallen, dass sie Dir viel zu groß ist. Darf ich fragen, woher Du sie hast?"

Sie wollte auch etwas von ihm wissen. Und zwar, was er mit "Bisschen-Janka" gemeint hatte. Doch ehe er ihr antworten konnte, war sie schon von alleine darauf gekommen. Oder zumindest glaubte sie das. "Janka... ein bisschen von diese", wollte sie ihm versinnbildlichen. Zunächst wollte er einfach nur verstehend nicken. Einfach aus dem Grund, dass Bisschen-Jankas hübsche Lippen vom Lächeln so weit auseinander gezogen wurden. Allerdings entschied er sich dagegen: "Mit "Bisschen-Janka" wollte ich Dir nur einen Spitznamen geben", grinste er schief. "Aber, wenn er Dich stört, dann sage ich einfach "Janka", natürlich."

Ihre Stimme wurde einen Deut höher, als sie verwundert nachfragte: "Du willst helfen?" Er sah ernst zu seiner Passagierin herüber. Länger als er sich hätte erlauben können, wäre der Freeway nicht so gähnend leer gewesen. Der Blick aus seinen teegrünen Iriden hatte etwas sehr Forschendes, wenn auch nicht unangenehm Eindringliches, wie er hoffte.

Schließlich antwortete er mit einem knappen "Ja." Er nahm sich die Zeit, den letzten Rest aus seiner Colaflasche zu sich zu nehmen, ehe er genauer darauf einging: "Ich will Dir bestimmt keine Angst machen", begann er und lächelte nun wieder sacht, "aber Venedic ist eine sehr, sehr große Stadt. Und ich kann Dich nicht einfach irgendwo auf der Straße absetzen."

Er bemühte sich mehr als sonst um eine deutliche, klare Aussprache, in der Hoffnung sie würde ihn richtig verstehen. "Wenn ich Dir nicht helfe, dann mache ich mir nur Sorgen um Dich. Und ich kenne vielleicht ein paar Orte, an denen wir nach Deinem Bruder fragen können." Er dachte da beispielsweise an die Einwanderungsbehörde. Aber auch sein Beruf konnte hilfreich sein; Wenn Janka ein Bild von ihrem Bruder besaß, könnte er die anderen Taxifahrer einen Blick darauf werfen lassen. Die Chancen standen gar nicht mal so schlecht, dass einer von ihnen den jungen Mann gesehen hatte. Immerhin kam ein Taxifahrer viel herum in der Stadt.

Unterdessen war der alte Ford Crown Victoria der Stadt schon um einiges näher gekommen. Die unbestimmten, schwarzen Schemen hatten eindeutigere Gestalten und Formen angenommen. Man konnte schon so einige der höchsten Gebäude Venedics auseinanderhalten und identifizieren. Es würde nicht mehr lange dauern, ehe sie ankamen. Forever Young lief im Radio an. Aber es war nicht das Original von Bob Dylan - über den Janka und Boothe vor einigen Minuten noch gesprochen hatten - sondern eine überraschend gelungene Coverversion von einer Frau mit ausgesprochen angenehmer Stimme.

"Erzählst Du mir ein wenig von Deinem Bruder?", fragte er da gerade laut genug, die besänftigende Musik zu übertönen. "Wenn ich ein bisschen etwas über ihn weiß, kann ich Dir vielleicht besser helfen, ihn zu suchen", behauptete er überzeugt. "Immerhin kenne ich die Stadt-" - er wollte sagen "wie meine Westentasche", aber Redewendungen würden sie sicher nur überfordern - "... kenne sie sehr gut."

"Look at the damage,
The fortunes came for the richer men.
While we're left with gallows,
Waiting for us liars to come down and hang."

