[Cathy]: Eine Pilgerin in der Stadt der Nacht

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Cathy
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Charname: Catherine Anna Miller
Pseudonym: Cathy
Alter: 25
Augen: Braun
Haare: Schwarz, mittellang mit einfachem Haarknoten.
Größe: 171 cm
Stadt: Venedic
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Klasse: unwissend
Beruf: Soldatin
Fähigkeiten: 1. Ausdauer und Leistungsvermögen
2. Gute Auffassungsgabe
3. Außergewöhnliche Sozialkompetenz
Kleidung: T-Shirt und Hose in Schwarz, Olivgrüne Cargojacke, Basecap mit dem Logo ihres ehemaligen Eishockeyteams (grinsender Narwal im Comicstil) und schwarze Halbstiefel.
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[Cathy]: Eine Pilgerin in der Stadt der Nacht

Beitragvon Cathy » 13.01.2020, 20:17

„Vielen herzlichen Dank. Der Rest ist für Sie.“

Cathy lächelte kurz, während sie dem Fahrer des Taxis ein kleines Bündel Banknoten zusteckte, dessen Wert den tatsächlichen Fahrtpreis um ein Gutes überstieg. Der noch recht junge Mann hinter dem Steuer wandte sich in Richtung Rücksitz und würdigte ihre Großzügigkeit mit einem erfreuten Kopfnicken.

„Sehr freundlich von Ihnen, Staff Sergeant Miller. Einen schönen Tag wünsche ich. Und alles Gute für Ihren Neuanfang.“

„Danke. Passen Sie auf sich auf.“

Mit diesen Worten stieg Cathy aus dem Wagen. Als sie sich noch einmal umdrehte, hob sie zum Abschied kurz die Hand. Dieses Mal ging ein Lächeln über das Gesicht des Mannes hinter den leicht getönten Fensterscheiben. Er erwiderte die Geste, ehe er den Blinker setzte und sein Fahrzeug zurück auf die Fahrbahn lenkte.

Die junge Soldatin verbrachte noch einige Sekunden damit, dem Taxi hinterher zu blicken, bis es im allgemeinen Getümmel des beginnenden Vorabendverkehrs verschwand. Fast schmerzte sie es, jenen freundlichen jungen Herrn ziehen zu lassen und abermals ganz allein zurückzubleiben. Für die kurze Dauer der Fahrt hatte sie es außerordentlich genossen, seinen Erläuterungen über diese ihr vollkommen fremde Stadt zu lauschen. Natürlich gelang es ihr an diesem ersten Tag kaum, jeden der vielen neuen Sinneseindrücke vollkommen zu verarbeiten und seine Erzählungen machten in dieser Beziehung keine Ausnahme. Doch ein kleiner Hauch von Vertrautheit und die redselige Natur ihrer kurzzeitigen Bekanntschaft vermochten es trotzdem, das beklemmende Gefühl der Einsamkeit zu lindern, wenigstens für den Weg bis in die Innenstadt.

Cathy fühlte, wie ein kühler Windhauch über den Bürgersteig wehte und sie unweigerlich ein wenig frösteln ließ. Im Schaufenster einer der vielen Boutiquen, welche die Straße säumten, bemerkte sie kurz das schemenhafte Spiegelbild ihrer makellosen Erscheinung. Die Jacke ihrer Dienstuniform warf nicht den Hauch einer Falte und von ihr in mühsamer Kleinarbeit auf Hochglanz polierte goldene Knöpfe schimmerten mit dem dreiwinkligen Rangabzeichen auf ihrem rechten Ärmel um die Wette. Den krönenden Abschluss bildete der Weißkopfadler auf ihrer Schirmkappe, der verwegen in der Abendsonne blitzte. Tatsächlich empfand sie in diesem Moment weder Stolz noch Selbstbewusstsein, denn vielmehr nagende Unsicherheit. In der Magengegend verspürte sie trotz eines verhältnismäßig großzügigen Mittagessens eine merkwürdige Leere und selbst in ihrem Hals schien ein Kloß zu stecken, der ihr die auch so bereits viel zu eng sitzende Halsbinde am Blusenkragen zu einer wahren Qual machte.

Dabei geriet der Tag im Grunde viel besser, als ihn Cathy jemals hätte planen können. Das Gespräch mit ihrem neuen vorgesetzten Offizier, Captain Roberts, war harmonisch und vollkommen spannungsfrei verlaufen. Das ansässige Bataillon empfing sie in Anbetracht des anhaltenden Mangels an Ausbildern mit offenen Armen. Den größten Teil der Bürokratie durfte Cathy darüber hinaus bereits als erledigt betrachten und den Worten ihres Kommandeurs gemäß gab es Anlass, bereits zu Beginn der nächsten Woche mit den ersten Gruppen von Rekruten zu rechnen, die unter ihrer Anleitung das grundlegende Gefechtstraining absolvieren würden. Betrachtete sie es aus reinen Karrieremotiven, sah die nahe Zukunft überaus hoffnungsvoll aus. Allein, ihr Gefühl strafte jene Einschätzung Lügen.

Die junge Soldatin verschränkte die Arme um ihre Taille, während sie in noch immer recht gemächlicher Geschwindigkeit voranschritt. Die schemenhaften Gesichter der Menschen, die ihren Weg kreuzten, nahm sie kaum wahr, zu schnell eilten die meisten vorüber, ohne auch nur Notiz von ihr zu nehmen. Vor allen Dingen an jene großstädtische Eigenheit musste sie sich noch gewöhnen. Das hektische Tempo und die fast schon greifbare Unverbindlichkeit befremdeten sie trotz ihrer bewegten Kindheit in einem armen Vorort spürbar. Einzig Sofías Armband, verborgen unter dem Ärmel ihrer Uniform, gab ihr ein wenig Halt inmitten von Autolärm und unverständlichem Stimmengewirr. Sophie, die sie unendlich vermisste, schien nun eine halbe Welt entfernt. Ebenso wie ihre Mutter, die sie vor zwei Wochen mit Tränen in den Augen verabschiedete. Ihr Zuhause, ihr altes Leben, mit einem Mal nur noch verblassende Erinnerungen. Wie ein Traum, der mit jeder Minute mehr in Vergessenheit geriet.

Cathy versuchte, die aufkeimende Melancholie in ihrem Geist beiseite zu schieben. Ihre Hoffnung ruhte auf der Wegbeschreibung des Taxifahrers. Fraglos beschlich sie im unübersichtlichen Wirrwarr der Gehsteige und inmitten der Schluchten gewaltiger Bauten mehrmals die ungute Ahnung, einer falschen Abzweigung zu folgen. Glaubte sie allerdings seinen Worten, konnte es nicht mehr weit sein. Sie überquerte ein paar Blocks weiter eine kleinere Nebenstraße und fand eine ausladende Steintreppe auf der anderen Seite vor, die sie, inzwischen wirklich etwas ausgezehrt von einem anstrengenden Tag, mit einer gewissen Anstrengung erklomm. Diese letzte Mühe allerdings belohnte sie mit einem Anblick, der den Trübsinn auf ihrem Gemüt innerhalb eines Wimpernschlags vertrieb. In der Mitte eines weitläufigen Vorplatzes erhob sich eine machtvolle Kathedrale, deren spitz zulaufende Türme weit in den mittlerweile rötlich schimmernden Himmel ragten.