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Zoe » 25.09.2016, 23:07

Möglicherweise verstand er nicht, was sie fragte, jedenfalls sah er etwas fragend aus, als er sie ansah, anstelle ihr eine Antwort zu geben. Dafür bestätigte er allerdings, dass er wohl selbst glaubte, eine gute Mama ausgesucht zu haben, die einen schönen Namen ausgesucht hatte. Sie spürte allerdings, dass es ihm dabei nicht so gut ging und fragte sich, warum. Aber sie war respektvoll genug, ihn nicht danach zu fragen.
Sie wirkte vielleicht manchmal etwas jung, war auch unwissend wie ein Kind, vielleicht noch mehr als das, aber sie war dennoch alt genug und reif genug, um zu wissen, wann man sich zurückhielt. Sie schenkte ihm daher lieber ein Lächeln und er schenkte ihr eines zurück. Wenn sie eines in den letzten fünf Jahren gelernt hatte, war es, dass ein Lächeln meist ein Gegenlächeln erzeugte und das nutzte sie, so oft es nur irgend ging.
Dann bestätigte er dennoch, dass es wohl ein Kompliment und kein Lob gewesen sei, dass sie ihm gemacht hatte. "Bitteschön", sagte sie nahezu akzentfrei, was aber auch nicht sonderlich schwer war, bei nur einem Wort, das auch hätten zwei sein können.

Als dann der Lastwagen an ihnen vorbei fuhr und sie sich wieder beruhigen musste, sprach er noch einmal auf das Medikament an, das er im Handschuhfach verstaut hatte, doch Zoe schüttelte vorsichtig den Kopf. "Es nicht ... es nicht wirken", brachte sie über sich und hoffte einfach nur, dass es auch für andere Menschen sein konnte, dass solche Medikamente nicht wirkten. Sie hatte in diesem Moment einfach zu wenig Konzentration darauf, zu überlegen, was gut war, auszusprechen und was lieber verschwiegen werden musste.
Eigentlich konnte nahzu alles, was sie sagte, falsch sein, daher musste sie darauf vertrauen, dass es in Ordnung war, solche Dinge zu erzählen, genauso wie sie hoffen musste, dass die Fragen, die sie stellte, nicht zu eigenartig waren und er sie möglicherweise immer auf ihre Sprachbarrieren beziehen konnte.

"Nicht anhalten, es geht ... es ist in Ordnung, nicht neu ...", erklärte sie ihm dann lächelnd und das Pochen ging wirklich langsam vorbei. "Ich möchten Venedic sehen. Wenn Du anhalten, ich muss noch viel länger warten ...", und das stimmte sogar. Sie wollte sehen, wo ihr Bruder lebte, sie wollte alles in sich aufsaugen, wollte sehen, was er sah, wollte fühlen, was er fühlte, wollte riechen und schmecken und erleben, was er roch, schmeckte und erlebte. Sie wollte nach Venedic, weil er da war - so nah ... und doch so fern.

Zumindest klang Kriz zuversichtlicher als sie sich dabei fühlte. Sie konnte nicht abschätzen, wie groß diese Stadt war, sie hatte auch nur einen kleinen Teil Moskaus in nur sehr kurzer Zeit gesehen, dass sie sogar hier nicht sagen konnte, wie groß Moskau war. Es waren unvorstellbare Größen, auch das Dorf, bei dem sie im nahen Wald gelebt hatten, war für sie eine unheimliche Größe gewesen - wie alles viel und groß war, wenn man sein Leben in wenigen Wänden eines Laboratoriums hatte verbringen müssen.
Es war immer in Ordnung gewesen, solange sie nicht gewusst hatte, dass es noch viel mehr gab als das. Es war ja auch mitunter schön - bis auf die harten Regeln und die Untersuchungen, aber auch an diese musste sie sich nicht gewöhnen. Sie waren von Beginn an da gewesen und es war so normal für sie geworden, wie für andere das Atmen.

"Weißt Du was?" "Ein paar Sachen, ich weiß, ja ...", erklärte sie und es war ein Scherz, sie lächelte, teilweise auch dankbar darum, dass er sie aus ihren Erinnerungen holte. "Machen? Alize vorlesen?", sie musste sich selbst daran erinnen, worum es eigentlich gerade ging, als er davon sprach. Dabei war es nicht einmal eine Minute her, dass sie dazu etwas gesagt gehabt hatte.
Dann kam aber auch ein Aber und sie sah ihn fragend an. Er erklärte daraufhin, irgendwie leiser, dass er glaube, dass er es nicht so gut könne. Sie runzelte die Stirn, musste nachvollziehen und verstehen, was er gerade sagte und dann lächelte sie wieder offen. "Ich auch nicht kann, Du machen es besser als ich, das ich kann versprechen", ermutigte sie ihn mit ihren Worten, ohne darüber nachdenken, dass es möglicherweise sehr ungewöhnlich war, dass sie nicht lesen konnte. In diesem Moment schwomm sie in einer Flut von Sympathie, die sie fast schon viel zu schlicht durch ihren zärtlichen Blick ausdrückte.