Mit Erstaunen blieb Cathy auf der letzten Stufe des Aufgangs stehen und bestaunte atemlos jenes majestätische Bauwerk, das vor ihrer geradezu bedeutungslosen Gestalt thronte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, niemals ein wahrhaft großes und bedeutsames Gotteshaus aus der Nähe betrachtet zu haben. Zeit ihres Lebens sprach sie alle Gebete und Fürbitten entweder in der kleinen St George's Chapel, ihrer Taufkirche, oder einer von mittlerweile unzähligen Militärmessen. Allesamt bescheidene Oasen des Glaubens, gelegen in verborgenen Winkeln, welche die meisten Menschen vermutlich vollkommen übersahen. Gerade solche Refugien schätzte Cathy ob ihrer Abgeschiedenheit und Stille umso inniger. Jener Ort hingegen verbarg sich nicht hinter verfallenen Mietskasernen, vielmehr thronte er über jedem einzelnen Gebäude, das ihn in der Ferne umgab. Und dennoch spürte sie auch hier die unverkennbare Aura des Friedens, welche sie in Zeiten der Ungewissheit stets von neuem nach Zuflucht suchen ließ.

Dem vertrauten Bedürfnis folgend, setzte sie ohne jene Hast, die sie zuvor erbarmungslos durch die Straßen trieb, behutsam einen Fuß vor den anderen und sah die steinerne Fassade langsam auf sie zukommen, während ihr Schatten das orangene Glimmen am Himmel nach und nach zu dämpfen begann. Die gemeißelten Leiber der Heiligenfiguren, welche die Felsvorsprünge über dem Eingangstor und den Fenstern säumten, nahmen Gestalt an, ihre Züge, nachdenklich, frohlockend oder auch leidvoll, gewannen an Kontur. Das Buntglas der großen Fensterrose, die das Zentrum vereinnahmte, gab seine Geheimnisse im Zwielicht des vergehenden Tages noch nicht preis. Dafür versetzte reich verziertes Maßwerk rundherum, das von weitem betrachtet einem Meer aus Blütenblättern glich, Cathy noch mehr in Erstaunen. Als sie schließlich die messingbeschlagene Tür erreichte, welche wenigstens das Doppelte ihrer Körpergröße maß, wandte sie nochmals den Blick in die Höhe und gewahrte das gekrönte Angesicht der heiligen Jungfrau, die, umsäumt von Engelsgestalten, ihr Kind im Arm wiegte und mit der rechten Hand triumphierend das Zepter erhob. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft erfüllte ein wohliges Gefühl von Wärme die junge Soldatin. Mit einer sachten Handbewegung strichen ihre Finger sanft über das uralte Eichenholz der Tür, ehe sie die Kirche betrat.

Im Inneren umfingen sie jene altbekannten Eindrücke, die sie vielleicht zum ersten Mal seit ihrer Ankunft glauben machten, heimisch zu sein. Der flüchtige Duft von Weihrauch umschmeichelte ihre Nase, das Spiel der letzten Sonnenstrahlen erleuchtete den Kreuzgang zwischen den Bänken und nur vereinzelte Geräusche, manche das Flüstern behutsamer Stimmen oder vorsichtige Schritte, kündeten von der Anwesenheit anderer Besucher, wenn auch die Sitzreihen zu diesem Zeitpunkt noch weitestgehend leer schienen. Voll Ehrfurcht und zugleich durchdrungen von tiefster Dankbarkeit, an jenem Ort zu sein, nahm sie ihre Uniformmütze ab, klemmte sie unter ihren linken Arm und trat an ein in die Wand eingelassenes Becken. Und als beunruhigte sie der Gedanke, durch eine einzige, vielleicht unbedachte Berührung den Segen jener altehrwürdigen Kathedrale zu verlieren, benetzte sie lediglich die Kuppen ihrer Finger mit dem geweihten Wasser darin, ehe sie sich bekreuzigte und ihren Weg in das Herz des Gemäuers fortsetzte.

Der leise Tritt ihrer leichten Absätze auf dem Boden hallte sanft von den Wänden wider, während Cathy die Ränge durchschritt und noch immer neugierig den Kopf in alle Richtungen wandte. Ihr erster Eindruck anhand des prachtvollen Äußeren ging nicht fehl, der Innenraum der Kirche stand dem in nichts nach. Aufwendige Holzschnitzereien zierten die Beichtstühle und den Altar, dessen Hintergrund prächtige Malereien einrahmten, welche die Stationen des Lebens Jesu Christi in pulsierenden Farben darstellten. Cathy erlaubte jenem unvergleichlichen Kunstwerk, sie einige Atemzüge lang in Beschlag zu nehmen. Nur mit Mühe entsagte sie dem Zauber der Gemälde und strebte schließlich ihrem ursprünglichen Ziel entgegen, dem Halter für die Opferkerzen im linken Flügel, den bereits viele kleine Flammen in ebenmäßigen Schein tauchten.

An dieser Stelle empfing sie ein weiteres Abbild der Jungfrau Maria, das über all die Lichter und zu ihnen gehörenden Gebete wachte. Diese Darstellung der Gottesmutter und ihres Kindes wirkte weit schlichter im Vergleich zu jener, die sie über dem Tor begrüßt hatte, bei ihr fanden sich weder Zepter noch Krone, sie trug schlichte Gewänder, während lediglich ein weites Kopftuch ihr Haupt zierte. Dieserart gekleidet, ähnelte sie der Prägung auf Cathys Medaillon, ein Umstand, den die junge Soldatin mit stummem Wohlwollen zur Kenntnis nahm. Erst jetzt, an diesem besonderen Platz angekommen, fand ihre noch vormals in Hektik gefangene Seele ein wenig zur Ruhe. Ihr erster Gedanke, seit sie ihren Fuß über die Grenze Venedics setzte, galt diesem einen Moment. So schmerzvoll die Trennung von ihren Liebsten auch gewesen sein mochte, offenbar gehörte es zu Gottes Plänen, sie in diese Stadt zu schicken. Als Angehörige der Streitkräfte bestand ihre Pflicht im Schutz der Menschen, die lebten, wo sie ihren Dienst versah. Dies bedeutete, sie würde von diesem Tag an für die Bürger der Stadt mit ganzer Kraft und voller Überzeugung einstehen. Für diese neue Aufgabe wollte sie um Stärke und Beistand bitten.

Doch noch während Cathy eine der unbenutzten Wachskerzen aus ihrer Halterung zog, geboten ihr bohrende Zweifel Einhalt. Und ganz gleich wie sehr sie dagegen ankämpfte, die Ungewissheit lastete zu schwer auf ihr, um sie zu ignorieren. Was, wenn sie den Herausforderungen, welche diese fremdartige Metropole zweifelsohne für sie bereithielt, nicht gewachsen war? Der Gedanke beschäftigte sie wieder und wieder in den vergangenen Wochen. Vielleicht wurde sie nun, inmitten der Fremde, einer letzten Prüfung unterzogen, um ein für alle Mal ihre Aufrichtigkeit unter Beweis zu stellen. Denn im Grunde kamen ihr viele der Umstände, welche sie nach Venedic führten, schon länger überaus rätselhaft vor. Das Straßenbild und Ambiente, durchzogen von historischen Bauten filigranster Machart, zeugte von einer langen Geschichte, was die Erklärungen ihres Taxifahrers noch bekräftigten. Den letzten und fraglos beeindruckendsten Beweis für die Bedeutsamkeit dieser Stadt lieferte überdies jene wundervolle Kathedrale, die Cathys kühnste Erwartungen noch übertraf.