Als sie ihm dann ihre Rubel geben wollte wegen des Hotels, winkte er ab und lachte. Sie sah auf das Geld, das wirklich nicht viel war, und steckte es wieder zurück. "Ich bezahlen alles zurück, Kriz ... ich versprechen ...", und das meinte sie wirklich. Sie würde arbeiten - irgendwas, auch wenn sie nie gearbeitet hatte - und sie würde mit dieser Arbeit Geld verdienen und alles zurückbezahlen. Jede Münze, die sie ihn kostete. Sie wusste, dass man mit Arbeit Geld verdiente und wenn alle arbeiteten, um Geld zu verdienen, dann konnte sie das schließlich auch.

"Dauntaun ...", wiederholte sie lächelnd, weil sie das Wort nicht kannte. So hieß also ihre nächste Unterkunft. "Unterstadt ...", übersetzte sie in ihren russischen Gedanken. Vielleicht lag Venedic auf einem Hügel und alles, was unter diesem Hügel war, war unter der Stadt und dann konnte man das Hotel natürlich so nennen.
"Wie viele Hügel in Venedic?", fragte sie ihn und wollte am liebsten alles genau wissen und sah in diesem Moment auch wieder auf die Lichter der Stadt vor ihnen. Hügel konnte sie keine erkennen, dafür aber Umrisse, die deutlicher wurden - Umrisse von riesigen Häusern, von denen sie noch gar nicht wusste, wie hoch sie wirklich waren. Seine Frage, ob sie es einige Tage dort aushalten würde, hatte sie gänzlich vergessen.
Ein warmes Gefühl nahm sie ein, umarmte sie, drückte die Furcht vor großen, neuen Dingen weg, weil Kriz bei ihr war. Er würde sie beschützen, bestimmt würde er das. Er wollte helfen. Sie war so dankbar darum und sie würde das wieder gut machen.

Dann fragte er nach ihrer Jacke und sie sah an sich herunter. "Ich habe bekommen, von eine junge Mann mit sehr hübsche Augen", Zoe griff in die Jackentasche und holte den kleinen Jadeelefanten heraus, den er ihr geschenkt hatte. "Ich werde zurückgeben, wenn ich ihn sehen und eigene haben. Er hat mich geschenkt das hier ...", sie hielt es ihm hoch, damit er es sehen konnte, und lächelte, als sie es dann wieder zurück hinunter in beide Hände nahm. Es fühlte sich so kühl und weich an.
"Es sieht hübsch", sagte sie, streichelte mit einem Finger über den sanft nach oben geschwungenen Rüssel und das Köpfchen der kleinen Figur. Dann steckte sie es zurück in die Jackentasche.
"Er waren freundlich und hat mir gegeben das Brote und die Saft", dass er ein Vampir war, der mit Vögeln sprach, verschwieg sie. Sicherlich wusste Kriz nichts von Vampiren, auch wenn es für sie so normal war, dass es sie gab. Tobias hatte erklärt, dass die meisten Menschen keine Ahnung hatten. Zoe wusste nicht, ob es gut war, oder nicht, aber sie war nicht in der Position, dies für Kriz zu entscheiden.

In diesem Moment erklärte er ihr auch die Sache mit dem Namen. Zwar wusste sie nicht, was ein Spitzname war, aber es hörte sich doch nicht schlecht an. Aber in diesem Moment überwucherte ihr Gefühl ein schlechtes Gewissen. Kriz war so freundlich zu ihr und half und sie log ihn ein bisschen an. Das sollte nicht sein und sie sah zu ihm rüber, als müsste sie noch einmal ihren Entschluss überprüfen. "Du kannst sagen ... Zoe ... bitte ...", sagte sie dann und Röte stieg ihr in die Wangen, als sie den Blick abwandte und lieber nicht sehen wollte, wenn er enttäuscht war, sollte er begreifen, dass sie ihn ein bisschen angelogen hatte. "Es ist bessere Name, weil ich öfter gehört ...", erklärte sie sich dann noch, weil sie es nicht so stehen lassen wollte.