Und trotz alledem hörte sie deren Namen bis kurz vor ihrer Versetzung nicht ein einziges Mal. In ihrer Erinnerung tauchte er nirgends auf. Selbst Sofía, mit der sie so viele Male für den Geographieunterricht lernte, verlor eigenartigerweise niemals ein Wort über jenen speziellen Winkel auf der Landkarte. Fraglos mussten dies Zufälle sein. Oder Cathy wurde einfach von ihrer Erinnerung im Stich gelassen, denn wer behielt schon stets die Namen aller Orte im Bundesstaat im Kopf. Dennoch, in ihrem Bewusstsein existierte Venedic erst seit diesem Tag. Und ganz besonders in Anbetracht dieser Tatsache begann sie zu glauben, aus einem tieferen Grund hier zu stehen. Das Unbekannte und Neue, dies wusste sie trotz ihrer noch bescheidenen Lebenserfahrung nur allzu gut, forderte stets seinen Tribut. Und welchen Preis ihr diese rätselhafte neue Wirkungsstätte abverlangen würde, wussten nur der Herr und die Engel an seiner Seite.

Cathys Halsbinde erweckte einmal mehr den Eindruck, zu eng an ihrem Kragen zu sitzen, während ihre Hände, welche noch immer die Kerze umklammerten, wie gelähmt blieben. Nicht nur die Furcht vor dem Scheitern nahm ihr jede Regung. Vielmehr keimte in ihr von neuem jene Angst auf, die sie Stunde um Stunde in ihrem Herzen trug. Die Gewissheit über Gefühle, die sie nicht haben und Wünsche, welche sie niemals äußern durfte. Erinnerungen, die ihr gleichermaßen Wonne wie Schmerz bereiteten. Die anmutige Miene eines geliebten Menschen, den zu begehren, eine Sünde bedeutete. Und ein Kuss in einer sternklaren Nacht, der ewige Verdammnis verhieß.

Die junge Soldatin atmete schwer. Unter den sanftmütigen Augen der heiligen Maria überhaupt daran zu denken, bereitete ihr schreckliches Unbehagen. Es geschah ihr beileibe nicht zum ersten Mal. Am Beginn eines neuen Weges gewann indes alles ein weitaus beängstigenderes Ausmaß. Jetzt brach womöglich ein Morgen an, der sie zu einer Entscheidung verpflichtete. Einer Wahl, welcher sie seit Jahren aus dem Weg ging, für oder gegen die Liebe, an der sie trotz aller Schuldgefühle noch immer festhielt. Und nichts ängstigte Cathy mehr, als die Vorstellung, weit fort von Zuhause den vielen Verlockungen des Großstadtlebens zu erliegen und endgültig in den Stand der Ungnade zu fallen, aus dem es kein Entrinnen mehr gab. Stellte sie ihre neue Heimat auf jene verhängnisvolle Probe, wusste die junge Soldatin nicht, ob sie bestehen konnte.

Mit verzweifelter, beinahe flehentlicher Miene sah sie in die Augen der seligen Mutter, deren Miene gleichwohl reglos blieb. In ihrem Innern rang sie nach Worten, um ihrer Sorge im Gebet Ausdruck zu verleihen, doch entglitten ihr die Sätze im Geist ebenso rasch, wie sie kamen. Letztlich verzagte Cathy und senkte das Haupt. Der Docht ihrer Kerze blieb im Dunkeln. Was um sie herum geschah, nahm sie nicht länger wahr, selbst die allgegenwärtigen Schritte, gleich ob nah oder fern, verloren in diesen Sekunden der Einsamkeit alle Bedeutung. Zurück blieb nur eine bange Frage.

„Bin ich allein?“

„Wenn jeder Mensch alle Menschen liebte, so besäße jeder Einzelne die Welt.“

Friedrich von Schiller


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Henry
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Re: [Cathy]: Eine Pilgerin in der Stadt der Nacht

Beitragvon Henry » 22.01.2020, 07:53

Schon mehrere Tage war es her, dass Henry von Phoenix nach Venedic gekommen war. Eigentlich war es nur ein Spiel, eigentlich war es nur darum gegangen, zu beweisen, dass sie ohne Fahrkarte hinkam, wohin sie wollte und dieser Weg hatte sie nach Venedic geführt. Einer Stadt, von der sie noch die gehört hatte. Aber das sagte nicht viel aus. Sie war achteinhalb Jahre alt und ohne Junior High hatte man nun einmal nicht so viel Ahnung von der Welt oder auch seiner eigenen großräumigeren Umgebung. Venedic jedenfalls hatte sie fasziniert, hier sah’s cool aus, und Henry hatte sich überlegt, einfach nicht mehr nach Phoenix zurückzugehen.

Das war ohnehin immer das Risiko. Wenn die Geschichte nicht überzeugend war und die Leute sich nicht bequatschen ließen, die sie auf ihrem Alleingang "erwischten", landete man schnell bei der Fürsorge. Noch schlimmer waren Frauen, die meinten, Muttergefühle zu entwickeln, im Sinne von "wie kann man ein Kind nur alleine" und "ich sorge dafür, dass Du sicher daheim ankommst".
Im Grunde wollten sie das wahrscheinlich, schmiedeten aber gleichzeitig schon Pläne, was sie dort für einen Aufruhr veranstalten würden, weil sie es nicht richtig fanden, ein Kind allein irgendwo zu lassen und sich nicht um was auch immer zu kümmern. Aus so einer Falle herauszukommen, war nicht einfach. Da zog Henry eine Entführung durch irgendeinen Halunken echt vor. Aber das würde auch nicht passieren, gab ja keinen, der was für sie bezahlen würde.

Jetzt war sie hier und Venedic gefiel ihr. Sie brauchte nur einen besseren Unterschlupf als den, den sie hatte. Ein paar Kartons in einer Seitengasse entsprachen nicht ihren Vorstellungen. Sie lebte vielleicht auf der Straße, aber ein Penner war sie nicht. Außerdem musste sie noch ein paar Connections finden. Die Leute, die für andere Leute schufteten und Müll rausbrachten, waren da die beste Anlaufstelle. Wenn man Glück hatte, steckten sie einem was von den Resten zu, bevor sie in der Tonne landeten. In Phoenix hatte Henry ein Netz von Versorgern eingerichtet, hier war sie allein.

Und leider war sie hier in der Kirche, von der sie sich erhofft hatte, keine Menschenseele zu treffen, wie die letzten Tage um diese Uhrzeit schon nicht, auf einmal nicht mehr allein. Einer mit Uniform war reingekommen und sie hatte sich gerade noch so hinterm Altar verstecken können, nachdem sie gemütlich das Schloss von der Tür geknackt hatte, hinter der die Oblaten und der Wein versteckt waren. Nicht das beste Abendessen, aber besser als nichts. Ein paar Kerzen hätte sie jetzt noch gebraucht, aber der Typ stand genau vor diesen und tat ... nichts?

Henry lugte vorsichtig um die Ecke. Kurz war sie erstaunt, eine Frau in Uniform zu sehen, doch die Erleichterung überwiegte, dass es sich vorerst einmal um keinen Cop handelte. Sie hatte Cops in Venedic gesehen, die waren anders angezogen. Das minderte hoffentlich das Risiko, verhaftet zu werden. Aber wie kam sie jetzt an die Kerzen, wenn die da stand und nichts tat. Sie zündete die Kerze in ihrer Hand ja nicht mal an. Wahrscheinlich musste sie sie erst be-beten. Henry hatte keinen Bezug zu diesem Glaubenskram, aber wenn Leute beteten, waren sie oftmals sehr abgelenkt. Vielleicht schaffte sie es zum anderen Kerzenkasten zu kommen.