Ein neues Lied wurde im Radio gespielt, sie mochte es und es erinnerte sie an die Vampire, die immer sehr jung blieben - und auch an sich selbst, die so schwer alterte wie sie wusste. Mit seiner Aussage, dass die Stadt groß sei, konnte sie nicht viel anfangen, weil alles eben groß war, aber sie verstand sehr wohl, dass es schwierig werden würde, ihren Bruder zu finden. Aber nicht so schwierig, als hätte sie allein suchen müssen. "Danke", sagte sie leise und sah nur kurz wieder zu ihm und dann wieder zur Stadt. Irgendwo da war er einfach ... irgendwo.
Kriz wollte auf diesen Gedanken hin wissen, was sie ihm über Nikolai erzählen konnte. Natürlich - wie sollten er ihn finden, wenn er nichts wusste. Aber was wusste sie selbst schon? Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn sie ihre eigenen Eltern hätte auf ihn ansprechen können, aber sie verstand, dass es nicht gut war, das zu tun.

"Seine Name ist Nikolai ... Nikolai Jakov-Mostovoi. Er ist meine Zwilling mit zwei Eiern." Sie erinnerte sich an das Gespräch mit Tobias, als wäre es gestern gewesen, als er ihr erklärt hatte, dass man eineiig, aber auch zweieiig zur Welt kommen konnte. Dass es aber unwahrscheinlich war, dass ein Mädchen und ein Junge zusammen in einem Ei entstanden, bei dem das Mädchen sonst meist gestorben wäre. "Und er sieht gleiche Sterne, wie ich sehe ... jetzt noch viel mehr, da ich hier", ihre Stimme klang verträumt und sie brauchte einige Lidschläge, um sich wieder vom Himmel ab und Kriz zuzuwenden. "Ich weiß nicht mehr, als das ...", erklärte sie ihm dann. Eine magere Ausbeute, das wusste sie selbst, auch wenn sie es so nicht ausgedrückt hätte. "Tut leid ...", sagte sie dann noch, denn es tat ihr wirklich leid, dass sie nur so wenige Informationen hatte.
"Aber vielleicht er sehen aus wie ich, nur nicht wie Mädchen", jetzt lächelte sie wieder. Sie wusste, dass es möglich war, aber sicher sagen konnte sie es natürlich nicht. "Und ... Kriz ... ich nicht wollen, dass Du denken, ich bin verrückt, aber ich glaube, ich spüren ihn ...", es klang sehr leise, aber sie sprach deutlich. Sie spürte ihn wirklich, sie glaubte es zumindest, das sie meinte, es wirklich zu tun. "Es helfen ... vielleicht", jetzt lächelte sie zuversichtlich. Die Hoffnung war, was einen am Leben hielt. Das hatte auch Tobias einmal gesagt.

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Re: [Zoe]: Eine Freifahrt auf dem Freeway

Beitragvon Boothe » 25.09.2016, 23:23

Für die Dauer eines Wörtchens - "Bitteschön" - hatte Janka Bisschen beinahe komplett ihren Akzent verloren. Boothe lächelte leise, denn nun konnte er sicher sein, dass sie ein wenig besser Englisch sprach, als er zunächst befürchtet hatte. Es schlummerte da noch einiges an Vokabular in ihr, was sie nach und nach reaktivierte. Und ihr schneller Fortschritt erstaunte ihn.

Er war sich jetzt auch sicher, dass sie schnell ohne ihn klarkommen würde - zumindest auf sprachlicher Ebene. Denn er war nachwievor davon überzeugt, dass das Mädchen gar nicht so recht wusste, worauf sie sich bei einer Stadt in der Größenordnung Venedics wirklich einließ. Höchstens, wenn sie aus Moskau kam. Aber er war sich doch sehr sicher, dass dem nicht so war.

"Es nicht ... es nicht wirken."
"Was? Das Aspirin?" Sie brauchte jedoch nicht zu antworten, da übernahm er das bereits selbst mit einem leichten Stirnrunzeln. Kein misstrauisches, es war eher eines, das sich aus Sorge heraus gebildet hatte. "Armes Ding. Na, dann kurbel doch wenigstens auf Deiner Seite das Fenster runter; die frische Luft wird Dir guttun", schlug er außerdem vor, denn sie hatte deutlich gemacht, dass sie nicht wollte, dass er wegen ihr anhielt.

"Ich möchten Venedic sehen. Wenn Du anhalten, ich muss noch viel länger warten..."
"Klingt logisch. Okay, ganz wie Du magst." Cassidy sah zu seiner Passagierin rüber und lächelte ein weiteres Mal. Ja, sie konnte es sicher kaum erwarten, Venedic endlich zu erreichen. Sie war ja nicht dumm; Sie wusste, dass ihr Bruder dort nicht einfach mit offenen Armen auf sie am Stadteingang wartete. Aber der Gedanke, sich in der selben Stadt aufzuhalten, musste sehr viel tröstender sein, als sich damit zufrieden zu geben, nur den selben Himmel zu teilen.

Er blickte schnell wieder auf die Straße. Kurz hatte ein Schild im Scheinwerferkegel aufgeblitzt: "Venedic - 50 miles". Bisschen-Janka war ohnehin für einen Moment in Gedanken versunken gewesen. Vielleicht hatte sie es gar nicht gemerkt. Aber sie konnte ja auch so erkennen, dass sie bald ankommen würden. Immerhin kamen sie der pechschwarzen Häuserkulisse mit den vielen, leuchtenden Lichtern in stetem Tempo näher.

"Ein paar Sachen, ich weiß, ja...", gelang ihr ein augenzwinkernder Scherz, weil er seinen Satz mit einer "weißt-Du-was?"-Floskel begonnen hatte. Er grinste breit, ehe sie sich nochmals vergewisserte, ob er von Alice im Wunderland sprach, was er nickend bejahte. "Ich auch nicht kann", spendete sie ihm mit Worten Trost, was seine Leseschwäche anbetraf, "Du machen es besser als ich, das ich kann versprechen."

Jetzt lachte er leise auf, wobei sich seine teegrünen Augen noch verschmälerten und seitlich von leichten Lachfalten umkränzt wurden. "Ich werd' mein Bestes geben", versprach er, die sympathischen, fast jugendlichen Grübchen neben seinen vollen Lippen noch eine kleine Weile mit sich herumtragend. Schon allein, weil sie ihm einen solch lieblichen Blick schenkte, dass es ihm wirklich warm ums Herz wurde.

In diesem Moment freute es ihn besonders, dass Janka Bisschen kein Stadtmädchen war, das sich vielleicht gar nicht getraut hätte, so ehrlich und zutraulich mit ihm umzugehen. Nein, ein typisches, kalifornisches Großstadtmädchen hätte wahrscheinlich darüber nachgedacht, warum ein "alter Knacker" so freundlich zu ihr war und sich die schlimmsten Hintergedanken ausgemalt, wo gar keine waren. Es gab nur diesen fast schon übermächtigen Beschützerinstinkt seinerseits, der den Ex-Cop beinahe ein wenig zu beunruhigen begann.

Er lehnte ihr Geld ab, als sie darüber sprachen, wo die Russin die Nacht verbringen würde. Sie versprach jedoch, ihm alles zurückzuzahlen. Ihr hübsches, unschuldiges Gesicht hatte einen sehr ernsten Ton angenommen. Kurz blickte er zu ihr herüber, vielleicht mit ein wenig Skepsis. Allerdings nicht, weil er sie nicht beim Wort nahm, sondern eher, weil er diese Aufrichtigkeit und Sinn für Ehre befremdlich fand, bei einer jungen Frau, die wohl Anfang zwanzig sein durfte.

"In Ordnung", nickte er, ebenso ernst, wenn auch mit dem Funken des Vertrauens in den blassgrünen Augen. "Ich nehme Dich beim Wort." Die Genüsslichkeit, mit welcher seine Beifahrerin sich das Wort "Dauntaun" auf der Zunge zergehen ließ, sprach Bände über ihr (Un-)Wissen um das Großstadtleben.

"Wie viele Hügel in Venedic?", fragte sie weiter. "Nicht viele", erklärte er, nicht so wirkich wissen, warum sie gerade nach Hügeln fragte. "Es gibt einen Teil der Stadt, der Ebony Barrows heißt. Da ist's schon hügelig. Aber nicht arg." Bisschen-Janka blickte wieder auf die näherkommende Stadt vor ihnen. Sie schien noch immer aufgeregt, bald in Venedic zu sein, und doch schien sie in sich ruhender. Als habe sie auf einmal weniger Angst, dort vollkommen überfordert zu sein.