In ihrer Tasche fand sie noch einen Penny. Sie könnte so tun, als würde sie eine Kerze bezahlen. Mit lautlosen Sohlen schlich das Mädchen in den abgewetzten Jeans und dem bunten Shirt über dem Zwiebellook auf ihr Ziel zu und packte Kerzen in die Hosentaschen, so leise es ging. Immer mit einem Blick auf die andere. Sollte die sie hören, würde sie sie ruckartig stillstehen, mit geschlossenen Augen den Kerzen zunicken und ihren Penny in die Eisendose werfen. Okay ... hm. Die könnte man vielleicht irgendwann auch näher in Augenschein nehmen. Daran hatte sie gar nicht gedacht. In jedem Fall würde sie sich eine letzte Kerze schnappen und dann verschwinden, ohne die andere anzusehen. Als hätte sie sie gar nicht wahrgenommen.
"Das könnte funktionieren", glaubte sie ...

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Re: [Cathy]: Eine Pilgerin in der Stadt der Nacht

Beitragvon Cathy » 26.01.2020, 18:12

Gerade, als jener verhängnisvolle Schleier aus Einsamkeit Cathy ganz und gar einzuhüllen drohte, drangen leise Geräusche an ihr Ohr, nicht mehr als ein Hauch vorsichtiger Bewegungen in der weihrauchgetränkten Luft. Unter gewöhnlichen Umständen hätte die Stille inmitten der Kathedrale sie wahrscheinlich vollkommen verschluckt. Cathy aber war bereits seit vielen Jahren darin geübt, selbst die kleinsten Anzeichen jedweder Regung in ihrem näheren Umfeld wahrzunehmen, eine Fertigkeit, die im Laufe ihres Lebens mehr als einmal wesentliche Bedeutung erlangte, ganz gleich ob auf dem Hockeyspielfeld oder dem Manöverplatz. Und so brachte selbst jenes winzige Wispern inmitten durchdringender Ruhe die Mauer aus Tristesse, welche ihre sorgenvollen Gedanken auftürmten, abrupt zum Einsturz.

Cathy blinzelte kurz und wandte den Kopf seitwärts. Überraschenderweise entdeckte sie dabei zu ihrer Linken, wenig mehr als einen Fußbreit entfernt, die Gestalt eines Kindes, genauer eines jungen Mädchens, das nun ganz unvermittelt vor dem Opferhalter stand und wie sie eine Kerze in der Hand hielt. Doch nicht allein das plötzliche Auftauchen dieser unverhofften Gesellschaft versetzte die Soldatin in Erstaunen, sondern ebenso deren ungewöhnliches Äußeres, das bereits auf den ersten Blick ins Auge stach. Es begann mit einer mutmaßlich wahllos zusammengewürfelten und dementsprechend nicht weniger bunten Kombination übereinander getragener Oberteile, die in den allermeisten Fällen ein gutes Stück zu weit ausfielen, ergänzt von einer ausgebleichten Jeanshose, die fraglos schon bessere Tage gesehen hatte. Dem folgte ein Paar leicht klobig anmutender Stiefel, das gleichsam kaum der Schuhgröße seiner jetzigen Besitzerin entsprach.

Zu dieser recht chaotischen Aufmachung gesellte sich ein aufmerksames Gesicht mit wachen, beinahe schon misstrauisch dreinschauenden Augen, die im flackernden Kerzenlicht einen blaugrünen Schimmer offenbarten. Ein wild und zerzaust wirkender Haarschopf in hellem Braun, der vermutlich selbst den stabilsten Kamm vor eine Herausforderung stellte, rahmte jenes Antlitz ein, das Cathy mit großer Verwunderung betrachtete. Ohne selbst jemals zuvor eine so große und prachtvolle Kathedrale betreten zu haben, wäre sie im Normalfall davon ausgegangen, an diesem Ort, wenn überhaupt, lediglich die Kinder gutbetuchter Eltern anzutreffen, die an den Sonntagen in teuren Kleidern oder Anzügen zur Messe erschienen. Dieses Mädchen hingegen hätte viel eher in die beschauliche St George's Chapel in ihrer Heimatgemeinde gepasst, jener Kapelle, in der naturgemäß die ärmsten Familien des Vororts zusammenkamen, in dem sie einst aufwuchs.

Die junge Soldatin musste unwillkürlich an ihre eigene, kaum eben mit Überfluss gesegnete Kindheit denken. Mannigfaltige Erinnerungen an ihre damalige Garderobe, die zumeist aus zweiter oder dritter Hand stammte und von Anna mit Nadel wie Faden mühselig in Schuss gehalten wurde, kamen ihr in den Sinn. Und natürlich Sofía, die teils noch Kleider aus der Schulzeit ihrer Mutter auftragen musste. Dazu die steten Ängste und Existenznöte. Unheilvoll anmutende Briefumschläge, die Mahnbescheide und überfällige Rechnungen enthielten. Dies alles in Verbindung mit der Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes, welcher Anna besonders in den ersten Jahren umtrieb, was ihrer Tochter selbstverständlich nicht verborgen blieb. Die Vermutung, das Kind an ihrer Seite könnten ähnliche Sorgen an den Kerzenhalter führen, lag für Cathy überaus nahe und der ernste, womöglich schüchterne Ausdruck in seinen Zügen schien dies noch zu unterstreichen.

Aus diesem Grund beschloss sie, umso behutsamer mit der Ankunft jener kleinen Kirchengängerin umzugehen und setzte eine freundliche Miene auf.

„Oh, entschuldige bitte“, sprach sie mit flüsternder, aber nicht zu leiser Stimme. „Ich war wohl gerade ein wenig in Gedanken. Warte, ich mache dir kurz Platz.“

Mit diesen Worten trat sie einen Schritt zur Seite und lächelte dem Mädchen dabei aufmunternd zu. Und obwohl sie nicht wusste, ob jene Geste den erhofften Effekt haben und ihm etwas Mut machen würde, stellte sie noch im selben Atemzug verblüfft fest, wie dieser eine Moment die Zweifel in ihrer eigenen Seele buchstäblich in Luft auflöste. Mit wiedergewonnener Zuversicht widmete Cathy ihre Aufmerksamkeit den brennenden Lichtern, die noch immer friedlich vor ihr flackerten. Nun endlich gelang es ihr mit Leichtigkeit, den Docht ihrer eigenen Kerze an einer der winzigen Flammen in der ersten Reihe zu entzünden. Und während sie das bescheidene Feuerchen in ihrer rechten Hand betrachtete, wurde ihr unendlich leicht ums Herz.

Cathy ließ sich bewusst ein wenig Zeit, ehe sie wieder hinübersah. Spätestens seitdem sie die Patentante von Sofías Sohn Juan geworden war, wusste sie um die einschüchternde Wirkung, welche Uniformen auf einige Kinder hatten. Nach ihrer Erfahrung half es dabei manchmal, zunächst etwas Abstand zu wahren und auf keinen Fall wollte sie dafür verantwortlich sein, wenn es ein noch so junges Gemeindemitglied vor lauter Respekt nicht wagte, ein Opferlicht aufzustellen. Erst nach dem Verstreichen einiger Sekunden riskierte sie einen weiteren Blick über die Schulter, welcher der Kerze des Neuankömmlings galt.

„Wenn du möchtest, könnte ich sie dir anzünden. So etwas bringt Glück, weißt du?“

Diesen letzten Satz unterstrich sie mit einem Schmunzeln.

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Re: [Cathy]: Eine Pilgerin in der Stadt der Nacht

Beitragvon Henry » 27.01.2020, 05:53

"Mist", war noch ein gesitteter Gedanke, den Henry vor ihrem inneren Auge sah. Das waren nicht einmal drei Teelichtkerzen und schon musste sie ihren Plan umsetzen. Schon als die andere nur andeutete, ihren Kopf zu drehen, stand sie mucksmäuschenstill. Sie musste dringend an ihren Bewegungen arbeiten, aber das lag wahrscheinlich an den Stiefeln, die einfach nicht fest genug saßen. Ihren klimpernden Rucksack hatte sie draußen versteckt, er wäre nur hinderlich gewesen. Wein hatte sie in einer Halb-Liter-Plastikflasche abgefüllt in den Hosenbund am Rücken geschoben, wie es in schlechten Krimis zivile Cops mit ihren Waffen taten. Die Oblaten krümelten mit den Kerzen in ihren Hosentaschen.

Einen Nachteil hatte das Stillstehen und So-tun-als-Ob. Sie spürte nur den Blick, der sie getroffen hatte, wusste aber nicht, ob er noch immer auf ihr ruhte oder es Einbildung war. Es kribbelte, als wäre er noch da, aber das war ja nur Einbildung. Es konnte so sein oder auch nicht. Gerade als sie also plante, ihren Penny einzuwerfen, wurde sie angesprochen. Damit hatte sie jetzt nicht gerechnet. Hatte sie sie gesehen, das mit den Kerzen? Sie stand ja am zweiten der Kerzenstände, Platz hatten sie genug. Ob der Gefahr, vergackeiert zu werden, traf die Uniformierte ein recht skeptischer Blick. "Ich hab' doch Platz", konnte Henry daher nur entgegnen, musste sich aber dann schnell besinnen, dass Patzigkeit vielleicht nicht gerade die beste Taktik war. "Aber danke, schon gut, ich wollt' eh grad' geh'n", sie versuchte sich an einem Lächeln, aber ihre Augen verrieten, dass sie jede Bewegung nach einem Zugriff sofort registrieren würde.

Anstelle aber einfach umzukehren und wegzugehen (oder zu laufen), um dem unheilvollen Fürsorge-Griff zu entgehen, stellte sich die andere einfach nur ein Stück zur Seite und widmete sich wieder ihren Gebeten oder eher dem Anzünden der Kerze. Henry bewegte sich keinen Millimeter. Irgendwie war diese Situation komisch für sie. Das einzige, das sich bewegte, war ihre Hand mit der Kerze, die in ihrer Hosentasche verschwand, sie sah nicht darauf, merkte es nicht einmal. Es passierte einfach automatisch. Vom Bild her hätte man es mit einer Katze vergleichen können, die ein Gegenüber anstarrte, während die Pfote irgendwas vom Tisch schob, ohne darauf zu achten.

Dann sah die andere sie wieder an, sprach sie an - blöderweise just in diesem Moment. Also zog sie ruckartig die Hand wieder aus der Tasche, das Kerzchen entglitt ihren Fingern, ploppte in seinem Aluschälchen zu Boden und rollte ein Stück. "Glück?", fragte sie, während sie sich hektisch auf die Kerze stürzte und sie wieder aufhob.
"Könnte ich wohl brauchen", grinste sie dann verschmitzt und irgendwie glaubte sie nicht, dass die andere nichts gesehen haben wollte. Aber vielleicht war ja ein Abendessen drin. Normalerweise machten sich Erwachsenen nicht die Mühe, sie hinters Licht zu führen, bevor sie sie greifen wollten, um sie zu irgendeinem Jugendamt zu zerren. Also streckte sie das Lichtchen auf der Handfläche der Uniformierten entgegen. "Glück ist gut", kommentierte sie das schlicht.

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Re: [Cathy]: Eine Pilgerin in der Stadt der Nacht

Beitragvon Cathy » 02.02.2020, 15:06

Die erste, vermutlich ein wenig patzige Reaktion des Mädchens ließ Cathy zunächst verdutzt aufhorchen, da seine Antwort so gar nicht zu ihrem ersten Eindruck eines verschüchterten Kindes passte, aber dies bot für sie beileibe keinen Anlass, sich irritiert zu geben. Im Gegenteil, das erstaunlich selbstbewusste Auftreten der Kleinen imponierte ihr sogar, vor allem, da sie, grob geschätzt, kaum älter als neun oder zehn Jahre alt sein konnte. Nichtsdestotrotz freute es Cathy, kurz hiernach ein heiteres Gesicht zu erkennen, wenngleich dieses, wie die Soldatin bemerkte, fast ein wenig angestrengt wirkte. Wenn ihre erste Vermutung allerdings den Tatsachen entsprach und die junge Kirchengängerin tatsächlich jener Kummer plagte, der in weniger begüterten Familien zum Alltag gehörte, dann verstand sie dies nur allzu gut.

Wäre das Mädchen seiner folgenden Ankündigung, die Kirche jetzt ohnehin zu verlassen, nachgekommen, hätte es Cathy dennoch in dem Wissen, vielleicht ein wenig zu dessen Aufmunterung beigetragen zu haben, gerne dabei belassen. Ihr in ebendiesem Sinne gemeintes Angebot, die Kerze des Kindes anzuzünden, bewirkte indes eine gänzlich unerwartete Folge. Ihrem Gegenüber schlüpfte in einem vermeintlichen Moment der Unachtsamkeit plötzlich das kleine Aluminiumgehäuse durch die Finger und drohte auf dem steinernen Boden geradewegs davonzuspringen. Von dem Willen getragen, dem Mädchen zu helfen, setzte Cathy bereits dazu an, die Kerze aufzulesen, ehe sie unter einer der nahen Bänke verschwinden konnte. Ihre neue Bekanntschaft bewies allerdings zu ihrer abermaligen Überraschung eine erstaunliche Reaktionsfähigkeit und fing das kleine Metallschälchen mit einem verblüffend geschickten Hechtsprung wieder ein, noch bevor die Soldatin in die Knie zu gehen vermochte.

Zu Cathys Erleichterung brachte jener Fauxpas das Mädchen nicht aus dem Konzept. Mehr noch, sein breites Grinsen und die selbstironischen Worte, mit denen es den kurzen Fehlgriff kommentierte, erlaubten keinerlei Widerstand und veranlassten die Soldatin ein weiteres Mal zu einem ausgelassenen Schmunzeln. Dieses Kind schien zweifellos weitaus gewitzter, als sie es ursprünglich vermutete und war anscheinend noch dazu um kaum eine Bemerkung verlegen. Dies alles, gepaart mit einem vollauf entwaffnenden Lachen, musste selbst den größten Griesgram erweichen und wem bei diesem Anblick nicht das Herz aufging, so entschied Cathy kurzerhand, besaß entweder ein solches aus Stein oder gar keines. Dementsprechend freudig nahm sie das Licht in Empfang.

„Sehe ich auch so“, gab sie zwinkernd zur Antwort, jedoch nicht ohne selbst für einen Wimpernschlag von neuem in Nachdenklichkeit zu verfallen. Gegen ein wenig gutes Geschick gab es wahrlich nichts einzuwenden, ganz besonders eingedenk der vielen Herausforderungen, die sie in den kommenden Wochen und Monaten erwarteten. Glücklicherweise gab es davon nach ihrer festen Überzeugung mehr als genug für sie beide, wenngleich ihr am Wohlergehen des jungen Gemeindemitglieds selbstverständlich weitaus mehr lag.