"Ich habe bekommen, von eine junge Mann mit sehr hübsche Augen", erklärte sie ihm, wo die übergroße schwarze Lederjacke herkam. Sie angelte eine kleine Elefantenstatuette aus grünem, milichigen Glas hervor. Oder war es vielleicht sogar echte Jade? Auf jeden Fall ein überaus kunstfertiges Kleinod, wie er fand. Wie sie beide fanden: "Es sieht hübsch."
"-aus", fügte er zwinkernd hinzu. "Es sieht hübsch aus."

Bisher hatte er sie nicht verbessert, weil er nicht wusste, ob sie es als störend oder gar peinlich empfinden würde. Vor allem aber auch, weil er spannend fand, wie rasant sie sich von selbst verbesserte. Nur dieses eine Mal hatte es ihm dermaßen unter den Fingern gebrannt, dass er es einfach hatte korrigieren müssen.

"Er waren freundlich und hat mir gegeben das Brote und die Saft", erzählte das Mädchen dankbar weiter, nachdem das Elefantenfigürchen wieder in seiner Tasche verschwunden war. "Er muss ein wirklich netter Kerl gewesen sein", lächelte Boothe unbestimmt. Hatte er anfangs noch etliche Theorien darüber gehabt, wie Janka Bisschen mit der Jacke eines anderen am Straßenrand gelandet war, so konnte er sich allmählich überhaupt keinen Reim mehr daraus machen.

Wer mochte der "junge Mann mit den hübschen Augen", der dem Mädchen wohl aus der Patsche geholfen hatte, gewesen sein? Er hatte ihr eine Jacke gegen die Kälte, belegte Brote und Saft gegen Hunger und Durst und einen kleinen Glaselefanten gegen die Einsamkeit gegeben. Und dann? Dann war er einfach wieder verschwunden? Er klang eher wie eine Märchenfigur, die mehr Rätsel aufgab, als dass sie Antworten lieferte, und nicht wie irgendein junger Mann, dem er jemals begegnet wäre.

"Du kannst sagen... Zoe... bitte...", lenkte sie ihn mit vorsichtiger Stimme aus seinen Gedanken. Foschend sah er sie an, doch sie drehte sich sofort von ihm weg, Schamesröte stieg in ihren hellen Wangen auf. "Zoe?" Er kannte sich wirklich nicht aus, aber Zoe klang in seinen Ohren doch sehr viel weniger russisch, als es bei Janka der Fall war.

"Es ist bessere Name, weil ich öfter gehört..."
"Vielleicht ein Spitzname, den ihr ihre Familie verpasst hat?", dachte er und hob leicht die Brauen an. "Okay", zuckte er dann leicht die Achseln, lächelte aber freundlich. "Danke, dass Du mir das gesagt hast. Cassidy", platzte es aus ihm heraus. Er hatte eigentlich noch darüber nachdenken wollen, ob er ihr jetzt fairerhalber seinen richtigen Namen sagen sollte, da war es bereits geschehen. "Mein echter Name ist Cassidy. Du darfst aber gerne Casey sagen. Das ist mein Spitzname", lächelte er weiter, noch einmal den Begriff des Kosenamens erklären wollend.

Natürlich war er ihr eine Erklärung schuldig, wo sie doch so offen zu ihm war, aber er hatte schlichtweg keine Ahnung, wie er es kurz und simpel halten sollte. Da er sie nicht fragte, warum sie ihm nicht von Anfang den Namen Zoe genannt hatte, spekulierte er einfach darauf, dass sie es ihm gleichtat. Und wenn sie ihn doch danach fragte, konnte er immer noch ausweichend antworten.

Sie bedankte sich einsilbig, als er klargestellt hatte, ihr wirklich helfen zu wollen, nach ihrem Bruder zu suchen. "Nikolai Jakov-Mostovoi", hieß dieser, wie sie ihm nun eröffnete. "Er ist meine Zwilling mit zwei Eiern." Es dauerte ein, zwei Sekunden, ehe Boothe überhaupt verstand, was Zoe ihm hatte sagen wollen; Ihr Bruder Nikolai und sie waren zweieiige Zwillinge.