Mit diesem stummen Anliegen führte sie die Dochte der beiden Kerzen vorsichtig zusammen und entzündete eine weitere winzige Flamme, die nun im Einklang mit der anderen leicht vor sich hinflackerte. Die Soldatin betrachtete andächtig die friedvollen Lichter in ihren Handflächen und stellte diese dann vorsichtig in die erste Reihe des Opferständers. Dort gingen sie in dem rundherum pulsierenden Schein auf, was Cathy zu einem wohlwollenden Nicken bewog.

„In Ordnung, das hätten wir“, sprach sie und sah lächelnd zu dem Mädchen. „Ich glaube, das ist ein guter Anfang. Jetzt musst du nur noch ganz fest an etwas denken, das du dir wünschst und dann wird es bestimmt in Erfüllung gehen.“

Cathy versuchte, ihre vollkommene Zuversicht in diesen Satz zu legen und trotzdem beschlich sie neuerlich der Schatten eines Zweifels. Denn wie ihr eigener Wunsch lauten sollte, wusste sie im Grunde gar nicht wirklich. Vor ihrem geistigen Auge ging die Zukunft in den verworrenen Straßen dieser fremden Stadt verloren. Aber vielleicht fiel es dem Mädchen an ihrer Seite ja leichter. Sie beschloss, jener Hoffnung einfach zu vertrauen.

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Re: [Cathy]: Eine Pilgerin in der Stadt der Nacht

Beitragvon Henry » 05.02.2020, 07:52

Die Uniformfrau wollte auch nach dem Alu-Kerzchen greifen, doch Henry war schneller gewesen. Als sie sie ihr hinhielt, um das Glück zu empfangen, musterte sie das freundliche Gesicht. Sie schien nicht bemerkt zu haben, dass sie die Kerzen klauen wollte. Und Henry glaubte nicht, dass sie ihr etwas vorspielte. Erwachsene waren immer froh, wenn sie jemanden ertappten und rügen konnten. Hier empfand Henry nichts dergleichen auch nur im Ansatz. Also gab es wohl keinen Grund zur Sorge.

Henry beobachtet nun, wie die Fremde die Kerzen miteinander anzündete und fragte sich, warum das Glück bringen sollte. Manche Leute glaubten an komische Sachen. Aber vielleicht reichte es ja aus, dass die eine dran glaubte, damit die andere was davon hatte. Irgendwie schien das Licht die Uniform-Frau in Gedanken zu beschäftigen, denn sie wirkte so abwesend, wie manchmal das Mädchen an der Kinokasse in Phoenix. Henry hatte sich dann immer schnell vorbeischleichen und die neusten Filme sehen können. Aber auch nur, weil sie den Saalanweiser kannte, der früher selbst auf der Straße gelebt hatte. Der ließ sie dann immer durchschlüpfen, obwohl sie keine Abrisskarte hatte. Vielleicht gab es hier auch ein Kino, bei dem das irgendwie funktionierte?

"In Ordnung, das hätten wir", ... jetzt war Henry selbst so sehr in Gedanken gewesen, dass sie ihre Umgebung vergessen hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde zumindest. Innerlich erschrak sie kurz, als die Fremde wieder zu reden begann. Vor allem wirkten Stimmen in Kirchen immer irgendwie als kämen sie direkt aus einem Bodenloch, hallend und hohl. "An was denken?", also musste man auch noch was tun, um Glück zu kriegen. Wenn die Macht der Gedanken - ein Ausdruck, den sie aus einem Film hatte - so stark wäre, dann würde sie schon lange nicht mehr auf der Straße schlafen. Aber gut, dann machte sie ihr die Freude eben, schaden konnte es ja nicht.

Henry kniff die Augen fest zusammen und dachte an Essen. Existenzbedürfnisse bedurften immer der Wiederholung, hatte einmal eine weise Alte auf der Straße erzählt. Was auch immer sie genau meinte, aber Henry kam genau dieser Spruch in den Sinn und vielleicht hatte er ja damit zu tun. "Okay", sagte sie dann nach einer gefühlten Ewigkeit, die kaum zehn Sekunden andauerte. "Und jetzt?", hoffentlich musste sie nicht noch tanzen, wie Voodooleute, die Regen wollten.

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Re: [Cathy]: Eine Pilgerin in der Stadt der Nacht

Beitragvon Cathy » 12.02.2020, 17:38

Zu beobachten, mit welch großer Aufmerksamkeit das Mädchen diesem im Grunde recht einfachen Ritual Schritt für Schritt folgte, ohne dabei ein einzelnes Detail auszulassen, weckte in Cathy, die den Anstrengungen ihres Gegenübers mit amüsiertem Gesicht beiwohnte, noch größere Sympathie. Jedoch gab ihr das Verhalten dieses Kindes zugleich ein Rätsel auf. Die mehrmaligen Nachfragen der Kleinen und ihre Miene, die geradezu nach weiteren Erklärungen verlangte, wirkten beinahe, als wäre sie heute zum ersten Mal mit dieser Tradition in Berührung gekommen. Cathy ließ sich nichts anmerken, aber die bloße Vorstellung, sie habe noch niemals für ihre Familie oder einen Herzenswunsch eine Kerze angezündet, stimmte die Soldatin ein wenig traurig. Und wenn sie nicht einmal wusste, worum es dabei überhaupt ging, machte dies die Angelegenheit umso betrüblicher.

Andererseits stellte es unter Umständen eine gute erste Tat in ihrer neuen Heimat dar, wenn sie dem Kind an ihrer Seite diesen schönen Brauch näherbrachte. Und selbst wenn es zu jenem Zeitpunkt reines Wunschdenken darstellte, mochte dieses unter Umständen in kommenden Lebensjahren dann und wann ein wenig Hoffnung hieraus schöpfen, wie es Cathy selbst bereits seit ihren frühen Tagen tat. Dann besaß die eigentlich vollkommen zufällige Begegnung vor dem Opferständer bereits einen Sinn, noch dazu einen sehr schönen. Und schließlich geschah nach ihrer eigenen Überzeugung nichts ohne einen Grund. Allein aus der Erinnerung hieran schöpfte sie neue Zuversicht.

„Nichts“, antwortete sie heiterer Stimme. „Das war‘s schon. Jetzt wartest du einfach darauf, dass dein Wunsch wahr wird.“

Cathy verschränkte kurz die Arme und tat so, als würde sie nachdenken. Dann hob sie, erhellt durch eine vermeintlich spontane Erkenntnis, den Zeigefinger.

„Ah, richtig, da ist noch was. Du darfst natürlich niemandem erzählen, an was du gedacht hast. Sonst funktioniert es nicht. Das ist der Kniff an der ganzen Geschichte.“

Die Soldatin fuhr mit ihrer rechten Hand über die Lippen, als wollte sie einen Reißverschluss zuziehen und zwinkerte ein weiteres Mal scherzhaft. Als sie dabei das Mädchen mit den wachsamen Augen noch einmal genauer musterte, kam sie abermals ins Grübeln. Bis zu diesem Moment ging sie fest davon aus, vermutlich jeden Moment auf ein Elternteil des Kindes zu treffen, das es abholte und mit auf den Heimweg nahm. Diese Gewissheit geriet im Geist der Soldatin allmählich ins Wanken. Selbst für jemanden aus ärmlicheren Verhältnissen machte die Kleidung der Kleinen einen wirklich erbärmlichen Eindruck und ihr zerzaustes Haar wirkte nicht, als hätte jemand ernstliches Interesse gezeigt, sie wenigstens am Morgen etwas vorzeigbarer in die Schule zu schicken. Wenn es denn überhaupt so weit kam.

Nun kannte Cathy solche Fälle sehr gut. In ihrem Freundeskreis fanden sich früher neben Sofía viele andere Kinder, denen ihre Mütter oder Väter, so es denn einen gab, weitgehend gleichgültig gegenüberstanden. Die Soldatin hatte nie verstanden, warum manche Leute erst Nachwuchs in die Welt setzten und diesen dann nur noch wie ein zeitraubendes Ärgernis behandelten, aber in ihrem Heimatort stellte dies nicht unbedingt eine Seltenheit dar. Wie viel Zeit verbrachten sie und ihre beste Freundin früher mit den unzähligen Mädchen oder Jungen, denen neben der Straße nur noch die Kapelle als Ort zum Spielen blieb. Vielleicht fristeten Sofía und sie mit in Vollzeit arbeitenden Eltern damals kein einfaches Dasein, trotzdem begriffen beide früh, was es bedeutete, ein noch schwereres Los zu erfahren.

Die im Kerzenschein blaugrün schimmernden Augen, welche sie unablässig anstarrten, erinnerten sie nur zu gut an all die Gesichter, welche ihr aus jener Zeit im Gedächtnis blieben. So sah nur jemand aus, der früh lernen musste, selbstständig durch das Leben zu gehen und darüber die Unbeschwertheit seiner jungen Jahre nur allzu oft vergaß. Cathy versuchte den Gedanken abzuschütteln, schließlich wollte sie aufgrund ihrer eigenen Vorgeschichte kein überhastetes Urteil fällen, das womöglich noch abgedroschenen gesellschaftlichen Klischees entsprach. Und dennoch gelang es ihr nicht, jenes unbehagliche Gefühl zu vertreiben, welches sie geradezu aufforderte, etwas für dieses Mädchen zu tun, was über das Anzünden einer Kerze hinausging.

Für eine Sekunde streifte ihr Blick die nahen Kirchenbänke. Die leisen Stimmen von vor wenigen Minuten schienen längst verhallt und vollkommene Stille erfüllte die Kathedrale. Das Tageslicht, welches noch durch die Fensterrose brach, schwand von Minute zu Minute. Wenn ihr Eindruck stimmte und das Mädchen ganz ohne Begleitung hier war, so überlegte Cathy, konnte sie es zur Not wenigstens sicher nach Hause bringen. Sie entschied im Stummen, dies bei Gelegenheit einfach anzubieten. Und in diesem Fall schadete es bestimmt nicht, sich vorsorglich kurz vorzustellen. Wahrscheinlich sorgte ihre Uniform noch immer für ein gewisses Unbehagen bei dem Kind. Ein Name half eventuell ein wenig darüber hinweg.

„Ach, übrigens, ich bin Catherine“, erklärte sie nach einer kurzen Pause. „Aber du darfst mich gerne Cathy nennen, wenn du willst. Das machen eigentlich alle.“

Die Soldatin verzichtete bewusst auf die Frage nach dem Namen des Mädchens, um keinen Druck auszuüben oder irgendwelche Ängste hervorzurufen. Die Entscheidung, ihn zu nennen oder eben auch nicht, überließ sie ganz der jungen Kirchengängerin.

„Wenn jeder Mensch alle Menschen liebte, so besäße jeder Einzelne die Welt.“

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Re: [Cathy]: Eine Pilgerin in der Stadt der Nacht

Beitragvon Henry » 18.02.2020, 07:13

"Nichts?", wiederholte Henry uniform, "na dann ...", wenn es weiter nichts war und das auch noch funktionierte, woran sie eigentlich nicht glaubte - eigentlich -, dann sollte sie das vielleicht öfter machen. Aber wie oft fand sie wen, der ihr dabei half? Konnte man auch selbst machen, wahrscheinlich, jedenfalls hatte sich das so angehört. Die andere dachte noch über was nach, vielleicht hatte sie eine Verstärkungsidee - würde zum verstärkten Magenknurren passen, das Henry empfand. Also wartete sie, die Frau gespannt musternd, auch wenn eine leichte Skepsis nicht zu unterdrücken war.

"Also wie Geburtstagskerzen ausblasen", einmal hatte wer einen angekauten Muffin gebracht und eine Kerze draufgesteckt. Das Ritual war ihr nicht fremd, kannte sie es doch auch aus Kinofilmen. Was ein "Kniff" sein soll, wusste sie zwar nicht so recht, aber offensichtlich passte es zu diesem Verhalten, wenn man Geburtstag hatte.
Interessant war für Henry in dieser Situation auch, dass sie wieder einen Menschen traf, der sich ihr gegenüber sehr "kindgerecht" verhielt. Sie hatte das Wort mal irgendwo aufgeschnappt und sie fand, das passte ideal zu Leuten, die mit ihr sprachen, als wäre sie noch sechs. Dabei war sie schon achteinhalb Jahre alt. Aber das ließ sie durchgehen, konnte ja mal passieren, dass man sich irrte. Nur machte die Geste mit dem Reißverschlussmund das ganze einfach so perfekt, dass es in Henrys Mundwinklen verdächtig nach Grinsen zuckte.

"Na gut, dann werd' ich mal ...", entschloss das Mädchen in den Zwiebelklamotten sich dann. Unsicher, ob sie jetzt nicht doch noch nach was zu essen fragen sollte oder ob sie erst herausfinden musste, ob der Wunsch sich ohne ihr Zutun erfüllt. Gleichzeitig mit diesem zwiespältigen Gedanken, drehte sie sich um und wollte zum Portal zurücklaufen, durch das sie in die Kirche hinein gekommen war.
"Ach, übrigens, ich bin Catherine", folgte ihr danach und sie drehte sich noch einmal zu der anderen. "Hi, ich bin Henry", erwiderte sie spontan und lächelte offen, "Okay, Cathy, mich darfst Du Henry nennen", einen vollen Namen hätte sie nie angegeben. Wer wusste schon, was damit angestellt würde. Dann wand sie sich wieder um und wollte wirklich gehen.

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Re: [Cathy]: Eine Pilgerin in der Stadt der Nacht

Beitragvon Cathy » 27.02.2020, 21:07

Die Erfolgsaussichten von Cathys Anstrengungen, das Mädchen ein wenig von dem hoffnungsspendenden Charakter der Kerzen zu überzeugen, blieben wenigstens nach dem Eindruck der Soldatin ein Stück weit fraglich. Zwar gehörte ihr die ungeteilte Aufmerksamkeit des Kindes, doch es fiel ihm offenbar sehr schwer, an eine wie auch immer geartete heilsame Wirkung zu glauben. Vermutlich kein Wunder in Anbetracht der Entbehrungen, von denen seine abgetragene Kleidung allenfalls einen flüchtigen Eindruck vermittelte. Für einen Augenblick beschlich Cathy gar die Furcht, ob sie nicht womöglich zu viel versprach. Schließlich ging nicht jeder Wunsch in Erfüllung, für den ein Licht entzündet wurde, dies wusste sie nur zu gut. In einem ähnlichen Alter bat sie vor dem Opferständer bei vielen Gelegenheiten darum, ihr Vater möge vielleicht eines Tages zu Anna und ihr zurückkehren, um seine Tochter kennenzulernen. Nur eine von vielen Sehnsüchten, die letztlich ebenso erloschen, wie es am Ende jeder Flamme vor ihr bestimmt war.