"Und er sieht gleiche Sterne, wie ich-" Den Rest des Satzes verstand der Taxifahrer nicht, denn er war in schallendes Gelächter ausgebrochen. Krampfhaft schlossen sich seine Hände um das Lenkrad, sodass seine Knöchel weiß hervortraten. Nach gut fünfzehn oder zwanzig Sekunden standen ihm vor Lachen Tränen in den Augen. Er holte tief Luft und flüsterte ein leises "Oh mein Gott", zum Abschluss noch eine Mischung aus Husten und Lachen vernehmen lassend. Sich selbst beruhigend bließ er kräftig die Luft zwischen zusammengepressten Lippen hervor, wobei seine Schultern sich noch ein paar Male vor Lachen hoben und senkten. Mit dem Handrücken fuhr er sich über die feuchten Augen.

"Entschudlige", bat er schwer atmend, noch immer breit grinsend und mit leichtem Kopfschütteln. "Du meinst, Nikolai ist Dein zweieiiger Zwilling", erklärte er mit dezent heiserer Stimme als zuvor. "So wie Du es gesagt hast, naja..." Ihm wurde schnell bewusst, dass sie es kaum komisch finden konnte, und wenn er es zu erklären versuchte, war es ohnehin nicht mehr witzig.

Trotzdem: "Du hast gerade gesagt, dass er "zwei Eier" hat. Das sagt man zu, äh-" Er räusperte sich und zeigte auf seinen Schritt. "Hoden?" Hoffentlich verstand sie das Wort. "Ach, ist nicht so wichtig", lachte er noch einmal leise und machte ein wegwerfende Handbewegung. "Entschuldige", wiederholte er noch einmal zwinkernd.

"Ich weiß nicht mehr, als das... Tut leid...", entschuldigte sich Zoe. "Aber vielleicht er sehen aus wie ich, nur nicht wie Mädchen."
"Oder genau wie Du", grinste er dümmlich, "nur mit zwei Eiern." Nochmal räusperte er sich, ehe er endlich wieder ernst wurde: "Na, das hilft uns doch wenigstens ein bisschen. Uns fällt schon etwas ein, wie wir ihn finden können."

Eines wollte sie ihn noch wissen lassen. Und ihre Stimme war dabei ernst, wenn auch leise: "Und... Kriz..." - "Casey." - "Ich nicht wollen, dass Du denken, ich bin verrückt, aber ich glaube, ich spüren ihn..."
"Hmmm...", machte er nur. "Es helfen... vielleicht."

Cassidy Parker Boothe war kein spiritueller Mensch. Ganz und gar nicht. Aussagen dieser Art verwarf er in der Regel sofort, und schenkte ihnen keinerlei Beachtung. Aber dieses unbesiegbare Lächeln auf Zoes schönen Lippen war ihm eine kleine Lektion. Er öffnete sich der Idee ein wenig, erinnerte sich, wie es war, als er im Elysium gewesen war, um Cassie zu sehen. Sie hatte ihn nicht sehen wollen, aber als er am Eingang zu den Mitarbeiterzimmern gewesen und von der hochgewachsenen Rothaarigen aufgehalten worden war. Hatte er da nicht auch geglaubt, die Nähe seiner Tochter förmlich greifen zu können? Jedoch... war das wirklich ein Gefühl oder einfach nur ein so stark geäußerter Wunsch, dass er körperlich zu spüren war?

Boothe lenkte sachte nach links ein, fort vom Freeway, die Straße nehmend, die direkt in die Innenstadt führen würde. Nur noch ein paar Minuten, dann würden sie vor dem kleinen Hotel angekommen sein. Eigentlich hätte er das Taxi jetzt zum Depot zurückfahren sollen, wo auch sein eigenes Auto stand. Aber das würde er morgen früh nachholen. Jetzt wollte er Zoe einfach nur noch zum Downtown-Hotel bringen und ins Bett fallen. Es war ein wirklich langer Tag gewesen. Für sie sicher ebenso lang und anstrengend wie für ihn selbst.

"Look at the damage,
The fortunes came for the richer men.
While we're left with gallows,
Waiting for us liars to come down and hang."

The Gaslight Anthem - American Slang



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