Aber vielleicht bedeutete es keine vergebliche Liebesmüh, denn immerhin kannte ihr Gegenüber das verwandte, wenn auch eher weltliche Pendant, das untrennbar zum alljährlichen Geburtstagskuchen gehörte. Dieses Wissen trug wesentlich zu Cathys Beruhigung bei und die findige Bemerkung des Mädchens veranlasste sie zu einem zustimmenden Nicken. Ihre scherzhafte Reißverschlussgeste entlockte ihm gar ein belustigtes Grinsen und allein dieser Umstand bereitete der Soldatin große Freude. Wenn die junge Kirchengängerin aus diesem Moment der Heiterkeit etwas Zuversicht schöpfte, hatte sich das Gespräch bereits gelohnt. Nur für einen Wimpernschlag dachte Cathy an ihren Patensohn Juan. Ihn lachen zu sehen, wärmte ihr Herz wie kaum eine andere Sache auf dieser Welt. Entgegen des guten Zuredens ihrer Mutter gelang es ihr vor der Abreise nicht mehr, ihn zu besuchen. Und so holte sie selbst jetzt ein leichter Hauch von Bitterkeit wieder ein, der scheinbar selbst das schützende Gemäuer dieser altehrwürdigen Kathedrale überwand.

Die Grübeleien nahmen Cathy anscheinend eine Sekunde zu lange in Beschlag, denn noch bevor sie nach dem Namen des Mädchens fragte, verkündete dieses bereits, nunmehr aufbrechen zu wollen und machte auf der Stelle kehrt. Dies stellte ein erwartbares Ende des kurzen Aufeinandertreffens dar und die Soldatin hätte es wie bereits zuvor gerne dabei bewenden lassen. Als die Kleine allerdings zurückschaute und ihr mit fröhlicher Miene doch ihren Namen verriet, da fand auch Cathy wieder zu ihrem Lächeln zurück. Henry, das gefiel ihr, irgendwie passte es genau zu dem aufgeweckten Gesicht, in das sie sah. Wahrscheinlich gab es dazu noch eine vollständige Fassung, die dem Mädchen mutmaßlich zu langweilig oder auch zu altbacken vorkam. Hiergegen gab es vonseiten der Soldatin nichts einzuwenden, ihr ging es in dieser Beziehung ja kaum anders. Nein, Henry klang genau richtig. So viel stand fest.

Cathy kam kaum über jene Feststellung hinaus, denn schon kehrte ihr das Mädchen wieder den Rücken zu und strebte geradewegs dem Eingangstor entgegen. Die nüchterne, aber ebenso frohgemute Art ihrer neuen Bekanntschaft versetzte die Soldatin in Erstaunen und veranlasste sie im gleichen Atemzug zu großer Erheiterung. Im Angesicht ihrer zuvor eher sorgenvollen Stimmung, konnte Cathy nun nicht anders, als leicht mit dem Kopf zu schütteln. Anscheinend brauchte es erst ein Kind, um sie daran zu erinnern, nicht ständig in Gram und Selbstmitleid zu versinken. Manch einer nannte so etwas wohl Ironie des Schicksals. Sie selbst empfand für diese Erkenntnis umso größere Dankbarkeit.

„Alles klar, Henry. Hat mich gefreut, dich kennenzulernen“, antwortete sie mit freudiger Stimme, während ihre Augen noch eine Weile auf dem sich entfernenden Mädchen ruhten. „Auf Wiedersehen dann. Und pass gut auf dich auf, ok?“

Mit diesen Worten wandte sich Cathy wieder dem Opferständer zu, hielt dabei jedoch kurz inne, um ihr zuvor gefasstes Ansinnen zu überdenken. Zwar rückten die Abendstunden mit jeder Minute näher und eine Großstadt stellte zu dieser Zeit ein unangenehmes Pflaster dar. Noch allerdings tauchte das Rot der Dämmerung die Kathedrale in einen sanften Schimmer und wenn die Soldatin betrachtete, mit welcher Selbstverständlichkeit Henry ihrer Wege ging, dann wusste die junge Kirchenbesucherin vermutlich sehr genau, wann sie zuhause sein musste. Für sein Alter machte das Mädchen zudem einen sehr selbstbewussten und erwachsenen Eindruck. Vermutlich gab es dementsprechend keinen Grund zur Beunruhigung.

Cathy kam zu dem Schluss, einem vorschnellen Gefühl übertriebener Fürsorge erlegen zu sein. Nicht umsonst zog sie Sofía schon früher gern mit diesem Umstand auf, wenn sie behauptete, ihr beruflicher Werdegang müsse eigentlich schon fast zwangsläufig in einer Suppenküche enden. Wirklich ernst meinte sie das natürlich nicht, immerhin verbrachten ihre Freundin und sie als Freiwillige viele Stunden in entsprechenden Einrichtungen. Dessen ungeachtet stritt sie das Quäntchen Wahrheit, welches dieser Bemerkung innewohnte, beileibe nicht ab.

Erleichtert musterte Cathy die beiden neuen Kerzen in der ersten Reihe und in diesem Moment verspürte sie eine Leichtigkeit, die ihr bereits seit dem ersten Tag in Venedic fehlte. Selbst der Kloß in ihrem Hals schien wie von Zauberhand verschwunden. In der Tat ein guter Anfang. Wenn ihr jenes Leuchtfeuer nicht den Weg wies, was dann? Mit diesem tröstlichen Gedanken im Sinn schaute sie zur heiligen Maria auf und schlug das Kreuzzeichen. Mehr gab es heute eigentlich nicht mehr zu tun. Bei Gelegenheit hätte sie gerne noch den ansässigen Reverend getroffen, aber hierfür war durchaus noch später Zeit. Sie würde ohnehin oft herkommen, um die ganze Pracht der Kirche näher zu erkunden. Eingedenk dessen mutete es vertretbar an, dies auf die nahe Zukunft zu verschieben.

In einem spontanen Impuls warf die Soldatin einen letzten flüchtigen Blick in Henrys Richtung. Noch immer beeindruckten sie die Schnelligkeit und das Geschick, mit denen sie das geradewegs davonrollende Opferlicht wieder eingefangen hatte. Dieses Mädchen besaß offenbar nicht nur eine erstaunliche Auffassungsgabe, sondern verfügte noch dazu über außergewöhnlich schnelle Reflexe. Ihre Vorstellung mutete womöglich unsinnig an, gleichwohl kam Cathy nicht umhin, die Frage zu stellen, wie gut die Kleine wohl auf Kufen zurechtkam. Immerhin besaß sie nach vielen Jahren Spielpraxis ein gewisses Gespür für Talent und jemanden wie Henry, so meinte sie, hätte wahrscheinlich jeder Jugendclub genauer unter die Lupe genommen. Alles ein wenig weit hergeholt, gar kein Zweifel, trotzdem bekam sie die Angelegenheit für ein paar Sekunden nicht aus dem Kopf.

Cathy seufzte ironisch. Ihre Tage als Spielerin lagen anscheinend noch weiter in der Ferne, als ursprünglich befürchtet. Jetzt dachte sie auch schon wie eine Trainerin und diese Erkenntnis wollte ihr nicht so recht gefallen. Schließlich ging es für sie zunächst darum, endlich selbst wieder einen Schläger in die Hände zu bekommen, so lautete immerhin das Versprechen, welches sie ihrer Mutter vor einem Monat gab. Und doch, die Vorstellung, ihre Fertigkeiten an eine jüngere Generation weiterzugeben, klang nicht unbedingt vollkommen abwegig. Und dies war ja eventuell nicht das letzte Treffen mit Henry, wenigstens, wenn sie ihrem Gefühl vertraute. Dann kam gewiss eins zum anderen und letztlich auch die Gelegenheit, das Thema ganz unverbindlich anzuschneiden.

„Vielleicht beim nächsten Mal“, überlegte die Soldatin ganz bei sich.

TBC: Swingin' with Sam - Vol. 1

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